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Chris Vandoni

Impressum

Über den Autor

PROLOG

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EPILOG

Dank

Die Sphären-Trilogie

Chris Vandoni

Der Hüter der Sphären

3. Teil der Sphären-Trilogie

Roman

Impressum

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Spiegelberg Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2016

ISBN 978-3-939043-74-4

© Spiegelberg Verlag, Schweiz 2016

Covergestaltung & Datenkonvertierung: Marktfotografen GmbH, www.marktfotografen.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung vom Spiegelberg Verlag reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Spiegelberg Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Sie finden uns im Internet unter www.spiegelberg-verlag.com

Über den Autor

Chris Vandoni stammt aus dem Tessin, lebt aber seit der Kindheit in der deutschen Schweiz und ist in der IT-Schulung tätig. Der langjährigen Freundschaft mit dem 2005 verstorbenen Perry-Rhodan-Autor Walter Ernsting (Clark Darlton) entsprang die Inspiration zum Schreiben. Erste unveröffentlichte Romane entstanden bereits in den 1980er-Jahren.www.vandoni.ch

Für meine Mutter

Marisa Vandoni

PROLOG

Ein leises, gleichmäßiges und einschläferndes Plätschern erfüllte die Umgebung. Ähnlich eines Echos schien es sich in gleichen Abständen aus verschiedenen Richtungen und in unterschiedlichen Entfernungen zu wiederholen. Es wirkte beinahe hypnotisch, auf jeden Fall entspannend. Eine Idylle zum Ruhen, Vergessen, Abheben. Andere Geräusche, Wind, Vogelgezwitscher, zirpende Insekten, menschliche Stimmen oder Zivilisationslärm, gab es nicht. Ein perfekter Ort, wie er sonst auf der Erde fast nirgends mehr zu finden war.

Die Ränder der mattblauen Plattformen wurden in gleichbleibenden Abständen von sanften Wellen überspült. Sie verliehen ihnen in regelmäßigen Abständen den Glanz, in dem sich das Licht der Kuppel spiegeln konnte, welches sich auch durch die sanften Wellen auf der glitzernden Wasseroberfläche bemerkbar machte.

Der Junge saß am Rand einer dieser Plattformen und hielt seine Beine ins temperierte Wasser, dessen Tiefe durch die dunkle Farbe, die sich zwischen dem Glitzern zeigte, nicht auszumachen war. Bedächtig bewegte er seine Füße hin und her und durchbrach dabei das regelmäßige Wellenspiel. Sein schwarzes, leicht gewelltes Haar bedeckte Ohren und Nacken und bildete einen starken Kontrast zu seiner von Geburt an auffallend hellen Haut. Diese hatte nie eine andere Farbe gehabt, da er in seinem bisherigen Leben noch keiner Sonne ausgesetzt gewesen war.

Über ihm erstreckte sich das leuchtende Firmament, dessen Lichtquelle nicht auszumachen war. Es bestand aus einer Halbkugel aus reiner Energie. In einiger Entfernung stachen spitze, bizarre und ebenfalls blaue Türme in die Höhe und veränderten fortwährend ihre Form. Manche reichten so weit hinauf, dass sie der Kuppel bedrohlich nahe kamen. Im Gegensatz zu den Plattformen besaßen einige von ihnen einen seidenen Glanz. Doch auch dies änderte sich immer wieder. Bei diesen Türmen handelte es sich um gigantische Speicher für Daten, die sich fortwährend veränderten und bearbeitet, analysiert, priorisiert, sortiert, gefiltert und visualisiert wurden. Doch davon hatte kein Mensch Kenntnis. Nicht einmal die Freunde des Jungen, die er in seiner Vergangenheit schon mehrmals hierher eingeladen hatte, wussten davon.

Für ihn war dieser Anblick nichts Ungewöhnliches. Er lebte seit jeher inmitten dieser Umgebung. Andere Welten kannte er nur aus den Mentalarchiven, aus denen er ständig sein Wissen erweiterte. Dieses Wissen war sein Lebensinhalt, der Sinn seiner Existenz, die er bisher noch nie hinterfragt hatte.

