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Birgit Henriette Lutherer

Uppers End

Lebensaufgaben sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Linda kehrt heim

Ankunft auf der Erde

Linda ist auf der Welt

Begegnung mit dem Teufel

Der Teufel

Die Hölle und andere Orte

Mann oder Frau?

Ein unerwünschter Balg

Eine Frage der Herkunft

Fridolin hat ein Einsehen mit Linda

Das böse Spiel geht weiter

Kanep findet Linda wieder

Ruhe vor dem Sturm

Ansichtssache

Von Liebe und Tod

Schattenspiele

Aufstellung der besonderen Art

Hannah muss gehen

Die Hexe ist tot!

Gut und Böse

Uppers Spiele

GLOSSAR

PERSONEN, TEILS MIT IHREN ARCHETYPEN UND SCHATTEN

Impressum neobooks

Prolog

Dichtung und Wahrheit

. . . und irgendwo dazwischen

findet das wirkliche Leben statt

Uppers End

Roman von

Birgit Henriette Lutherer

Prolog

Nun darf es gut sein. Der Auftrag ist erfüllt. Lindas Leben ist beendet.

In den frühen Abendstunden ist sie friedlich eingeschlafen. Achtundachtzig Jahre auf der Erde waren ihr genug Zeit gewesen, um dort Erfahrungen zu sammeln. Fridolin, der Tod und gleichsam Lindas Begleiter durchs Leben, hatte sie abgeholt und zum Ort der Zeit ohne Zeit, dem Zuhause aller Menschen-Seins, zurückgeführt.

Am Ort der Zeit ohne Zeit existiert alles, was ist. Hier ist der wirkliche Ort des Lebens. Hier werden alle Erfahrungen aus einem gelebten Leben auf der Erde, die ein Mensch mitbringt, gesammelt. Von hier aus startet ein jeder in ein Menschenleben und hierher kehrt jeder wieder zurück. Wer an diesem Ort verweilt, ist pures Sein.

Der Ort der Zeit ohne Zeit ist umgeben von einem gigantischen, schwarzen Ring, dem Nichts. Kein Leben, kein Gedanke, keine Erinnerung existiert dort. Es gibt eben nichts. Außerhalb der Zone aus Nichts befindet sich das, was die Menschen das Universum nennen – unter anderem unsere Erde. Sie ist der Planet im Universum, zu dem Seins-Anteile reisen, wenn sie das Leben erforschen und Erfahrungen sammeln möchten. Das sind die Forscher unter den Seins. Es gibt auch andere Seins-Anteile. Zum Beispiel gibt es die Neutro-Seins. Sie dienen als Statisten – manch einer würde sie als Füllmaterial oder Platzhalter bezeichnen. Sie haben während eines Menschenlebens weder nennenswerte Bedeutung noch die Aufgabe zu forschen oder Erfahrungen zu sammeln und in die Zeit ohne Zeit zu bringen. Das Füllmaterial ist ohne jegliche Interessen. Außer Lebenserhaltung haben sie keinerlei besondere Motivation. Es liegt ihnen fern in irgendeiner Weise aktiv zu werden.

Die Forscher erklären sich am Ort der Zeit ohne Zeit bereit, bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Sie können entweder selber wählen, welche Erfahrung sie auf der Erde machen möchten, oder es wird eine Aufgabe an das Forscher Sein übertragen. Der Koordinator und Chef aller Seins ist Upper. Er ist das Überwesen des Lebens. Upper ist das führende Mitglied einer Triade, die gemeinsam allen Seins Weisungen erteilt. Upper entsendet und empfängt die forschenden Seins-Anteile, wenn sie nach Hause, zum Ort der Zeit ohne Zeit, zurückkehren. Seine Aufgabe ist es auch, den Seins-Anteilen Bewusstheit zu geben, sowie – überaus wichtig – die Erinnerung an den Ort der Zeit ohne Zeit zu löschen, sobald ein Seins-Anteil auf der Erde ankommt. Upper wacht über den Ablauf des Lebensauftrags all seiner Seins-Anteile. Bei Bedarf kann er nach eigenem Ermessen ins Leben eingreifen. Dies geschieht über ein Helfer-Sein, das eigens zu diesem Zweck auf der Erde ist. Upper ist omnipotent.

