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Birgid Windisch

Schwarze-Witwen-Mambo

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Inhaltsverzeichnis

Titel

E I N S

Z W E I

D R E I

V I E R

F Ü N F

S E C H S

S I E B E N

A C H T

N E U N

Z E H N

E L F

Z W Ö L F

D R E I Z E H N

V I E R Z E H N

F Ü N F Z E H N

S E C H Z E H N

S I E B Z E H N

A C H T Z E H N

N E U N Z E H N

Z W A N Z I G

E I N U N D Z W A N Z I G

Z W E I U N D Z W A N Z I G

D R E I U N D Z W A N Z I G

V I E R U N D Z W A N Z I G

F Ü N F U N D Z W A N Z I G

S E C H S U N D Z W A N Z I G

S I E B E N U N D Z W A N Z I G

A C H T U N D Z W A N Z I G

N E U N U N D Z W A N Z I G

D R E I ß I G

E I N U N D D R E I ß I G

Z W E I U N D D R E I ß I G

D R E I U N D D R E I ß I G

V I E R U N D D R E I ß I G

F Ü N F U N D D R E I ß I G

S E C H S U N D D R E I ß I G

S I E B E N U N D D R E I ß I G

A C H T U N D D R E I ß I G

N E U N U N D D R E I ß I G

V I E R Z I G

E I N U N D V I E R Z I G

Z W E I U N D V I E R Z I G

Die Kommissare des Höchster Polizeireviers:

Vorschau auf den sechsten Mümlingtalkrimi:

N A C H W O R T

Q U E L L E N und D A N K:

Impressum neobooks

E I N S

Birgid Windisch

Schwarze-Witwen-Mambo

Mümlingtalkrimi, Band, Nr. 5

Birgid Windisch

Schwarze Witwen Mambo

5. MÜMLINGTALKRIMI

 Prolog Dezember 2011

Der schon ältere, aber rüstige Mann, wanderte über die Rimhorner Höhe, dem Aussichtsplatz zu, von dem man einen herrlichen Blick über den Ort hatte. Von dort wollte er den schmalen Hohlweg nach unten laufen, der links von Äckern, Wiesen und Weiden begrenzt war. Rechts säumten Bäume den Weg. Er trat unter den „Pilz“, wie die Rimmerner ihren Schattenplatz nannten – einen massiven Holzstamm, auf dem eine Art Schirmdach saß.

Zufrieden las er zum wiederholten Male den schönen Spruch, auf dem Holzschild unter dem Dach:

Rimhorn, oh wie schön bist Du, mit Blick von der Johannisruh. Wenn dann im Frühling die Bäume blühn und winkende Wanderer vorüber ziehn, wird uns die Schönheit unserer Heimat bewußt und man möchte singen voller Lust - ein schönes Plätzchen ist das hier, dem VVR sei Dank dafür!“

Gleich daneben hing ein ausführliches, gerahmtes Gedicht hinter Glas, das er diesmal nicht las – er konnte es sowieso auswendig. Still lächelte er in sich hinein und flüsterte dabei:

Johannes Ruh, Johannes Ruh,

ein Plätzchen – ach wie schön bist du.

Wie herrlich ist in´s Dorf der Blick

Lieb Dörflein, ach leb doch immer im Glück.

Hier erfreut sich jung und alt,

so schön hier bei dem Tannenwald;

man hört dort drüben das Glöcklein klingen

und ringsherum die Vöglein singen.

Man sieht hier den fröhlichen Wanderer ziehn,

oben am Berghang die Obstbäume blühn

und unten sieht man die Autos sausen

hoch in den Lüften die Flugzeuge brausen.

So friedlich steht´s Kirchlein in der Mitte,

zur Schule geh´n die Kinder mit schnellem Tritte;

überall gehen weit und breit

viel gute und auch brave Leut.

Kommt man von unten oder oben,

jeder wird das Plätzchen loben;

von hier aus sieht es so herrlich aus,

wenn man betrachtet sein Heimathaus.