Das Geräusch eines kurzen, spontanen Atemzugs ließ ihn aufhorchen. Langsam drehte er seinen Kopf nach rechts. Das kleine Mädchen saß mit angezogenen Beinen, die Arme darum geschlungen und das Kinn auf die Knie gestützt unmittelbar neben ihm und starrte mit großen Augen zu ihm herauf.

»Wer bist du?«, fragte es nach einer Weile. Dem Gesicht entsprang große Neugier. »Und wo bin ich?«

Bedächtig hob er seine Beine aus dem Wasser und wandte sich dem Mädchen zu. »Mein Name ist Ahen«, antwortete er lächelnd. »Ich habe dich in meine Welt geholt.«

»Was ist das für eine Welt? So etwas habe ich noch nie gesehen.« Das Mädchen sah nach oben zur Kuppel, dann zu den Türmen.

»Du befindest dich in einer Sphäre.«

»Sphäre?« Das Mädchen sah ihn verwirrt an. »Was ist eine Sphäre?«

»Das ist eine riesige, durchsichtige Kugel mitten im Weltraum.«

»Wo ist der Weltraum?«, fragte das Mädchen weiter.

»Weit weg von deiner Heimat.«

»Auf der anderen Seite der Erde?«

»Nein, noch viel weiter weg. Außerhalb der Erde.«

»Und wie komme ich wieder nach Hause?«

»So, wie du hierhergekommen bist. Ich werde dich zurückbringen.«

»Ich habe aber gar nicht bemerkt, dass ich hierhergekommen bin. Wie hast du das gemacht?«

»Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir ein anderes Mal.«

Das Mädchen runzelte nachdenklich die Stirn. »Werde ich dich wiedersehen?«

»Bestimmt wirst du das. Es wird aber noch eine Weile dauern.«

»Wie lange denn?«

»Das kann ich dir nicht sagen.«

»Ich habe bald Geburtstag. Kommst du mich besuchen?«

»Das geht leider nicht.«

Wieder schwieg das Mädchen. Nach einer Weile löste es einen Arm von den Beinen und betrachtete seine Handfläche.

Ahen erkannte eine kleine Narbe am Ansatz des Zeigefingers. »Hast du dich dort geschnitten?«

»Einmal bin ich gestolpert, habe mein Trinkglas verloren und bin mit der Hand auf eine Scherbe gefallen. Das hat sehr wehgetan.«

»Das glaube ich dir.«

»Hast du auch schon mal eine Verletzung gehabt?«

»Zum Glück nicht.«

»Du bist nie gestolpert oder hingefallen?«

»Nein, bisher nie.«

»Du Glückspilz!«

Ahen konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Gleichzeitig erinnerte er sich an die vielen Unfälle der Menschen, die er aus den Mentalarchiven kannte.

»Warum hast du mich hierhergeholt?«, fragte das kleine Mädchen nach einer Weile.

»Du bist ein ganz besonderer Mensch. Eines Tages wirst du etwas Wichtiges tun müssen.«

»Was denn?« Das Mädchen streckte seine Beine von sich und berührte mit den Zehenspitzen das Wasser. »Es ist gar nicht kalt.«

»Ja, es passt sich uns an.«

»Wie geht das?«

»Es geschieht einfach.«

»Du bist komisch.«

Ahen lachte unwillkürlich und sah das Mädchen eine Weile an. Die Haut war wesentlich dunkler als seine. Das schwarze Haar schien im Glanz des Lichts leicht bläulich zu schimmern.

