Читать книгу: «Seewölfe Paket 18», страница 3

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„Frag, was du willst“, sagte Ferris. „Du kriegst von mir keine Antwort, bevor ich nicht weiß, wo Roger und Sam sind.“

„Sag’s ihm!“ zischte Oka Mama. „Na los, verrate es ihm doch, mein Sohn.“

Mardengo richtete seine Pistole auf Ferris. „Geh vor mir her. Ich führe dich zu deinen Freunden. Dann quetsche ich dich aus, verlaß dich drauf. Du wirst noch darum betteln, mir alles verraten zu dürfen, zum Beispiel, wo eure Schätze liegen.“

„Schätze?“ Ferris’ Verblüffung schien echt zu sein. „Wir haben keine Schätze. Wir sind arm wie Kirchenmäuse.“

„Noch viel ärmer“, fügte Ben Brighton hinzu.

Der Musketenkolbenhieb eines Piraten brachte ihn zum Verstummen. Mardengo trat Ferris mit voller Wucht in die Seite, Ferris taumelte, stürzte aber nicht.

„Lauf!“ brüllte Mardengo. „Siehst du die Hütten? Vor der kleinsten bleibst du stehen! Du willst deine Freunde sehen? Ich zeige sie dir!“

Ferris stolperte zu der Hütte und blieb vor der niedrigen Tür, die aus Schiffsplanken zusammengezimmert war, stehen. Eine saumäßige Arbeit, dachte er wütend, jeder Anfänger hätte das besser gekonnt.

Mardengo gab einem seiner Kumpane einen Wink, und der Kerl riß die Tür auf. Mardengo, trat erneut nach Ferris, und Ferris vollführte einen Satz in die Hütte hinein. Seine Fußstricke brachten ihn zu Fall, er blieb keuchend zwischen den beiden Männern liegen, die sich im Dunkel der Behausung aufrichteten.

„Da hast du sie!“ schrie Mardengo. „Bist du jetzt zufrieden?“

„Seid ihr’s wirklich?“ fragte Ferris.

„Ich bin Roger“, gab Bens Bruder gedämpft zurück. „Und hier liegt Sam. Sie haben uns ein bißchen vermöbelt, sonst sind wir aber ganz munter. Aber wer bist du? Ferris? Du siehst aus wie Hasard.“

„Halt den Mund“, sagte der rothaarige Riese grob. „Die Hunde scheinen zwar kein Wort Englisch zu verstehen, aber wir dürfen nicht riskieren, daß alles auffliegt. Für euch bin ich Hasard, kapiert?“

„Aye, Sir!“ sagte Sam Roskill grimmig. „Verstanden, Sir!“

Mardengos Gestalt erschien in der Öffnung der Tür. „Wo liegen eure Schätze?“ fragte er wild. „Ich werde sie heben. Ich bringe euch zum Sprechen, ich habe schon ganz andere Kerle weichgeklopft. Oder soll ich euch lieber Okachobee überlassen?“

„Du kannst dich von mir aus selbst weichklopfen“, entgegnete Ferris, nachdem er sich auf den Rücken gedreht hatte. „Wir haben keine Schätze, dabei bleibt es. Sonst noch Fragen?“

„Dich schlitze ich auf“, drohte Mardengo.

„Tu, was du nicht lassen kannst“, sagte Roger gelassen. „An uns hast du keinen Spaß.“

Mardengos Züge hatten sich zu einer Fratze verzerrt. „Ich habe eine bessere Idee, Killigrew. Ich bringe zwei deiner liebsten Kumpane zum Schreien – den Kerl mit den Narben und den rothaarigen Hurensohn, der vor St. Augustine an Bord eures Kahnes das Katapult bedient hat. Warte, diesen Bastard schnappe ich mir als ersten. Wo steckt er?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Ferris.

Aber er biß sich doch auf die Unterlippe, als sich Mardengo umdrehte und zurück zu den Gefangenen lief. Plötzlich drohte der ganze schöne Plan doch aufzufliegen, denn nach Ferris Tucker konnte der Pirat lange suchen.

5.

Gato hatte das Kommando über die Schiffe der Piraten übernommen. Vom Riff aus hatte er alles verfolgen können – die Kapitulation des Gegners, das Abrücken des kompletten Zuges von Piraten und Gefangenen und das An-Bord-Gehen der Kumpane, die im Dickicht am Fluß gewartet hatten.

Er schob sein Spektiv zusammen und steckte es weg. Die Kerle an Bord der „Isabella“ lachten und winkten ihm zu. Er zögerte nicht mehr.

