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Casy Paix

Die Verdammten Reiche

Soul´s Bane

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Verdammten Reiche

Epilog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Prolog

Impressum neobooks

Die Verdammten Reiche

Casy Paix

Die Verdammten

Reiche

Soul´s Bane

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© Copyright 2020 – Alle Inhalte dieses Werkes, insbesondere Texte, Fotografien und Grafiken sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, einschließlich der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Übersetzung, bleiben der Autorin vorbehalten.

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Gutes und Böses ist in der Natur verwischt, aber nicht im gleichem Maße;

des Guten ist weit mehr,

des Bösen ist weit weniger.

Und selbst das Böse wirkt Gutes oder

kömmt aus Ursachen,

die mehr Gutes als Böses wirken.

- Johann Bernhard Basedow -

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Dieser Roman enthält Abschnitte,

in denen Gewaltdarstellungen und Sex

( auch zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren )

vorkommen.

Sollte es gegen deine Moral verstoßen bitte ich dich,

dieses Buch nicht zu lesen.

Allen anderen wünsche ich viel Spaß …

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Für die unsterbliche Liebe

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Epilog
Epilog

--¤-¤--Zacharias--¤-¤--

Meine Pfoten berührten lautlos den harten Steinboden. Eine innere Unruhe trieb mich durch die verlassenen, kalten Gänge.

Wie ich diese Mauern hasste!

Sie engten mich ein und hinderten mich daran meinen ureigenen Instinkt freien Lauf zu lassen.

Ich war ein Wolf aus den Verdammten Reichen und da es schon schlimm war, dass ich nicht jagen und töten durfte, so wie ich wollte, so war es gleich tausendmal schlimmer, dass ich nicht aus diesen verfluchten Mauern herauskam. Ab und an gestattete man mir durch die umliegenden Wälder zu streifen, um meinem Trieb nachzugehen. Das Erlegen eines Hirsches oder Wildschweins befriedigte mich jedoch nicht im Geringsten und ich kehrte mit noch schlechterer Laune zurück als zuvor.

Genauso wie ich diese einengenden Mauern hasste, hasste ich deren Bewohner, die mich Tag für Tag mit Argwohn und Abscheu betrachteten. Keiner von ihnen verstand, warum ein Wolf aus den Verdammten Reichen als Geschenk für die jüngste Tochter des Burgherrn übergeben wurde. Ich verstand es nur zum Teil. Es war die Strafe meines Herrn für meinen Ungehorsam. Es kam seinen Absichten wie gelegen mich in diese von Gesetzen und Befehlen einengende Welt zu verbannen. Mein Herr wusste ganz genau, wie sehr ich diese Einschränkungen hier hasste.

Warum nur hatte es diese Strafe sein müssen?

Ich zog knurrend die Lefzen nach oben und schüttelte meinen gewaltigen Schädel. Es hätte genügend andere Möglichkeiten gegeben mich zu maßregeln, eine schlimmer als die andere. Aber anstatt mir Schmerzen zuzufügen, mir das Fell abzuziehen oder mich in eines seiner dunkelsten Verliese zu sperren, hatte er mich hierher verbannt – als Geschenk.

Ich bog um eine Ecke und stieß versehentlich mit meiner Schulter an eine kleine Kommode. Die alte, verstaubte Vase darauf schwankte gefährlich, hütete sich aber davor hinunterzufallen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich etwas ungewollt zerstört hätte.

Wir Wölfe aus den Verdammten Reichen waren um ein vielfaches größer als unsere Artgenossen aus dieser Welt. Wobei als Artgenossen konnte man uns gar nicht bezeichnen. Normale Wölfe taten nicht das, was wir taten. Sie dienten nicht dem Herrn, dem wir dienten. Unser verfluchter Ruf eilte uns voraus und verbreitete Angst und Schrecken. Kein Wunder also, dass ich von den Bewohnern dieser Burg nur zähneknirschend geduldet wurde.

Ein Geschenk, das man nicht wollte und doch nicht zurückgeben konnte.

Wie ich sie alle verabscheute!