Tomasin, der zweite Teil der Triade, wacht auch über den Lebensforscher, hat aber keine Befugnis direkt einzugreifen. Er kann jedoch Impulse setzen. So kann er zum Beispiel Ideen eingeben oder – wenn es Teil des Auftrags ist – jemanden auf eine falsche Spur schicken und in die Irre führen. Tomasin ist das Unterwesen des Lebens.

Fridolin komplettiert die Triade. Er ist der Chronometer und Reiseleiter. Fridolin beendet den Aufenthalt des Seins auf der Erde, wenn die Lebenszeitspanne dort abgelaufen ist und weist jedem Rückreisenden den Weg nach Hause.

Der Weg nach Hause gleicht einem gewundenen Pfad, einem verzweigten Korridor durch das Nichts. Wer sicher dort ankommen möchte, kann den Weg nur mit seinem Reiseleiter Fridolin beschreiten. Wie auf einer viel befahrenen Fernstraße herrscht hier reger Verkehr. Auf der einen Seite sind Heimkehrer unterwegs, auf der anderen Seite des Wegs reisen Seins-Anteile zur Erde. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen.

Fridolin steht jedem am Startpunkt zur Erde zur Seite. Er heftet sich an den Lebensfunken des Seins, der mit Quod, dem Lebenselixier für den Menschen, angereichert ist. Diese Grundversorgung an Quod ist quasi die Wegzehrung bis zur Ankunft. Am Zielpunkt angekommen, koppelt sich der Seins-Anteil an eine Eizelle an und nistet sich in seinem Wirt, der ab diesem Zeitpunkt Mutter genannt wird, ein. In einer Höhle im Bauch seiner Mutter wächst und reift er dann dank Zellteilung heran, während er über einen Versorgungskanal, der aus einer flauschigen Schicht am Rand der Höhle entspringt, mit Quod und Nährstoffen versorgt wird. So geschützt, gut aufgehoben und mit allem versorgt, reift der Seins-Anteil zum Menschen heran. Das geschieht jedoch nur, wenn das Mutter-Sein empfangsbereit ist und auf einen impulsgebenden Seins-Anteil, der ab Entstehung des Menschen Vater genannt wird, trifft.

Upper, Tomasin und Fridolin sind Chef in Personalunion. Sie zusammen bilden die Triade. Upper und Tomasin obliegt eine weitere wichtige Aufgabe: Jeder von ihnen gibt dem Forscher-Sein bei Reiseantritt drei Attribute mit auf den Weg, die unter anderem das Sein als Mensch definieren sollen. Upper gibt einen Archetyp ein, der drei gute, starke Eigenschaften beinhaltet. Tomasin gibt einen Schatten ein, der mit drei schwächenden Anteilen den Gegenpol dazu bildet. Auch die Existenz von Archetyp und Schatten wird bei der Ankunft auf der Erde vom Menschen-Sein vergessen. Es ist sich ihrer nicht mehr bewusst. Wenn der Mensch ankommt, hat er also jede Erinnerung an sein wahres Zuhause verloren.

Kehrt das Menschen-Sein wieder an den Ort der Zeit ohne Zeit zurück, wird es zunächst von Fridolin an die Randzone begleitet. Dort angekommen entlässt er es in der Regel aus seiner sicheren Obhut in Uppers Refugium. Jeder Heimkehrende wird von den vorausgegangenen, heimgekehrten Lebenskontakten empfangen. Meist kommen sie ihm freundlich entgegen und holen ihn zu sich in ihre Mitte, um dann mit ihm gemeinsam in den Seins Pool zu steigen. In einigen Fällen läuft die Rückkehr anders ab. Das ist dann der Fall, wenn ein Forscher Sein heimkehrt, dass ein Leben unter besonders schwierigen Beziehungsumständen hat erdulden müssen. Die Vorausgegangenen müssen in diesem Fall solange auf das Sein warten, bis es zurückgekehrt ist. Erst dann dürfen sie weiter ins Zentrum der Zeit ohne Zeit aufrücken oder, wenn Upper es erlaubt, in seine Mitte gehen, um dort im großen Pool des Seins mit allen anderen zu verschmelzen.

Linda ist einer dieser Sonderfälle. Bei ihrer Rückkehr von der Erde gibt es niemanden, der sie freundlich empfängt. Die auf der Erde beteiligten Personen hatten sich am Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit versammelt und erwarteten Linda, weil sie von Upper herbeizitiert wurden. Jeder von ihnen erwartete Linda mit mulmigen Unbehagen. Lieber wäre es ihnen gewesen, wenn sie nie mehr auf Linda hätten treffen müssen. Jeder einzelne von ihnen war schuldbeladen und wollte sich vor der Begegnung mit ihr drücken. Doch Upper beharrte auf dieses Treffen. Da kannte er kein Pardon. Schließlich musste Linda, wie jeder andere Heimkehrende auch, Bericht erstatten. Dazu mussten aber die auf der Erde Beteiligten zwingend anwesend sein, denn nur so konnte Upper sich ein allparteiliches Bild von den Geschehnissen auf der Erde machen.