»Wann bringst du mich wieder nach Hause?«, fragte das Mädchen und zog die Beine wieder an sich. »Ich langweile mich.«

»Bald.«

»Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum ich hier bin.«

»Du würdest es nicht verstehen. Aber vor allem, weil ich dich unbedingt kennenlernen wollte.«

»Ich will nach Hause.«

Ahen erhob sich und streckte dem Mädchen die Hand entgegen. »Komm, wir gehen ein Stück.«

Geschickt balancierte Ahen über einen der unzähligen Stege, welche die vielen Plattformen miteinander verbanden. Das Mädchen folgte ihm. »Das ist lustig. Ist das Wasser tief?«

»Ja, sehr tief.«

»Ich kann schon schwimmen.«

»Das ist gut. Dann wäre es nicht schlimm, wenn du hineinfallen würdest.«

»Bist du schon mal hineingefallen?«

»Ja, ein paar Mal. Aber meistens springe ich freiwillig hinein.«

»Das kann ich auch.«

»Das glaube ich dir.«

»Darf ich es hier auch tun?«

»Wenn du möchtest, spring ruhig hinein.«

Auf einer der Plattformen blieb das Mädchen stehen, stellte sich an den Rand und sah nachdenklich auf den Wasserspiegel. »Gibt es da drin Fische oder gefährliche Tiere?«

»Nein. Ich bin das einzige organische Wesen, das in dieser Sphäre lebt.«

»Du bist ganz alleine?«

»Ja.«

»Das ist ja furchtbar!« Das Mädchen sperrte Mund und Augen weit auf.

»Nein. Ich kenne nichts anderes. Es hat nie jemand anderen gegeben.«

»Du warst schon immer ganz alleine?«

»Ja.«

»Ist dir nicht langweilig?«

»Nein, überhaupt nicht. Ich kann mich hier mit sehr vielen Dingen beschäftigen.«

»Womit denn?« Ein weiterer Funken Neugier entsprang den Augen des Mädchens.

»Ich kann schwimmen, über die Stege von Plattform zu Plattform rennen, die Höhlen erforschen und aus den Mentalarchiven mein Wissen erweitern.«

»Was ist ein Mentalchiv?«

Ahen musste grinsen. »Es heißt Mentalarchiv. Das ist ein Speicher, in dem alles, was in der Welt geschieht, gespeichert wird.«

»Alles? Auch das, was bei mir zu Hause passiert?«

»Auch das.«

»Du beobachtest uns?«

»Nicht ich, die Sphären tun es.«

»Aber du kannst es dir anschauen.«

»Ja, ich kann mir anschauen, was ich will und wann ich will.«

»Dann weißt du alles über mich?«

»Ja, über dich weiß ich tatsächlich alles. Aber nicht nur über dich, auch über alle anderen Menschen.«

»So viel kannst du doch gar nicht in deinem Kopf behalten.«

»Das muss ich auch nicht. Ich schaue mir nur das an, was mich interessiert, und behalte nur das, was für mich wichtig ist und ich behalten will.«

»Bin ich wichtig für dich?«

»Ja, sogar sehr wichtig.«

Das Mädchen atmete mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck tief ein und reckte die Brust. »Du kannst aber mit niemandem darüber reden. Hast du mich deshalb hierhergeholt?

»Ich habe dich hierhergeholt, weil du mir wichtig bist und ich dich kennenlernen wollte.«

»Hast du sonst gar keine Freunde?«

»In Gedanken schon.«

»Ich könnte deine Freundin sein.«

»Ja, das bist du. Und ich bin dein Freund.«

Das Mädchen setzte sich an den Rand der Plattform und streckte die Beine ins Wasser. Dann rutschte es nach vorn und ließ sich hineingleiten.

»Das Wasser ist viel wärmer als bei uns.«

»Ich weiß nicht, wie das Wasser bei euch ist. Hier ist es immer so.«

»Ich möchte, dass es bei uns auch so ist.«

Mit ungestümen Bewegungen versuchte das Mädchen, im Wasser vorwärtszukommen und umrundete auf diese Weise die Plattform.

»Du kannst schon sehr gut schwimmen.«

Das Mädchen sagte nichts und ruderte noch hastiger mit den Armen. Nach einer zweiten Umrundung hielt es sich am Rand fest und atmete heftig.

