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Читать книгу: «Die Wassernixe», страница 6

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»Das war in der That außerordentlich! nun, und was thatet Ihr, um über die Beschaffenheit des himmlischen Zeichens ins Klare zu kommen?«

»Wir fielen von der Küste ab, und überließen es kühneren Matrosen, dort eine Back zu suchen. Herzlich froh war ich, bei aufgehender Sonne die schneebedeckten Berge Corsicas wieder zu erblicken.«

»Und die Erscheinung jenes Gegenstandes blieb seitdem unerklärt?«

»Und wird es immer bleiben. Gar manchen Befahrer jener Gewässer habe ich seit jener Zeit gesprochen, doch keinen darunter gefunden, der sagen konnte, etwas Aehnliches gesehen zu haben. Zwar nahm sich Einer heraus, zu behaupten, es stehe weit landeinwärts eine Kirche, die wohl groß und hoch genug sey, um einige Stunden von der Küste schon sichtbar zu werden, und was wir sahen, sey nichts Anderes gewesen, als die hohe, zu irgend einem Feste vielleicht erleuchtete Kuppel, was um so wahrscheinlicher sey, da nur unsere Lage und der Nebel längs dem flachen Lande den Zusammenhang des hervorragenden Gegenstandes mit der Erde unsern Blicken entzog: allein wir waren alle zu alt an seemännischer Erfahrung, als daß wir einem so weit hergeholten Mährchen hätten Glauben schenken sollen. Es kann vielleicht seyn, daß eine Kirche in der Ferne ein eben so schwankendes, ungewisses Aussehen hat, wie ein ferner Hügel oder fernes Schiff; wenn Einer aber behauptet, daß Menschenhände auf Wolken einen Steinhaufen errichten können, so sollte er, bevor er mehr Worte verliert, sich erst gläubige Zuhörer anschaffen.«

»Eure Erzählung ist ungewöhnlicher Art, und gut wär's immer gewesen, wenn Ihr das Wunder näher untersucht hättet. Uebrigens kann es wirklich eine Kirche gewesen seyn, denn zu Rom steht ein Gebäude, daß dreimal höher ist als die Masten eines Kreuzers.«

»Da ich selten die Kirchen beunruhigt habe, so sehe ich nicht ab, warum eine Kirche mich beunruhigen sollte,« sagte der Matrose mit der bunten Schärpe, und kehrte dem Meere den Rücken zu, als wenn er keine Lust mehr hätte, die einförmige Wasseröde länger anzusehen. »Es sind jetzt zwölf Jahre her, seit jenes Gesicht sich zeigte; von jener Stunde an bis jetzt habe ich gar viele Reisen gemacht, aber die römische Küste mit keinem Auge wiedergesehen. – Wollen Ew. Gestrengen nicht, wie es Ihrem Range geziemt, den Weg von der Anhöhe hinab vorangehen?«

»Ueber Eure Geschichte von dem blendendhellen Kreuze und der fernschwankenden Kirche, Meister Ruderpinne, hätte ich bald vergessen, die Bewegungen der Pirogue dort zu beobachten,« erwiederte Ludlow, noch immer das Gesicht der Bai zugewandt. »Der halsstarrige alte Holl – – ich wollte sagen, Sir, der Herr Alderman Van Beverout setzt mehr Vertrauen in diese Art von Fahrzeugen, als ich meinestheils. Mir will das Aussehen der Wolke dort, die sich eben aus der Mündung des Rariton erhebt, gar nicht gefallen, und hier, seewärts, haben wir einen düstern Horizont – – bei'm Himmel! ein Segel spielt dort auf der Meereshöhe, oder mein Auge hat die Sehkraft und die Unterscheidungsgabe verloren.«

»Die flatternde Seemöve hat Ew. Gestrengen wieder zum Besten; es fehlte wenig, daß auch ich daran irre wurde, was den Kundschafterblick eines Mannes täuschen hieße, der zehn bis fünfzehn Jahre Uebung in Erscheinungen auf der See vor Ihnen voraus hat. Ich erinnere mich, einst bei'm Beschiffen des Chinesischen Archipels, mit südöstlichen Passatw –«

»Genug von Euren Wundern, Freund; Ihr müßt nicht glauben, daß ich an Einem Morgen mehr als Eine Kirche verschlucken kann. Es kann eine Möve gewesen seyn, denn der Gegenstand, ich gestehe es, war klein; dessenungeachtet aber hatte er das Ruhige und die Form eines fernen Segels. Auch ist einiger Grund vorhanden, an unsrer Küste ein Schiff zu erwarten, das scharf und seemännisch genau bewacht werden muß.«