Fridolin begleitete Linda in die illustre Runde. Auch er war gespannt auf Lindas umfassenden Bericht und Uppers Resümee.

Fridolin war Linda ein guter Freund und Ratgeber geworden. Und so war sie froh, ihn an ihrer Seite zu wissen. Er würde ihr, falls nötig, helfen. Er hätte die Befugnis, natürlich im Einvernehmen mit Upper, jemanden vom Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit in das Nichts zu stoßen – in die ewige Verdammnis – um sich dort im Nichts aufzulösen.

Lindas Geschichte beginnt mit ihrer Ankunft am Entree des Ortes der Zeit ohne Zeit. Upper, Tomasin und maßgeblich beteiligte Personen sind anwesend, als sie eintrifft.

Linda kehrt heim

„Sagt mal, spinnt Ihr?! Tickt Ihr noch ganz sauber?! Habt Ihr noch alle

Tassen im Schrank?! Was sollte das?! Hmm?! Was sollte dieses verkackte Leben?!“

„Jetzt reg dich mal nicht so auf, Linda! Schließlich hast du dir dieses Leben selber ausgesucht!“ Upper, der oberste Boss allen Seins versuchte Linda zur Raison zu bringen. „Wenn ich dich daran erinnern darf, meine Liebe: Du warst es doch, die nicht mehr wollte. Du warst die, die gesagt hat, jetzt sei Schluss mit dem Kram – ein für alle mal. Du wolltest gehen. Nach achtundachtzig Jahren hattest du genug vom Leben auf der Erde.“

„Ja, das stimmt,“ gab Linda zu „ich konnte nicht weiter mitansehen, wie immer wieder das gleiche in meiner Familie geschieht – dieses Unrecht, diese Qual – das musste ein Ende haben, jawohl. Aber dass ihr mich dort derart habt hängen lassen – was sollte das? Wer hat sich das ausgedacht?“

Verschämt schauten alle Anwesenden auf den Boden.

„Na sagt schon, wem habe ich diesen Schlamassel zu verdanken?“

Linda blickte in die Runde. Da stand Hannah, die auf der Erde ihre Mutter gewesen war und Erhard, ihr sogenannter Vater, stand gleich neben ihr. „Na, ihr zwei, wie wär´s mit euch – könnt ihr mir die Frage beantworten? Habe ich euch dieses miese Leben über Jahrzehnte hinweg zu verdanken?“ Mit gesenkten Köpfen verharrten ihre damaligen Eltern in einer Art Schockposition. Hannah malte verlegen mit ihrem Fuß Kreise in den staubigen Boden. Linda konnte beobachten, wie Erhard Hannah verstohlen anschaute. Er schien darauf zu warten, dass Hannah etwas sagte. Und tatsächlich, genau wie zu Erdenzeiten, lohnte sich das Warten für ihn. Hannah begann verlegen: „Also Linda, weißt du, wir haben das nicht gewollt. Wir wussten ja auch nichts davon. Wir konnten nicht sehen was werden sollte. Du musst uns glauben, Linda, wir wollten immer nur, dass es dir gut geht.“

„Aha, meine Liebe, das ist ja schön zu hören, aber irgendwie kann ich es nicht so recht glauben. Na ja, lass mal gut sein. Vielleicht kann mir Heinrich oder Martha ja meine Frage beantworten?“ Linda blickte Heinrich und Martha mit strengem, auffordernden Blick an. Im Gegensatz zu Hannah und Erhard blickten sie Linda unverhohlen in die Augen. Linda lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut. Schon während ihrer Zeit auf der Erde wurde sie von diesem kalten Schauer geschüttelt, wenn sie ihren Großeltern begegnete. Heinrich und Martha waren dort drüben Erhards Eltern gewesen, also Lindas Opa und Oma. „Nun, meine lieben Großeltern“, begann Linda mit forderndem Unterton, „mit euch habe ich später sowieso noch zu reden – aber könnt ihr mir vielleicht meine Frage beantworten? Was sollte dieser ganze Mist in meinem Leben? Warum habt ihr mir all diese Dinge angetan?!“

„Jetzt stell dich mal nicht so an! Tu mal nicht so, als wären wir an allem schuld. Du hast ja auch brav mitgemacht. Und außerdem: So schlimm war das ja nun auch nicht. Aber, um deine Frage zu beantworten: Nein, wir waren das nicht. Du verdächtigst die Falschen!“, entgegnete Heinrich Unschuld heuchelnd.