„Wir verlassen das Riff und segeln in die Mündung“, sagte er.

Die Männer an Bord der „San Carmelo“ atmeten auf. Sie waren heilfroh, daß der Kampf vorbei war. Sie waren zum Umfallen müde, ihre Energiereserven waren aufgebraucht. Sie hatten lange, schlaflose Tage hinter sich. Zuletzt hatten sie in der Bucht Ponce de León gegen die Seewölfe und die Seminolen kämpfen müssen. Anschließend waren sie geflohen und hatten das Schiff nur mit Mühe vor dem Untergang bewahrt.

All das hatte an ihren Kräften gezehrt, und auch der stärkste Kerl war jetzt kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Mit Mühe setzten sie erneut die Segel und steuerten aus dem Riff heraus, während Gato und die anderen Kumpane an Bord der beiden Einmaster bereits die Hälfte der Distanz von der Korallenbarriere zur Flußmündung überbrückt hatten.

Schwerfällig legte sich die „San Carmelo“ mit Steuerbordhalsen an den Westwind und lief träge auf die Insel zu. Die Gefechte hatten ihr schwer zugesetzt, wieder hatte sich im Laderaum Leckwasser gesammelt, doch die Lenzpumpen wurden nicht mehr bedient.

Warum auch? Gato warf einen Blick zu der Galeone zurück, dann drehte er sich wieder zu seinen Leuten um und sagte: „Sobald wir den Kahn der Engländer durchsucht und festgestellt haben, daß sich keiner der Hunde mehr an Bord befindet, kann die ‚San Carmelo‘ die Insel runden und die Werft anlaufen. Bis dahin schafft sie es noch, ohne abzusaufen.“

„Aber auch nicht weiter“, sagte ein Pirat. „Wir werden sie aufslippen müssen, um sie gründlich überholen zu können.“

Gato nickte. „Aber wir können das in Ruhe erledigen, wir haben Zeit. Die Hauptsache ist, daß wir die englischen Hurensöhne endlich erledigt haben. Wie ich Mardengo und Oka Mama kenne, werden sie sie einen nach dem anderen hinrichten.“

„Auf welche Art?“ fragte ein anderer Pirat.

Gato grinste. „Das kannst du dir doch denken. Oka Mamas Erfindungsreichtum ist in der Beziehung unerschöpflich.“

Die Kerle lachten. Keiner von ihnen hatte auch nur das geringste Mitleid mit den Seewölfen. Sie gönnten ihnen, was sie nun erwartete, denn lange genug hatten sie Mardengos Bande zugesetzt und viele Männer getötet.

Die Einmaster gingen bei der „Isabella“ längsseits, die „San Carmelo“ drehte knappe zehn Yards von ihr entfernt bei und warf den Anker.

„He!“ rief Gato dem Kerl zu, den er auf dem Hauptdeck stehen sah. „Wo sind die anderen?“ Er enterte, während er sprach, an der Jakobsleiter auf.

„Sie durchsuchen das Schiff!“ entgegnete der Posten. „Ich bin hier oben allein.“

Gato lachte und kletterte über das Schanzkleid. „Das wird jetzt anders. Wir stellen eine Mannschaft zusammen, dann verholen wir mit dem Kahn in die Skull-Bucht und gehen dort vor Anker.“ Er blieb mitten auf dem Hauptdeck stehen, stemmte die Fäuste in die Seiten und ließ seinen Blick schweifen.

Ein prächtiges Schiff, das mußte man den englischen Bastarden lassen! Nach dem Gefecht in der Ponce-de-León-Bucht war alles wieder instand gesetzt und aufgeklart worden. Das Rigg war tadellos in Schuß, die Decks waren aufgeräumt, die Taue sauber aufgeschossen.

Gato konnte sich eines Gefühls des Neides nicht erwehren. Weder Mardengo noch er waren jemals auf einem so schönen Schiff auch nur für kurze Zeit gefahren.

Aber die Galeone gehörte jetzt ihnen. Sie würden sie zu ihrem Flaggschiff machen, mit ihr zu neuen Raids auslaufen und wahrscheinlich noch einmal Fort St. Augustine angreifen, wo die Spanier bereits eine Niederlage hatten einstecken müssen.

Gato konnte sich ausrechnen, daß Mardengo dieser Gedanke gefallen würde. Auch Oka Mama würde derselben Ansicht sein. Wenn auch das Schiff fertiggestellt war, das auf der Werft lag, und wenn die „San Carmelo“ überholt war, konnten sie mit einem ansehnlichen Verband Pirates’ Cove verlassen.