»So? Dies verschafft mir also vielleicht eine Wahl unter mehreren Schiffen,« versetzte Ruderpinne. »Ich weiß Ew. Gestrengen vielen Dank, daß Sie mir diese Mittheilung machen, bevor ich mich an die Königin versagt habe: denn diese Dame ist weit geneigter, Gaben dieser Art anzunehmen, als sie zu erwiedern.«

»Wenn Eure Achtung am Bord Eurer Dreistigkeit auf trocknem Boden nur einigermaßen das Gleichgewicht hält, so könnt Ihr für ein Muster von Höflichkeit gelten! Aber einem Seemann von Euren Ansprüchen sollte der Charakter des Schiffes, in welchem er Dienste nimmt, nicht gleichgültig seyn.«

»Ist denn dasjenige, wovon Ew. Gestrengen sprachen, ein Boucanier?«

»Wo nicht ein Boucanier, so doch nicht viel besser. Es ist, im besten Fall, ein Contrebandier; und es gibt Leute, die der Meinung sind, daß, wer erst bis dahin gegangen, nicht dort stehen geblieben ist. Aber ein Mann wie Ihr, der bereits so lange die See befährt, hat ja wohl schon von dem »Streicher durch die Meere« sprechen hören.« –

»Verzeihen Sie die Neugierde eines Seefahrers bei einem Gegenstand, der mit seinem Gewerbe in Verbindung steht,« erwiederte der Matrose mit der Schärpe, weit lebendiger und wärmer als bisher. »Ich bin erst seit kurzer Zeit von einem fernen Meere zurück, und obgleich viele Geschichten von den Boucaniers erzählt werden, so erinnere ich mich doch nicht, von jenem Herumstreicher gehört zu haben, als bis ich mich in dem Boot befand, welches die Ueberfahrt zwischen der Stadt und diesem Landungspunkt unterhält, wo der Schiffer zufällig im Gespräche desselben erwähnte. Herr Capitän, ich bin nicht ganz das, was ich zu seyn scheine, und werde ich erst nach schweren Dienstleistungen meinem Commandeur genauer bekannt geworden seyn, so bereut er es vielleicht nicht, einem wackeren Seemann gutmüthig und herablassend begegnet zu seyn, und denselben dadurch vermocht zu haben, Dienste in seinem Schiffe zu nehmen. Ich wage daher die Bitte, daß Ew. Gestrengen mir sagen wollen, was es mit diesem Contrebandier für eine Bewandtniß habe?«

Ludlow blickte seinem Gefährten fest in das unbewegte männliche Gesicht. Ein Verdacht, er wußte selbst nicht recht worüber, wollte sich seiner bemächtigen, doch verschwand derselbe, als er sich durch das vielversprechende Aeußere des Andern immer mehr überzeugte, daß er an ihm einen kühnen und gewandten Seemann gewinnen würde. Die Dreistigkeit der Bitte gefiel ihm mehr als sie ihn beleidigte; er drehte sich auf der Ferse um, und setzte bei'm Hinabsteigen vom Hügel nach dem Landungsplatze zu, das Gespräch wohlgelaunt fort.

»Ihr müßt in der That von einem fernen Ocean kommen,« sagte der junge Capitän der Coquette, und lächelte, als wollte er einen leisen inneren Vorwurf wegen zu großer Herablassung damit beschwichtigen, »wenn die verwegenen Handlungen einer Brigantine, gekannt unter dem Namen: »Wassernixe« und die ihres Befehlshabers, mit Recht »der Streicher durch die Meere« genannt, Euer Ohr nicht erreicht haben. Fünf Sommer sind es jetzt, seit die Kreuzer in den Colonien Ordre haben, scharf aufzupassen, und auf den Piraten Jagd zu machen; ja man versichert, der waghalsige Schmuggler habe schon oft der königlichen Flagge selbst in den Meerengen die Stirn gewiesen. Der Offizier, der so glücklich wäre, den Schelm zu fangen, würde gewiß zum Ritter geschlagen werden, wenigstens das Commando eines größeren Schiffs erhalten.«

»Der muß einen einträglichen Handel treiben, daß er diese Gefahren läuft und den Bemühungen so vieler geschickter Herren Trotz bietet. Fast fürchte ich, nach Ew. Gestrengen unwilligem Blick zu urtheilen, schon zu weit in meiner Freiheit gegangen zu seyn, sonst würde ich noch wagen, die Frage zu thun, ob das Gerücht nichts weiter erzähle von dem Gesicht und der Person des – Freihändlers, wie man ihn nennen muß, obgleich Freibeuter ein besseres Wort wäre.«

»Was liegt an dem persönlichen Aussehn eines Spitzbuben,« sagte Capitän Ludlow, wahrscheinlich eingedenk, daß mehr mitzutheilen sich nicht mit der Klugheit vertrage.