„Das soll ich euch glauben?!“

„Ja, glaub es nur. Und das eine will ich dir mal sagen“, zeterte Martha, „was du da mit meinem Heinrich gemacht hast …“ Martha verstummte plötzlich. Sie wollte vor den Anwesenden keine vertraulichen Details preisgeben.

„Was soll ich gemacht haben, hä?!“

„Na, du wirst schon wissen was. Warst auf jeden Fall kein Unschuldslamm, Linda – ganz wie deine Mutter da drüben, nicht wahr Hannah?“ Hannah schaute immer noch verlegen auf den Boden. Sie versuchte allen Blicken auszuweichen.

„Lass du mir Hannah in Ruhe!“ Entrüstet trat Linda Martha gegenüber. Sie war kampfbereit – aufs äußerste gefasst. Nach ihrem Leben auf der Erde wollte Linda sich jetzt hier, am Ort der Zeit ohne Zeit, nicht mehr Marthas Gemeinheiten gefallen lassen.

Martha stemmte die Arme in ihre Seiten. Sie schnaubte vor Wut. „Linda, du kleiner mieser Bastard! Was bildest du dir ein?! Schau mal da vorne, der Kleine da. Er wäre dein Sohn gewesen, aber er wollte nicht! Und ich glaube, aus gutem Grund! Gerade noch rechtzeitig hat er es sich anders überlegt und ist zu uns in die Zeit ohne Zeit zurückgekehrt. Hier geht es ihm gut. Bei dir …,

naja, das kann man sich ja denken …!“

Linda war empört. „Martha, pass ja auf, was du sagst und lass Max aus dem Spiel! Hier gelten andere Regeln. Du solltest lieber anfangen kleinere Brötchen zu backen. Ich werde dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Verlass dich drauf!“ Linda musste an sich halten. Um ein Haar hätte sie Martha selber vom Rand des Ortes der Zeit ohne Zeit hinab ins Nichts gestoßen, doch sie überlegte es sich in letzter Sekunde anders. Linda wollte erst Klarheit schaffen. Klarheit über das, was auf der Erde tatsächlich passiert war. Dazu brauchte sie die Beteiligten – und natürlich Upper als obersten Richter. Er sollte sich alles noch einmal in Anwesenheit aller Personen anhören und dann entscheiden, ob jemand ausgelöscht werden sollte. Linda war gespannt. Aber erst mal war sie fürchterlich wütend.

„Was soll das“, empörte sich Linda bei Upper. „Soll das hier so weiter gehen? Darf Martha mich beleidigen?“

„Linda, ich beleidige dich überhaupt nicht. Ich sage nur, wie es ist“, konterte Martha mit süffisantem Lächeln.

„Hörst du immer noch nicht auf, du alte Hexe?! Und du da Heinrich, du mieses Schwein – Pass bloß auf!“

„Aber, aber, Kinder, bitte beruhigt euch!“ Upper mischte sich jetzt schlichtend ein. Er konnte nicht mehr mitanhören, wie Martha und Linda sich beschimpften. Auch die anderen Familienmitglieder aus Lindas Sippe, die anwesend waren, redeten mittlerweile wild durcheinander. Erhard lag im Disput mit seinem Vater Heinrich, Hannah beschwerte sich bei den beiden wegen irgendwelcher falschen Versprechungen, dann versuchte Heinrich sich zu rechtfertigten, wurde aber jäh von Martha unterbrochen und beschimpft- kurz, es war ein chaotisches Stimmengewirr. Alle waren so mit sich beschäftigt, dass sie Uppers Bitte nicht wahrnahmen. Upper erhob seine Stimme. „Ruuuhe!!! Zum Donnerwetter noch mal!“ Dröhnend rauschte Uppers Stimme mitten durch die Anwesenden. Der Boden unter ihren Füßen erbebte bei dieser Stimmgewalt. „Jetzt beruhigt euch endlich! Ich versteh ja mein eigenes Wort nicht mehr und ihr wisst: Das Wort ist bei mir! Von Anfang an! Also Ruhe jetzt! Bedenkt -“, Uppers Stimme wurde milde, „Linda ist gerade erst zurückgekehrt. Sie ist noch voller Quod. Ich hatte ihr, so glaube ich, etwas viel davon mitgegeben und Hannah hat es auch gut mit ihr gemeint. Oder hattest du, Fridolin, etwa auch noch nachgeholfen?“ Upper sah Fridolin forschend an. „Nun ja, Upper“, lenkte Fridolin vorsichtig ein, „es könnte sein, dass mir da ein Fläschchen von dem Zeug aus der Hand geglitten ist, als es brenzlig wurde, weißt du, Ähem.“ Fridolin nestelte verlegen an seiner dunklen Kutte herum. Er vermied, Upper in die Augen zu schauen.