Geht man vorbei und ist sehr müd

Und die Vöglein singen ihr Abendlied

erlabt sich jung und alt das Herz

und man vergisst so manchen Schmerz

Geht man abends in sein Kämmerlein,

spät schon, beim lieben Mondenschein,

schickt man sein Nachtgebet zum Herrn,

für alle Lieben aus Nah und fern,

denk ich nochmals an die Johannes Ruh

bis mir fallen die Augen zu.“

Er genoss noch einmal den schönen Ausblick, dann setzte er sich auf die Bank, die den Holzstamm umschloss, öffnete die mit Tee gefüllte Thermosflasche, die ihm seine Frau, wie immer, fürsorglich am Morgen gefüllt hatte. Liebevoll dachte er an sie, die so gut zu ihm war. Sie war um die zwanzig Jahre jünger als er und äußerst liebreizend anzusehen. Manchmal konnte er immer noch nicht fassen, warum sie gerade ihn gewählt hatte. Ihn, der doch eher unscheinbar daherkam und nicht viel darstellte, im Gegensatz zu ihr, die so wunderschön und wohlsituiert war. Daher hatte er vor einem knappen Jahr, als er sie kennenlernte, auch gleich gewusst, dass sie nicht hinter seinem Geld her sein konnte. Er hatte sie nach kurzer Zeit zu seiner Frau gemacht und ihr von ganzem Herzen vertraut, wie er es auch heute immer noch tat. So ein spätes Glück war nicht jedem beschieden und niemand sollte ihn der Undankbarkeit bezichtigen. Er nahm noch einen tiefen Schluck von dem wohlschmeckenden ayurvedischen Tee, den seine Sybille so liebte und auf dessen gesundheitsfördernde Wirkung sie schwor, runzelte kurz die Stirn, da er diesmal etwas bitter schmeckte. Wahrscheinlich hatte sie ihn zu lange ziehen lassen, fuhr es ihm durch den Kopf. Gemächlich trank er aus und füllte den Becher noch einmal bis zum Rand. Sie hatte sich die Mühe gemacht und ihren selbstgemischten ayurvedischen Tee für ihn gekocht, da wollte er seine Wertschätzung ihrer Mühe auch zeigen, indem er ihn austrank, wenn er auch diesmal nicht so gut wie sonst schmeckte. Er zuckte die Achseln und setzte den nun leeren Becher ab. Verwirrt und zunehmend beunruhigt registrierte er zunehmendes Herzklopfen, das sich zum allmählichen Herzrasen steigerte. Das Atmen fiel ihm schwer, er bekam kaum noch Luft. Automatisch zerrte er an seinem Reißverschluss, um den Anorak zu öffnen und ließ dabei sein geliebtes Heimatdorf nicht aus den Augen.

Der Becher rutschte ihm aus der Hand, der restliche Tee, der darin gewesen war, versickerte im weichen Boden und er sank mit weit aufgerissenen Augen allmählich nach hinten, gegen den Stamm. Von dort kippte er langsam zur Seite, rutschte dabei nach vorn von der Bank herunter, erbrach sich dabei heftig und kam mit einem dumpfen Plumps auf dem Boden auf. Als sein Kopf auf den Boden aufschlug, war er bereits tot. Der restliche Inhalt der Teeflasche ergoss sich neben ihm, vermischte sich mit dem Erbrochenen und die heiße Flüssigkeit tränkte seine Hose, doch das spürte er nicht mehr.

Z W E I

Dezember 2021

Im Polizeirevier Höchst stand Helmut, der uniformierte Polizist, am Empfang und hielt sich den Hörer des Telefons ein Stück weit vom Ohr weg. Teilnahmsvoll schlug ihm Eddie, der gerade vorbei ging, auf die Schulter und grinste dabei schadenfroh.

Helmut jedoch packte ihn geistesgegenwärtig an der Hand und hielt ihn entschlossen fest, wobei er aufgeregt mit dem Kopf zum Hörer deutete.

Eddie zuckte gelangweilt die Schultern und blieb gutmütig stehen. „Moment!“, rief Helmut in diesem Moment und drückte ihm mit den Worten: „Ich gebe ihnen meinen Kollegen, der dafür zuständig ist“, das Telefon in die Hand.

Augenrollend nahm dieser den Hörer und meldete sich knapp: „Kommissar Edgar Appel, was kann ich für sie tun?“ Eine aufgeregte Frauenstimme drang in enormer Lautstärke an sein Ohr und automatisch hielt er sich, wie zuvor schon Helmut, den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Stirnrunzelnd hörte er eine Weile zu, dann unterbrach er entschlossen den Wortschwall der aufgebrachten Dame. „Name und Adresse?“ Er zog einen Stift aus der Jackentasche und schrieb auf den Zettel, den ihm Helmut eilig hinhielt ein paar unleserliche Worte. „Wir kommen!“, und legte auf.