»Was daran liegt? Ei nun, ich fragte nur, weil die Schilderung sich ein wenig auf einen Menschen paßt, den ich einst in den Gewässern des jenseitigen Indiens kennen lernte, der aber seit langer Zeit verschwunden ist, Niemand weiß wohin. Sollte aber dieser »Streicher durch die Meere« nicht ein Spanier aus Südamerika seyn, oder ein Holländer, der von dem Lande der Ueberschwemmungen gekommen ist, um sich einmal auf festem Lande gütlich zu thun?«

»Kein Spanier von der südlichen Küste hat noch in diesen Gewässern ein so kühnes Segel gefühlt, und einen Holländer mit so behender Ferse gibt es gar nicht. Soll ja doch der Kerl dem schnellsten Kreuzer aus England ein Schnippchen schlagen! Was seine Gestalt betrifft, so habe ich wenig Gutes davon sagen hören. Das Gerücht erzählt, er sey ein mißvergnügter Offizier, der einst bessere Tage gesehen, aber den Umgang mit ehrlichen Leuten aufgegeben habe, weil ihm der Schurke so deutlich in's Gesicht geschrieben sey, daß er es vergeblich zu verbergen sucht.«

»Der Meinige war ein stattlicher Mann, der sich seines Gesichts unter seines Gleichen nicht zu schämen brauchte,« sagte Der von der Schärpe. »Dieser muß also ein Anderer seyn, wenn anders Einer an der Küste ist. Weiß man denn ganz gewiß, Ew. Gestrengen, daß der Mensch hier ist?«

»Das Gerücht geht so; indessen bin ich schon so oft durch dergleichen leeres Geschwätz verleitet worden, den Schmuggler da aufzusuchen, wo er nicht war, daß ich dem jetzigen Mährchen wenig Glauben schenke. Sieh' da, die Pirogue hat den Wind mehr in Westen, und die Wolke über der Mündung des Rariton hat sich gesenkt und zertheilt; so wird denn der Alderman doch noch mit blauem Auge davon kommen.«

»Und die Möven, die uns zum Besten hatten, sind mehr seewärts gegangen, ein zuverlässiges Zeichen von schönem Wetter;« fügte der Andere hinzu, indem er einen raschen, aber scharfen Blick nach der Meereshöhe am Horizont warf. »Ich glaube, unser Seewanderer, mit seinem leichten Gefieder, ist mit ihnen entflohen!«

»Nun denn, so wollen wir nach! Mein Schiff ist fertig, die See zu nehmen, und es ist Zeit, Herr Ruderpinne, daß ich erfahre, welche Back Ihr im Dienste der Königin einzunehmen wünschet?«

»Gott segne sie, die Majestät! Anna ist eine königliche Frau, und hatte einen Lord-Groß-Admiral zum Manne. Was nun die Back betrifft, Sir, so möchten Alle gern Capitän seyn, selbst die, welche ihre Messe in den Lee-Speigaten zu sich nehmen müssen. Die Stelle eines ersten Lieutenants ist wohl schon zu Ew. Gestrengen Zufriedenheit ausgefüllt?«

»Patron, ich verbitte den Scherz; bei Euren Jahren und Eurer Erfahrung darf man Euch doch wohl nicht erst sagen, daß Commandostellen nur durch Dienst erlangt werden.«

»Halten Sie mir den Irrthum zu gut. Sie sind ein Mann von Ehre, Herr Capitän, und werden einen Matrosen, der in Ihr gegebenes Wort Vertrauen setzt, nicht hintergehen.«

»Matrose oder Mann von trocknem Lande, wer mein Wort zum Unterpfande hat, ist sicher.« »Nun, so erbitte ich mir, lassen Sie mich auf Ihr Schiff gehen, um meine künftige Kameraden kennen zu lernen, ihren Charakter beurtheilen zu können; geben Sie mir die Erlaubniß, zu sehen, ob das Schiff mir anstehe, und wieder zu gehen, wenn mir dies mehr zusagen sollte.«

