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Maria
Treben
Biographie, Hausmittel und Heilkräutertipps
der Erfolgsautorin
ENNSTHALER VERLAG STEYR
Bearbeitet von Kurt Treben (Sohn),
Elisabeth Mayr-Treben (Enkelin) und Werner Treben (Enkel)
ISBN 978-3-7095-0133-7
Auf Basis der 3. Printauflage 2021
Maria Treben · Biographie
Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 1993 by Ennsthaler Verlag, Steyr
Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, A-4400 Steyr, Österreich
Covergestaltung: Thomas Traxl & Ennsthaler Verlag
Cover-Illustrationen: Marlene Gemke-Passet, Dießen am Ammersee
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt
INHALT
Vorwort
Maria Trebens Lebensgeschichte
Meine Lebensphilosophie
Gedichte aus Maria Trebens Feder
Tipps zur Vorbeugung von Krankheiten
Heilkräuter und Hausmittel
Maria Trebens Tipps zur Körperpflege
So ernährte Maria Treben ihre Familie
Maria Trebens Vortrag in St. Gallen
Dank – Zuspruch – Trost
Bildteil
VORWORT
Liebe Leser,
vor Ihnen liegt das jüngste Buch der Autorengemeinschaft Treben. Dieses Werk wurde von der Familie Treben (Kurt Treben [Sohn], Elisabeth Mayr-Treben [Enkelin] und Werner Treben [Enkel von Maria Treben]) geschrieben und zusammengestellt. Neben der Lebensgeschichte von Maria Treben finden Sie in diesem Buch auch Gedichte, Maria Trebens Tipps zur Körperpflege, ihre Lebensphilosophie, ihren Vortrag in St. Gallen und vieles mehr. Wir waren bemüht, Ihnen einen Überblick über das Leben und das Wirken von Maria Treben zu vermitteln.
Es ist schon viele Jahre her, seit sie das Buch „Gesundheit aus der Apotheke Gottes“ herausgegeben hat. Bis zum heutigen Tage wurden Millionen Exemplare dieses Buches verkauft, das in viele Fremdsprachen übersetzt wurde und Maria Treben zu einer weltweit anerkannten Heilkräuter-Expertin machte. An dieser Stelle sei besonders auf die Buchreihe „Gesund mit Maria Treben“ (Ennsthaler Verlag) hingewiesen.
Zum Abschluss möchten Sie die Autoren noch bitten, keine Kräuterbestellungen zu ordern, da wir keinen Kräuterversand haben. Wir betreiben keine Heilpraxis und nehmen auch keine Besuche oder Anrufe entgegen. Auch ist es nicht möglich, schriftlich Auskünfte zu geben.
„So bin ich bestrebt, die Menschen nicht nur auf Heilkräuter und ihre Kräfte hinzuweisen, sondern vor allem auf die Allmacht des Schöpfers, in dessen Händen unser Leben geborgen liegt und der es bestimmt. Bei Ihm suchen wir Hilfe und Trost, in schwerer Krankheit demütig und andächtig Kräuter aus seiner Apotheke. An Ihm liegt es, uns zu führen und zu beschenken und unser Leben zu lenken nach seinem Willen!“
(Zitat Maria Treben)
Steinerkirchen/Traun
Autorengemeinschaft Treben
MARIA TREBENS LEBENSGESCHICHTE
Die Jugendjahre – erste Erfahrungen mit Heilkräutern
Maria Treben wurde am 27. September 1907 als zweite Tochter der Ehegatten Anna und Ignaz Günzel in Saaz im ehemaligen Sudetengau geboren.
Ihr Vater hatte eine eigene Buchdruckerei, die Mutter war Hausfrau und widmete sich ganz ihren drei Töchtern. Hilde war die Älteste, Maria die Mittlere und Anni als Jüngste war das Nesthäkchen.
Als Maria noch zur Schule ging, verbrachte sie ihre Ferien immer bei der Familie eines Oberförsters. Im Gegensatz zur Hopfenstadt Saaz, wo das Leben vom Stadtbild geprägt wurde, fühlte sie sich bei dem Försterehepaar viel wohler und lernte dadurch die Natur mit all ihren Erscheinungsformen kennen. Dieser Umstand prägte schon sehr früh ihre Empfindsamkeit der Natur und den Pflanzen gegenüber, die ihr allmählich sehr vertraut wurden und die sie alle namentlich kannte. Gleichzeitig wurde sie auch von ihrer Mutter bestärkt, die als große Kneipp-Anhängerin darauf bedacht war, ihre Kinder so gesund wie möglich zu erziehen, indem sie Erkrankungen weitgehend mit Hausmitteln behandelte.