Das Einzige, das ich nicht hasste, war dieses Mädchen dort vor mir, dieses Kind, das genauso gestraft war wie ich und das eine der schlechten Angewohnheiten hatte, die auch ich besaß.

Ich hatte das Ende des Ganges erreicht. Er mündete auf eine von einem kunstvollen Geländer eingefasste Balustrade. Auf der linken Seite verlief der Gang weiter die Wand entlang, zu einer Treppe, die hinab in die Eingangshalle der kleinen Burg führte.

Genau vor dem Geländer kauerte die jüngste Tochter des Hauses und endlich wusste ich, woher meine innere Unruhe herrührte.

Lautlos ging ich näher und spähte über sie hinweg nach unten in die Eingangshalle. Obwohl ich sie nicht berührte, spürte sie mich sofort. Sie krallten ihre kleinen Hände in mein dichtes Fell und vergrub ihr tränenverschmiertes Gesicht darin. Die lauten Stimmen aus der Eingangshalle drangen zu uns hinauf und verhießen nichts Gutes. Ich spürte, wie sich ein Sturm zusammenbraute und zum ersten Mal, seit ich hierher verbannt worden war, schlug mein Herz vor dunkler Vorfreude schneller.


--¤-¤--Ellysa--¤-¤--

Ich drückte mich enger an die kalten Steine der Wand und hoffe in ihrem Schatten untertauchen zu können. Ich kannte jede Vertiefung, jeden Riss und jede Mulde in dem steinernen Gemäuer. Es war mir alles so vertraut und doch fühlte ich in diesem Moment eine Kälte in mir aufsteigen, die ich noch niemals zuvor gespürt hatte. Als würde sich mein Zuhause verändern und mir fremd werden.

Ich ballte ängstlich meine Hände zusammen, um dieses Gefühl wieder loszuwerden, doch es half nichts.

Mein Herz klopfte wild als ich die aufgebrachten Stimmen meiner Schwester und meiner Tante hörte. Sie stritten schon eine geraume Zeit und hatten mich aus meinem Zimmer gelockt und durch die vertrauten Gänge der Burg geführt. Ich war von jeher ein neugieriges und entdeckungsfreudiges Kind, was aber nicht sonderlich verwunderlich war, denn ich war die Jüngste und wollte meinen größeren Geschwistern in nichts nachstehen. Oft folgte ich ihnen heimlich, wenn sie sich mit Freunden oder Liebschaften trafen und genauso oft wurde ich jedes Mal von ihnen erwischt und nach Hause geschleppt, wo ich dann von meiner ältesten Schwester eine Strafpredigt über mich ergehen lassen musste.

Genau dieser Neugier war es jetzt zu verdanken, dass ich mich langsam vorwärts schob und vorsichtig zwischen den eisernen Streben des Geländers nach unten in die große Eingangshalle spähte.

Meine Schwester stemmte angriffslustig ihre Hände in die Hüften und hob herausfordernd ihr Kinn.

„Ellysa untersteht meiner Obhut Tante! Ich werde niemals zulassen, dass du über sie entscheidest, nur, weil ein paar Bauern Angst haben!“

„Du verschließt deine Augen vor dem Offensichtlichen Sira! Die Bauern alleine sind es gar nicht, vor denen ich dich warnen will. Hörst du nicht, was hinter vorgehaltener Hand alles geredet wird? In den Gasthäusern machen die Gerüchte die Runde, von dort werden sie in das ganze Land getragen werden. Du kannst den Händlern und Reisenden nicht Einhalt gebieten darüber zu reden.“

„Warum hast du auf einmal solch eine Angst? Bisher konnten wir die Ängste der Leute beschwichtigen und zerstreuen. Warum sollte das auf einmal nicht mehr gehen?“

Meine Tante fuhr sich fahrig über das Gesicht und ich konnte ihr deutlich ansehen, wie ihre innere Aufgebrachtheit zunahm. Es war nie leicht mit meiner großen Schwester zu verhandeln oder gar zu streiten. Sira ging meist als überlegende Siegerin daraus hervor.