Ahen setzte sich neben sie und sah sie lächelnd an. Ihre Haut glitzerte im hellen Licht. Für einen kurzen Moment nahm sie einen bläulichen Ton an. Da wusste er, dass seine Mission erfüllt war.

1.

Kaum hatten sie die Schleuse verlassen, erschütterte die erste Explosion die innerste Zone des Laborkomplexes. Die dicken Panzerglaswände zur nächsten äußeren Zone waren jedoch stabil genug, um einer solchen Detonation standzuhalten. Die Schleuse selbst hatte sich automatisch verriegelt. Der Druck in der innersten Zone war auf ein Minimum gesenkt worden. Bei einer Selbstzerstörung ging es lediglich darum, den kontaminierten Bereich vollständig zu eliminieren, ohne dass andere Zonen davon betroffen wurden.

In Zachary Ross’ Gedanken tauchte immer wieder der Moment seines Missgeschicks auf. Wie hatte er sich nur so ungeschickt anstellen können? Er war sich so sicher gewesen, den richtigen Augenblick für seine alles entscheidende Aktion gewählt zu haben. Allerdings hatte sein Vorhaben nicht darin bestanden, ein reguläres Experiment mit den außerirdischen Nanopartikeln durchzuführen. Vielmehr hatte er beabsichtigt, diese für einen anderen, ganz bestimmten Zweck einzusetzen.

Eine Vernichtung der innersten Zone war ebenfalls nicht vorgesehen gewesen. Wie sollte er dies gegenüber seinen Vorgesetzten rechtfertigen? Zumal er unter Umständen auch nicht mehr verbergen konnte, dass er eine nicht autorisierte Person diesen Bereich hatte betreten lassen. Dies konnte sein primäres Vorhaben gefährden.

Die Frau stand unmittelbar neben ihm und starrte erschrocken durch die Panzerglasscheibe auf das Inferno. Kaskaden von Flammen züngelten an den Wänden empor, bedeckten die Labortische und die übrigen Einrichtungsgegenstände. Reagenzgläser und andere Behälter zerbarsten und sprühten Funken in alle Richtungen. Der laute Knall einer weiteren Explosion ließ das Panzerglas erneut erzittern.

»Wir müssen hier sofort raus!«, schrie Zachary der Frau zu und stürmte zum Gang, der zur nächsten Schleuse führte. Durch den Ausschnitt des Sichtglases seines Schutzanzuges konnte er nicht erkennen, ob sie ihm folgte. Aber das spielte im Moment keine Rolle. Es galt in erster Linie, sich selbst in Sicherheit zu bringen und anschließend sämtliche Beweise für seine Aktion zu vernichten. Letzteres dürfte das größere Problem werden, aber damit wollte er sich erst befassen, wenn er hier heil rausgefunden hatte.

Zachary Ross war Chemiker bei Norris & Roach Labs Inc. und Mitglied einer Sekte namens Verkünder der Apokalypse. Im Grunde genommen lehnte diese Glaubensgemeinschaft jegliche Art von Wissenschaften ab – die Welt existierte allein aufgrund Gottes Willens –, doch Zachary nutzte seine Sachverständigkeit insgeheim, um den teuflischen Einfluss einer der vielen Wissenschaftszweige auf die Menschheit und die Welt zu untersuchen – und wenn nötig zu sabotieren.

Die Gründer und Mitglieder der Sekte waren der Ansicht, dass der Mensch sein Schicksal und jenes der gesamten Welt nicht selbst zu bestimmen hatte, sondern alles in Gottes Händen lag und nur er alleine dazu auserkoren war, sämtliche Geschehnisse zu lenken und zu bestimmen. Seit ihrer Gründung vor über hundertfünfzig Jahren prophezeite die Sekte den Weltuntergang in den verschiedensten Formen. Weiter behaupteten die Anführer, dass nur jene nach der Apokalypse errettet werden würden, die sich ihnen anschlössen. Sie würden die Auserwählten bilden, die den Fortbestand der Neuen Menschheit sicherstellten.

