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Trauer macht orientierungslos
Der Tod bedroht die eigene Identität

Der Tod eines nahestehenden Menschen verursacht Angst, viele Jugendliche in diesem Alter fürchten sich davor, dass auch andere nahestehende Menschen sterben oder sie selber sterben könnten. Jugendliche ab 14 Jahren fühlen sich beim Thema Tod oft missverstanden. Sie haben beinahe identische Todesvorstellungen wie die Erwachsenen, fühlen sich in ihrer Trauer trotzdem oft alleine gelassen. Sie zeigen in der Regel andere Reaktionen, als Erwachsene es von ihnen erwarten würden, wie z. B. nicht reden wollen oder wütend und provokativ sein. Damit kann das Umfeld meist nicht umgehen und reagiert hilflos. Für diese Altersgruppe ist es sehr wichtig, eigene Wege und Strategien zum Umgang mit Sterben und Tod zu entwickeln. Bei älteren Jugendlichen treten häufig Schulschwierigkeiten, Aggressionen oder selbstverletzendes Verhalten auf.

Wenn Jugendliche einen nahestehenden Menschen durch Tod verlieren, kommt ihre schon durch die Pubertät ins Wanken geratene Welt erst recht ins Schleudern und sie verlieren noch mehr Halt und Orientierung. Durch den Tod des geliebten Menschen erleben sie eine Sinn- und Identitätskrise bis dahin, dass Gedanken an Selbsttötung den Jugendlichen umtreiben. Der Tod eines Menschen kann bei Jugendlichen auch zu einem Rückgang ihrer Entwicklung führen, z. B. kann ihr Selbstvertrauen stark beeinträchtigt sein. Bisweilen brechen Jugendliche ihre Lehre ab, weil sie das Gefühl haben, der Anforderung nicht mehr gewachsen zu sein. Das geschieht selbst dann, wenn die Ausbilder gegenteiliger Meinung sind.

Schuldgefühle und Rollenübernahme

Die Jugendlichen entwickeln oft Schuldgefühle, da sie in der Trauerphase auch noch andere intensive Gefühle empfinden, wie z. B. das erste Mal richtig verliebt sein. Viele Jugendliche wollen nicht aus ihren Zusammenhängen herausfallen und auf ihre altersspezifischen Aktivitäten verzichten, fühlen sich aber doch irgendwie schlecht dabei und merken, dass sich beides nicht „unter einen Hut“ bringen lässt.

Manche Jugendliche übernehmen die Rolle der verstorbenen Person. Ein 10-jähriger Junge, dessen 15-jähriger Bruder sich selbstgetötet hat, übernahm viele Verhaltensweisen von seinem Bruder. Als er fünfzehn Jahre alt wurde, geriet er noch einmal in eine Krise. Ihm wurde klar, dass er sich orientierungslos fühlte, weil jetzt das Modell großer Bruder wegfiel und er ganz auf sich gestellt war. Es gibt auch Jugendliche, die die Rolle des verstorbenen Elternteiles übernehmen, leider tragen die Erwachsenen oft mit entsprechenden Bemerkungen dazu bei, wie etwa „Jetzt bist du der Mann im Haus.“ oder „Jetzt, wo deine Mama gestorben ist, hast du die Verantwortung für deine kleine Schwester.“

Jugendliche versuchen oft, den trauernden Elternteil zu stützen und zu funktionieren, dabei unterdrücken sie ihre eigene Trauer, was zusätzlich Kraft kostet. Aus diesem Grund sind die nächsten Verwandten, die selbst durch ihre Trauer belastet sind, meist nicht die auserwählten Ansprechpartner von den Jugendlichen, sondern eher Menschen außerhalb der Familie, wie z. B. Lehrer, Freunde usw. Jugendliche thematisieren ihre Gedanken und Gefühle eher im Kontakt mit Gleichaltrigen, hier fühlen sie sich eher verstanden und können sich auf einer ganz anderen, mitunter sehr pragmatischen und direkten Ebene mitteilen und austauschen. Nicht immer wissen Eltern oder andere Bezugspersonen, ob die Jugendlichen sich Gleichaltrigen anvertrauen, oder sie halten diese Form des Austauschs für nicht ausreichend.

Körperliche Symptome

Die Trauer von Jugendlichen kann sich durch körperliche Symptome und ganz unterschiedliche psychische Reaktionen bemerkbar machen.