„Sira ich verstehe dich nicht. Wie kannst du so blind sein? Die Gefahr droht nicht von den Bauern oder Händlern die irgendwann an die Tore dieser Burg klopfen werden. Sie droht von jenen, die sie vielleicht mitbringen werden. Willst du einen neuen Krieg herauf beschwören nur, weil du das deiner Schwester zugedachte Schicksal verhindern willst?“

Onkel Debald, der bisher still neben seiner Frau gestanden hatte, legte beschwichtigend die Hand auf ihren Arm.

„Beruhige dich Beth. Vielleicht sollten wir uns bei einem Glas Wein vor dem Kamin niederlassen und das alles in Ruhe besprechen.“

„Ich werde meinen Entschluss nicht ändern Onkel. Geschweige denn werde ich euch bitten länger zu bleiben“, entgegnete Sira eisig.

„Glaube mir mein Kind, ich würde nicht einmal freiwillig länger als nötig in diesen Mauern verweilen!“, schimpfte Beth und wedelte herablassend mit ihrer Hand.

„Ich habe keine Lust aufgefressen zu werden. Das ist ein weiterer Punkt, den ich nicht verstehe Sira. Warum lässt du es zu, dass dieses verfluchte Biest durch eure Gänge streift?“

„Und ich habe dir schon zum wiederholten Male gesagt, dass dich das nichts angeht!“

„Es geht mich sehr wohl etwas an! Wenn die Händler nicht mehr zu einem kommen, weil man als Angehöriger dieser Familie als verflucht gilt. Weil die Nachbarn einen mit Argwohn anstarren, wenn wieder ein Jahr ins Land zieht, in denen sie Tote in ihrer Familie beklagen müssen. Ich verstehe, dass du als Oberhaupt dieser Familie zu deiner Schwester stehst, aber du musst auch an deine Machtstellung denken! Du hast das Amt deines Vaters übernommen Sira! Wie kannst du für die Sicherheit, für das Wohl des Landes einstehen, wenn du das abgrundtief Böse in deinen Mauern beherbergst?“

Die Worte meiner Tante trafen mich wie eine Ohrfeige. Immer mehr Tränen sammelten sich in meinen Augen und es fehlte nicht viel und sie würden unaufhaltsam über meine Wangen laufen.

„Du wirfst mir vor, dass ich Ellysa beschützen will? Sie ist ein Kind! Sie ist erst sieben Jahre alt!“

„Das ändert nichts daran, dass sie den Fluch in sich trägt!“

Ein Wort folgte dem nächsten und jedes tat noch mehr weh als das vorhergehende. Sira und meine Tante stritten immer lauter und der einzige Grund dafür war ich. In diesem Moment hasste ich mich selbst am meisten. Ich hasste meine weißen Haare, meine grauen Augen, von denen mir alle sagten, sie wirkten nicht wie die einer Siebenjährigen, sondern älter – uralt. Und ich hasste das, was in mir war, das was mich ausmachte.

„Solange ich hier bin Tante, werde ich nicht zulassen, dass du Ellysa nach Kassathor verbannst!“

„Du wirst sie nicht immer beschützen können Sira. Wenn der Fluch seine ersten Auswirkungen zeigt, wirst du es verstehen. Dieses Kind wird das Unglück anziehen. Jeder, der über die Jahrhunderte hinweg diesen Fluch in sich trug, hat Verderben über die gebracht, die ihn retten wollten und ich werde nicht zulassen, dass sie unsere Familie zerstört.“

„Es gibt aber zwei Seiten dieses Fluches“, warf Sira ein und funkelte Beth weiterhin wütend an.

„Diese zweite Seite ist nicht stark genug um über die andere zu siegen. Das war sie noch nie!“

„Woher willst du das wissen?“

„Ganz einfach, die vorherigen Träger des Fluchs haben es bewiesen! Wie viele von ihnen haben diese beiden Seiten in sich bändigen können? Sie alle verloren sich im Wahnsinn und letztendlich rissen sie diejenigen mit sich, die sich um sie sorgten.“

„Und du glaubst diesen Erzählungen? Es ist Jahrhunderte her, seit der Letzte, der den Fluch in sich trug, starb. Keiner weiß was damals wirklich geschah! Es sind nur alte Überlieferungen.“

„Wie kannst du nur so blauäugig sein?“

Meine Tante langte nach ihrem Mantel, den mein Onkel über den Arm trug und unwirsch schlüpfte sie hinein. Ihre Lippen waren zu einem harten Strich zusammen gepresst und man sah ihr die Wut über Siras fehlende Einsicht deutlich an.