Als Maria zehn Jahre alt war, schlug das Schicksal das erste Mal grausam zu. Die Familie musste den schweren Verlust des Vaters hinnehmen, der bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Obwohl es zu dieser Zeit schon vereinzelt Automobile gab, wurde doch das Straßenbild noch von Pferdefuhrwerken geprägt. Als ihr Vater eines Tages nichts ahnend seine Schritte von der Druckerei heimwärts lenkte, scheuten plötzlich unerwartet Pferde durch ein vorbeifahrendes Automobil und trampelten den Armen zu Tode. Maria, die sehr an ihrem Vater hing, hat seinen frühen Tod ihr ganzes Leben nie ganz überwinden können.
Nach zwei Jahren übersiedelte die ganze Familie nach Prag, wo die Mädchen ihren Schulabschluss machten. Eines Tages, als die sechzehnjährige Maria einmal von der Schule nach Hause ging, erblickte sie an einer Straßenecke einen alten Mann, der den Passanten aus der Hand las. Geschwind wollte sie an ihm vorbeigehen, als er sie unversehens ansprach: „Nun junges Fräulein, soll ich Ihnen auch aus der Hand lesen? Bei Ihnen würde ich es sogar umsonst machen.“ Darauf erwiderte sie: „Nein, auf so etwas halte ich nichts.“ Doch der Mann bedrängte sie so lange, bis sie tatsächlich ihre Hand hinhielt. Er ergriffe ihre Hand, warf nur einen kurzen Blick darauf und Erstaunen machte sich in seinem Gesicht breit: „Ja, so etwas ist in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen! Junges Fräulein, Sie werden eine Ehe führen, wie unter Tausenden eine. Ihr Mann wird Sie auf Händen tragen, doch Ihr Leben wird nicht nur unter einem guten Stern stehen. Schwere Zeiten werden auf Sie zukommen, Ihr Mann wird noch im Alter ein neues Zuhause schaffen.“
Sie ging rasch weiter ihres Weges und dachte über seine Worte nach, die ihr sehr unglaubwürdig erschienen. Erstens hatte sie ein wunderschönes Zuhause, denn in Prag besaßen sie ja ein Haus und zweitens dachte zu dieser Zeit niemand an einen bevorstehenden Zweiten Weltkrieg und die damit verbundene Vertreibung aus der Heimat.
Einmal verbrachte sie als sechzehnjähriges Mädchen ihre Ferien auf einem Schloss in der Nähe von St. Pölten. Der Vater ihrer Tante besaß eine Maschinenfabrik im Ort und hatte für die Familien einen Teil des Schlosses gemietet. Da Maria sehr tierliebend war, freundete sie sich mit dem zur Familie gehörenden Hund an. Dieser Neufundländer mit hängenden Ohren spürte ihre Zuneigung und begleitete sie auch überall hin. Eines Tages tollte sie mit dem Hund durch den Park, als ihr ein altes Weiblein begegnete, das Maria auf ihren schönen blonden Zopf ansprach: „Mein liebes Kind, du hast aber schönes, langes Haar.“ Sie aber sprach: „Nein, nein, das hab ich nicht mehr. Ich habe Probleme mit meinem Haar, es fällt mir so stark aus, dass ich deswegen schon eine Hautklinik aufgesucht habe.“ Das Weiblein erwiderte: „Das wäre aber ewig schade.“ Ich kenne ein Mittel, das dir bestimmt helfen wird! Siehst du diesen Strauch, auf dem Kletten wachsen? Grab die Wurzeln aus, säubere sie vom Erdreich und koche sie tüchtig. Wenn du dir deine Haare mit diesem Sud wäschst, wirst du wieder dichtes und kräftiges Haar bekommen.“ Maria lief schnurstracks nach Hause, um ein geeignetes Werkzeug zu holen.
Man kann sich denken, dass die Tante nicht sehr erfreut war, als sie Maria mit ihrer Beute ins Schloss ziehen sah. Diese durfte natürlich nicht in die Küche, wo es sie eigentlich hingezogen hätte, um die Klettenwurzel zu kochen, sondern musste mit der Waschküche vorlieb nehmen. Maria sehnte sich damals bestimmt nach ihrer Mutter, die ihr gesagt hätte, wie man den Klettenwurzeln zu Leibe rückt. Aber sie war eben ganz auf sich allein gestellt. Die große Überraschung stellte sich aber nach der durchgeführten Haarwäsche ein. Der Sud war so intensiv (sie verwendete dazu acht riesige Wurzeln!), dass sie kaum mehr mit Bürste und Kamm ihrer Haare mächtig wurde. Hilfesuchend dachte sie in dieser Situation wiederum an ihre Mutter, die sicherlich Rat gewusst hätte. Sie aber sah als einzige Möglichkeit, ihrer Mähne Herr zu werden, diese einfach abschneiden zu lassen. Später, zu Hause angekommen, weinte ihre Mutter bittere Tränen um den schönen langen blonden Zopf. Und daraus lernte Maria ihre erste Lektion: Klettenwurzeln kräftigen das Haar.