Körperliche Symptome, die in der Trauerphase auftauchen, sind z. B. Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Alpträume, Kopf- und Bauchschmerzen, ständige Abgeschlagenheit, schwaches Immunsystem, Konzentrationsschwäche, Schwindel, Herzrasen oder Tinnitus. Entsprechende Symptome sollten unbedingt vom Arzt untersucht werden. Stellt dieser keine organischen Ursachen fest, braucht der Jugendliche mehr Unterstützung vom sozialen Umfeld oder durch eine gezielte Trauerbegleitung, denn der Körper zeigt an, dass „etwas zu viel“ ist. In der Regel kann eine Trauerberatung oder eine Trauergruppe für Jugendliche dazu beitragen, die körperlichen Symptome zu lindern, dies gelingt allerdings in der Regel nicht sofort, sondern geschieht in einem längeren Prozess. So können trauernde Jugendliche häufig aufgrund von Konzentrationsproblemen für längere Zeit dem Unterricht nicht folgen, da andere Gedanken sie beschäftigen. Dann ist es wichtig, bei den Lehrern um Verständnis zu werben, damit sie bei der Bewertung Rücksicht darauf nehmen. Um Druck herauszunehmen, kann es auch eine gute Lösung sein, dass der betroffene Jugendliche das Schuljahr wiederholt.

Es kann bei Jugendlichen auch zu Phantomschmerzen kommen. Nachdem ihre Mutter an einem Herzinfarkt gestorben war, litt die 17-jährige Tochter beispielsweise ebenfalls unter starken Herzschmerzen. Solche Symptome müssen ärztlich abgeklärt werden. Lässt sich keine körperliche Ursache ausmachen, braucht der Jugendliche Unterstützung durch Beratung oder Therapie. Es gibt auch Jugendliche, die einen großen „inneren, seelischen“ Schmerz fühlen und diesen kaum ertragen können. Nicht selten fügen sie sich körperliche Wunden zu, um die inneren Schmerzen für einen Moment nicht mehr fühlen zu müssen oder davon abgelenkt zu sein. Auch hier braucht der Trauernde professionelle Unterstützung, um Wege zu finden, den Schmerz auszudrücken, ohne sich zu verletzen. In der Regel wird dieser Prozess längere Zeit in Anspruch nehmen.

Gefühle in der Trauerphase

Trauernde Jugendliche durchleben viele Gefühle: Aggression und Wut, Einsamkeit, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit, Hass, Liebe, Enttäuschung, Leere, Scham, Erleichterung, Schuld, Angst, Panik und vieles mehr.

Aggression und Wut

Manche Jugendliche, die einen nahestehenden Menschen verloren haben, verhalten sich aggressiv gegenüber Mitschülern. Die Jugendlichen können wütend sein, weil die Person mit ihrer Liebe und Präsenz nicht mehr da ist. Ihre Wut kann sich aber auch direkt auf eine bestimmte Person richten, die den Tod hätte „verhindern“ können, wie z. B. ein Elternteil oder ein Arzt. Jugendliche werden mit anderen vollständigen, intakten Familien konfrontiert und erinnern sich an die schönen Zeiten, die sie mit dem verstorbenen Menschen hatten, und sind wütend wegen all der Veränderungen, die der Tod mit sich brachte. Manchmal sind die Jugendlichen auch wütend, weil die eigenen Gefühle so mächtig sind, dass sie sich nicht mehr kontrollieren lassen.

• Was unterstützt?

Die meisten Erwachsenen im Umfeld des Jugendlichen können besser mit dem Gefühl der Traurigkeit umgehen als mit Wut. Sie haben Mühe zu verstehen, dass die Wut des Jugendlichen ein Teil der Reaktion auf die Ungerechtigkeit der Situation ist. Aggressive Jugendliche sollten ihre Wut ausagieren können, und zwar in einem geschützten Raum, wo sie keinen anderen verletzen können. Möglichkeiten dazu gibt es viele, beispielsweise an einem Sandsack, zuhause bei einer Kissenschlacht, beim Zerreißen von Telefonbüchern usw. Manchmal mögen Jugendliche auch die direkte Auseinandersetzung. Dazu eignen sich z. B. Schaumstoffschwerter, mit denen ein unmitelbares Kämpfen möglich ist, ohne dass sich jemand weh tut.