„Ich wusste schon damals, als mein Bruder von diesem Mann, dieses verfluchte Geschenk bekam, dass uns unglückliche Zeiten bevorstehen werden. Wer schenkt einem zweijährigen Mädchen so ein Biest? Ich weiß nicht, was in meinen Bruder gefahren ist, dass er sich mit solchen Leuten abgegeben hat.“

„Hör auf schlecht über meinen Vater zu reden“, warnte Sira und ging auf das alte Eingangstor zu.

Immer mehr Tränen rannen über meine Wangen und ich unterdrückte so gut es ging ein verräterisches Schluchzen. Durch meine Aufgelöstheit hindurch spürte ich, wie sich Zacharias näherte. Ich spürte seine Wärme in meinem Rücken und Hilfe suchend krallte ich meine Hände in sein graues Fell. Dankbar das er da war, drückte ich mein Gesicht an seine Schulter.

„Du wirst schon sehen, was du davon hast so stur und dickköpfig zu sein. Ich hoffe, dass es dann nicht zu spät sein wird. Bring Ellysa nach Kassathor, bevor es zu spät ist.“

Die Antwort meiner Schwester ging in meinem gedämpften Schluchzen unter. Ich schlang meine Arme um Rias. Er sank zu Boden und ich kletterte schniefend auf sein Rücken. Bitterlich weinend trug er mich zurück in mein Zimmer. In dieser Nacht hatte ich das erste Mal Angst vor dem Morgen. Ich wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, wusste nicht, was ich tun konnte, um meiner Schwerster keinen Ärger zu bereitete. Ich weinte mich in den Schlaf und nicht einmal Rias konnte mich trösten. Aber was auch immer ich hätte tun können, es hätte nichts an dem mir auferlegten Schicksal geändert, das in jener Nacht begann.

Kapitel 1

--¤-¤-- Ellysa --¤-¤--

Ich erschauderte bei der Erinnerung an jene Nacht. Hätte ich damals schon ahnen können, welchen Weg mir mein Schicksal aufwies?

Wohl kaum, denn kein Kind mit sieben Jahren konnte sich das vorstellen oder erahnen, was seit damals unaufhaltsam auf mich einströmte. Wie jeder Tag zu einer neuen Herausforderung wurde.

Meine Beine schlugen in gleichmäßigen Takt gegen den Grabstein, auf dem ich saß.

Tock – tock – tock.

Ich hatte schon früh bemerkt, dass ich anders war als meine Geschwister oder die Kinder aus dem Dorf. Es fing schon bei meinem Aussehen an. Meine wilden, weißen Locken waren das eine, meine ungewöhnliche Augenfarbe das andere. Meine Augen erstrahlten in einem unnatürlichen, dunklen Grau und die meisten Leute sahen etwas darin, was nicht dorthin gehörte. Schon als Kind wichen sie meinen Blicken aus und oft weinte ich in Siras Armen oder Zacharias Fell. Ich verstand nicht, warum sie mir aus dem Weg gingen, warum sie mich verstohlen betrachteten und leise flüsterten, in dem Glauben ich würde sie nicht hören.

Wie könnte ein Kind das auch jemals begreifen?

Abgesehen von meinem Äußeren, war allerdings das, was in mir war, das was mich von allen anderen unterschied. Der Fluch – mein Fluch.

Tock – tock – tock.

Jeder besaß nur eine Seele, die sich für eine Seite entschieden hatte. Das war das Gesetz der Natur. Die helle Seite, das Reine, das Gute. Zu ihr gehörten die Geistlichen, die Heiler, die Unschuldigen und Rechtschaffenen. Auf ihrer Seite würde es keinen Verrat, kein Leid, keinen Schmerz geben. Nur Glückseligkeit und Rechtschaffenheit. Das Gegenstück dazu war die dunkle Seite eines Menschen. Ihr gehörten all jene an, die vom Weg abgekommen waren.