»Kerl,« rief Ludlow, »diese Unverschämtheit übersteigt meine Geduld.«

»Kann ich doch durch ein Beispiel zeigen, daß ich nichts Unbilliges verlange,« versetzte mit Ernst der unbekannte Seeman. »Ich kenne einen Capitän, welcher sich gerne mit den Banden des heiligen Ehestandes einer gewissen schönen Dame verbinden möchte, die ganz kürzlich erst zu Schiffe abgegangen ist, und doch gibt es Tausende, die weniger Schwierigkeiten machen würden.«

»Immer frecher wirst Du – nun, und wenn dem wirklich so wäre?«

»Sir, ein Schiff ist des Seemanns Geliebte – ja, ist er erst förmlich unter einer Flagge, und diese Flagge im Kriege, so ist er seinem Schiffe vollends angetraut, gleichviel, ob gesetzmäßig oder nicht. Beide find Ein Fleisch, Ein Blut geworden, bis der Tod sie von einander sondert. Bei einem Vertrage von solcher Dauer nun sollte man Jedem freie Wahl lassen. Hat der Matrose nicht seinen Geschmack, so gut wie der Liebende? Die Gilling und die Rundung der Berghölzer seines Schiffes, sind Schultern und Taille; die Takelage, die Locken; der Schnitt und Schick der Segel, die Façon der Putzmacherin; die Kanonen heißen ohnedies schon die Zähne; der Anstrich endlich ist das Erröthen und die jugendliche Farbe. Das sind lauter Geschmacks- und Wahlsachen, Sir, und ohne Erlaubniß, meine Wahl zu treffen und meinem Geschmack zu folgen, muß ich Ew. Gestrengen eine glückliche Seefahrt und der Königin einen bessern Diener wünschen.«

»Glaubt mir, Herr Ruderpinne,« rief Ludlow lachend. »Ihr trautet diesen verkrüppelten Eichen zu sehr, wenn ihr wähnt, sie könnten Euch hinlänglich bergen, falls ich es für gut finden sollte, Landjagd auf Euch zu machen. Allein ich halte Euch beim Wort. Die Coquette soll Euch unter Euren eigenen Bedingungen aufnehmen; sie wird Euren forschenden Blick eben so wenig fürchten, als eine Schönheit ersten Ranges, die in einen vollen Ballsaal eintritt.«

»Gehen Ew. Gestrengen voran, ich folge Ihrem Kielwasser ohne mehr Worte,« erwiederte Der mit der Schärpe, indem er zum Erstenmale die Mütze mit Ehrerbietung vor dem jungen Commandeur abnahm. »Obgleich nicht schon förmlich vermählt, als einen Versprochenen können Sie mich betrachten.«

Es ist überflüssig, das Gespräch der beiden Seemänner weiter zu verfolgen. Der im Rang Untergeordnete behielt so ziemlich seine ungebundene Weise bei, bis sie das Ufer erreichten, und die Flagge der Königin deutlich gesehen werden konnte. Augenblicklich, mit dem Takte eines alten Kriegsschiffs-Matrosen, legte er in sein ganzes Benehmen alle die Achtung, welche die Verschiedenheit des Ranges ihm zur Pflicht machte.

Eine halbe Stunde später waren alle Anker der Coquette bis auf einen gelichtet; die Windstöße von den Bergen her füllten nach und nach ihre drei Bramsegel, und bald darauf segelte sie mit einem frischen Südwest durch den Kanal. Keine dieser Bewegungen erregte sonderliches Aufsehen, denn der Kreuzer war, trotz der sarkastischen Anspielungen des Alderman Van Beverout, nichts weniger als träge, und die jetzige Richtung seewärts ein so gewöhnliches Ereigniß, daß die Bootsleute der Bai und die Küstenbewohner das Schiff absegeln sahen, ohne eine einzige Vermuthung oder Bemerkung zu machen.

Siebentes Kapitel.


»Ich bin kein Steuermann, doch wärst Du fern Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült. Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.«
Romeo und Julia.

Eine glückliche Mischung von Land und Wasser, bei einem glänzenden Mond, und einem Himmel, wie er unter dem vierzigsten Breitegrad zu seyn pflegt, ist ohne Zweifel ein reizendes Gemälde. So war die Landschaft beschaffen, welche der Leser jetzt seiner Einbildungskraft zu vergegenwärtigen hat.