So sammelte sie schon als junges Mädchen erste Erfahrungen mit Hausmitteln.
Maria lernt ihren späteren Mann kennen
Maria besuchte das Lyzeum und fand nach Abschluss desselben in der Redaktion des „Prager Tagblatts“ eine Anstellung. Schon bald wurde der Schriftsteller Max Brod auf sie aufmerksam, der seine Publikationen im „Prager Tagblatt“ veröffentlichte und daher täglich in die Redaktion kam. Aufgrund gegenseitiger Sympathie willigte Maria ein, nebenbei auch für ihn zu arbeiten.
Vierzehn Jahre verbrachte sie in der Redaktion des Prager Tagblattes, wo sie sich in einer reinen Männerwelt zu behaupten verstand. Als junges, hübsches Mädchen konnte sie sich der vielen Anträge und Aufwartungen kaum erwehren, doch sie fühlte innerlich, dass ihr der Richtige noch nicht begegnet war.
Maria war eine eifrige Besucherin der Prager Oper, da sie ein Abonnement hatte. Eines Tages traf sie einen guten Bekannten, der ihr seinen Begleiter – einen jungen Studenten der Universität Prag – vorstellte. Bei seinem Anblick wusste Maria sofort, der oder keiner!
Der junge Student hieß Ernst Gottfried Treben und wohnte mit seinen Eltern in Kaplitz. Sein Vater war Oberlehrer, seine Mutter betreute den Haushalt und war eine ausgesprochene Katzennärrin. Bei der Familie wohnte auch noch die Schwester seiner Mutter, Tante Hedwig.
Kaplitz ist ein kleines Städtchen im Böhmerwald, liegt im heutigen Tschechien und ist von der oberösterreichischen Stadt Freistadt ca. 30 km entfernt.
Von nun an trafen sich Maria und Ernst sehr oft. Da aber beide sehr engagiert waren, Maria beim „Prager Tagblatt“ und Ernst bei seinem Studium an der Universität, dauerte es relativ lange, bis die beiden vor den Traualtar traten. Ernst studierte Elektrotechnik und machte sein Diplom. 1935 fand er eine Anstellung bei der Oberösterreichischen Kraftwerke AG (OKA). Er begann, den ganzen Böhmerwald sukzessive zu elektrifizieren. Nun war er in seiner Position so weit gefestigt, dass er daran denken konnte, Maria seinen Eltern vorzustellen. Im August 1939 heirateten die beiden. Sie gab ihre Anstellung beim „Prager Tagblatt“ auf, da Ernst bei der OKA ein gutes Einkommen hatte. Von nun an konnte sich Maria ganz ihrer neuen Rolle als Hausfrau widmen. Für sie hieß dies: von Prag Abschied zu nehmen. Ihre Schwiegereltern hatten in Kaplitz ein wunderschönes, großes Haus – heute ist es das Altersheim von Kaplitz –, in dem sich die beiden im ersten Stock und auch in der Mansarde ihr eigenes Nest schaffen konnten.
Zum Haus gehörte auch ein großer Garten, der mit seiner Rückseite an die Maltsch grenzte. Die Maltsch ist der Grenzfluss zwischen Österreich und Tschechien und mündet in die Moldau.
Natürlich hatte Ernst seiner Verlobten in Prag alles über die Schönheiten des Böhmerwaldes erzählt. Er liebte diesen über alles und seine Schilderungen waren dementsprechend begeistert. Maria nahm dies alles bildlich in sich auf. Sie war nun neugierig, ob es auch zutreffen würde, und als sie nun in Kaplitz lebte, schloss sich ihr ein Paradies wunderbarster Landschaft auf.