Das Besondere an mir war, dass ich es vermochte beide Seiten gekonnt zu vereinen. Ich besaß nicht nur eine, sondern zwei Seelen. Aus mir entsprang das Reine und Gute, genauso wie ich die Quelle allen Bösen war. Meine Magie beinhaltete sowohl das eine, wie das andere. Ich war mit unglaublich mächtiger Magie gesegnet oder verflucht, wie auch immer man es sehen wollte.

Ich erinnerte mich zurück an die Worte meiner Tante an jenen Abend, als sie sagte, dass alle Fluchträger vor mir diejenigen die sie liebten, mit ins Verderben gerissen hätten. Ich glaubte ihr, denn es war oft nicht einfach beide Seiten gleichermaßen zu beschwichtigen und dieses zerbrechliche Gleichgewicht zu bewahren. Die Dunkelheit lockte einen mit süßen Versprechungen, während die helle Seite für sich sprach, von der Hoffnung, die ihr zu eigen war.

Dieser Fluch, entsprungen aus einer alten Legende, begründet aus vielen Erzählungen und Überlieferungen über die Jahrhunderte hinweg, war all das, was mich ausmachte.

Ich seufzte und strich mir eine meiner weißen Locken hinter das Ohr. Mein Blick glitt über die vielen, verwitterten Grabsteine vor mir. Obwohl die Dämmerung schon fast in die Nacht überging, konnte ich all die Inschriften auf ihnen lesen. Ich hatte sie schon so oft gelesen, dass ich sie mittlerweile auswendig kannte.

Seit damals, als ich meine Schwester das letzte Mal streitend mit meiner Tante gesehen hatte, waren fünfzehn Jahre vergangen.

Fünfzehn Jahre seit mir das Schicksal auf harten Weg gezeigt hatte, was es bedeutete die Trägerin des Fluchs zu sein.

Fünfzehn Jahre seit ich in die verlassenen Mauern von Kassathor verbannt worden war.

Tock – tock – tock.

Für mich war es kein wirklicher Fluch, für mich war es einfach das, was mich ausmachte. Der Rest des Landes sah das allerdings anders und in jener Nacht musste ich das schmerzlichst feststellen.

Meine Tante sollte letztendlich Recht behalten, denn die Nächsten, die gegen die Tore unserer Burg klopften, waren nicht so leicht zu beschwichtigen gewesen wie Sira gehofft hatte.

Sie nahmen mir alles, nahmen mir mein Zuhause, meine Familie und den Glauben an Hoffnung.

Ich hatte meine Familie geliebt. Sira, meine Brüder Tomas und Kilan und natürlich auch meine Tante und meinen Onkel. Unsere Eltern starben bei einem feigen Hinterhalt, als ich drei Jahren alt war. Mein Vater war der dritte der vier Burgherrn, die die Grenzen unseres Landes verteidigten. Er wurde von seinen Untergebenen geliebt und respektiert, genauso wie meine Mutter, die ihm in allen Belangen zur Seite stand. Seit dem Tod unserer Eltern hatte Sira, meine Brüder und mich unter ihre Fittiche genommen. Sie war nicht nur unsere Schwester, sie war so viel mehr gewesen und als ich sie an dem Morgen, nach dem Streit mit meiner Tante, kalt und regungslos in ihrem eigenen Blut liegen sah, brach für mich eine Welt zusammen.

Ich hatte die nächtlichen Angreifer nicht gehört, sie waren nicht in mein Zimmer gekommen. Ob es an dem Fluch lag, vor dem sie sich vielleicht fürchteten oder wegen Zacharias der neben meinem Bett schlief, wusste ich nicht. Es machte im Grunde auch keinen Unterschied. Sie ermordeten Sira kaltblütig im Schlaf und tief in mir drinnen ahnte ich, dass es meine Schuld war.

Damals spürte ich, wie die dunkle Seite in mir ihren Kopf hob und sich zum ersten Mal weigerte wieder zu verschwinden.