„Danke Helmut, für das erfreuliche Gespräch!“ Gespielt böse sah er den Kollegen an, der ihn unbeeindruckt anlächelte, dann verließ er den Eingangsbereich, um schnellstmöglich das Ermittlerteam zu verständigen.

Magda war heute erst den zweiten Tag wieder im Dienst. Nach ihrer schweren Verletzung, war sie einige Wochen krankgeschrieben gewesen. Mit Kopfverletzungen war nicht zu spaßen und ihre Kollegen hatten darauf bestanden, dass sie sich ihre Auszeit nahm, bis zur vollständigen Genesung. Doch jetzt reichte es ihr mit dem Krankenstand, sie war lange genug daheim gewesen und brannte darauf, wieder etwas Sinnvolles zu tun, sprich, zu arbeiten. Nicht, dass sie Hausarbeit für weniger wertvoll hielt, aber ihre Arbeit war ihr Leben und sie fühlte sich persönlich dafür verantwortlich, wenn ein Mörder nicht gefasst wurde und davonkam.

Alarmiert betrachtete sie ihren Kollegen, der, obwohl frisch von daheim kommend, bereits wieder reichlich derangiert aussah. „Was ist los, Eddie? Ist etwas passiert?“

Ratlos sah er sie an. „Ich bin mir nicht sicher, aber es klang schon besorgniserregend, was mir die Frau eben am Telefon erzählt hat.“ „Wie erzählt, das Telefon hat doch gar nicht geklingelt!“ Magda sah ihn fragend an.

„Helmut hat mir, als ich hereinkam, gleich vorne, den Hörer in die Hand gedrückt.“ „Ach so“, nickte Magda lächelnd. „Hat er gleich geschaltet und das Gespräch auf dich abgewälzt!“ Eddie nickte finster. „Das kann man wohl sagen. Die Dame war sehr laut und aufgeregt. Sie macht sich Sorgen um ihren Mann, der gestern von einem Spaziergang nicht nachhause kam und fürchtet das Schlimmste.“ „Wir fahren hin!“, beschloss Magda kurzerhand. Anne und Ben, die am anderen Schreibtisch saßen, hoben interessiert die Köpfe. „Wo wohnt sie denn?“, wollte Anne, wie immer neugierig, wissen. Automatisch antwortete Eddie: „In der Goldbachstraße, in Rimhorn“, doch Magda stand schon auf. „Eddie, wir beide fahren!“ „Und ich?“, maulte Anne aufsässig. „Du und Ben, ihr bleibt erst einmal hier und mit uns in Verbindung. Wenn wir Näheres wissen, geben wir euch gleich Bescheid, damit ihr schon anfangen könnt, zu recherchieren.“ Vor sich hin brummend, zog Anne einen Stoß Akten zu sich heran und sah Magda finster an. „Wir können nicht gleich alle dort aufschlagen“, gab diese ungerührt zurück. „Die Frau denkt ja sonst Gott weiß, was ihrem Mann passiert ist. Nein, Eddie und ich fühlen diplomatisch vor und dann fangen wir alle zusammen mit der Recherche an – falls es überhaupt nötig ist.“

„Diplomatisch, dass ich nicht lache“, sagte Anne spöttisch, „da sind die beiden Richtigen beisammen!“ Ben musste anscheinend sichtlich aufpassen, dass er nicht laut losprustete, was ihm Magda aufgebracht ansah. Eddie zog sie schnell aus dem Büro und Magda rief noch schnell Fränzchen zu sich. „Was denn, dann kann er gleich unterwegs ein wenig schnüffeln und seine sonstigen Bedürfnisse erledigen!“, erklärte sie Eddie, den Hund verteidigend. Der hob die Brauen, aber lächelte nur und winkte den anderen, Augenzwinkernd zu.