„Mein Mann, ein Böhmerwäldler, war verwachsen mit seinem waldigen Gebirge, dem weithin gebreiteten Höhenland bis in seine verborgensten Winkel hinein, seinen klaren Seen und munteren Gewässern, die über Steine Tag und Nacht ihr murmelndes Lied sangen. Bevor ich das alles kennen lernte, hatte ich es durch seine Erzählungen in mich aufgenommen und als ich dann selbst dort lebte, schloss sich mir ein kleines Paradies wunderbarster Landschaft auf. Es ist heute noch wie ein heller Schein, wenn ich an die tiefen Wälder, die leuchtenden Arnikawiesen, die wiegenden Birken, die vielen klaren Bäche und ebenso klaren Waldseen und Hochmoore, die reglose, blaue Rauchsäule über dem Tann, die vielen alten Hammerschmieden, die verstreuten Granitblöcke und an das bröckelnde Gestein alter Burgen denke.“
(Zitat Maria Treben)
Die Zeit um den Zweiten Weltkrieg Die Vertreibung aus der Heimat
Der Zweite Weltkrieg brach aus und 1939 marschierten die Deutschen in das Sudetenland ein. Ernst wurde aufgrund seiner Tätigkeit bei der OKA „unabkömmlich“ gestellt und elektrifizierte somit weiterhin den Böhmerwald. Maria half des Öfteren bei einem Bauern am Radischberg aus, der eine stattliche Landwirtschaft besaß. Es gab im Stall acht Pferde, vierzig Kühe und ca. zwanzig Schweine zu versorgen. Auch etliches Federvieh (Gänse, Hühner, Enten etc.) nannte er sein Eigen. Ebenso half Maria bei der Aussaat im Frühjahr und des Öfteren bei Ernten im Herbst mit und eignete sich dadurch verschiedenes Wissen um die Landwirtschaft an. Durch die willkommene Abwechslung konnte sie auch die langen Monate ihrer Schwangerschaft leichter ertragen, bis dann im Oktober 1942 der einzige Sohn Kurt Dieter das Licht der Welt erblickte. Da war das Glück der beiden vollkommen, trotz der furchtbaren Umstände des Krieges.
Nicht weit von Kaplitz lag an der Maltsch die Schrötermühle. Die Maltsch ist ein relativ seichter Fluss, in dem man nicht schwimmen konnte. Da sie aber bei der Mühle aufgestaut war, zog es Maria mit ihrem kleinen Sohn immer wieder dorthin, da es in der Umgebung die einzige Möglichkeit war zu schwimmen. Dort machte „Kurti“ mit dem nassen Element seine erste Bekanntschaft.
Eines Tages, als sie wieder einmal mit Sohn Kurti unterwegs war, der im Sportwagerl saß, kam ein Tiefflieger auf sie zu. Ihr blieb vor Schreck das Herz fast stehen, doch der Pilot machte keine Anstalten, auf sie zu schießen. Urplötzlich wurde die Sonne durch eine vorüberziehende Wolke verdunkelt und strahlte sie von hinten an. Als Maria zum Himmel aufblickte, hatte sie eine wundersame Erscheinung, die ihr Leben grundlegend verändern sollte. Die Form der Wolke wurde noch durch die Strahlen der Sonne, die das Haupt der Gnadenmutter umspielten, verstärkt. Diese Erscheinung lächelte der auf der Erde wie zu einer Salzsäule Erstarrten gütig zu. Das Bild zerfloss und in diesem Augenblick erinnerte sie sich an die Worte des Handlesers in Prag. Ihr war nun klar, dass ihr tatsächlich noch Schweres bevorstünde. Sie wandte sich ihrem Kind zu und dieses fragte sie: „Mutti, warum weinst du denn?“
„Als im März 1945 eine Flüchtlingsfrau aus Schlesien, die in unserem Haus Aufnahme gefunden hatte, eines Tages zu mir sagte: ,Was haben Sie für ein schönes Heim! Gott gebe, dass es Ihnen nicht genommen wird!‘, da habe ich mich innerlich gefragt: Warum sollte ich mein Heim verlieren?“
(Zitat Maria Treben)
Man sah damals bereits den deutlichen Zusammenbruch. Die Trebens wohnten in einer Gegend, in der während des ganzen Krieges keine einzige Bombe gefallen war; still und verträumt lag das kleine Städtchen am südlichen Rande des Böhmerwaldes und es kam einem wirklich nicht im Entferntesten in den Sinn, einmal die Heimat und somit Haus, Besitz und Heim zu verlieren.
Zu dieser Zeit war das nahe Kriegsende bereits zu spüren, obzwar Kaplitz ja nie unmittelbar Kriegsschauplatz gewesen war.