Um mich herum rauschten die Bäume des schwarzen Waldes und erzählten ihre eigene Geschichte. Erzählten von den Geheimnissen die unter den dichten Blattkronen verborgen waren, eines so finster und böse, wie das andere.

Grübelst du schon wieder?“

Zacharias Stimme in meinem Kopf ließ mich lächeln.

„Nein, nicht wirklich.“

Lautlos schob sich ein riesiger Schatten zwischen den Grabsteinen zu meiner Rechten hindurch und ich konnte Zacharias erkennen der gemächlich näher kam. Seine großen Pfoten hinterließen Abdrücke in dem matschigen Boden des Friedhofs und feine Nebeltröpfchen hingen in seinem Fell. Ich wusste, dass er lieber vor dem Kamin liegen und sich den Pelz versengen lassen würde, als hier draußen bei diesem Wetter herumzustreifen.

Du erkältest dich.“

Zacharias gleichgültige Stimme konnte mich nicht täuschen. Ich wusste, dass er sich um mich sorgte, daher war er mir auch gefolgt. Selbst wenn mir hier draußen nichts passieren würde, so fiel es ihm dennoch schwer mich aus den Augen zu lassen.

„Ich will nur ein wenig die Nacht genießen.“

Zacharias legte sich zu Füßen des Grabsteins und bettete seinen gewaltigen Schädel auf seinen Vorderpfoten.

Bei diesem Wetter? Du warst noch nie gut im Lügen Ysa.“

Ich verzog ertappt den Mund und legte meinen Kopf in den Nacken. Über mir konnte ich durch den Nebel hindurch den vollen, silbernen Mond erahnen.

„Heute sind es fünfzehn Jahre Rias.“

Ich weiß. Ich habe es nicht vergessen. Bist du deshalb den ganzen Tag schon so grüblerisch?“

„Ich bin nicht grüblerisch! Außerdem brauchst du dich nicht über meine Stimmung zu beklagen. Du bist nicht viel besser. Du verkriechst dich die meiste Zeit oder schläfst faul vor dem Kamin!“

Ich spürte Rias bernsteinfarbenen Blick auf mir und sah ihn herausfordernd an. Er knurrte leise und senkte seinen Blick. Ich verkniff mir ein Lächeln, denn ich wusste, wie er es hasste, wenn ich Recht hatte. Irgendetwas war los mit ihm, doch bis jetzt tappte ich darüber noch im Dunkeln.

Wir sollten zurückgehen.“

Der Wind frischte auf und zerzauste mein langes Haar. Ich liebte die Stille des Friedhofs, denn es tat gut, ab und an dem Trubel der Burg zu entkommen.

„Nur noch ein bisschen. Ich brauche etwas Ruhe um mich innerlich wieder etwas zu sammeln“, bat ich leise.

Der Jahrestag an dem Mord an Sira warf mich jedes Mal aufs Neue aus der Bahn. Mein altes, gut behütetes Leben hatte an diesem Morgen geendet, als ich neben Sira bitterlich weinend in ihrem bereits kalten Blut kniete. Ich wusste nicht mehr, wie lange ich dort saß, aber als ich das Bersten einer Tür hörte und die lauten Stimmen, drang schon heller Sonnenschein durch das Fenster herein. Ich wurde in meinem blutigen Nachthemd in die Eingangshalle meines Zuhauses gezerrt, wo ich meine Tante mit harten Gesichtsausdruck stehen sah. Ich wollte zu ihr laufen, mich von ihr trösten lassen, meinen Schmerz mit ihr teilen, aber unbarmherzige Hände hielten mich zurück. Neben mir konnte ich Zacharias erkennen, der von fünf Männern umringt wurde, die einen rotfarbenen Zauber auf ihn wirkten und ihn an Ort und Stelle festhielt.

Der Mund meiner Tante öffnete sich und doch verstand ich ihre Worte nicht. Ich verstand gar nichts mehr.

Warum half sie mir nicht? Wusste sie denn nicht, was Sira widerfahren war? Wer waren diese Männer, die sie mitgebracht hatte?