Sie nahmen Magdas alten Meriva, wegen Fränzchens Hundetransportkorb und fuhren zügig los. „Wenn wir heimfahren, können wir vielleicht noch kurz ein Stück durch die Obrunnschlucht laufen, oder?“ Magda sah Eddie bittend an. „Wenn wir vorher keine Gelegenheit für seine Geschäfte finden, aber ich habe so eine Ahnung, dass wir ganz woanders hinmüssen“, erklärte Eddie dunkel. „Woanders hin, was meinst du denn damit?“ Eddie wandte sich ihr kurz zu. „Die Dame am Telefon sagte etwas von einer Wanderung, zum Aussichtsplatz auf der Rimhorner Höhe. Dorthin ginge er meist. Also denke ich, dass wir, wenn wir ihn vielleicht eine Weile suchen müssen, das Angenehme“, er sah bedeutsam nach hinten zu Fränzchen, „mit dem Nützlichen verbinden können.“ Magda nickte beifällig. „Das hast du schön gesagt. Das Angenehme mit dem Nützlichen.“ Sie lächelte leise in sich hinein und betrachtete das Ortsschild, das sie eben erreicht hatten.

D R E I

An der Rechtskurve, nach dem Friedhof, entzifferte Magda das Straßenschild. „Halt, Eddie, du musst links einbiegen, das ist schon die Goldbachstraße!“ Brummend bog Eddie in die Straße ein und stellte sich auf den nächstmöglichen Parkplatz am Straßenrand. „Wo soll es denn nun sein?“ Suchend sah sich Magda um. Eddie deutete mürrisch auf eine feudale Villa. „Vornehm geht die Welt zugrunde“, murmelte Magda und musterte sie anerkennend.

„Geschmacksache“, gab Eddie nachdenklich zurück. „Die kann noch nicht lange stehen, oder wurde erst vor kurzem restauriert.“ „Scheint mir auch so“, meinte Magda mit großen Augen. Um das weiß verputzte Haus, mit den spielerischen Türmchen und dem geschwungenen Erker an der Seite, schlang sich ein Metallzaun mit gefährlich aussehenden Spitzen. Magda schüttelte sich unwillkürlich, als sie das sah. Ihre überbordende Fantasie zeigte ihr sofort Bilder von schrecklichen Unfällen.

Eddie sah sie grinsend an, er kannte ihre bildhafte Vorstellungskraft, die nicht immer wohltuend für sie war und zog sie zum Tor. Fränzchen hatten sie erst noch im Auto gelassen, was er stoisch hinnahm. So leicht brachte ihn nichts aus der Ruhe.

Magda klingelte und betrachtete das beleuchtete Klingelschild mit Namen Sybille und Erhard Lang.

Eine sehr klare Stimme erklang: „Ja, bitte?“ „Hauptkommissarin Magda Wild und Kommissar Edgar Appel!“, antwortete Magda kurz. Der Türöffner summte, gleichzeitig öffnete sich die Tür und eine schlanke, gepflegte Frau, mit schwarzem Pagenschnitt, erschien im Rahmen. „Bitteschön, das ging aber schnell!“ Sie machte eine einladende Handbewegung und Magda und Eddie traten ein.

Als die Kommissarin an ihr vorbei ging, streifte sie ein dezenter Parfümduft und ein etwas geringschätziger Blick. Sie spürte, dass ihre Aufmachung geprüft und für nicht gut befunden worden war. Innerlich zuckte die burschikose Ermittlerin die Achseln, warf ihr halblanges graubraunes Haar zurück und drehte sich freundlich lächelnd der Frau zu. Diese bedeutete den Kommissaren, sich an den Esszimmertisch im Erker zu setzen, was die beiden gerne taten. Auf Bänken saßen sie gern und diese schien ein besonders bequemes Exemplar zu sein. Aufmerksam sah sich Magda um und bewunderte das schöne Wohnzimmer, eingerichtet mit hellen Holzmöbeln. Auf dem Boden bemerkte sie eine Yogamatte in kräftigem Lila.

„Schön, dass sie so schnell gekommen sind!“, begann die Frau leicht aufgeregt. „Mein Erhard kommt sonst immer pünktlich, nach ein bis zwei Stunden allerhöchstens, wieder von seinen Spaziergängen zurück.“