Im Jahr 1945 verließen die Russen als Besatzungsmacht das Haus, die Familie musste über Nacht – nur mit dem Notwendigsten ausgestattet – das Haus in der Graznerstraße verlassen und wurde in der Maltschgasse einquartiert. Ernst wurde von den Tschechen festgenommen und eingesperrt.
In dieser Zeit des Umbruchs wusste man als Sudetendeutscher nicht, ob man die Heimat verlassen müsse oder nicht. Eines Nachts im November 1945 war es dann soweit. Alle Landsleute wurden aus ihren Häusern getrieben, auf offene Lastwagen verfrachtet und dann begann die Fahrt. Wohin wusste keiner. Pro Person durfte man nur 50 kg Gepäck mitnehmen, also wirklich nur das Allernotwendigste.
„Die Austreibung kam für uns alle überraschend. Und wenn ich sage, es war ein Weltuntergang für uns, übertreibe ich nicht. Wie hart es Tausende und Abertausende getroffen hat, davon gibt ein Gedicht des großen sudetendeutschen Dichters Hans Watzlik, der nach dreizehnmonatiger tschechischer Haft nach Deutschland kam und im November 1949 starb, Zeugnis.“
(Zitat Maria Treben)
Es kam ihr eines Tages ins Haus geflattert und weil es die so tief in ihr geschlagene Wunde veranschaulicht, wollen wir es hier einfügen.
UNTER EINE FÖHRE
O Föhre, du des rauen Pfälzerlandes
schwermütig grüner, dunkelgrüner Ast,
vergönn’ dem müden, heimatlosen Wandrer
in deiner Nähe hier die kurze Rast!
Du Baum am Wege, deine Träumerstille
mit banger Frage spricht sie stumm mich an:
Was willst du? Welche Ferne, welcher Wille
hat dich zu mir entsendet, fremder Mann?
O frage nicht Baum! Vergäll’ mir nicht die Ruhe!
Ruf nicht Verlor’nes wach mir wunderbar!
Ich starre auf den grauen Staub der Schuhe
und streiche trauernd mir durchs graue Haar.
Denk nicht zurück mein Herz der sel’gen Orte,
denk nicht, wie schön es einst gewesen ist!
Ach, herrlich über alle Menschenworte
der Heimatwald, dem du entrissen bist!
Denk nicht zurück mein Herz, was du gelitten,
was du verlassen ohne Wiederkehr!
Der Wanderstab aus Böhmens Dorn geschnitten,
beraubtes Herz, du hast ja sonst nichts mehr ...
So steh’ ich, dunkle Schuld der Welt zu sühnen
mit meinem Volk im heimatlosen Raum. –
Sag, könntest wurzellos du weitergrünen,
schwermütig düst’rer, fremder Föhrenbaum?
(von Hans Watzlik, 1947)
Die Fahrt endete nach zwei Tagen in Bayern, wo Maria mit ihrem Kind, ihrer Mutter und Schwiegermutter in ein Lager, das sich in der Wülzburg befand, gebracht wurde. Die Wülzburg ist ein altes römisches Kastell und liegt auf einer Anhöhe bei Weißenburg in Bayern.
In diesem Lager waren viele Vertriebene aus verschiedensten Regionen des ehemaligen Sudetenlandes auf kleinstem Raum unter katastrophalen hygienischen Bedingungen zusammengepfercht worden. Der Ausbruch von Krankheiten und Seuchen war daher vorprogrammiert. Auch Maria und ihr Kind blieben davon nicht verschont.
Typhus – eine lebensbedrohliche Erkrankung
Beide litten unter Typhus, der schon im letzten Stadium war. In der Sanitätsabteilung wurde ihr Zustand auch nicht besser. Der Lagerarzt wollte aber nicht, dass diese mangelhaften Zustände nach außen drängen, und versuchte, auch ohne die hiefür notwendigen Medikamente Herr der Lage zu werden. Da Maria im Lager durch ihre humorvolle und freundliche Art sehr beliebt war, sprach es sich natürlich herum, dass sich ihr Zustand nicht besserte. Dies kam unter anderem auch einem sudetendeutschen Arzt zu Ohren, der sich unter den Vertriebenen befand. Er suchte sie auf, untersuchte sie und stellte seinen Kollegen zur Rede, warum er die beiden nicht ins Krankenhaus überstellen lasse. Unter diesen Umständen kamen sie ins Krankenhaus nach Weißenburg und verdankten eigentlich dem dortigen Chefarzt Dr. Schneider ihr Leben.