All das hatte ich mich in meiner Angst und Verwirrtheit gefragt und erst Jahre später hatte ich begriffen, dass sie mir niemals auf meine Fragen geantwortet hätte.

Meine Tante hatte mich aufgegeben. Wahrscheinlich schon viel früher, als ich jemals geahnt hatte.

Die Männer hatten mich weggebracht, hatten mich von meinen Brüdern getrennt und hierher verbannt. Hatten ein siebenjähriges Kind in blutigem Nachthemd in eine kalte, verlassene Festung gesperrt. Das hieß, sie hatten mich im nächtlichen, schwarzen Wald vom Pferd geworfen und mit ihren Schwertern den Weg gewiesen. Barfuß und zitternd vor Kälte war ich über unzählige Pfade getaumelt, bis mich Zacharias eingeholt hatte und mich zu den verfluchten Mauern von Kassathor brachte. Die Burg war damals unsere einzige Zuflucht gewesen.

Kassathor. Ein verfluchter Name für eine verfluchte Burg.

Eine Burg aus dicken, uneinnehmbaren Mauern, die zu meinem sicheren Zuhause geworden war.

Das Rauschen der Bäume des schwarzen Waldes wurde lauter, was ein Zeichen dafür war, dass ein weiteres Unwetter aufzog. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, spürte ich auch schon die ersten zaghaften Tropfen.

„Lass uns zurückgehen Rias.“

Ich stieß mich mit den Beinen vom Grabstein ab und sprang über Rias liegende Gestalt. Ohne auf ihn zu warten, suchte ich mir meinen Weg durch die alten Gräber und Mausoleen hindurch und hielt auf die schwarzen Mauern von Kassathor zu. Der Friedhof umschloss zu einer Hälfte die Burg und zählte für mich, mit seinen alten Obstbäumen und den vielen Rosenbüschen, als Garten der Stille. Auf der anderen Seite wurde Kassathor vom schwarzen Wald umringt. Er erstreckte sich durch das gesamte Tal und zog sich die Berghänge hinauf. Damals als mich die Männer durch die schmale Schlucht der Berge gebracht hatten und ich das erste Mal den düsteren Wald sah, war es gerade so, als wäre er aus den dunkelsten Albträumen entsprungen. Mit seinen uralten schwarzen Bäumen wirkte er, wie etwas das es nicht geben durfte. Genauso wie ich, die an diesen Ort verbannt worden war.

Kassathor galt als jeher als Bannburg. Die Gräber auf dem alten Friedhof sprachen für das Leiden, das Jahrhunderte hinweg in Kassathor geweilt hatte. Niemand betrat freiwillig den schwarzen Wald geschweige denn, Kassathors Mauern.

Hätte Rias sich damals nicht von seinen Häschern befreien und mir hinterherlaufen können, wäre ich vermutlich im Wald gestorben.

Ich fand in Kassathor Zuflucht, aber ohne Rias, hätte ich es niemals geschafft zu überleben. Ich war damals starr vor Angst und die alten Mauern nahmen mir regelrecht die Luft zum Atmen. Ich spürte das Böse, das dort herrschte, das die Gemäuer durchdrang und die Luft verpestete. Die grausamen Tode der einst hierher Verbannten tränkten die Steine und machten Kassathor zu dem, was es war – ein Grab für alle, die hierher verbannt wurden.

Einzig meine dunkle Seele jubelte, denn sie fühlte sich willkommen und gestärkt. Wäre Rias damals nicht an meiner Seite gewesen, hätte ich mich der Dunkelheit hingegeben und was das für dieses Land bedeutet hätte, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen. Warum mich Rias allerdings zurückgehalten hatte war mir ein Rätsel, denn ich wusste, dass er dieses Land genauso hasste, wie ich es tat. Gefühle wie Angst, Verrat und Wut hatten sich meiner bemächtigt und für ein Kind waren es viel zu mächtige Gefühle, um damit vernünftig umgehen zu können. Wahrscheinlich wussten die Männer damals gar nicht, wie knapp sie ihrem Untergang entgangen waren.