„Soso“, schmunzelte Upper insgeheim. Er versuchte seine sichtliche Freude darüber zu verbergen. Schließlich war Linda eines seiner Lieblings-Seins und gut wieder zu ihm zurückgekehrt. Nur Tomasin, der alte Zausel, begann zu mäkeln: „Das war unfair! Sie ist mit einem Vorteil auf die Reise gegangen. So war das nicht abgemacht!“

„Abgemacht? Was war abgemacht?“ Linda wurde hellhörig.

„Nichts Linda. Tomasin meint manchmal, er könne meinen Job übernehmen. Da irrt er sich! Nicht wahr, Tomasin?!“

„Ja! Ist ja gut, Upper! Man kann´s ja mal probieren.“ Tomasin winkte ab.

„Also, Fridolin, du hast Linda Quod gegeben.“

„Ja, Upper, ganz aus Versehen.“

„Das soll ich dir also glauben?“

„Ich denke schon. Du weißt doch wie verlässlich ich bin.“ Mit einem fast betörenden Augenaufschlag zwinkerte er Upper zu. Beinahe hätte Linda bei dem Anblick laut losgeprustet. Sie wusste, wie überzeugend und charmant ihr Freund Fridolin sein konnte. Das hatte sie so manches Mal miterleben dürfen. Aber dass er es auch bei Upper, dem Überwesen versuchte, das erstaunte Linda dann doch.

„Lass gut sein, alter Freund. Ist schon okay. Schließlich habe ich dir persönlich ein paar Fläschchen Quod abgefüllt, die du nach deinem Ermessen, bei Bedarf verabreichen darfst.“

„Ach so?! Hört, hört! Das sind ja ganz neue Sitten. Ihr trefft geheime Absprachen?“ Tomasin zeigte sich sichtlich pikiert.

„Sei du mal ruhig, Tomasin. Ich glaube, du bist noch nie zu kurz gekommen. Schließlich hast du von mir die Aufgabe bekommen, jedem Reisenden einen Schatten mit drei Anteilen zu geben.“

„Ist ja gut. Ich will nur keine Heimlichkeiten, so hinter meinem Rücken.“

„Du hättest mich einfach fragen können, Tomasin“, warf Fridolin ein.

„ICH habe keine Geheimnisse!“

„Damit du dich nicht noch mehr übergangen fühlst, Tomasin: Kanep hatte auch ein Extra-Fläschchen Quod für Linda dabei“, fügte Upper hinzu.

„Wieso das denn, Upper?“

„Ganz einfach, weil sie mich darum gebeten hat.“

„Wann hat sie das denn gemacht? Ich meine, woher wusste sie…, wie konnte sie…?“

„Nachdem mir zu Ohren kam“, sagte Fridolin, „dass du Linda davon überzeugt hattest, ihren Schatten zurückzulassen, was ich übrigens richtig fies von dir fand, Tomasin. Ich hatte Mitleid mit Linda. Ich kannte ja ihre Aufgabe, also musste ich handeln. Ich erzählte Linda, was es für Folgen haben würde, wenn sie ohne Schatten leben würde. Sie schaffte es gerade noch bei Upper ihren Schatten nachzubestellen bevor sie bei ihrer Ankunft auf der Welt alles vergessen würde. Wenige Augenblicke nach ihrer Bestellung ging Linda auch schon durch den Kanal des Vergessens und erblickte das Licht der Welt.“

„Wieso ausgerechnet Kanep?“, entfuhr es Tomasin. „Er hatte doch schon genug gemeinsame Leben mit Linda erfahren.“

„Eben, genau deshalb“, gab Upper zur Antwort. „Kanep kennt sich aus. Ich wusste, er würde Linda auf jeden Fall rechtzeitig treffen.“

„Rechtzeitig? Was heißt rechtzeitig?“

„Tomasin, das solltest du wissen!“ sagte Upper. „Rechtzeitig natürlich, bevor Lindas Vorrat an Quod aufgebraucht wäre, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Ich wusste, sie hatte schon überaus viel Quod verzehren müssen. Für den Rest der Zeit hätte es nicht mehr gelangt. Linda hätte abbrechen müssen!“ Upper blickte Tomasin vielsagend und tiefgründig in die Augen.

