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Carsten Brosda Kunst, also bin ich! Ein Gespräch mit Peter Felixberger und Armin Nassehi

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Carsten Brosda

Kunst, also bin ich!

Ein Gespräch mit Peter Felixberger und Armin Nassehi


Kursbuch: Herr Brosda, wir möchten mit Ihnen über das Überleben von Kultur und mit Kultur sprechen. In diesen Zeiten ein Thema, das vielen auf den Nägeln brennt. Was ist eigentlich Ihre Aufgabe als Kultursenator?

Brosda: Vor allem das Ermöglichen guter Rahmenbedingungen. Einerseits, um Künstlerinnen und Künstlern Raum zu geben, Kunstwerke und kulturelle Angebote zu schaffen. Und andererseits, um einer diversen Stadtgesellschaft Zugänge zu diesen Werken und Angeboten zu ermöglichen. Es geht also weniger um das eigene Produzieren von Kunst und Kultur, da wäre ich auch der garantiert Falsche. Ich bin in der 6. Klasse aufgefordert worden, im Musikunterricht nicht mehr mitzusingen, damit der Rest der Klasse den Ton trifft, daran halte ich mich seitdem strikt. Das gilt für die meisten anderen Kunstformen in gleicher Art und Weise auch. Die zweite Dimension kulturpolitischen Handelns zielt darauf, in einer diskursiven Form Narrative und Erzählungen in die Öffentlichkeit hineinzutragen und darüber dann kulturelles Leben mitentwickeln zu können. Auch deswegen ist dies ein Politikfeld, das ich sehr spannend finde und das in krisenhaften Situationen wie der momentanen eine ganze Menge beitragen kann.

Kursbuch: Das ist die innere Spannung dieses Begriffs der Kulturpolitik, die ja durchaus auch eine unrühmliche Geschichte hat, wie wir wissen. Sie beziehen das auf einen Rahmen. Ganz direkt gefragt: Für wen eigentlich? Was passt in den Rahmen, den Sie schaffen? Was ist, wenn man so will, rahmenwürdig?

Brosda: Man kann das eng und weit definieren. Wenn man es eng definiert, geht es tatsächlich um die Förderung von Kulturproduktion und Vermittlungsangeboten. So haben wir Kulturpolitik in einer quasi unpolitischen Definition über Jahrzehnte hinweg verstanden. Oft kamen Kulturpolitikerinnen und -politiker deshalb auch gar nicht unmittelbar aus dem politischen Leben, sondern von außerhalb. Schließlich reichte es in den Augen der Parteipolitiker meistens eigentlich aus, dass jemand kulturelle Förderlogik beherrschte und außerdem ein intellektuell inspiriertes Grußwort bei einer Sonntagsmatinee halten konnte, ohne den Saal zu langweilen. Dann kamen vor etwa 20 Jahren Kulturmarketingaspekte hinzu, die teilweise auch aus der Kulturpolitik heraus instrumentell genutzt worden sind, weil man eine Möglichkeit sah, Gelder für Kulturförderung zu akquirieren, indem man sie als Standortpolitik verbrämte. Das ist zusammengefasst die enge Definition.

Ich glaube jedoch, dass wir mittlerweile in einer gesellschaftlichen Situation sind – und es auch vor Corona schon waren –, in der wir Kultur breiter verstehen sollten. Ich kann Kultur nämlich auch in einem anthropologischen oder soziologischen Sinne als den lebensweltlichen Hintergrund unseres gemeinschaftlichen Zusammenlebens begreifen, sozusagen als das phänomenologische Reservoir symbolischer Ressourcen, auf die wir zurückgreifen, wenn wir Welt definieren. Wenn wir gemeinsam überlegen, wie wir eigentlich zusammenleben wollen, kann Kulturpolitik eine eminent politische Angelegenheit werden, weil wir auf einmal sehr grundlegend über Rahmenbedingungen unseres gesellschaftlichen freiheitlichen Zusammenlebens reden und darüber, wie wir das aus einer Gesellschaft heraus gewährleisten wollen, jenseits der sozialmechanischen, ökonomischen Strukturen, und auch jenseits staatlicher Zwangsmechanismen. Das ist Kulturpolitik in einem viel weiteren Sinne.

Kursbuch: Womit wir inmitten des Überlebensthemas sind. Wären folglich Kunst und Kultur doch so etwas wie ein Überlebensmittel für die liberale Demokratie?

Brosda: Sie ist ehrlicherweise zunächst ein Bestandteil jeglicher Form von gesellschaftlichem Zusammenleben. Ob sie es explizit für die liberale Demokratie ist, hängt davon ab, wie wir Kultur in einem weiteren Sinne konkret definieren. Zunächst bezeichnet sie tatsächlich dieses Reservoir an Deutungsressourcen, die wir einander in einer Gesellschaft weitergeben und auf die wir zurückgreifen, wenn wir versuchen, unser Zusammenleben zu verstehen. Und das kann ganz borniert, eng und furchtbar sein, und das kann ganz großartig, weit und ermöglichend sein. Ich glaube, wir müssen mehr denn je miteinander aushandeln, für was wir uns entscheiden wollen. Genau in dieser Gemengelage findet ein guter Teil der kulturellen Deutungskämpfe statt.

Kursbuch: Doch wer verfügt eigentlich über die dafür notwendigen Zugänge, seine Deutungsvielfalt darstellen zu können? Entstand in der Corona-Pandemie nicht ein Spannungsfeld, das auf Hierarchien fußt? Hochkultur vor Klubszene?

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