Zachary Ross wusste, dass die Anführer der Sekte für den Fall der Apokalypse Vorkehrungen getroffen hatten, um das Überleben ihrer Mitglieder zu gewährleisten. Zumindest für einen Teil von ihnen. Er selbst war der Sekte erst nach seinem Chemiestudium beigetreten. Ein Freund hatte ihn damals überredet, bei einer Informationsveranstaltung teilzunehmen. Zachary, bis dahin wenig von Erfolg verwöhnt und immer im Schatten anderer stehend, hatte seine Bestimmung sofort erkannt. Er war davon überzeugt, zum erlauchten Kreis der Auserwählten zu gehören. Von da an tat er alles, was im Interesse der Sekte stand, und widmete sein ganzes Leben fortan nur noch einem Zweck: Der Erfüllung der angekündigten Apokalypse.

Als Derek Varnowski vor längerer Zeit den Konzern übernommen und Zachary erfahren hatte, dass ein früheres Forschungsprojekt reaktiviert wurde, bei dem außerirdische Nanopartikel erforscht werden sollten, bewarb er sich sofort. Er war einer der Ersten gewesen, der eingeweiht und ins Projekt involviert worden war. In den Nanopartikeln sah er großes Potenzial bezüglich des bevorstehenden Weltuntergangs.

Nachdem Derek Varnowskis Machenschaften aufgedeckt und er in der Kolonie Tongalen verhaftet worden war, wurde das Projekt erneut eingestellt, die Konzernleitung den Behörden unterstellt und Zachary mit anderen, unbedeutenden Aufgaben betraut.

Aber Zachary hatte vorgesorgt. Als die ersten Schwierigkeiten auftauchten und Beamte begannen, im Betrieb herumzuschnüffeln, hatte er wichtige Bestandteile des Projekts beiseitegeschafft, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Dann brauchte Zachary nur noch zu warten. Der Zeitpunkt, an dem er seine Experimente weiterführen konnte, würde kommen.

Und dieser Zeitpunkt kam schneller, als er erwartet hatte.

Nach wenigen Monaten wurde eine neue Geschäftsleitung eingesetzt, die das Vertrauen der Regierung besaß. Die Kontrolle durch die Behörden war vorüber.

In Tuba City, einem kleinen Ort etwa dreihundertfünfzig Kilometer östlich von Las Vegas, in dem vor vielen Jahrzehnten bereits Experimente durchgeführt worden waren, ließ Zachary den unterirdischen Laborkomplex neu einrichten und heimlich das gesamte Material des eingestellten Projekts dorthin verfrachten. Mittlerweile bekleidete er im Konzern eine Führungsposition und konnte seine Untergebenen zur Verschwiegenheit verpflichten. Unter dem Deckmantel eines geheimen Regierungsprojekts ließ er die Forschung und die Experimente an den Nanopartikeln weiterführen. In regelmäßigen Abständen besuchte er die Niederlassung in der Wüste, um den Wissenschaftlern das Gefühl zu geben, dass ihre Arbeit wichtig war.

Bei seinem jüngsten Besuch schien der entscheidende Moment gekommen zu sein. Ihm war bei seinen letzten Besuchen aufgefallen, dass eine bestimmte Sachbearbeiterin öfter abends länger arbeitete. Auf seine Frage hin, warum sie nicht zeitig nach Hause gehen würde, hatte sie jedes Mal geantwortet, eine dringende Arbeit müsse noch zu Ende gebracht werden.

Jennifer Rosenberg, eine Frau in den Sechzigern, besaß genau das Pflichtbewusstsein, das viele Menschen vermissen ließen. Dass auch Fürsorge zu ihren Tugenden zählte, hatte sie bewiesen, indem sie ihm bei seinen Besuchen jedes Mal Kaffee und Gebäck brachte.

