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Denise Remisberger

Der auferstandene Rosenkranz

Ein Pfarrer Jacques Krimi

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

«Darf ich vorstellen?», strahlte Pfarrer Selri in die Runde und deutete mit der ausgestreckten Hand auf den neuen Pfarrer, der in Zukunft für die Frauensinggruppe der reformierten Kirchgemeinde Kreis Fünf, mitten in der Stadt Zürich, zuständig sein würde. «Pfarrer Sebastienne.»

«Sebastienne?!», krähte Sabine Pfau nach vorne und kapierte gar nichts mehr.

«Äh, ja», druckste der neue Pfarrer herum, lief rot an und verstummte.

«Lass den schüchternen Herrn Pfarrer in Ruhe, Sabine!», dröhnte Marie Krug, die heute ein jadegrünes Jackenkleid aus fein gewobener Wolle trug.

«Unser neues Pfarramtsmitglied liess sich umtaufen, offiziell, als ihm unser Herr Jesus bewusst machte, dass er sich mehr als Frau fühlte denn als Mann», erklärte Pfarrer Selri.

«Und was sollen wir mit einem schwulen Pfarrer?!», wollte Sabine fordernd wissen. «Der verliebt sich doch nie in eine von uns.»

«Aber Pfarrer Jacques, wie?! Vor allem in dich, was? Du blinde Kuh!», giftete Marie.

Pfarrer Jacques stand derweil ganz still, mit brav gefalteten Händen, den Blick auf die Steinplatten der Kirche gerichtet, daneben und grinste innerlich.

«Hört mal, meine Lieben, hier geht’s nicht ums Verlieben, sondern ums Singen, ja? Also beherrscht euch gefälligst», entschärfte Thea Semp die Situation.

«Sie dürfen sich auch gerne in mich verlieben, meine Damen, ich habe nichts dagegen. Unerwiderte Liebe ist doch die schönste von allen.» Und dabei lächelte Pfarrer Sebastienne so unbedarft, dass ihm bereits etliche Herzen zugeflogen kamen.

«Pfarrer Jacques wird unsere Seniorengruppe übernehmen», erläuterte Selri weiter.

«Seit wann hat diese Gemeinde eine Seniorengruppe?!» Sabine Pfau war noch nicht wirklich beschwichtigt.

«Seit heute», meldete sich endlich Pfarrer Jacques zu Wort, ein grosser, schlanker Mann mit blondem, dichtem Haar und grauen Augen, die wie Kiesel in einem sonnenbeschienenen Bach funkelten.

Doch das täuschte.

Jacques war etwa so gefühlvoll wie ein Eiskristall und betätigte sich ausserdem während seines Kirchendiensts gelegentlich als Reliquienräuber, um die für die Katholischen wertvollen Gegenstände zu verticken. Sein Abnehmer war ein Freund aus Studientagen, Prior Hans-Peter vom Kloster Sankt Gallen, der die gestohlenen Objekte seinerseits weiterverkaufte. Mit Marge, versteht sich.

«Sabine, denk’ auch mal an deinen Mann, den armen Heinz, du solltest dich eigentlich gar nicht anderweitig verlieben», kicherte Jacques.

«Ach, Jacques», schmachtete Sabine nichtsdestotrotz.

Und dann lag noch ein anderes Augenpaar verzückt auf Pfarrer Jacques’ Gesicht. Und das gehörte keiner der anwesenden Frauen. Auf alle Fälle keiner selbst ernannten.

2

Die reformierte Kirchgemeinde Kreis Fünf hatte sich endlich ein hauseigenes Fahrzeug geleistet, das knapp als Kleinbus durchging: Marke Mercedes-Benz, Farbe Blumenmuster. Das Büschen war eine günstige Occasion gewesen und stammte aus den frühen Achtzigerjahren. Der Motor lief noch.

Pfarrer Jacques setzte sich also hinter das abgegriffene Steuerrad und zockelte los, seine Seniorengruppe einzusammeln. Drei der zwölf Mitglieder wohnten zuhause, die anderen neun im Altersheim «Flussmatte».

Jacques überquerte den Limmatplatz, bog in die Gasometerstrasse ein und hielt vor einem der Reihenhäuser an, um Herrn Siegbert abzuholen. Der stand bereits im Hauseingang, ausstaffiert mit Hut und Stock und zerrte an der Eingangstüre.

«Warten Sie, ich helfe Ihnen, Herr Siegbert», rief der heraneilende Jacques.

«Nein, nicht helfen! Ich komme alleine klar. Ich brauche nur ein bisschen länger als früher. Wissen Sie, Herr Pfarrer, ich bin nicht mehr ganz zwanzig. Da kann’s schon mal etwas dauern. So. Geschafft», krähte das kleine, drahtige Männlein, liess die schwere Türe hinter sich ins Schloss fallen und eilte gekrümmt und mithilfe seines Stocks auf den bunten Kleinbus zu.

«Ich mag ja alt sein, Herr Pfarrer, aber dass dies hier ein nicht ganz moderner Bus ist, sehe sogar ich. Nicht ganz ‹up to date›, wie die jungen Leute heute sagen», kicherte der für den Ausflug an den Bodensee herausgeputzte Herr ziegenböckisch.