Er schritt langsam nach achtern und begutachtete die Kanonen. Hervorragende Stücke, dachte er, Zwanzigpfünder und Culverinen, alles bestens in Schuß.

Er enterte das Quarterdeck, dann das Achterdeck, inspizierte alles und warf auch einen interessierten Blick in das Ruderhaus, das gerade aufgebaut war. Er kehrte auf das Quarterdeck zurück, öffnete das Achterdecksschott und betrat das Kastell. Mit einem triumphierenden Grinsen ging er bis zum Ende des Mittelganges, öffnete die Tür und stand in der Kapitänskammer.

Seine Augen hatten sich auf das Dämmerlicht eingestellt, er konnte alle Einzelheiten erkennen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Waffenschränken: kostbare Flinten und Pistolen besonderer Bauart, eine prachtvolle Sammlung von hohem Wert – sein Staunen war jetzt groß. Er dachte darüber nach, daß es sich lohnte, ein paar dieser Waffen auf die Seite zu schaffen, bevor sich Mardengo und Oka Mama das Schiff ansahen.

Seine Überlegungen wurden durch heranpolternde Schritte unterbrochen. Instinktiv griff er zur Pistole, ließ die Hand aber wieder sinken, als er einen seiner Kumpane erkannte, der hinter ihm durch den Gang auf ihn zusteuerte.

„Gib dich das nächstemal zu erkennen“, sagte Gato. „Um ein Haar hätte ich auf dich geschossen. Du hättest einer der Engländer sein können, die vielleicht hier an Bord noch versteckt sind.“

„Es ist keiner von ihnen an Bord zurückgeblieben“, sagte der Kerl. „Wir haben alles durchsucht.“

„Wirklich alles?“

„Die Männer nehmen sich eben die Stauräume vor.“

Gato war doch überrascht. Er hatte mit einem faulen Trick der Engländer gerechnet, mit dem Versuch, eine Falle zu stellen. Aber sie schienen derart besorgt um das Wohl ihrer drei Kameraden zu sein, die von Oka Mama festgenommen worden waren, daß sie eine derartige List nicht gewagt hatten.

In der Tat hatte Hasard anfangs mit dem Gedanken gespielt, ein paar Männer im Geheimgang der „Isabella“ zu verstecken, die im geeigneten Moment in Aktion traten. Doch es war zu befürchten, daß Oka Mama und Mardengo die Zahl der Gefangenen genau überprüften. Es war zu riskant, diese Art von List anzuwenden. Schon die Maskerade Ferris Tuckers war ein Wagnis, das einige Proben zu bestehen hatte.

Gato entfachte eine Öllampe, dann stieg er mit seinem Spießgesellen in den Schiffsbauch hinunter. Sie hörten jetzt das Geschrei ihrer Kumpane, offenbar waren die Kerle auf den Schatz von Fort St. Augustine gestoßen.

Alles hatten sie durchsucht, wirklich alles, auch den Krankenraum, die Kombüse, das Logis und die Schlaf räume im Achterdeck. Sie waren nicht auf die verborgenen Türen des Geheimganges gestoßen – dafür aber hatten sie den Schatz gefunden. Sie grölten und lachten, und zwei von ihnen stachen ein Weinfaß an, das sie aus dem Vorratsraum in den Stauraum gerollt hatten.

Gato und der andere Pirat trafen mit der Lampe bei ihnen ein. Gato grinste und beugte sich über die geöffneten Truhen und Kisten. Ein Gefühl der Glückseligkeit ergriff ihn. Er hatte diesen Schatz, der für Philipp II. von Spanien bestimmt gewesen war, schon einmal vor Augen gehabt: im Kellergewölbe von Fort St. Augustine. Durch einen Zufall hatte er ihn entdeckt, und er hatte alles darangesetzt, den Kampf im Inneren der Festung zu gewinnen und die Truhen zu bergen.

Dann aber waren die Männer der „Isabella“ erschienen und hatten alles vereitelt. Gato griff mit beiden Händen nach der größten Truhe und hielt sie fest, als könne sie von einer unsichtbaren Macht erneut entführt werden. Einmal hatte er sich den Schatz entreißen lassen – ein zweites Mal sollte das nicht gelingen.

Einer der Kerle reichte ihm einen Becher Wein, er nahm ihn an und leerte ihn mit einem Zug. Der Wein war schwer und süffig und steigerte die Euphorie.