An diesem Abend hatte Zachary mit Jennifer jedoch etwas ganz Besonderes vor. Er war davon überzeugt, dass der Zeitpunkt für den ersten richtigen Versuch gekommen war. Um sicherzugehen brauchte er jedoch einen Beweis, den er den Anführern der Sekte präsentieren konnte.

Einen lebenden Beweis.

Er wusste, dass seine geplante Aktion illegal war. Und äußerst gefährlich. Doch der Gebäudekomplex mit den unterirdischen Labors, die in verschiedene Schutzzonen unterteilt waren, konnte im Notfall von der Außenwelt völlig abgeriegelt werden. Da seine übliche Arbeit eher theoretischer Natur war, hatte er sich bislang nur in der Zone mit der niedrigsten Sicherheitsstufe aufgehalten. Die Labors, in denen mit den richtigen Partikeln experimentiert wurde, befanden sich in der innersten Zone. Um dahin zu gelangen, musste man insgesamt vier Schleusen passieren. In den letzten beiden Zonen war der Aufenthalt nur in luft- und wasserdichten Schutzanzügen erlaubt.

Sein ursprünglicher Plan bestand darin, sich zusammen mit Jennifer in die innerste Zone zu begeben. Doch sie besaß keine Autorisierung für diesen Bereich. Also musste er sie von der Notwendigkeit ihrer Assistenz überzeugen.

»Jennifer?« Leise erschien er in der Tür zu ihrem Büroraum.

Die Frau fuhr zusammen und starrte ihn an. »Kann ich etwas für Sie tun?« Ein verlegenes Lächeln umspielte ihre Lippen.

»Nun ja«, begann er unsicher. »Das könnten Sie tatsächlich. Ich müsste in der innersten Zone ein kleines, aber wichtiges Experiment durchführen.«

»Aber Sie haben doch Zugang zu diesem Bereich.«

»Das schon. Doch ich kann den Versuch nicht alleine machen, und außer Ihnen ist niemand mehr hier.«

»Soll ich für Sie jemanden anrufen, der gleich herkommen kann?«

»Nein, müssen Sie nicht. Das Problem ist, dieser Versuch muss möglichst schnell durchgeführt werden. Bis jemand hier ist, wäre es zu spät.«

»Sie haben etwas entdeckt?«

»Ja, so ist es«, log er und versuchte, seinen Unmut über Jennifers Neugierde zu verbergen. »Was ich heute Abend herausgefunden habe, ist von großer Bedeutung. Es muss sofort erprobt werden, weil meine Mitarbeiter heute die Partikel in einen Zustand versetzt haben, der es in ein paar Stunden verunmöglichen würde, mein Experiment durchzuführen.«

Jennifer schien ihm jedes Wort zu glauben. »Was wollen Sie nun machen?«, fragte sie interessiert.

»Wenn ich dieses Experiment nicht in den nächsten zwanzig Minuten durchführe, war alles umsonst.«

»Ich würde Ihnen gern helfen. Aber leider bin ich für die inneren Zonen nicht autorisiert.«

»Ich könnte Ihnen für heute Abend ausnahmsweise die Erlaubnis geben. Und wir könnten es einfach für uns behalten.«

Jennifer machte es ihm nicht leicht. Doch dann hörte er endlich die Worte, auf die er so lange gewartet hatte.

»Wenn das so ist, helfe ich Ihnen natürlich sehr gerne. Welchen Anzug soll ich nehmen?«

Als sie sich kurz darauf tief unter der Erde in der innersten Zone befanden, begann Zachary mit seiner Arbeit. Er stellte sich vor einen luftdichten Panzerglaskasten und steuerte über die beiden zugehörigen Sticks zwei kleine Roboterarme. Diese zogen aus einem Nebenfach eine mit grauer Flüssigkeit gefüllte Luftdruckampulle heraus, legten sie in einen Edelstahlbehälter und verschlossen diesen. Kurz darauf wurde der Behälter desinfiziert und durch eine kleine Schleuse aus dem Glaskasten geführt. Zachary entnahm ihm die Ampulle und legte sie neben sich auf ein Tablett.