Eddie zog sein Handy aus der Tasche. „Haben sie etwas dagegen, wenn ich unser Gespräch aufzeichne? Das macht es für uns einfacher.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Machen sie nur!“ Eddie nickte und schaltete die Rekorderfunktion ein. „Frau Lang, sie haben vorhin bereits mit mir telefoniert.“ Er lächelte sie freundlich an. „Sie waren das?!“, strahlte sie erfreut zurück. Magda sah sie aufmerksam an. „Sie machen sich Sorgen um ihren Mann?“ Sofort verschloss sich das Gesicht der gepflegten Dame. Sie nickte wortlos, sichtlich mit den Tränen kämpfend. Eddie wandte sich ihr tröstend zu. „Welchen Weg nimmt er denn normalerweise, wenn er spazieren geht?“ Die Dame schluckte. „Er geht oft zuerst in die Kirche, wo er sich gerne ein wenig aufhält und betet“, sie schluchzte leise auf, „dann geht er meist die Kirchstraße weiter und an der Kreuzung rechts, die Rathausstraße hinunter. Die mündet in die Mühlhäuser Straße, die er rechts weiter geht und am Brunnen, schräg gegenüber der Diakonie, links den Weg entlang und den Hang hoch, bis zur Johannesruh.“ „Kann man da auch mit dem Auto hochfahren?“ Fragend sah Magda sie an. „Natürlich!“, rief die Frau lebhaft. Vertraulich beugte sie sich vor. „Wissen sie, ich habe es nicht so mit dem Wandern und als mein Mann mir alles gezeigt hat, damals als wir uns kennengelernt haben und ich zu ihm gezogen bin, sind wir auch mit dem Auto hochgefahren. Der Weg ist schmal, aber geteert und sie müssen ihm einfach nur folgen. Nach mehreren Kurven sind sie oben, wo sie am Straßenrand parken können. Rechts darunter, liegt gleich die Johannesruh, von wo man einen einmaligen Blick auf Rimhorn hat!“ Magda nickte. „Dann fahren wir einfach seinen Weg ab. Wäre im Dorf etwas mit ihm passiert, hätte sie bestimmt bereits jemand verständigt.“ Aufgeregt nickte die Frau. „Natürlich, jeder kennt ihn und sicher hätten sie sich um ihn gekümmert und mich danach angerufen. Am besten ich komme mit, dann finden sie auch schneller den Weg!“ Eddie schüttelte bedauernd den Kopf. „Das ist nicht gut. Wir würden uns gerne erst einmal alleine ein Bild machen. Es ist ja auch nicht gesagt, dass wir ihn gleich finden werden!“ „Aber ich kann ihnen doch helfen und den Weg zeigen. Mit mir finden sie ihn bestimmt schneller!“ Die Dame steigerte sich langsam aber sicher in eine Aufregung hinein.