«Dafür konnten wir ihn uns leisten, Herr Siegbert.»

«Habt ihr wieder mal kein Geld, ihr Kirchenmäuse?!»

«Wir müssen es nur richtig einteilen, dann geht es schon.»

«Wie wär’s mit einer, äh, wie heisst das jetzt, äh, Anlageberatung?»

«Von Ihnen?»

«Warum nicht? Schlimmer als die bei den Banken kann ich’s auch nicht hinkriegen.»

«Da haben Sie allerdings Recht, Herr Siegbert.»

«Solarstrom, sag’ ich», und Herr Siegbert schüttelte seinen Stock im Sitzen, während Jacques losfuhr, «investieren Sie in Solarstrom. Das ist die Zukunft.»

«Herr Siegbert, so viel Geld haben wir nicht, als dass wir irgendwelche Aktien damit kaufen könnten. Welche auch immer.»

«Kirchenmäuse, sag’ ich doch, arme Kirchenmäuse.»

Der nächste Halt ergab sich kurz nach dem Röntgenplatz. Dort wohnte Frau Lammschein.

Als Pfarrer Jacques auf das Haus zuging, winkte die Dame bereits vom Balkon herunter.

«Ich rauche die noch fertig, dann komm’ ich runter, Herr Pfarrer, gehen Sie nur schon wieder zum Bus zurück», hustete Frau Lammschein. «Ein lustiges Fahrzeug haben Sie da. Leicht zu finden zwischen all den dezenten anderen.»

«Nehmen Sie mich hoch, Frau Lammschein?»

«Klar, Herr Pfarrer», lachte die Kettenraucherin jetzt ungeniert, «glauben Sie, wir Alten hätten unseren Humor mit dem Bezug der AHV-Rente abgegeben?»

3

Nachdem sich Frau Lammschein neben Herrn Siegbert gesetzt hatte, fuhr Pfarrer Jacques zur Heinrichstrasse hinüber, um vor dem Haus von Signore Luciano zu parken.

Der lehnte lässig am schmiedeeisernen Gartentörchen und zog an einer teuren Zigarre.

Signore Luciano war von kleiner, kräftiger Statur, färbte sich die Haare, die zwar dünn, aber noch da waren, schwarz, hatte sich etliche Goldringe an die Finger gesteckt und ein gut sitzendes grünes Jackett, Bügelfaltenhosen und schicke Schuhe angezogen. Über seinem Arm trug er einen langen, beigen Mantel.

«Herr reformierter Pfarrer Jacques», tönte er mit leichtem Spott und setzte sich sogleich neben Frau Lammschein, welcher er galant die Hand küsste.

«Oh, sind Sie übergelaufen?», schäkerte diese.

«Zu den Guten?»

«Zu den Reformierten?»

«Ah, zu den Reformierten. Ja. Das bin ich. Sonst bin ich immer noch der Alte. Ab und zu», zwinkerte Signore Luciano.

Herr Siegbert hatte keine Ahnung, wovon Signore Luciano gerade sprach, währenddessen Pfarrer Jacques sich sicher war, dass er es hier mit einem nicht ganz Unbedarften zu tun hatte.

In der Nähe der wilden Sihl und der kanalisierten Limmat schwenkte Pfarrer Jacques auf einen kleinen Parkplatz ein und stieg aus.

Im Altersheim «Flussmatte» wurde er freudig begrüsst, allen voran von den Pflegerinnen, für die der Anblick eines so gut aussehenden, noch nicht mal ganz vierzigjährigen Mannes eine willkommene Abwechslung darstellte.

Acht Frauen und ein Mann erhoben sich, stützten sich teils auf ihre Gehstöcke, teils auf ihre Sturheit, schwatzten alle durcheinander und folgten ihrem Pfarrer hinaus.

Beim Anblick des geblümten Busses brachen sie alle wie auf Kommando in ein in verschiedenen Tonlagen vorgetragenes Gegacker aus, zeigten mit ihren zittrigen Fingern auf das Gefährt und stiegen trotz vehementem Zweifel an dessen Fahrtüchtigkeit ein.

Da geschah es.

Zwei Augenpaare trafen sich, verengten sich augenblicklich zu Schlitzen und die Stimmung zwischen den beiden siebzigjährigen Herren wurde eisig.

«Was ist?», flüsterte Frau Lammschein Signore Luciano ins Ohr.

«Ach, nichts. Ich kenne diesen Mann von früher.»

«Sie kennen sich von früher?», hatte Frau Gerlind ihre Ohren gespitzt, die immer noch optimal funktionierten, ganz im Gegensatz zu ihrem sechsten Sinn, der noch nie viel hergegeben hatte.

«Ja, lange her», knirschte Herr Ferdin mit den Zähnen.

«Können wir?», wollte Jacques vom Fahrersitz aus wissen, wobei er interessiert in den Rückspiegel starrte.