Sandy-Hook, zur Hälfte Holländisch, zur Hälfte Englisch – was häufig bei Namen von Oertern in den ehemaligen Besitzungen der vereinigten Provinzen Hollands der Fall ist – hieß die Spitze oder das lange, niedrige und schmale Cap, welches die breite Bucht des Rariton den Winden und Wogen der offenen See verschließt. Offenbar entstanden durch die Strömung der verschiedenen, ihre Gewässer der Bai zuführenden Flüsse von der einen, und durch die ausgesetzte Gegenwirkung der Meereswogen von der anderen Seite, hängt diese Landzunge in der Regel mit dem flachen Gestade Neu-Jersey's zusammen: allein es gibt jahrelange Perioden, wo die See durch einen schmalen Arm die innere Seite des Caps vom festen Lande trennt und aus Sandy-Hook ein Eiland macht. Dies war auch gerade zu der Zeit, von der wir schreiben, der Fall.

Längs der äußern oder Meeresseite dieses niederen, schmalen Sanddamms läuft ein glatter, regelmäßiger Strand, wie fast überall an der Küste von Jersey; die innere Seite aber ist eingezackt, so daß dadurch mehrere Ankerplätze gebildet werden, in denen Schiffe eine bequeme, und gegen den Ostwind geschützte Lage finden. Unter diesen Ankerplätzen ist ein sehr netter kreisförmiger, in welchem Fahrzeuge von geringer Wassertragt vollkommen eingebuchtet, und sicher gegen alle Winde vor Anker liegen. Der Hafen, oder, wie er stets genannt wird, die Runde Bucht, liegt an dem Punkt, wo das Vorgebirge an das Festland stößt, so daß der eben genannte Meeresarm mit dem Wasser der Bucht in unmittelbarer Verbindung steht, so oft die Durchfahrt offen ist. Der Shrewsbury, ein Fluß vierter oder fünfter Größe, in anderen Worten, von nur einigen Hundert Fuß Breite und geringer Länge, kommt von Süden, läuft fast in paralleler Linie mit der Küste, und mündet sich, ebenfalls unweit der Runden Bucht, in die Bai. Zwischen dem Shrewsbury und dem Meere hat das Land viel Ähnlichkeit mit dem Cap, da es flach ist und, obgleich nicht ganz unfruchtbar, viel Sand hat. Da, wo nicht natürlicher Wiesengrund ist, oder die kunstfleißige Hand des Menschen Ackerland geschaffen hat, bedeckt Gehölz, von nicht sehr großen Fichten und Eichen, den Boden. Das westliche Flußufer hingegen erhebt sich schroff und steil zur Höhe eines Berges, und am Fuße desselben war es, wo aus Gründen, die sich vielleicht im Verlaufe unserer Erzählung von selbst ergeben, Alderman Van Beverout für gut befunden hatte, seine Villa zu erbauen, die er, in Uebereinstimmung mit holländischer Sitte, »Luft in Ruh« genannt hatte. Der Kaufmann, der als Knabe Einiges von den Klassikern gelesen, wollte in dieser Benennung seine Kenntniß des Alterthums bekunden, denn er behauptete, sie sey gleichbedeutend mit dem Ciceronischen: Otium cum dignitate.

Die Wahl des Flecks war von solcher Art, daß, wenn Liebe zur Einsamkeit und reinen Luft die Beweggründe unseres Bürgers von Manhattan gewesen wären, jene Wahl dennoch nicht besser hätte ausfallen können. In den angrenzenden Gründen hatte sich bereits früh in dem vorhergehenden Jahrhunderte eine achtbare Familie, Namens Hartshorne, angesiedelt, dieselbe, welche noch bis zur jetzigen Stunde dort wohnt. Ihre Besitzung war so umfangreich, daß dieser Umstand allein schon hinreichte, andere Ansiedler entfernt zu halten, wenn auch die Bildung und der Gehalt des Bodens größere Versuchung dargeboten hätte, als dies in einer Zeit der Fall seyn konnte, wo der beste Acker für einen Spottpreis zu haben war. Was die Luft betrifft, so wurde sie durch die kaum eine englische Meile entfernte See stets rein und gesund erhalten. Nach dieser allgemeinen Skizzirung des Schauplatzes so vieler Ereignisse in unserer Geschichte, folge hier eine etwas mehr in's Einzelne gehende Beschreibung der Villa selbst.