Eine Weile lang beschäftigte er sich mit verschiedenen, unbedeutenden Dingen und wartete die günstigste Gelegenheit ab.

Als sich Jennifer von ihm abwandte, griff er blitzschnell zur Ampulle, hob seinen Arm und wollte die Injektion durch den Schutzanzug in ihren Hals schießen. Doch genau in diesem Moment drehte sich Jennifer wieder um. Der Schuss der Druckampulle ging daneben und streifte stattdessen ihren Schutzanzug, auf dem sich sofort ein grauer Fleck bildete, der sich rasch vergrößerte.

Als die Alarmsirenen losgingen, geriet Zachary in Panik. Er packte Jennifer am Arm und zerrte sie mit sich zur ersten Schleuse. Kaum hatten sie sie passiert, erschütterte die erste Explosion die innerste Zone.

»Wir müssen sofort raus!« Blitzschnell rannte er, dicht gefolgt von Jennifer, zur Dekontaminationsschleuse, in der beide mit einer trüben Flüssigkeit besprüht wurden.

»Was ist passiert?«, schrie sie.

»Eine defekte Ampulle!«, rief er zurück, während ihn das rot blinkende Warnlicht noch nervöser machte.

Als der Sprühregen aufhörte und Jennifer sich umdrehte, blieb ihm vor Schreck beinahe das Herz stehen. In ihrem Schutzanzug klaffte auf Halshöhe ein Loch. Der Anzug war kontaminiert!

»Sie müssen sofort den Schutzanzug ablegen!«, brüllte er. »Los! Machen Sie schon! Verlassen Sie auf keinen Fall die Schleuse mit dem Schutzanzug! Legen Sie ihn ab und lassen Sie ihn hier liegen.«

Jennifer wandte sich von ihm ab und schien die Schleuse verlassen zu wollen. Er hatte nicht den Mut, sie anzufassen und zurückzuhalten.

»Bleiben Sie stehen und ziehen Sie den Schutzanzug aus!«, rief er noch einmal mit Nachdruck.

Doch Jennifer beachtete ihn nicht mehr.

Ich muss sie aufhalten! Sie könnte auch kontaminiert sein!

Zachary rannte ihr hinterher, packte sie von hinten und achtete darauf, das Loch im Schutzanzug nicht zu berühren. Dann riss er sie zurück. Jennifer stürzte zu Boden.

»Öffnen Sie den Helm!«, brüllte er ihr ins Gesicht, als sie auf dem Rücken lag.

Doch sie schüttelte nur den Kopf und starrte ihn mit panikerfüllten Augen an.

»Ihr Schutzanzug ist kontaminiert«, fuhr er etwas ruhiger fort. »Wenn Sie ihn nicht augenblicklich ablegen, werden Sie es auch gleich sein, und das würde Ihren Tod bedeuten.«

Nach wie vor starrte sie ihn durch das Schutzglas an und rührte sich nicht.

»Wollen Sie sterben?«

Sie schüttelte erneut den Kopf.

»Dann kommen Sie da raus!«

Zachary vernahm das Zischen, als der Schutzanzug den Luftdruck entweichen ließ, der im Innern geherrscht hatte. Jennifer richtete ihren Oberkörper auf. Zachary nahm ihr den Helm ab, half ihr aus dem Anzug und warf ihn so weit wie möglich weg. Dann entdeckte er an ihrer Schulter einen dunkelgrauen Fleck.

Sie ist bereits kontaminiert! Sie darf das Labor nicht mehr verlassen!

Jennifer saß nach wie vor auf dem Boden, mitten in der Lache der Sprühflüssigkeit. Kurzerhand kniete er hinter sie, packte ihren Kopf mit beiden Händen und drehte ihn mit einem Ruck nach links. Er konnte das Knacken hören, als ihr Genick brach. Leblos sank Jennifers Körper zur Seite auf den nassen Boden.