Plötzlich durchzuckte Gato ein verwegener Gedanke: Wie nun, wenn er die Kerle dazu überredete, Mardengo und Oka Mama im Stich zu lassen? Die Zahl war ausreichend, eine Besatzung für die „Isabella“ ließ sich zusammenstellen. Sie konnten sofort auslaufen und verschwinden, ehe Mardengo auf die Idee verfiel, seine Beute selbst in Augenschein zu nehmen.

Viele der Kerle hatten die Nase voll, Mardengo hatte sie nach der Niederlage in der Ponce-de-León-Bucht mißhandelt. Sie haßten ihn und hatten an seinen überragenden Fähigkeiten als Bandenführer und Stratege zu zweifeln begonnen. Es war der richtige Augenblick, eine Meuterei anzuzetteln.

Das Risiko war gering, sie würden mit dem Schiff in der Dunkelheit untertauchen. Sie konnten die „San Carmelo“ und die Einmaster versenken, dann saßen Mardengo, Oka Mama und der Rest der Meute auf der Insel fest und konnten sie nicht verfolgen. Der Schatz von St. Augustine reichte aus, um alle Wünsche der Piraten zu erfüllen – was wollten sie mehr?

Gato wollte eben zum Sprechen ansetzen und seinen Kumpanen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, da ertönte von oben ein Ruf.

„Gato!“ Es war die Stimme des Kerls, der als Wachtposten auf dem Hauptdeck zurückgeblieben war. „Schiffe in Sicht!“ rief er. „Im Nordwesten! Sie halten auf Pirates’ Cove zu! Gefahr!“

Gato fluchte, schleuderte den leeren Becher an Deck und stürmte nach oben.

Er trat neben den Posten, hob sein Spektiv und warf einen langen Blick hindurch. Im verblassenden Licht waren eben noch die Umrisse der Schiffe zu erkennen. Sieben Galeonen! Gato verschlug es fast die Sprache.

„Spanier“, sagte er und schluckte. „Das kann nicht sein.“

„Sie sehen mir verteufelt nach den Galeonen aus, die uns von St. Augustine gefolgt sind“, sagte der Kerl.

„Jene, die uns bei Daytona geschlagen haben?“ Gato stieß einen Fluch aus. „Ja, das könnte sein. Der Teufel mag wissen, wie sie hierhergeraten sind.“

„Sie haben einige unserer Leute an Bord. Vielleicht hat einer von ihnen ausgepackt.“

„Das wäre sein sicheres Ende“, zischte Gato.

Er beobachtete die Galeonen durch die Optik. Sie steuerten auf das Riff zu. Plötzlich grinste er. Wenn sie Pech hatten, wurden sie vom Wind genau auf die Barriere gedrückt, und dort konnte man sie mühelos zusammenschießen.

„Los“, sagte er zu dem Kerl. „Nimm ein Boot, setz über und lauf zum Lager. Alarmiere Mardengo.“

Der Mann verschwand. Gato ließ die Galeonen nicht aus den Augen. Nur kurz war die Freude über die Niederlage des Gegners, über das gekaperte Schiff und den wiedergefundenen Schatz gewesen – eine neue Gefahr drohte, die den Untergang von Pirates’ Cove bedeutete, wenn sich herausstellte, daß es wirklich der Verband aus St. Augustine war.

Die anderen Kerle hatten den Stauraum ebenfalls verlassen und traten zu Gato. Er erklärte ihnen, was er sah, und sie begannen ebenfalls zu fluchen.

„Kein Licht anzünden“, sagte er. „Noch scheinen sie uns nicht entdeckt zu haben. Vielleicht haben wir eine Chance. Sie laufen auf das Riff, und wir fallen über sie her. Los, das Schiff klar zum Gefecht!“

Rege Betriebsamkeit setzte ein, die Piraten eilten an die 25- und 17-Pfünder, und auch die Drehbassen wurden besetzt. Die meisten Geschütze waren noch geladen. Für die leeren Rohre standen Pulverfässer bereit und waren auch Kugeln in ausreichender Zahl vorhanden.

Aber aufpassen mußten die Kerle in der zunehmenden Dunkelheit. Hier und da klafften Löcher in den Planken der „Isabella“ – sie waren von den Pulvertöpfen gerissen worden, die Mardengo zum Feind hinübergeschleudert und zum Explodieren gebracht hatte. Wer nicht aufpaßte, fiel hinein und brach sich ein Deck tiefer womöglich die Knochen.