Magda mischte sich ein und sagte kurzentschlossen. „Na gut, wir machen eine Ausnahme, aber nur, wenn sie versprechen, uns Folge zu leisten, um zum Beispiel keine eventuellen Spuren zu vernichten. „Kein Problem“, sagte die Frau tonlos und erblasste zusehends, „ich möchte einfach helfen und alles tun, um ihn schnellstmöglich zu finden.“ „Dann mal los, wir fahren seinen üblichen Spazierweg ab.“ Eddie schaltete die Diktierfunktion aus und steckte das Handy ein, dann warf die Frau eine Jacke über, ohne in den Spiegel zu schauen, was Magda aufmerksam registrierte. Das passiert ihr sicher nicht oft, dachte sie dabei bei sich. „Steigen sie bitte hinten ein“, bat sie die Dame, die wortlos nickte und einstieg. Eddie sah im Rückspiegel, wie sie Nase rümpfte und einen verstohlenen Blick nach hinten, zu Fränzchen, warf. „Ab und zu lässt Fränzchen mal einen ziehen“, sagte Magda entschuldigend. „Fränzchen?“ Die Frau sah Eddie fragend an. „Ich nicht, ich bin Eddie, das da hinten ist Fränzchen!“, rief der hastig mit rotem Kopf und Magda verbarg ein leises Kichern. „Parken sie bitte oben am Hofhaus“, rief die Frau kurz darauf. „Unten an der Kirche ist selten ein Parkplatz frei und wenn man dann doch dort steht, muss man wieder rückwärts hochfahren, was nicht immer ratsam ist, für ältere Kupplungen.“ „Aha, eigene Erfahrung?“ Magda schmunzelte und sah das leichte Nicken der Frau im Rückspiegel. Kurz darauf stiegen sie am Hofhaus, das ihnen Frau Lang zeigte, aus. Magda gab Fränzchen ein Leckerli und erklärte ihm, dass er noch einmal kurz warten müsse. Dann gingen sie zu dritt das kurze Stück, zur Kirche hinunter. „Die sieht aber toll aus!“ Magda stand bewundernd vor dem schmucken Gebäude. „Ja, sie ist wirklich wunderschön. Die Rimhorner sind sehr stolz darauf.“, erklärte Frau Lang. „Sie wurde schon mehrmals renoviert. Einmal in den sechziger Jahren und vor ungefähr 15 Jahren noch einmal innen.“ Sie sah sich stolz um. „Bei der Renovierung entdeckte man damals sehr altes Mauerwerk und zwei frühromanische Fenster an der Nordseite des Langhauses, woraufhin die Kirche auf das 10./11. Jahrhundert datiert wurde.“ „Wahnsinn!“, rief Magda begeistert. Die Frau sah sie drängend an. „Gehen wir hinein? Er wollte noch etwas für den Pfarrer auf den Gabentisch stellen. Er verlässt uns nämlich, und geht als Dekan zum Dekanat Odenwald“, erklärte sie und deutete auf den Weg. „Vielleicht steht es auf dem Tisch! Dann wissen wir, dass er hier gewesen ist!“ Sie zog Magda am Jackenärmel hinter sich her, zur Kirchentür hinein. Die Ermittler betraten leise die Kirche und sahen sich bewundernd um. „Das ist aber mal eine wirklich schöne Kirche!“, entfuhr es Magda leise und Eddie nickte zustimmend. Andächtig betrachteten sie den Altar mit dem Kreuz darauf, mit einer schönen Jesusfigur und den beiden dunkelmarmorierten, wie Korkenzieher gebogenen Säulen rechts und links davon. Die hohen Kerzen, die aufgeschlagene Bibel und der Blumenstrauß, mit den Amaryllis, vor dem Kreuz, wirkten irgendwie gemütlich - der Tisch davor mit dem Adventskranz gab ihm ein wohnliches Aussehen. Ein hölzernes Krippchen stand rechts neben dem Altar, auf einem runden Tischchen, mit violetter Tischdecke und ein hell erleuchteter, großer Christbaum vor der prachtvollen, ganz in weiß, schwarz und Gold gehaltenen Kanzel. Der hellere Aufgang war fast gänzlich hinter dem mächtigen Baum verborgen. „Wahnsinn!“ Eddie sah sich begeistert um. „Ja, unsere Kirche ist klein, aber fein“, pflichtete ihm Frau Lang bei und sah sich stolz um. Dann trat sie wie magnetisch angezogen zu einem improvisierten Gabentisch, der zwischen der linken Bankreihe installiert war. Auf einer runden, weißen, rotgesäumten Tischdecke standen einige Geschenke. Magda betrachtete eingepackte Flaschen, ein Körbchen mit kleinen Geschenken – Bildern, beschrifteten Steinen und Andenken – dominiert von dem gerahmten Bild einer kleinen Kirche mit Zwiebelturm in der Mitte. Bewundernd deutete sie darauf. „Das ist aber nicht diese Kirche hier! Es sind Wiesen drumherum und außerdem ist der Turm ganz anders.“ „Das muss die evangelische Lützel-Wiebelsbacher Bergkirche sein“, erklärte die Frau, bedrückt nickend und kramte dabei im Körbchen herum. Aufgeregt zog sie ein Bild heraus, auf dem zwei Männer zu sehen waren. „Das ist von meinem Erhard!“ Sie deutete auf den linken Mann. „Das ist er und der andere Mann ist unser ehemaliger Pfarrer.“

Die Ermittler beugten sich interessiert über das Bild, das die Dame ihnen hinhielt.

„Ihr Mann ist ein gutes Stück älter als sie?“ Forschend betrachtete Magda Frau Lang, die sie auf Mitte der Fünfzig schätzte, nahm das Handy hoch und fotografierte es. „Ja, er ist zwanzig Jahre älter, aber das hat uns nie gestört“, gab die etwas unfreundlicher zurück. Eddie dachte: Das hat sie anscheinend schon öfter gehört.

Magda nickte, auch ihr war der genervte Unterton nicht entgangen. „Fällt ihnen hier noch etwas auf? Wenn nicht, möchte ich gerne weiter, vielleicht braucht ihr Mann unsere Hilfe!“ Die Frau nickte, wieder blass geworden und Magda knickste zum Altar hin, dann verließen die drei die Kirche und gingen zügig zum Auto. Eddie folgte den Anweisungen Frau Langs und als sie am Brunnen links den Weg hochfuhren, waren sie froh, die Frau mitgenommen zu haben, denn wer weiß, ob sie den Brunnen so schnell gesehen hätten. Vielleicht kommt es auf jede Minute an, das kann man schließlich nie wissen, dachte Magda beunruhigt.