Dieser Chefarzt sagte zu seiner Oberschwester, man könne Maria nur mit dem Saft des Schöllkrauts helfen, denn auch im Krankenhaus fehlten die notwendigen Medikamente. Aber er wisse selber nicht, wo Schöllkraut wachse. Doch die Schwestern wussten es, sammelten Schöllkrautblätter, pressten sie aus und gaben Maria den Saft in einer Vierteltasse Tee zu trinken. Diese Mischung bekam sie zweimal täglich. Ihr Zustand besserte sich zusehends von Tag zu Tag. Auch die gleichzeitig auftretenden Gallenanschwellung und Gelbsucht gingen zurück.
Und einmal mehr waren es die Kräuter, die Maria gesund werden ließen.
„Wer von Ihnen, liebe Leser, schon einmal für längere Zeit im Krankenhaus war, weiß, wie dankbar man für die Hilfe von Ärzten und Schwestern auf der einen Seite ist und wie langweilig einem die Zeit im Krankenstand wird. Als ich von den Schwestern erfuhr, dass der Chefarzt am nächsten Tag Geburtstag hat, schrieb ich mit einem Fettstift auf die Steinplatte meines Nachtkästchens ein Gedicht. Als die Nachtschwester das las, trieb sie in Windeseile ein Stück Papier und einen Bleistift auf – damals war ja wirklich alles knapp – und ich übertrug das Gedicht. Chefarzt Dr. Schneider hat sich über den Reim sehr gefreut. Deshalb will ich Ihnen das kleine Gedicht nicht vorenthalten.“
(Zitat Maria Treben)
HERRN CHEFARZT DR. SCHNEIDER ZUM 65. GEBURTSTAG
Es stand auf einem Berge
im schönen Bayernland,
ein Schloss aus Stein gefüget,
Wülzburg ward es genannt.
Die Burg, sie sah sehr finster
von drauß und drinnen aus
und alle, die hier wohnten, sie sehnten sich hinaus.
Einst zog nach diesen Landen
ein Heimatlosen-Heer,
sie kamen auf die Wülzburg –
die Herzen waren schwer ...
Da spielt den armen Menschen
das Schicksal einen Streich,
denn einige von ihnen,
die wurden krank und bleich,
bekamen hohes Fieber,
Kopfweh, Erbrechen auch
und Durchfall. Denn die Krankheit
saß in Gedärm und Bauch.
Doch wie oft hartes Schicksal
gleicht himmlische Hände aus:
Die Kranken kommen alle
ins Städt’sche Krankenhaus.
Nach Weißenburg gefahren,
wo Dr. Schneider wirkt,
für rasche Heilung
sein guter Name bürgt.
Er schreitet an die Betten,
erkennt mit sicherm Blick
die Krankheit. Und er wendet
sie ab mit viel Geschick.
Er treibt mit kundigen Händen
die Schmerzen aus dem Bauch.
Es steht ihm treu zur Seite
Herr Doktor Riemann auch.
Und auch die liebe Schwester,
Margret heißt sie mit Nam’,
so hilfreich, gütig, fleißig,
hilft ihm, wo sie nur kann.
Wer sollte da nicht rühmen
des Arztes Tüchtigkeit,
wer sollte da nicht singen
sein Loblied weit und breit?
Dass Gott in SEINER Güte
für Menschen jung und alt
den lieben Doktor Schneider
am Leben lang erhalt,
dass er mit seinem Wissen
als gütiger Mensch zugleich
in diesem Hause wirke
so hilf- und segensreich:
Das wünschen wir von Herzen,
die krank zu Zeit hier sind
und bei ihm Hilfe finden
so rasch und so geschwind!
Maria Treben als sudetendeutsche Vertriebene, Weißenburg in Bayern, 11. Feber 1947
Bis zu ihrer vollständigen Genesung verbrachte Maria sechs Monate im Krankenhaus. Eigentlich hätte sie ja schon lange mit den Müttern und dem Kind von der Wülzburg verlegt werden sollen. Durch ihre Krankheit wurde dies alles zunichte gemacht, da Maria nicht transportfähig war.
Als der Transport möglich war, wurde die Familie in Nennslingen, einem Dorf, einquartiert. Man kann sich denken, dass nicht alle zusammen in einem Haus untergebracht werden konnten, sondern die Mütter wohnten jeweils bei einer Familie und Maria und Kurt lebten in einer kleinen Dachkammer eines Bauern, die dem Sohn des Hauses gehörte.
So gut es ging, richtete man sich ein und Maria, der es ja nie an irgendwelchen Dingen gemangelt hatte, musste sich nun vollkommen umstellen.