Das Haus »Lust in Ruh« war ein niederes, unregelmäßiges Gebäude aus Backsteinen, schneeweiß angestrichen, und, in jedem Betracht, im streng holländischen Geschmack. Giebel und Wetterhähne in Menge, ein Dutzend kleiner, gewundener Schornsteine, und zahllose Vorrichtungen an den erhöhten Stellen, wo die Störche horsten sollten. Diese luftigen, radartigen Flächen waren jedoch nesterlos geblieben, was den guten Bauherrn nicht wenig Wunder nahm; denn es ging ihm, wie so Vielen, welche sich in unserer westlichen Hemisphäre niederlassen, ohne die auf der östlichen Hemisphäre entstandenen und nur auf diese anwendbaren Gewohnheiten und Ansichten je ablegen zu können. Alle Neger in der Umgegend nämlich sagten einstimmig aus, es gäbe keine Störche in Amerika; allein der alte Holländer blieb dabei, es sey doch seltsam, daß seine Horste ohne Störche blieben! Vor der Fronte des Hauses befand sich ein kleiner, aber äußerst netter, mit Strauchwerk eingefaßter Plan, und aus dem reichen Erdreich, welches den Fuß des Berges ausmachte, hoben sich, fast so alt wie dieser selbst, zwei schöne Ulmen empor. Ueberhaupt fehlte es dem Gebäude auf dieser, von der Natur gebildeten Terrasse, nirgends an Schatten; sie war dicht mit Obstbäumen besetzt, und hier und da standen auch heimische Pinien und Eichen. Am Rande des Vorderplatzes stürzte sich das Land ziemlich jäh abwärts, bis zum Niveau der Flußmündung. Kurz, es war ein geräumiges, aber anspruchloses Landhaus; für jede häusliche Bequemlichkeit war gesorgt, aber nicht für architektonische Schönheiten, man müßte denn die rostigen Wetterhähne und die geschlängelten Schornsteine für Schönheiten gelten lassen. Nicht weit ab standen einige Außengebäude zur Aufnahme der Negersklaven, und näher dem Flusse Scheunen und Stallung, weit geräumiger und dauerhafter, als nöthig zu seyn schien, wenn man nur das sehr mittelmäßige Ackerland und den kleinen Umfang der Meierei in Anschlag brachte. In einem kleinen, aus Holz gebauten Werft, sah man die Pirogue liegen, in welcher der Eigenthümer derselben die Ueberfahrt über die äußere Bai gewagt hatte.

Während der ersten Abendstunden war an dem Hin- und Herblitzen der Lichter und der allgemeinen und lärmenden Bewegung unter den Schwarzen zu erkennen, daß der Herr der Villa angekommen sey. Nach und nach aber nahm dies rege Treiben ab, und ehe die Glocke neun schlug, bewegte sich kein Licht mehr im Hause alles ward still, wahrscheinlich also hatte sich die Gesellschaft, von der Tagesreise ermüdet, schon getrennt und zur Ruhe begeben. Auch unter den Sklaven hatte der Lärmen aufgehört, und süßer Schlaf sich herniedergesenkt auf ihr bescheidenes Obdach.

Vom äußersten nördlichen Punkte der Villa, welche, wie erwähnt worden, sich an den Berg anlehnte, stand ein kleiner Flügel, die Façade nach Osten zugekehrt, und folglich mit der Aussicht auf den Fluß und das Meer. Dieser Theil des Gebäudes war eben so wie die übrigen, ja noch mehr, in kleine Bäume und Strauchwerk eingehüllt, aber nach einem ganz verschiedenen Styl erbaut. Es war ein Sommer-Pavillon, welchen die schöne Barbérie sich auf ihre Kosten, nach eigenem Geschmack hatte errichten lassen. Hier pflegte die Erbin eines doppelten Vermögens während der Wochen, die sie auf dem Lande zubrachte, ihren kleinen Haushalt einzurichten, und sich mit denjenigen weiblichen Arbeiten, die ihren Jahren und ihrer Neigung am meisten zusagten, zu beschäftigen. Aus Höflichkeit gegen die normannische, schöne Bewohnerin, hatte der galante François diesen besondern Theil der Villa la Cour des Fées getauft – ein Name, der nach und nach allgemein angenommen, obgleich verstümmelt ausgesprochen wurde.

Die Jalousien des Hauptzimmers im Pavillon waren diesen Abend noch nicht heruntergelassen, und die schöne Bewohnerin an einem der Fenster sichtbar. Alida stand in einem Alter, wo der Mensch für lebhafte Eindrücke, namentlich für die Schönheiten der Natur, die meiste Empfänglichkeit hat, und reine Wonne erfüllte die Seele des Mädchens, während sie im Anschauen der lieblichen Landschaft ganz versunken dasaß.