An einer Rechtskurve standen zwei Bänke in der Wintersonne, zu denen einige Stufen hinaufführten. Im Vorbeifahren fiel Magda auf der linken, eine aus Holz ausgeschnittene Figur ins Auge. Das Männlein sieht aus, als habe es einen grünen Mantel an, dachte Magda. „Hast du die Figur gesehen?“ Eddie wandte ihr den Blick zu. „Ich fahre, da kann ich nicht alles neben der Straße sehen!“ Die Frau mischte sich ein. „Erhard hat mir vorgestern davon erzählt. Er meinte, es hätten Kinder angemalt und hingelegt.“ Magda nickte zustimmend. „Das denke ich auch.“ Dann waren sie auch schon oben, am Scheitelpunkt angelangt. Rechterhand standen einige Bäume, doch Eddie war bereits daran vorbeigefahren, als die Frau rief: „Halt, da unten ist die Johannesruh!“ Eddie bog links in eine Auffahrt zu einer kleinen Feldscheune ein und zog wieder rückwärts heraus. Magda machte vorsichtshalber die Augen zu, falls irgendwo ein Graben sein sollte.

Doch Eddie parkte schon gekonnt links am Wegrand, ein Stück auf dem Acker, falls ein Bulldog kommen sollte und die drei stiegen schnell aus. Magda öffnete die Heckklappe und hob endlich den geduldig wartenden Hund heraus.

Der schüttelte sich, als sie die Leine an seinem Geschirr festgemacht hatte, machte ein paar Schritte zu einem höheren Grasbüschel und hob sofort das Bein. „Das war nötig, gell, mein kleiner Schlawiner!“, meinte Magda liebevoll und die Dame streifte ihn mit einem misstrauischen Blick. Anscheinend keine Hundefreundin, dachte Magda und sah an Eddie´s Blick, dass ihm der gleiche Gedanke durch den Kopf gegangen war. „Dort unten, ist die Johannesruh!“ Die Dame deutete ein Stück hinab, wo man einen kleinen offenen Pavillon ausmachen konnte. Ein Stückweit links daneben, grasten ein Norweger Fjordpferd und ein Esel friedlich auf einer Weide. Sie hoben kurz die Köpfe, betrachteten Fränzchen, der ihren Blick ruhig zurückgab, stuften ihn als ungefährlich ein und setzten die Futteraufnahme fort. „Da ist etwas!“ Eddie setzte sich erstaunlich schnell in Bewegung, als Magda eine hastige Bewegung neben sich spürte. Geistesgegenwärtig fiel sie Frau Lang in die Arme und hielt sie fest. „Bitte warten sie einen Moment. Eddie muss erst nachschauen, was dort ist.“ Die Frau nickte und Magda spürte ihr Zittern durch die dicke Winterkleidung.

Die beiden sahen, wie Eddie sich mit düsterem Blick, aus der Hocke erhob, zu ihnen hochschaute und gleichzeitig sein Handy zückte. „Ein wenig Geduld noch“, bat Magda nervös. „Setzen sie sich bitte ins Auto. Ich schau kurz nach, was los ist und sage ihnen gleich Bescheid.“ Die Frau setzte sich wie in Trance ins Auto und Magda schloss leise seufzend die Tür hinter ihr. Dann band sie das aufgeregt schnüffelnde Fränzchen an den nächsten Baum und wandte sich Eddie zu. Als sie auf die Pergola zuging, sah sie schon von hier aus, eine Gestalt auf dem Boden liegen. Sie verglich den Mann in Gedanken mit dem Bild, auf dem der Pfarrer und Herr Lang abgebildet waren und begrub die Hoffnung, ihn lebend zu finden. Düster sah sie, dass er wohl schon länger dort liegen musste. Unter ihm hatte sich eine Pfütze gebildet, mit der Flüssigkeit, die anscheinend aus der Thermosflasche neben ihm, ausgelaufen war. Eddie hob den Kopf und sah ihr traurig in die Augen. „Ich hab schon Susi, Anne und Ben verständigt. Sie bringen den Spusikoffer mit. Bitte trete ein Stück zurück und pass vor allem auf, dass seine Frau nicht herunterkommt und alles zertrampelt.“ Magda nickte traurig. „Ich fahre sie am besten heim und lass dich kurz alleine hier. Ist das in Ordnung?“ „Klar“, brummte Eddie stirnrunzelnd, bereits wieder in seine Arbeit vertieft.