Aber die Kerle waren vorsichtig, und rasch machten sie sich mit der neuen Umgebung vertraut. Die „Isabella“ war bereit zum Gefecht. Auch auf der „San Carmelo“ und den beiden Einmastern waren alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden.

Gato brauchte nur noch abzuwarten und zu verfolgen, was der Gegner, der sich offenbar sehr zielstrebig der Insel näherte, unternahm.

Die Schleier der Nacht fielen jetzt fast atemberaubend schnell, und an Bord der Galeonen wurden die Hecklaternen angezündet.

„Narren“, sagte Gato leise. „Ihr erleichtert uns den Überfall.“

Wie Perlen auf einer Schnur wirkten die Positionslaternen der spanischen Schiffe, die sich – von Gatos Standort aus betrachtet – in schräg achterlich versetzter Linie unaufhaltsam dem Riff näherten. Es dauerte nicht mehr lange, dann hatten sie die ersten Korallenbänke erreicht.

Don Augusto Medina Lorca, der nach wie vor an der Schmuckbalustrade auf dem Achterdeck der „Santa Veronica“ stand, hatte sich die Stelle, an der der Gefechtslärm erklungen war, genau gemerkt. Deshalb lief er Pirates’ Cove von Nordwesten an. Don Lope de Sanamonte, der nicht von der Seite des Piraten gewichen war, widersprach ihm dieses Mal nicht. Er war – was selten der Fall war – mit Don Augusto einer Meinung: Es war nur richtig, am Ort des Geschehens, an dem jetzt tiefes Schweigen herrschte, nach dem Rechten zu sehen.

Der Pirat hatte als Lotse einwandfreie Arbeit geleistet. Don Lopes anfängliche Bedenken hatten sich etwas gelegt. Der Pirat indes hütete sich, von dem Riff zu sprechen, das als Schiffsfalle vor der Insel auf sie lauerte.

Seine Rechnung war einfach, und sie ging auf: Wenn er die Schiffe auf die Korallenbänke lenkte, hatte er – falls er überlebte – später eine Chance, sich vor seinen Kumpanen und auch vor Mardengo zu rechtfertigen. Er war zum Schein auf die Wünsche der Spanier eingegangen, aber nur, um sie auf die Barriere locken zu können und sie somit Mardengo auszuliefern. So würde er das Mardengo und Oka Mama gegenüber darstellen, und wenn alles klappte, mußten sie ihm glauben.

Mit rauschender Bugwelle segelte die „Santa Veronica“ in ihr Verderben. Sie sollte die erste sein, die auf den Bänken zerschellte. Die Hände des Piraten verkrampften sich um den Handlauf der Balustrade, und er preßte seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Er wünschte seinen Gegnern, daß sie starben – alle.

Vielleicht würden auch die gefangenen Piraten in der Vorpiek der Galeone ihr Leben lassen, vielleicht waren sie sogar die ersten, die ein furchtbares Ende fanden. Aber das, so befand der Mann, war ein Opfer, das gebracht werden mußte.

6.

Mardengo lief zwischen seinen Gefangenen auf und ab. Der zuckende Schein eines Lagerfeuers, das im Zentrum der Hüttenrunde errichtet worden war, erhellte seine Gestalt. Seine Züge waren verzerrt. Oka Mama hingegen verfolgte das Geschehen mit stoischer Ruhe.

Der Korse und seine Kumpane blickten sich untereinander an und fragten sich im stillen, was nun kam.

„Wo ist der Rothaarige?“ schrie Mardengo. „Der Hund soll sich melden!“

„Ihr wollt ein Opfer, oder?“ brüllte Carberry und trat zwei kurze Schritte auf Mardengo zu. „Hier, fang bei mir an, du Bastard! Deine Fragen wird trotzdem keiner beantworten!“

Mardengo packte Asiaga und riß sie zu sich heran. „Wollt ihr mich zum Narren halten? Wartet, das treibe ich euch aus! Wer ist das Mädchen?“

„Sie ist meine Squaw“, sagte Tamao. Er wollte sich auf Mardengo stürzen, aber der Kutscher hielt ihn zurück.

„Sie ist eine Timucua“, sagte Oka Mama. „Die Timucua sind feige Frösche, die keine Kraft in den Knochen haben.“

„Das ist nicht wahr!“ stieß Asiaga erbost aus.

„Sind die Seminolen vielleicht besser?“ schrie Little Ross.

Mardengo griff Asiaga mit einer Hand in die Haare und bewegte ihren Kopf hin und her.