„Das hatte ich damals auch nicht ganz verstanden, Tomasin“, sagte Fridolin. „Ich hatte ihn doch gerade erst nach Hause begleitet. Wieso also sollte es Kanep sein? Kanep war gerade erst von seiner Forschungsreise aus dem großen Krieg, der auf der Erde getobt hatte, heimgekehrt. Er sollte seine wohlverdiente Ruhepause genießen. Wieso also Kanep?“

„Ganz einfach“, schmunzelte Upper. „Die beiden sind schon seit Anbeginn der Zeit ohne Zeit ein Paar. Sie lieben sich. Die reinste, tiefste Liebe, die ich je gesehen habe. Das haben mir die beiden über viele Erdenleben gezeigt. Also, welche Macht könnte größer sein – mich ausgenommen – als die Liebe? Die Liebe der beiden zueinander war die Garantie, dass Linda es schafft.“

„Aha! Und wo ist Kanep jetzt? Sollte er nicht hier sein, wenn seine Linda heimkehrt?“ fragte Martha neugierig grienend? Sie hoffte mit ihrer Frage Linda einen weiteren schmerzlichen Schlag versetzen zu können. Doch Upper kam allen zuvor. Bevor irgendjemand auf Marthas boshafte Frage reagieren konnte verkündete er: „Kanep ist schon auf dem Weg hierher. Er müsste jeden Moment hier eintreffen.“

Heinrich und Martha zuckten zusammen. Eine wütende Linda, das war das eine. Damit konnten sie bestimmt fertig werden und sich vor Upper rechtfertigen. Da waren sie sich sicher. Wenn aber nun dieser Kanep hier auftaucht, dann würde es für sie schwer werden in Uppers Gnade zu bleiben. Linda und Kanep, jeder für sich, waren starke Seins-Anteile. Wenn sie sich dann auch noch zusammentaten, entfachten sie eine große, gemeinsame Kraft. Das wussten alle Anwesenden. Nur, es half alles nichts, niemand konnte Kaneps Ankunft verhindern.

„Kanep braucht noch etwas Zeit“, verkündete Fridolin. „Er ist noch geschwächt. Schließlich hat er lange Zeit zwei Schattenkomponenten in sich gehabt – seinen und den von Linda. Ich kann euch sagen, Tomasin hat den beiden nicht gerade die leichtesten gegeben. Kanep konnte sich zwar in der zweiten Hälfte seiner Erfahrungszeit erholen und Kraft sammeln, indem er endlich seinen Archetyp leben durfte, die Kraft ist dennoch immer noch nicht zur Gänze wiederhergestellt. Habt also bitte noch ein wenig Geduld.“

„Linda kann ja schon mal damit beginnen von ihren Erfahrungen zu berichten, bevor ihre Erinnerung daran verblasst“ schlug Upper vor.

Heinrich, Martha und jetzt auch Hannah zuckten abermals heftig zusammen. Wie konnten sie dem aus dem Wege gehen? Hannah hatte einen rettenden, zeitbringenden Einfall: „Upper, ich hab´ da mal zwei Fragen: Was geschieht, wenn man ohne seinen Schatten auf der Welt lebt? Und wie ist das, wenn man mit zwei Schatten gleichzeitig dort ist?“

„Oh ja, Hannah, das sind in der Tat zwei interessante Fragen.“ Upper ließ sich tatsächlich auf ihre Fragen ein. „Tja, was geschieht, wenn man ohne Schatten lebt? Tomasin, was sagst du?“

„Nun, wenn jemand ohne Schatten auf der Erde leben würde, würde er

höchstwahrscheinlich von seinen Mitmenschen argwöhnisch betrachtet – kann ich mir vorstellen.“

„Ach so, Tomasin, du hast also eine Vorstellung davon, wie es einem meiner Forschungs-Reisenden ergehen könnte, wenn sie von dir ohne Schatten losgeschickt werden?“

„Ja vielleicht, Upper. Ich fabuliere halt wie es sein könnte.“

„Und warum hast du dann Linda dazu überredet, auf ihren Schatten zu verzichten?“

„Ich weiß auch nicht, Upper, was mich da geritten hat“, gab Tomasin kleinlaut von sich. „Ich kann mir vorstellen, dass ich dir vielleicht eine neue Erfahrung liefern wollte?“ Tomasin versuchte sich herauszureden. Er wollte unbedingt vermeiden, Uppers Zorn auf sich zu ziehen.