Dann rannte er zum nächsten Materialraum und besorgte sich einen großen Schutzbehälter. Er hatte zwar keine Ahnung, ob das Material den Partikeln widerstehen würde, aber fürs Erste sollte es reichen.

Als er in die Schleuse zurückkehrte, hob er die Leiche in den Behälter und achtete darauf, ihre Schulter nicht zu berühren. Nachdem er auch ihren Schutzanzug darin verstaut hatte, verschloss er den Behälter mit dem Deckel und rollte ihn aus der Schleuse. Als er die restlichen Schleusen und Schutzzonen hinter sich gelassen hatte, bestieg er einen Aufzug und wählte das Verladedeck. Dort angekommen, schob er den Behälter zu einem der beiden Robo-Transporter, öffnete das Verladeschott und beförderte ihn hinein. Dann entledigte er sich seines eigenen Schutzanzugs, warf ihn ebenfalls in den Transporter und verschloss das Fahrzeug. Anschließend setzte er sich an das erstbeste Terminal und atmete einmal tief durch. Er loggte sich ein, holte Jennifers Personalakte auf das Display und übertrug ihre Wohnadresse als Empfänger in die Steuerung des Robo-Transporters. Er aktivierte den Transportauftrag, erhob sich und verließ das Verladedeck mit dem Aufzug. Der Transporter würde in der kommenden Nacht seine Reise antreten.

Als er oben ankam, wurde er von etwa zwei Dutzend uniformierten und schwerbewaffneten Sicherheitsleuten empfangen.

»Hände über den Kopf und auf die Knie!«, schrie der Anführer.

Schützend hielt er die Hände vor sich. »Halt! Stopp! Das ist ein Missverständnis!«, rief er abwehrend. »Ich bin der Niederlassungsleiter.«

»Runter, habe ich gesagt!«

Langsam ließ sich Zachary auf die Knie und hob die Hände über den Kopf. Sofort kam einer der Bewaffneten und legte ihm elektronische Handfesseln an. Dann durchsuchte er ihn, holte seinen Ausweis hervor und gab ihn dem Anführer.

»Zachary Ross«, las der Mann vom Ausweis. »Sie scheinen tatsächlich der hiesige Leiter zu sein. Wir werden das aber noch überprüfen. Was machen Sie hier um diese Zeit?«

»Ich musste noch ein wichtiges Experiment durchführen«, stammelte Zachary. »Aber es ist etwas schiefgegangen. Ich wollte gleich den Sicherheitsdienst rufen, doch Sie sind mir zuvorgekommen.«

»Wir haben einen Alarm der höchsten Stufe empfangen. Das heißt für uns, es ist etwas sehr Gefährliches passiert. Wir werden Sie vorübergehend in Gewahrsam nehmen, bis die Sache geklärt ist. Wir wollen sichergehen, dass Sie nichts Kriminelles tun wollten. Los, stehen Sie auf und kommen Sie mit!«

»Das können Sie mit mir nicht machen!«, protestierte Zachary.

»Und ob wir das können. Das ist schließlich unser Job.«

Zachary erhob sich und überlegte, wie er aus dieser Situation entkommen konnte. Er war überzeugt, dass sie ihm nichts tun durften, schließlich war ein hoher Mitarbeiter des Konzerns.

Als sie das Gebäude verließen und auf den Security-Gleiter zugingen, riss er sich los und rannte auf das Seitengebäude zu. Dahinter befand sich einer von mehreren Parkplätzen, auf denen stets Bodengleiter herumstanden. Er wusste, dass viele Mitarbeiter ihre Fahrzeuge nicht absperrten, da es hier praktisch keine Diebstähle gab.

Die Hoffnung, einen dieser Gleiter zu erreichen, verpuffte in einem Strahlenschuss, der Zachary mitten in den Rücken traf und ihn von den Füßen holte.

Die Apokalypse wird sich erfüllen, waren seine letzten Gedanken.

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
590 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783939043737
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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