Schuldgefühle und schlechtes Gewissen

Schuldgefühle treten bei trauernden Menschen häufig auf, somit auch bei Jugendlichen: „Hätte ich mich doch bloß nicht mit meinem Vater gestritten, dann hätte er auch keinen Unfall gehabt“, „Ich hätte anders reagieren müssen, als mein Freund einen asthmatischen Anfall hatte“ oder „Warum habe ich nicht gemerkt, dass es meinem Bruder schlecht ging und er keinen Sinn mehr im Leben gesehen hat?“

• Was unterstützt?

Diese Jugendlichen brauchen ein Gegenüber, dem sie von ihren Schuldgefühlen erzählen können, einen Menschen, der ihnen diese nicht gleich wieder ausreden will, sondern dafür Raum lässt. Andernfalls erreicht man meistens das Gegenteil: Die Jugendlichen fühlen sich nicht ernst genommen und ziehen sich zurück.

Manche Jugendliche stellen sich die Frage: „Warum lebe ich?“ Sie haben deshalb ein schlechtes Gewissen und stellen in Frage, dass sie ein Recht haben, trotz ihrer Trauer auch schöne Momente genießen zu dürfen. Oft hilft es in solchen Fällen, mit dem Jugendlichen zu überlegen, was die Verstorbenen dazu sagen würden. Hier können Imaginationsübungen unterstützen, bei der die Jugendlichen mental in Kommunikation mit dem Verstorbenen treten (siehe Seite 88/89).

Schuldzuweisungen

Es passiert auch, dass Jugendliche anderen Menschen oder den Umständen die Schuld an dem Tod der verstorbenen Person geben. Dies kann der Realität entsprechen oder auch nicht. Bei Mord oder einem Unfall, der von jemand anderem verschuldet wurde, ist die Schuld real und die Jugendlichen brauchen die Möglichkeit, darüber zu reden und ihre Gefühle, oftmals Wut, auszudrücken. Dann gibt es Situationen, in denen Jugendliche einen Schuldigen suchen, damit der Verlust besser auszuhalten ist. Das kann der Arzt im Krankenhaus sein, der nicht richtig behandelt hat, oder die Mutter, die sich vor fünf Jahren vom Vater hat scheiden lassen, woraufhin der Vater an Krebs erkrankt ist.

• Was unterstützt?

Der betroffene Jugendliche muss die Gelegenheit erhalten, davon erzählen, ohne dass das Gegenüber das richtigstellen möchte. Wichtig ist zuzuhören und das Gesagte noch einmal zusammenzufassen, zum Beispiel: „Du glaubst, dein Vater ist an Krebs gestorben, weil seine Frau ihn vor fünf Jahren verlassen hat.“ Damit zeige ich dem Jugendlichen: „Ich habe dir zugehört (indem ich das Gesagte mit seinen Worten wiederhole), ich habe verstanden, dass dies deine Meinung ist und akzeptiere das, denn es ist dein gutes Recht, deine eigene Sichtweise zu haben (indem ich es ohne einen eigenen Kommentar stehen lasse)“. Durch das Reflektieren wird dem Jugendlichen das Gesagte bewusster und in der Regel kommt er mit der Zeit selbst dahin, dass seine Einschätzung nicht der Realität entspricht.

Erleichterung

Manchmal fühlen sich Jugendliche nach dem Tod eines Angehörigen erleichtert. Besonders wenn die verstorbene Person chronisch krank oder suizidgefährdet war. Eine solche Situation ist für einen Jugendlichen für einen längeren Zeitraum nur schwer zu ertragen und schafft in der Familie eine gespannte Atmosphäre. Jugendliche fühlen sich erleichtert, wenn das, was sie befürchtet haben, eingetreten und vorüber ist. Auch wenn ein Jugendlicher von der verstorbenen Person missbraucht wurde oder die verstorbene Person die ganze Familie terrorisiert hatte, fühlt sich der Jugendliche nach dem Tod oft erleichtert.

Über Gefühle wie Erleichterung oder Glück zu sprechen, wenn eine nahestehende Person gestorben ist, ist für Jugendliche überaus anstrengend. Sie fühlen sich meist schuldig, weil sie diese Gefühle haben. Aber es ist wichtig, dass ein Jugendlicher solche Gefühle benennen kann, denn sie sind ebenso berechtigt wie Traurigkeit und Wut.

• Was unterstützt?

Oft ist es hilfreich, dass der betroffene Jugendliche Bilder und Erinnerungen von der verstorbenen Person mitbringt und erzählen kann: Wie war die Person? Was hat sie ausgemacht? Wie hat sie sich vielleicht auch während der Krankheit verändert? Was hat Spaß mit ihr gemacht? Welche Sachen waren eher schwierig? Worüber hat man gestritten? Was hätte man gerne noch besprochen? Was hat sich nach dem Tod zum Besseren/Schlechteren verändert?