„Tomasin“, donnerte Upper laut los, „über dein schändliches, unverantwortliches Verhalten, werden wir noch reden – mein Freund!“ Mit dieser dunklen, ahnungsvollen Ankündigung ließ er Tomasin stehen und wendete sich Hannah zu: „Um deine erste Frage zu beantworte, Hannah: Wenn du ohne Schattenanteil zur Erde reist, kann das in der Tat schwerwiegende Auswirkungen haben. Alle Menschen, mit denen du es zu tun haben wirst, werden dich als seltsam empfinden. Du bist anders – und anders sein löst Angst aus bei deinen Mitmenschen.“

„Aber Upper“, wendete Hannah ein, „der Schattenanteil stellt doch den negativen Aspekt meines Seins dort auf der Erde dar. Dann kann es doch nur gut sein, wenn ich ausschließlich den positiven Archetyp lebe. Oder sehe ich das falsch?“

„Nun ja, nicht ganz. Schau mal, wenn alle Menschen ihren Schattenanteil haben, mehr oder weniger bewusst, dann sehen sie im Gegenüber etwas Bekanntes, nämlich dass auch er, genau wie sie selbst, einen Schattenanteil in sich trägt. Wenn du jetzt aber als einzige ohne Schattenanteil auf der Erde lebst, bist du automatisch ein Sonderling. Die Menschen sehen dich als zu gut an. Für ihr Verständnis kann das einfach nicht sein. Es ist das schier Unmögliche für sie. Deshalb fangen sie an, den Makel an dir zu suchen, den du natürlich einfach nicht hast. Er fehlt dir schlicht und ergreifend. Die Menschen können den Makel logischerweise nicht an dir entdecken. Die Konsequenz ist, dass jedem, mit dem du länger zu tun hast, immer bewusster auffällt, dass dir dein Schattenanteil fehlt. Dein Gegenüber wird so lange weitersuchen, bis er eine vermeintlich negative Kleinigkeit an dir findet. Erst dann bist du seiner Ansicht nach richtig, also so, wie es sich gehört. Es kann zum Beispiel sein, dass du in seinen Augen zu freundlich oder zu ehrlich bist. Dann wird dieser Jemand dir unter Umständen negative Dinge andichten, um das berühmte Haar in der Suppe zu finden.“

„Kann man denn zu freundlich oder zu ehrlich sein, Upper?“

„Hier bei mir, in der Zeit ohne Zeit, gibt es natürlich kein zu freundlich oder zu ehrlich, denn bei uns gibt es weder Archetyp noch Schatten. Bei uns gibt es das pure Sein. Auf der Erde ist das allerdings anders.“

„Wieso gibt es dann hier im Moment Streit unter den Anwesenden?“, meldete sich Erhard skeptisch zu Wort. „Wenn doch alle hier im `Ich bin` Zustand sind, dann ist jeder Konflikt hinfällig, sogar überflüssig. Oder sehe ich das falsch?“

„Jain, Erhard. Das ist möglich, weil ihr alle zur Begrüßung Lindas noch einmal in euer Erden-Sein geschlüpft seid. Das ist auch wichtig, denn nur so kann ich Lindas Bericht authentisch in die große Chronik eingeben. Eure Attribute sind im Augenblick von Lindas Ankunft wieder aktiviert worden. Verstehst du?“

„Okay, ich glaube, ich habe es verstanden. Wir alle hier sind im Augenblick so, wie wir es während unseres Aufenthalts auf der Erde waren. Korrekt?“

„Ja, in etwa ja.“

„Also, Upper“, setzte Hannah neu an, „damit ich das richtig verstehe: Wenn ich auf der Welt bin und ich meine Schattenanteile nicht dabei habe, dann kann ich also zu freundlich oder zu ehrlich sein? Ich bin deshalb den anderen suspekt? Sobald ich aber meinen Schattenanteil habe, geht das nicht mehr und bin ihnen nicht mehr suspekt?“

„Ja genau. Sobald du den Schatten in dir trägst, ist der negative Gegenpol zur Freundlichkeit und Ehrlichkeit hinzugefügt. Deine Mitmenschen sehen dich als „ganz“ an, weil die gewohnte Polarität hergestellt ist. Die Menschen brauchen auf der Erde die Polarität, sonst könnten sie keine Erfahrungen sammeln.“

„Was sind das denn für Polaritäten“, fragte Max neugierig nach.