„Ihr Drecksäcke“, sagte er wütend. „Ihr Großmäuler. Ihr habt wohl immer noch nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hat, wie? Aber ich erkläre es euch. Ihr habt zu gehorchen, sonst nichts. Ich kann mit euch tun, was ich will.“

Hasard kauerte in seiner Deckung und hatte das Entermesser in der rechten, das Messer in der linken Hand. Er war bereit, aufzuspringen und Mardengo anzugreifen, wenn auch nur ein Tropfen Blut floß. Er war zum Handeln gezwungen, wenn der Pirat nicht von diesem Irrsinn abließ. Aus schmalen Augen verfolgte er, was weiter geschah.

„Schöne Haare“, sagte Mardengo. „Soll ich sie ihr abschneiden?“

„Nein!“ rief Ben Brighton und trat neben Carberry. „Das ist nicht erforderlich, Mardengo.“

„Woher weißt du meinen Namen?“

„Er ist in Florida bekannt. Wir haben ihn in St. Augustine erfahren.“

Mardengo stieß ein rauhes Lachen aus. „Auch dort hatte man mich also erkannt? Gut so. Wer bist du, Großmaul?“

„Ben Brighton, der Erste Offizier der ‚Isabella‘.“ Ben wandte sich zu den Kameraden um. „Ihr haltet jetzt gefälligst den Mund und befolgt die Anweisungen, die euch gegeben werden, verstanden? Das ist ein Befehl!“

„Aye, Sir!“ murmelten die Männer.

„Gut so, Brighton“, sagte Mardengo. „Wie kommt es, daß ihr einen Bengel und ein Mädchen vom Stamm der Timucua an Bord habt?“

„Wir haben sie südlich von Daytona aufgefischt, sie waren schiffbrüchig“, erwiderte Ben. „Sie brauchten unsere Hilfe. Das ist alles.“

„Ihnen gehörte also das Kanu, das wir gefunden haben“, sagte Mardengo. „Ich verstehe. Alles andere erörtern wir später. Brighton, du scheinst zum Reden bereit zu sein. Wo ist der Rothaarige?“

„Du meinst – Ferris Tucker, unseren Schiffszimmermann?“

„Ja. Her mit ihm. Warum versteckt er sich? Ich will mich mit ihm befassen.“

„Vielleicht hat er Angst“, sagte Ben. Langsam wandte er sich noch einmal zu den anderen um und ließ seinen Blick über die Gesichter wandern. Als er Dan O’Flynn entdeckte, hielt er inne.

„Ferris“, sagte er. „Komm her.“

Dan trat vor. Der Feuerschein ließ sein blondes Haar rot erscheinen.

„Ich bin der Schiffszimmermann“, sagte er zu Mardengo. „Was willst du von mir?“

Mardengo ließ Asiaga los und bewegte sich auf ihn zu. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Erkannte er Dan wieder? Wußte er, daß er nicht mit Ferris identisch war? Hatte er sich das Gesicht des rothaarigen Riesen gut genug eingeprägt?

Er blieb stehen. „Hast du Angst vor mir?“ fragte er.

„Ja. Ich weiß, daß du dich an mir rächen willst, weil Hasard und ich dich mit der Höllenflaschenabschußkanone …“

„Schon gut, das genügt“, unterbrach Mardengo ihn scharf.

Oka Mama runzelte die Stirn. Sie wußte nicht, wovon die Rede war. Sie nahm sich vor, Mardengo später ein paar klärende Fragen zu stellen.

„Bist du bereit, zu sprechen?“ fragte Mardengo.

„Ja“, erwiderte Dan. Er verdrehte etwas die Augen und fuhr fort: „Es ist ein schöner Abend. Dunkel war’s, der Mond schien helle, als ein alter Kahn blitzesschnelle langsam um die Insel lief. An Bord saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft. Genügt das – oder soll ich weitersprechen? Versteht ihr mich auch wirklich alle? Ich spreche doch deutlich genug, oder?“

Oka Mama, Mardengo und die anderen Piraten waren sprachlos. Mit halb geöffneten Mündern starrten sie Dan an, als sei er ein Geist, der eben auf Pirates’ Cove eingetroffen war. Dann aber verzerrten sich Mardengos Züge von neuem, und er stieß einen Fluch aus.