Ängste

Furcht und Angst sind eine ganz normale Reaktion auf den Verlust. Der Tod eines nahestehenden Menschen bringt die Welt des Jugendlichen komplett durcheinander, das macht Angst. Die Angst kann sich in Form von Schlaflosigkeit, Angst vor dem Alleinsein, Panikattacken, als Aggression, Nervosität oder Konzentrationsmangel zeigen. Bei den jüngeren Jugendlichen (ca. 10 bis 13 Jahre) kann ein Verlust dazu führen, dass sie die Bezugspersonen, die noch leben, nicht aus den Augen lassen und sofort Panik bekommen, wenn diese nur wenige Minuten später kommen als erwartet. Dies ist in der Anfangsphase nicht ungewöhnlich, denn die Jugendlichen haben erfahren, dass jemand plötzlich stirbt und weg ist, und jetzt fürchten sie sich davor, dass auch noch andere Angehörige sterben könnten. Wenn Jugendliche einen Menschen durch Tod verloren haben, ist das Urvertrauen, dass alles gut gehen wird, oft nicht mehr da.

Jedes Begreifen hat seine Zeit. Ich habe Angst davor, Angst vor dem Tag, an dem ich begreife, dass meine Mutter mich wirklich nie wieder tröstet. Sina, 16 Jahre

Bei trauernden Jugendlichen treten häufig auch so genannte „soziale Ängste“ auf. Sie befürchten, abgelehnt und ausgelacht zu werden. Das kann so weit gehen, dass sie die Schule schwänzen, sich nicht mehr in ihren Sportverein trauen oder keine Party mehr besuchen. In solchen Fällen müssen die Jugendlichen stabilisiert und Ressourcen aktiviert werden, damit sie der Angst etwas entgegensetzen können.

• Was unterstützt?

Gerade bei den jüngeren Jugendlichen ist es wichtig, ihnen Struktur und Verlässlichkeit zu vermitteln. In der Trauerzeit brauchen die Jugendlichen oft genaue Absprachen, wieder mehr Betreuung und mehr Nähe. Sie wollen z. B. sogar wieder bei den Eltern im Bett schlafen. Trauern ist eine Ausnahmezeit, es ist wichtig, die Bedürfnisse der Jugendlichen ernst zu nehmen und sie wenn möglich umzusetzen. Wenn Jugendliche unter Angstgefühlen leiden, sollten Erwachsene ihnen klar machen, dass Angst zum Leben gehört. Man sollte vermitteln, dass Angst auch eine gute Seite hat, denn sie verhindert, dass wir uns in Situationen begeben, die uns überfordern.

Rückzug und Einsamkeit

Manche Jugendliche ziehen sich sehr zurück, lassen niemanden an sich heran, sie nehmen keinen Anteil mehr an ihrem Umfeld und vernachlässigen Freizeitaktivitäten. Einige verweigern die Mitarbeit in der Schule ganz oder wollen nicht mehr zur Schule gehen. Wenn Jugendliche sich komplett zurückziehen, entwickeln sie oft ein ungesundes Verhalten, wie z. B. Computersucht oder Konsum von Alkohol oder Drogen.

• Was unterstützt?

Auch in diesen Fällen geht es darum, dem betroffenen Jugendlichen Ressourcen und Fähigkeiten aufzuzeigen, denn Computer oder Drogen haben immer dann eine besondere Sogkraft, wenn die Wirklichkeit zu wenig positive Reize bietet. Gefährdet sind besonders Jugendliche, die sich als minderwertig, als nicht attraktiv empfinden. In der virtuellen Welt z. B. kann der Jugendliche alles kontrollieren, seine Persönlichkeit einbringen, ohne Angst haben zu müssen, nicht verstanden zu werden. Er kann Erfolge erzielen und Herausforderungen bestehen, für die er sich in der realen Welt zu schwach und zu hilflos fühlt. Daher sollte der Konsum von Drogen oder Computer nicht einfach verboten werden, vielmehr muss man das Gespräch mit dem Jugendlichen suchen und gemeinsam überlegen, was ihm helfen könnte.