Das Brot holte sie von einem zwanzig Kilometer entfernten Ort, mit dem Bauern durfte sie ab und zu aufs Feld fahren, um dann im Wald Holz zu sammeln oder Feldfrüchte aufzulesen. Auch fand sie hie und da eine Nuss, die sie zum Trocknen auflegte, um ihrem Sohn eine Freude zu bereiten. Sie pflückte auch Heidel- und Preiselbeeren, die, mit Milch angerührt, eine herrliche Aufbesserung der sonst so tristen Kost ergaben.
„Die Aussiedelung aus der Heimat lehrte mich, was Besitzlosigkeit heißt. Ich musste unser Haus mit seinen wertvollen Möbeln, unseren gesamten Familienschmuck, all das Tafelsilber und teure Porzellan von einem Tag auf den anderen zurücklassen. Natürlich schmerzte das. Natürlich war dies ein großer ideeller und materieller Verlust. Aber diese Erfahrung zeigte mir auch, wie vergänglich all diese Dinge sind, wie unbedeutend für das Leben und Überleben. Und deshalb erschreckt es mich bisweilen, wie viel Wert Menschen in unserer Zeit solch materiellen Dingen beimessen. Ist es nicht schrecklich, wenn man heute sagt, das Auto sei unser aller liebstes Kind?
Nach der Aussiedlung kam die Irrfahrt durch deutsche Flüchtlingslager, die Suche nach einer neuen Heimat. Ich musste lernen, unter primitivsten Umständen zu leben. Das ist mir so schwer gefallen wie all meinen Leidgenossen. Doch ich habe nie den Mut und die Zuversicht verloren. Ich habe niedrigste Arbeiten ohne Murren verrichtet, meine Freundlichkeit nie versteckt und anderen, denen es besser ging, nie einen Vorwurf gemacht. Ich half, wo ich helfen konnte, und habe dafür manch unerwartete Hilfe zurückbekommen. Sei es, dass ich meine Wäsche in einem Garten aufhängen durfte, von einer Bäuerin ein paar Äpfel zugesteckt bekam oder ganz einfach die Erlaubnis erhielt, mich an einem Brunnen mit frischem Wasser zu waschen. All diese Nichtigkeiten empfand ich wie ein Geschenk. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass ein gemeinsames Schicksal leichter zu ertragen ist und dass solch eine außergewöhnliche Situation nur schicksalhaft wird, wenn man den Glauben an die Zukunft verliert.“
(Zitat Maria Treben)
Erst im Jahr 1947 wurde Ernst, der von den Tschechen 1945 festgenommen und inhaftiert worden war, entlassen. Er nahm seine Tätigkeit bei der OKA wieder auf und betreute als Rayonsleiter das obere Mühlviertel. Seine Dienststelle war in Lembach. In einem kleinen Dorf namens Witzersdorf fand er ein nettes Ausgedingehaus und konnte so seine Familie, die sich zu dieser Zeit noch in Bayern befand, zu sich nach Österreich holen.
In der Zwischenzeit hatte ihr Mann herausgefunden, wo sich Maria und ihre Familie befanden. Es herrschte zwischen beiden reger Briefverkehr und so war es nicht weiter verwunderlich, dass der Tag herbeikam, an dem Ernst seine Maria endlich wieder in die Arme schließen konnte. Denn beide liebten sich nach wie vor und Maria wäre es während dieser ganzen Zeit der Trennung und Entbehrungen nie in den Sinn gekommen, einen anderen Mann auch nur anzuschauen, geschweige denn, ihren Mann zu betrügen.
Maria erzählte einmal in diesem Zusammenhang:
„Mit dem Kriegsende verbinden sich schreckliche Erfahrungen. Ich war lange Zeit von meinem Mann getrennt und habe mit Abscheu verfolgen müssen, wie viele Frauen diese furchtbaren Zeiten als Entschuldigung benutzten, um ihre Männer zu betrügen. Vor ihnen habe ich alle Achtung verloren. Treue gehört zu den Werten, ohne die ich nicht leben könnte. Denn Treue ist mehr als eine leere Formel. Sie bedeutet Geborgenheit selbst in größter Gefahr, Verbundenheit mit dem Partner selbst bei lang dauernder Trennung, eine Portion Sicherheit, ohne die ich nicht durchs Leben gehen wollte.“
(Zitat Maria Treben)
Oberösterreich – das neue Zuhause
So wurde die Familie wieder vereint und fand in Österreich Ende 1947 ein neues Zuhause.