Rias hatte mich beruhigen können, hatte mich beschützt und es geschafft die Dunkelheit in mir zu beschwichtigen. Das ein Wolf aus den Verdammten Reichen dazu fähig war, glich einem Wunder und der Rest des Landes sollte ihm dafür dankbar sein.

Ich erreichte die enge Wendeltreppe, die hinauf in den Burghof führte und vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den nächsten. Durch den stärker fallenden Regen waren die steinernen Stufen rutschig geworden. Die Blätter des Efeus, der einen Großteil der Wand bedeckte, bogen sich im rauen Wind, der über die Berge hinweg fauchte und selbst den schwarzen Wald mit seinen mächtigen Bäumen zum Erzittern brachte. Die ersten Herbststürme kamen und ich freute mich auf die Gewitter, die an manchen Tagen so stark waren, dass niemand freiwillig nach draußen ging. Ich betrat den kleinen Innenhof und wartete bis Rias zu mir aufschloss. Ich sah hinunter zum Friedhof und ließ meinen Blick über den angrenzenden Wald schweifen. Nirgends konnte ich Bewegung ausmachen und wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man fast glauben es gäbe kein Leben hier.

Kassathor glich einer Burg aus einer anderen Zeit. Aus einer Zeit in der die Dunkelheit geherrscht hatte. Die schwarzen Mauern und Türme erhoben sich majestätisch in den Nachthimmel und aus den vielen Fenstern ergoss sich warmer Lichtschein und warf flackernde Schatten in den Hof. Aus der Ferne betrachtet wirkte die Burg bestimmt wie ein Ungeheuer aus den Verdammten Reichen. Umringt von unwirtlichen Bergen und einem verfluchten Wald konnte ich die Geschichten, die man mir zutrug, nur zu gut verstehen.

Geschichten über Dämonen, die in Kassathor ihre Feste feierten, über Mörder die sich dort vor der Gerechtigkeit versteckten, über Diebe die ihre Beute in den alten Mauern versteckten. Viele dachten, Kassathor wäre die Pforte in die Verdammten Reiche. Sie glaubten, es wären Geschichten.

Nun, sie irrten sich alle!

Ich kannte die Wahrheit und sie entsprach genau all jener grauenvollen Geschichten, die es über Kassathor zu erzählen gab, mit dem einzigen Unterschied, dass nirgends erwähnt wurde, dass eine junge Frau die Herrin dieser verfluchten Burg war.

Anstatt hier Wurzeln zu schlagen, lass uns endlich nach innen gehen. Ich hasse dieses Wetter!“

Rias strich an mir vorbei und überquerte rasch den Innenhof. Auf der anderen Seite befand sich eine halb unter Efeu versteckte Tür, die ins Innere führte.

„Ich komme doch schon“, rief ich und eilte ihm schnell hinterher.

Mittlerweile hatte der Regen meine weißen Locken in glatte Strähnen verwandelt, die mir fast bis zu den Waden hinab reichten. Meine Stiefel waren undicht, sodass ich das Wasser zwischen meinen Zehen spürte, genauso wie auf dem Rest meines Körpers. Mein leichtes Kleid klebte wie ein nasser Lappen an mir. Rias stieß die Tür mit seinem Kopf auf und trottete nach drinnen.

„Herrin!“

Ich schloss die Tür und fand mich direkt meiner persönlichen Zofe gegenüber. Innerlich zählte ich ruhig bis drei, denn ich wusste, mehr Zeit würde ich nicht haben, bis ich mir einen neuen Tadel von ihr einholen würde.

„Herrin! Ihr seid nass bis auf die Haut. Wie könnt ihr bei solch einem Wetter so leicht bekleidet nach draußen gehen?“

„Leah, als ich ging, regnete es noch nicht und bevor du noch etwas sagen willst, hol mir bitte einen Becher Wein. Ich bin im Thronsaal.“

Leah verstummte und ich sah ihr genau an, dass sie sich mit Mühe eine weitere Antwort wegen meiner Unvernunft ersparte. Sie drehte sich auf dem Absatz um, rümpfte wegen Rias die Nase, als sich dieser erleichtert schüttelte um sich zu trocknen und eilte dann davon.

382,08 ₽
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340 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783752917314
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