„Du mußt verrückt sein, Tucker“, sagte er, nur mühsam beherrscht. „Anders kann es nicht sein. Nur so läßt sich erklären, daß du es wagst, uns zu reizen. Ich überlasse dich Oka Mama, sie wird dich mit dem Messer bearbeiten.“

Oka Mama zückte ihr Messer. „Komm her, Hundesohn“, fauchte sie. „Fangen wir an.“

„Ich nehme mir den Narbenkerl vor“, sagte Mardengo. Dann drehte er den Kopf der Hütte zu, in der Ferris, Roger und Sam lagen, und schrie: „Zum letzten Mal, Killigrew! Redest du? Wo ist euer Schatzversteck? Spuck es aus, und es geschieht euch nichts!“

„Das glaubst du selber nicht!“ brüllte Ferris.

Sie mußten die Piraten um jeden Preis hinhalten, bis Hasard eine Möglichkeit fand, einzugreifen. Mardengo wollte einiges von ihnen wissen – es war der einzige Trumpf, den sie noch in Händen hatten, anderenfalls hätte die Bande sie längst einen nach dem anderen umgebracht.

Mardengo wollte sich auf Carberry stürzen. Hasard hatte sich im Dickicht aufgerichtet und hielt sein Messer wurfbereit. Ben, Carberry, Dan und alle anderen Männer der „Isabella“ duckten sich instinktiv. Sie wollten ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen.

Doch genau in diesem Augenblick ertönte ein Knacken und Prasseln, und ein Mann stürzte aus dem Dickicht ins Lager. Mardengo und seine Spießgesellen fuhren zu ihm herum.

„Was willst du?“ schrie Mardengo ihn an. „Solltest du nicht an Bord der Engländer-Galeone Wache halten?“

„Gato und die anderen haben die Galeone besetzt“, erwiderte der Kerl. „Aber wir kriegen Besuch. Sieben Galeonen halten auf die Insel zu. Es scheinen die zu sein, die uns bei Daytona zusetzten.“

„Spanier?“ Mardengo stieß eine ellenlange Verwünschung aus. „Das hat uns jetzt noch gefehlt!“

„Wer sind diese Spanier?“ kreischte Oka Mama. „Du hast mir nichts von ihnen gesagt! Du hast mir etwas verschwiegen, Mardengo, verfluchter Bastard! Der Teufel soll dich holen!“

Im Nu herrschte Wuhling, die Meldung hatte wie eine Kanonenkugel eingeschlagen, Ben, Ferris, Roger, Sam, Dan und alle anderen Arwenacks aber atmeten auf. Das Eintreffen der Spanier erfolgte zum richtigen Zeitpunkt und lenkte die Piraten von ihren Gefangenen ab. Das Verhör, das Mardengo die ganze Zeit über angedroht hatte, erfuhr einen Aufschub. Mardengo mußte sich unverzüglich um den Verband kümmern, der sich von Nordwesten der Insel zu nähern schien.

Darauf hatte auch Hasard nur gewartet. Das unerwartete Auftauchen der Spanier war auch für ihn von Nutzen. Er konnte sich denken, daß es sich um den Verband handelte, der auch hinter der „Isabella“ herjagte, um den Schatz von Fort St. Augustine zurückzuholen. Dennoch war es eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen er über das Erscheinen der „Dons“ erfreut war.

Die Piraten rannten im Lager hin und her, Oka Mama stieß mit spitzer Stimme die übelsten Flüche aus. Die Chancen, die Arwenacks aus den Händen des Gegners zu befreien, wuchsen.

Der Aufruhr wollte kein Ende nehmen. Mardengo riß seine Waffen an sich und rempelte dabei Oka Mama an, die um ein Haar zu Boden stürzte. Sie quittierte sein Mißgeschick mit einer neuen Serie von Flüchen und schlug und trat nach ihm.

Er beachtete sie nicht weiter, winkte dem Korsen und fünf anderen Kerlen zu und stürmte los. Er mußte so schnell wie möglich an Bord der „Isabella“ gelangen, die er bereits zu seinem neuen „Flaggschiff“ erklärt hatte.

Im Prinzip legte sich Mardengo die gleiche Strategie zurecht wie Gato, der von Bord der „Isabella“ aus in diesem Moment immer noch die Laternen der Schiffe beobachtete. Man mußte abwarten und erst einmal herausfinden, was der Gegner vorhatte. Dann konnte man ihn angreifen und versuchen, ihn auf das Riff zu locken. Wie sonst sollten die Piraten gegen sieben gut armierte Galeonen bestehen, die Pirates’ Cove mit ihren Kanonen mächtig einheizen würden?