Irgendetwas stimmte hier absolut nicht. Seiner Meinung nach. Zwischen Signore Luciano und Herrn Ferdin herrschte Kalter Krieg. Dieser Ausflug würde heiter werden. Und diese Seniorengruppe hier hatte er für ewig am Hals. Na ja, bis sie tot umfielen, versteht sich.

4

«Wir sind da», rief Pfarrer Jacques und parkierte auf dem grossen Platz zwischen dem Arboner Metropol und dem Jumbo, direkt am Bodensee.

Die Sonne schien warm auf die am Rand aufgetürmten Schneehaufen und inspirierte Frau Sandmann gleich zu einer kritischen Bemerkung über die bräunlich-schwarze Verfärbung des Schnees.

«Deine Zähne sehen auch nicht anders aus, Hedwig!», krähte Frau Melchior daraufhin.

«Dafür sind es meine!», giftete Frau Sandmann in geübter Manier zurück.

Nachdem endlich alle aus dem Blumenbus ausgestiegen waren, wurde gemächlich spaziert, die beiden Streithähne Ferdin und Luciano möglichst weit voneinander entfernt.

«Meine Schwester haben sie letzte Woche begraben, in Sankt Gallen, auf dem Friedhof Sankt Georgen», seufzte Frau Melchior.

«Gerlinde Steiner? Die mit dem katholischen Tick?», vergewisserte sich Frau Sandmann.

«Ja, ja. Sie liess sich mit dieser Reliquie in Händen begraben.»

«Mit welcher Reliquie?», drehte sich Pfarrer Jacques hellhörig zu den beiden Frauen um.

«So ein altertümlicher Rosenkranz, dem nachgesagt wird, seine Perlen bestünden aus dem Holz des Kreuzes Christi.»

«So ein Unsinn», kommentierte Frau Sandmann. «Damals gab es noch gar keine Rosenkränze.»

«Und woher hatte Ihre Schwester diesen Rosenkranz?» Pfarrer Jacques’ Alarmglocken schrillten ganz laut.

«Aus dem Vatikan. Von einem ehemaligen Kardinal, den sie von früher kannte.»

«Der ‹Purpurne Kranz der heiligen Rosen›», dachte Pfarrer Jacques und wusste bereits, an wen er diese Information bald weitergeben würde.

5

An einem verschneiten Montagabend war ausnahmsweise mal richtig was los in der Nicht-Grossstadt Sankt Gallen.

Amalia hatte sich mit Kuno und Berian im Engel getroffen zwecks späteren Besuchs eines Konzertes im Palace.

Die beiden Männer arbeiteten gerade an einem Kunstprojekt und an ihrem Vitamin B, welches sie noch nicht so ganz gezielt einsetzen konnten.

Amalia war Kunstmalerin und suchte erst gar nicht nach etwaigen Nährstoffen. Sie berief sich ausschliesslich auf ihre mediale Verbindung zu einer ganzen Reihe Verstorbener und teilte denen ihre wenigen, aber konkreten Lebenswünsche mit, die sich dann jeweils zum richtigen Zeitpunkt erfüllten.

Das mit dem richtigen Zeitpunkt erforderte manchmal ein Warten von einigen Jahren, also ein Nichtaufgeben der Ziele während einer ganz schön langen Zeit. Ein Dranbleiben am eigenen Selbstbewusstsein.

Und das konnte Amalia.

Um zweiundzwanzig Uhr standen die drei im Konzertraum zwischen den Stühlen, die sich als etwas hinderlich erwiesen, vor allem, da sich die meisten aus dem Publikum gar nicht setzen wollten.

«A Place to Bury Strangers» begannen zu spielen und verliehen dem ehemaligen Kinosaal eine nostalgische Atmosphäre, welche die schwarz gekleideten Gemüter erfreut zurückliess.

6

Als das mit dem Display letzten Schreis ausgestattete Handy mit einem kirchlichen Liedchen klingelte, hielt es sich Prior Hans-Peter zu Klostern Sankt Gallen mit stolzer Miene ans parfümierte Ohr.

«Priorat?», intonierte er mit Fistelstimme.

«Das würde ich mich auch fragen, Hans-Peter. Guten Abend.»

«Jacques! Wie geht’s, wie steht’s? Ich hab’ ein neues Handy. Ich sage dir, einfach genial. Ich habe die ersten Seiten der Gebrauchsanweisung bereits studiert.»

«Studiert. Aha. Hans-Peter. Etwas ganz anderes. Du kennst die Reliquie der ‹Purpurne Kranz der heiligen Rosen›?»

«Klar, Jacques. Was ist damit?»

«Ich weiss, wo sie ist. Und ich könnte sie besorgen.»

«Was?!»

«Hättest du Interesse?»

«Natürlich, Jacques. Natürlich. Wow. Der ‹Purpurne Kranz der heiligen Rosen›. Ja. Ich hab’ da einen Bischof aus Deutschland zur Hand. Ein leidenschaftlicher Sammler.»

«Gut, Hans-Peter. Ich komme morgen bei dir vorbei, um die Konditionen zu besprechen. Sagen wir, zwei Uhr nachmittags?»

«Gut. Ich erwarte dich. Bis dann, Jacques.»

«Bis dann, Hans-Peter.»

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