„Da gibt es zum Beispiel Gut und Böse, schwarz und weiß, hell und dunkel,

Ying und Yang, Tag und Nacht. Ich könnte dir noch viele weitere Beispiele

nennen. Es geht darum zu jedem Pol einen Gegenpol zu haben.“

„Wenn ich also auf der Welt bin, muss ich erkennen, was korreliert?“

„Ja, so ist das, Max.“

„Puh, da bin ich aber froh, dass ich es mir doch noch anders überlegt hatte und sofort wieder nach Hause gegangen bin. Das wäre mir viel zu kompliziert gewesen. Die Erfahrung, den Weg in die Nisthöhle zu machen, war für mich schon Aufregung genug gewesen. Gut, dass ich wieder hier bin.“

Upper beruhigte Max. „So anstrengend, wie sich das für dich vielleicht im Moment anhören mag, ist es nun auch wieder nicht. Du musst nicht denken Max, dass die Menschen sich immerzu damit auseinandersetzen müssten. Das wäre auch ihrem Auftrag nicht unbedingt zuträglich. Denn wenn es sich so verhielte, würden die Menschen einen großen Teil ihrer Verweildauer damit verbringen zu erkunden, wer gut von uns komponiert wurde. Das wäre zum einen viel zu aufwendig und zum anderen Quatsch.“

„Die Menschen auf der Erde sagen oft so treffend: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Wo demgemäß ein Archetyp ist, ist auch ein Schattenanteil?“, fragte Hannah nach.

„So ist es“, bestätigte Upper.

„Wieso gibt es dann aber auf der Erde Menschen, die nur ihren Archetyp leben und verehrt werden?“

„Ja, das ist eine gute Frage. Du hast recht, Hannah, die gibt es. Da gab es zum Beispiel Mutter Theresa, die ihr eigenes Leben ganz beiseite stellte und sich aufopfernd um die Kranken und Armen kümmerte. Oder Buddha zum Beispiel, er setzte sich einige Zeit unter einen Baum und war von da an nur noch gut. Die Menschen nannten ihn den Erleuchteten. Es gibt noch eine ganze Reihe Menschen mehr, die ich nennen könnte. Eins ist allen gemeinsam: Sie reisten mit Archetyp und Schatten zur Erde. Nach einiger Erfahrungszeit auf der Erde, erkannten sie ihren Schatten und legten ihn ab. Ihre Mitmenschen wiederum erkannten dies und bewunderten sie dafür. Alle waren zunächst von ihresgleichen. Wenn du so willst, konnten alle Menschen einen Abgleich zu sich selber machen. Wären Mutter Theresa oder Buddha allerdings gleich ohne ihren Schatten angereist, wären sie mit Sicherheit in ihren Augen nichts als Sonderlinge gewesen.“

„Gehörte ich zu den sogenannten Sonderlingen“, wollte Linda wissen?

„Ja, in gewisser Weise schon. Zumindest so lange, bis Kanep dir deinen Schattenanteil überbracht hatte.“

„Welchen Archetyp hast du mir damals mitgegeben?“

„Du willst es aber genau wissen, Linda.“

„Ich glaube, es ist mein verdammtes Recht, die ganze Wahrheit zu erfahren, Upper. Weißt du, ich fühlte mich so manches Mal regelrecht verarscht von euch.“

„Linda! Wie sprichst du mit uns?!“ Tomasin war entsetzt über Lindas Respektlosigkeit.

„So, wie ich es schon lange tun wollte, Tomasin! Verflixt noch eins, denkt ihr, ihr könnt alles machen? Denkt ihr, ihr dürft euch alles herausnehmen?“

„Ja, das können wir!“ Upper dröhnte mit lauter Stimme dazwischen, dass der Boden wieder bebte. Langsam verlor er die Geduld. Er fühlte sich mehr und mehr durch Linda Fragerei in die Enge getrieben.

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9783748557333
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