Ein junger Mond, und ein von Myriaden von Sternen glühendes Firmament übergossen die ausgebreitete Wasserfläche mit einem sanften Licht; nur hier und da glänzte eine bewegte Woge etwas blendender in den weichen Strahlen. Von der See her wehte ein fast unmerkbares, oder, wie die wenig romantische Matrosensprache es nennt, dumpfes Lüftchen, mit der angenehmen Kühle des Abends auf seinen Fittichen. Auf der Oberfläche des unermeßlichen Ozeans, sowohl inner- als außerhalb der Sandbarriere, wodurch das Cap gebildet wird, herrschte vollkommene Ruhe; die Wasserfläche hob und senkte sich langsam schwer, wie das Athemholen eines schlafenden Wesens von ungeheurer Körpergestalt. Der einzig hörbare Ton war die Brandung, wie sie in lang gekräuselten Wellen sich zischend, schwer und ohne Unterbrechung an den Strand heranwälzte, bald mit schwellendem Rausche, hohl und drohend, bald in dumpfes, fernes Gemurmel hinsterbend. Der eigenthümliche Reiz in dieser Abwechslung des Tones, verbunden mit der feierlich stimmenden Stille der Nacht, lockten Alida auf ihren kleinen Balkon, wo sie sich über den Schatten, den ein Hagebuttenstrauch warf, hinüberlehnte, um den Theil der Bai anzustaunen, der am Fenster dem Auge entzogen blieb.

Die Schöne lächelte, als sie an der äußersten Spitze des schutzgewährenden Caps ein Schiff vor Anker liegen und dessen Masten im Monde schimmern sah. Ein Blick weiblichen Stolzes strahlte aus ihrem glänzend-schwarzen Auge, und ihre volle Lippe schwellte wie im Gefühle weiblicher Macht, während sie mit den zartgeformten Fingern, und ohne es zu wissen, auf das Balkongitter trommelte.

»Ah, der loyale Capitän Ludlow! wie schnell hat er doch seine Fahrt beendigt!« sprach die Jungfrau, denn das Siegesgefühl in ihrer Brust war zu natürlich, als daß sie nicht ihren Gedanken hätte Laute geben sollen. »Fast werde ich mich zu meines Onkels Meinung bekehren, und glauben, daß die Königin vom Capitän ziemlich schlecht bedient wird.«

»Schon einer Gebieterin treu dienen wollen, ist keine leichte Aufgabe,« erwiederte eine Stimme aus dem Gesträuch hervor, welches unterhalb des Fensters wuchs, so daß man von oben nicht sehen konnte, was oder wen es verbarg; »wer aber Zweien ergeben ist, darf mit Recht verzweifeln, auch nur bei Einer sein Glück zu machen.«

Alida schrak zurück, und im nächsten Augenblick sah sie ihren Platz im Balkon von dem Befehlshaber der Coquette eingenommen.

Der junge Mann bemühte sich, das Auge der Schönen zu befragen, ob er die niedrige Scheidewand, die ihn noch von ihrem Wohnzimmer trennte, überspringen dürfe; sey es nun, daß er irrthümlich den Ausdruck für aufmunternd hielt, oder daß seine Jugend und die Hoffnung ihn kühn machten – er thats.

Der schöne Sprößling des Hugenotten war gewiß nicht gewohnt, ihr Gemach mit so wenig Umständen erstürmt zu sehen, aber dessenungeachtet drückte ihr Gesicht weder Furcht noch Erstaunen aus. Nur reichlicher stieg ihr das Blut in die Wangen, nur glänzender ward ihr ohnedies stets lebhaftes Auge, nur fest und gebietend ward die Stellung ihrer herrlichen Gestalt, als sie mit einem Tone, der jede fernere zweideutige Auslegung vernichtete, die Worte sprach:

»Ich habe zwar gehört, daß Capitän Ludlow viel von seinem Rufe dem Entern verdanke; allein ich hoffte, sein Ehrgeiz würde sich mit den Lorbeern begnügen, die er im ehrlichen Kampfe dem Feinde abgenommen.«

»Schönste Alida, ich bitte, verzeihen Sie mir,« unterbrach sie der Jüngling; »Sie kennen ja die Hindernisse, welche die eifersüchtige Wachsamkeit Ihres Oheims meinem Wunsche, Sie zu sprechen, entgegensetzt.«

»Sie helfen ihm wenig, denn der Alderman Van Beverout ist so schwach, zu glauben, daß das Geschlecht seiner Mündel sie gegen solche Coups de main genugsam schütze.«