Das Ausgedingehaus, das Ernst in Witzersdorf ausfindig gemacht hatte, wurde vom Keller bis zum Dachboden umgekrempelt und ausgelüftet, neue Möbel wurden angeschafft und im Garten vor dem Haus gedieh zum ersten Mal wieder eigenes Gemüse. Der Brunnen musste noch von Hand bedient werden, er lieferte das Wasser für den Haushalt. Das Häuschen bestand aus vier Räumen – davon lag einer im ersten Stock –, einem Ziegenstall und einer kleinen Scheune, in der Holz gelagert wurde. Maria, Ernst und Sohn Kurt schliefen in einem Raum, die beiden Mütter (Marias Mutter und Schwiegermutter) bewohnten den ersten Stock und Georg (Marias Neffe – siehe später), der auch zur Familie gehörte, teilte einen Raum mit Holz ab, flämmte es mit einer Lötlampe und benutzte einen Teil als Schlafgemach und der andere diente als Vorratskammer. Das größte Zimmer aber war Küche und Stube zugleich. In diesem spielte sich praktisch das ganze Leben der Familie ab.
Maria hatte, wie schon erwähnt, zwei Schwestern. Die jüngere der beiden, Anni, starb im Alter von 23 Jahren. Sie hinterließ einen kleinen Jungen namens Georg, der in der Obhut seiner Großmutter in Prag aufwuchs. Georg wurde genau wie alle anderen Jungen mit 17 eingezogen, kam in Gefangenschaft der Amerikaner und wurde nach Schwabach gebracht. Durch den Suchdienst des Roten Kreuzes konnte der Kontakt wieder hergestellt werden und auch Georg zog mit einiger Verspätung nach Witzersdorf.
Witzersdorf ist ein kleines Dorf im oberen Mühlviertel (liegt im nördlichen Teil Oberösterreichs), in dem es damals sieben Bauernhöfe gab. Das Mühlviertel ist bekannt für seine herrliche, hügelige Landschaft, seine klaren, eisenhältigen Flüsse und Bäche, seine Wälder, in denen sich das Moos wie ein grüner Teppich ausbreitet, seine Seen, die dir wie dunkelgrüne Augen zulächeln, die Wiesen und Felder, die eingebettet zwischen Tannenwäldern liegen, die gute, reine Luft und die mit ihrer Erde verwachsene Bevölkerung.
Es war nicht leicht für Maria, sich in dieser neuen Umgebung als vermeintlicher Eindringling einzugewöhnen, einzig und allein die wunderbare Natur gab ihr wieder neue Hoffnung und Lebensfreude.
Der Bauer, dem das Häuschen gehörte, hatte eine große Landwirtschaft. Er war der größte Bauer im Dorf.
Da Maria in Kaplitz während ihrer Schwangerschaft bei einem Bauern am Radischberg einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte, fiel es ihr natürlich relativ leicht, dem Witzersdorfer – so war der Name des Bauern – zur Hand zu gehen. So gewann sie nach und nach das Vertrauen der Bauersleute.
Es war ein regnerischer Tag. Der Sohn der Bauersleute kam von der Schule nach Hause und hängte seine durchnässte Kleidung zum Trocknen auf die Stangen, die den Kachelofen umgaben. Beim Herunterspringen verfing sich der Bub an einem Schöpflöffel, der aus einem Topf auf dem Ofen herausragte, riss diesen mit sich und der ganze siedend heiße Inhalt ergoss sich über ihn. Er schrie so laut vor Schmerzen, dass selbst Maria ihn bis in ihr kleines Häuschen brüllen hörte. Voll Ahnung, dass sich etwas Schreckliches ereignet hatte, lief sie ins Bauernhaus. Sie fand die Bäuerin völlig kopflos in Panik, da der nächste Arzt eine Dreiviertelstunde entfernt wohnte und es weder Telefon noch Auto gab. Maria erinnerte sich, dass sie irgendwann einmal gehört hatte, Eiklar helfe bei solchen Verbrennungen. Also ließ sie acht Eier holen, trennte das Klar vom Dotter und strich das Eiklar auf ein Leinentuch. Dieses legte sie dem Jungen auf die verbrühten Stellen und sein Schreien ging allmählich in ein leises Wimmern über. Maria drängte darauf, den Arzt zu holen. Dieser kam nach zwei Stunden. Bis dorthin hatte sich der Bub beruhigt. Der Arzt war mit dem Hausmittel einverstanden und versorgte das Kind. Bei eventuell auftretendem Fieber müsste man ihn noch einmal holen. Das war aber nicht notwendig, da in den nächsten Tagen kein Fieber auftrat und sich auch der Zustand des Buben nach weiteren Umschlägen zusehends besserte.