Der Verband mußte um die Hälfte vermindert werden, dann konnte Mardengo ihn angreifen. Die „Isabella“ konnte es mit zwei, vielleicht sogar mit drei Schiffen aufnehmen, den Rest besorgten die „San Carmelo“ und die beiden Einmaster.

Oka Mama hatte aufgehört zu fluchen und drehte sich zu ihren Gefangenen um.

„Ihr habt uns das alles eingebrockt“, stieß sie hervor. „Macht ihr mit den Spaniern gemeinsame Sache? Sind sie eure Verbündeten?“

„Nein“, erwiderte Ben. „Wir haben nichts mit ihnen zu tun.“

„Du sprichst mit gespaltener Zunge, Sohn eines räudigen Hundes und einer Hure“, sagte die Alte. „Wer traut dir schon? Ich ganz bestimmt nicht.“

„Spanien ist Englands Feind“, bestätigte Big Old Shane Bens Worte. „Wir würden uns niemals mit den Dons einigen. Das gibt es bei uns nicht.“

„Und wieso sprecht ihr so gut Spanisch?“

„Ihr bedient euch doch auch der spanischen Sprache“, erwiderte Ben. „Das hat nichts weiter zu bedeuten – oder seid ihr etwa mit den Spaniern verbündet?“

„Dreh mir nicht das Wort im Mund um!“ schrie sie ihn an. „Ich töte dich!“

„Oka Mama“, erklärte einer der Piraten. „Was die Hunde sagen, könnte stimmen. Es ist ein reiner Zufall, daß die Spanier hier aufgetaucht sind.“

„Halt du dein Maul“, sagte sie grob. Dann vollführte sie eine unwirsche Gebärde. „Los, führt dieses Gesindel ab. Ich will sie vorläufig nicht mehr sehen. Nachher beraten wir, was mit ihnen geschieht – ich entscheide es! Sperrt sie in die Hütten, immer acht Mann auf einmal!“

Die Piraten beeilten sich, den Befehl auszuführen. Oka Mama trat zwischen die Hütten und hob lauschend den Kopf. Noch war kein Kanonendonner zu vernehmen. Wenn die Spanier mit ihren Galeonen auf das Riff liefen, war die Partie halb gewonnen. Wenn einige von ihnen am Nordufer landeten, fanden sie in den Fallen den Tod. Doch wenn es nur einem Teil des Verbandes gelang, nach Osten abzulaufen, die Insel zu runden und in die Ostbucht einzudringen, änderte sich die Lage.

Oka Mama mußte sich bereit halten. Im schlimmsten Fall mußte sie die Landzunge im Osten aufsuchen und das Katapult bedienen mit dem man die pulvergefüllten Tontöpfe auf die Schiffsdecks des Gegners schleudern konnte.

Hasard konnte jede Bewegung der Piraten im Schein des Lagerfeuers beobachten. Er hatte gehofft, daß die Alte sich ihm nähern würde – er hätte nicht gezögert, sie gefangenzunehmen. Aber sie stand an der gegenüberliegenden Seite, für ihn vorerst unerreichbar.

Er mußte handeln und durfte keine Zeit mehr vergeuden, sonst war auch diese Chance vertan. Nur wenige Piraten befanden sich als Wachen im Lager. Sie hatten die Seewölfe jetzt in die Hütten gestoßen und rammten die Türen zu. Riegel wurden vorgeschoben, aber es gab keine Schlösser. Es würde keine Schwierigkeit sein, die Türen wieder zu öffnen.

Die beiden Negersklaven, die mit furchtsamer Miene hin und her eilten, würden kaum Widerstand leisten, sie wurden ohnehin gegen ihren Willen auf Pirates’ Cove festgehalten. Aber gab es in den anderen beiden Hütten, die nicht als Gefängnis dienten, noch weitere Bewohner des Lagers?

Hasard stellte sich diese Frage aus einem guten Grund. Er war etwas weiter in südliche Richtung gepirscht und registrierte in diesem Moment, daß sich an der Rückwand einer der beiden Hütten etwas regte. Er verharrte, ließ sich auf den Bauch nieder und robbte im Schutz des Dickichts weiter.

Jetzt sah er es ganz deutlich: Eins der Bretter, aus denen die Hüttenwände zusammengezimmert waren, wurde von innen her bewegt. Er beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Wer immer in dieser Hütte war, er mußte ein Motiv dafür haben, daß er sie nicht auf dem normalen Weg durch die Tür verließ. Offenbar traf er Anstalten, sich heimlich zu entfernen. Aber warum?

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9783954397761
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