»Nein, Alida, dies heißt die Winde an Laune übertreffen! Sie wissen zu gut, wie ungern Ihr Vormund meine Bewerbung sieht, als daß Sie eine geringe Abweichung von der kalten Sitte gewaltsam zu einem ernstlichen Klagegrund machen könnten. Der Inhalt Ihres Briefes gab mir Hoffnung, ja, ich will es sagen, Kühnheit; empfangen Sie meinen Dank dafür, aber Erwartungen, die erst so kürzlich vielleicht zu einer größern Höhe, als die Vernunft billigt, von Ihnen emporgehoben wurden, sollten Sie nicht grausam wieder zerstören.«

Schon hatte die Gluth, die des Mädchens Wange zuerst bedeckte, zu weichen angefangen, als diese Worte sie verdoppelt dahin zurückriefen, und einen Augenblick lang wollte ihre Zuversicht sie verlassen; da besann sie sich schnell, und antwortete gefaßt, obgleich nicht ohne innere Erschütterung:

»Die Vernunft, Herr Capitän, hat der weiblichen Schicklichkeit enge Grenzen angewiesen. Vielleicht war es mehr gutmüthig als klug, daß ich Ihren Brief beantwortete; nur zu schnell geben Sie mir Ursache, meinen Irrthum zu bereuen.«

»Theure Alida, gebe ich Ihnen jemals Ursache, Ihr Zutrauen zu bereuen, so möge Schande in meinem Amte und das Mißtrauen Ihres ganzen Geschlechtes meine Strafe seyn. Doch habe ich nicht vielmehr Ursache, mich über Ihr folgewidriges Betragen zu beschweren? Konnte ich vermuthen, daß ein so bitterer Verweis – denn bitter macht ihn Ihre Kälte und Ironie – mich strafen würde für ein so verzeihliches Versehen, für den Wunsch, Ihnen meinen Dank auszudrücken?« »Dank!« erwiederte Alida, und diesmal war ihr Staunen kein angenommenes. »Das Wort ist stark, Sir, und paßt nicht für die einfache Verbindlichkeit, auf welche das Darlehen eines Bandes Gedichte Anspruch machen kann.«

»So habe ich entweder den Sinn des Briefes höchst seltsam mißverstanden, oder es war heute ein Tag, an dem man sich Scherze erlaubt!« sagte Ludlow, bemüht, seine Unzufriedenheit zu verbergen. »Doch nein, ich bin im Besitz Ihrer eigenen Worte, welche dies abgewendete Auge, diesen kalten Blick widerlegen, und, bei der Ehre eines Matrosen! ich schenke Ihren besonnenen und wohlüberlegten Gedanken mehr Glauben, als diesem Anfalle von Eigensinn, der Ihres herrlichen Gemüthes unwürdig ist. Hier sind die Worte selbst, ich werde nicht leicht die schmeichelnde Hoffnung aufgeben, die sie mir einflößen!«

Jetzt blickte die schöne Barbérie den jungen Mann mit unverhohlener Verwunderung an. Sie erblaßte; denn, machte sie sich auch die unkluge Handlung, schriftlich geantwortet zu haben, zum Vorwurf, so war sie sich doch bewußt, keinen Ausdruck gebraucht zu haben, welcher die Dreistigkeit des Andern gerechtfertigt hätte. Fest schaute sie ihm in's Antlitz; die späte Stunde, der Stand ihres Bewerbers und die Sitten jener Zeit, verleiteten das Mädchen, zu zweifeln, ob der Mensch, der vor ihr stand, auch wirklich seine Sinne in seiner Gewalt habe. Ludlow genoß indeß den Ruf, frei von einem Laster zu seyn, welches damals nur zu vorherrschend unter Seeleuten war, und das Aufrichtige in seinen männlich schönen Zügen, verscheuchte den häßlichen Verdacht. Hierauf zog sie die Klingel und winkte ihm, sich zu setzen.

»François,« redete den noch halb im schlafenden Zustand eintretenden alten Diener dessen Gebieterin an, »thu' mir die Freundschaft, Wasser aus dem Waldbrunnen und Wein herbei zu bringen: der Herr Capitän haben Durst; und, vergiß nicht, guter François, mein Onkel darf in dieser Stunde nicht gestört werden, er muß von seiner Reise noch sehr ermüdet seyn.« Nachdem sie ihrem achtbaren Diener diesen Auftrag ertheilt, und derselbe ehrerbietig das Zimmer verlassen hatte, nahm sie ermuthigt einen Sitz, denn nun war dem Besuche Ludlow's das Heimliche genommen, und die Zwischenzeit bis zur Rückkunft des Bedienten mit den Getränken ließ ihr Muße, die unbegreifliche Absicht ihres Gesellschafters zu ergründen.

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