Seufzend wandte sich Magda um und versuchte, ein neutrales Gesicht aufzusetzen, was ihr nur teilweise gelang. Sie war einfach nicht gut darin, sich zu verstellen und jeder Tote berührte sie tief. Sie trat ans Auto, öffnete die Tür und lächelte die Frau mitfühlend an, wobei sie sah, wie das Verstehen in ihre Augen trat und Entsetzen, die Angst darin ersetzte. Die Frau schlug die Hände vors Gesicht und machte Anstalten, auszusteigen, doch Magda schob entschlossen ihre Beine, die sie schon halb aus dem Auto gehoben hatte, wieder hinein und schloss die Autotür. Sie band Fränzchen los, vertröstete ihn auf später, führte ihn zum Auto und hob ihn hinein. Dann fuhr sie Frau Lang hinunter zu ihrem Haus. „Haben sie jemanden, der sich um sie kümmern kann? Eine Freundin vielleicht, oder Verwandte, die ich anrufen kann?“, erkundigte sich Magda und wandte sich fürsorglich zu ihr um. Die Frau schluckte angestrengt und runzelte die Stirn. „Seine Wanderfreunde mögen mich nicht und die Dorfbewohner wahrscheinlich auch nicht. Höchstens den Pfarrer, oder meine Nachbarin, die kennen mich besser und wissen, dass die Gerüchte nicht wahr sind, die im Dorf herumgehen.“ Leise schluchzte Frau Lang auf und Magda legte tröstend die Hand auf ihren Arm. Dann stieg sie aus und hakte die Frau unter. Zusammen gingen sie den Weg zum Haus. Frau Lang nahm mit zitternden Fingern den Schlüssel aus ihrer Jackentasche und versuchte, aufzuschließen, bekam den Schlüssel aber nicht einmal in das Schlüsselloch hinein. Vorsichtig nahm Magda ihn aus ihrer eiskalten Hand und schloss die Eingangstür auf. Dann zog sie der willenlosen Frau die Jacke aus, führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie in den Sessel. Sie sah sich suchend um, nahm die Decke, die ordentlich gefaltet auf einem Hocker lag, legte sie über ihre Beine und steckte sie sorgfältig fest. „Ich gehe nur mal hurtig zur Nachbarin, bin gleich wieder da. Soll ich ihnen noch etwas bringen?“ Frau Lang schüttelte den Kopf mit leerem Blick und Magda ging leise hinaus. „Mist, jetzt hab ich gar nicht gefragt, auf welcher Seite die Nachbarin wohnt!“, schimpfte sie dabei leise vor sich hin. Aber das Problem erledigte sich von selbst, denn als Magda zum Tor gehen wollte, öffnete es sich bereits mit leisem Quietschen. Vor ihr stand eine Frau im mittleren Alter, gepflegt, mit sichtbar besorgtem Gesichtsausdruck. „Guten Tag, ich bin die Nachbarin, Frau Lieblich, kann ich helfen, ist etwas passiert?“ Magda sah sie forschend an, beschloss, dass sie ihr vertrauen könne und nickte freundlich. „Das können sie in der Tat. Es gab leider einen Todesfall. Der Herr des Hauses kam ums Leben, mehr kann ich ihnen leider nicht sagen. Aber seine Frau hat, wie sie sich denken können, einen schweren Schock erlitten und ich fürchte, wir können sie momentan nicht alleine lassen. Würden sie das übernehmen und bei ihr bleiben, bis es ihr besser geht?“ Entsetzt sah die Frau Magda an. „Aaabbbbber jjjja, ggggern.“ „Frau Lang ist im Wohnzimmer!“ Magda legte ihr mitfühlend die Hand auf den Arm, trat einen Schritt zurück und ließ Frau Lieblich an sich vorbeigehen. Dann schloss sie hinter ihr die Haustür und ging zum Gartentörchen, das sie leise hinter sich zumachte.

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180 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783754187524
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Правообладатель:
Bookwire
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