Weitere mögliche Trauerreaktionen
Fürsorge für andere

Oft haben Erwachsene das Gefühl, dass die Jugendlichen gar nicht trauern, denn sie benehmen sich wie vor dem Tod der verstorbenen Person, sind weiterhin gut in der Schule und treffen ihre Freunde, mit denen sie über den Todesfall auch nicht reden. Es gibt Jugendliche, die ihre Trauer zurückstellen. Weil sie merken, dass ihre Bezugspersonen sehr traurig und nicht belastbar sind, versuchen sie, ihre engsten Familienmitglieder zu schützen. Wenn in der Familie jemand stirbt, ist das System Familie aus dem Gleichgewicht geraten. Manche Jugendliche bemühen sich, das alte System zu stabilisieren, indem sie Rollen übernehmen und ihre Emotionen unterdrücken. Sie vermissen die Fürsorge und Liebe der verstorbenen Person, signalisieren dies aber nicht, sondern versuchen, für die anderen Familienmitglieder dazu sein.

Rückschritte in der Entwicklung

Jugendliche leiden sehr darunter, wenn sie nach einem Todesfall in ihrer Entwicklung Rückschritte machen. Wenn ein Jugendlicher z. B. nicht mehr alleine schlafen kann, weil er Albträume hat, oder sich nicht mehr zutraut, bei Dunkelheit alleine auf die Straße zu gehen, beeinträchtigt dies das normale Bestreben, sich von den Erwachsenen zu lösen und selbstständig zu werden. Viele Jugendliche stehen dann in einem großen Zwiespalt, häufig sind ihnen ihre Ängste auch peinlich und sie schämen sich dafür. Sie versuchen, sie vor anderen zu verheimlichen, das baut jedoch zusätzlichen Druck auf. Wichtig ist, dass die Jugendlichen erfahren, dass diese Reaktionen in einem Trauerprozess normal sind und nach einer Zeit wieder weggehen. Es ist durchaus auch möglich, dass ein Jugendlicher nachts wieder einnässt, was für den Betroffenen in der Regel sehr unangenehm ist. Auch darauf müssen Erwachsene ruhig reagieren und, auch wenn keiner gern darüber sprechen möchte, klarstellen, dass dies eine normale und vorübergehende Trauerreaktion ist.

Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen

Mit dem Tod eines Elternteils tauchen bei den Jugendlichen oft existenzielle Fragen auf: „Können wir hier wohnen bleiben?“, „Wer verdient jetzt das Geld?“ oder „Was ist, wenn der andere Elternteil auch krank wird und stirbt?“ Diese Fragen lösen Angst aus und machen die Jugendlichen unsicher. Entsprechende Fragen muss man in Ruhe besprechen und realistische Lösungen finden. Für manche Jugendliche ist es gut zu wissen, wo sie leben können, wenn auch der andere Elternteil sterben sollte. In dieser Situation reicht es nicht aus zu beteuern, dass dieser gesund ist und nicht sterben werde. Denn Jugendliche können gut erfassen, dass jeder jederzeit sterben kann, und sie haben dies ja auch gerade erlebt. Sie brauchen konkrete Möglichkeiten und Perspektiven. Oft ist es für den überlebenden Elternteil nicht einfach, so kurz nach dem Velust über den eigenen Tod zu sprechen und zu überlegen, wo das eigene Kind dann leben könnte. Gegebenenfalls braucht die Mutter / der Vater bei solchen Überlegungen auch Unterstützung von Freunden oder Trauerbegleitern. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Sterben ist für die Jugendlichen aber auch eine Gelegenheit, sich mit dem Wert des eigenen Lebens zu beschäftigen und diesen auch zu spüren.

Bemühen um Unabhängigkeit

Trotz des Todes sind betroffene Jugendlichen bestrebt, ihre Unabhängigkeit zu behalten, Bevormundung oder Mitleid wollen sie nicht. Sie möchten keine Sonderrolle spielen. Sie benötigen Aufmerksamkeit und suchen Zuneigung, auch wenn sie das nicht zeigen können. Es ist für Jugendliche wichtig, sich selbst zu verwirklichen, doch haben sie auch Angst, die Kontrolle über ihr eigenes Leben zu verlieren. Jugendliche in der Trauerphase brauchen Respekt, Offenheit, Freundschaft.

Anpassung an das Kommunikationsverhalten ­Gleichaltriger

Jugendliche kommunizieren heute meist über WhatsApp, Twitter oder Instagram. Hier fasst man sich kurz, springt häufig von einem Thema zum nächsten und „zeigt sich nicht wirklich“. Trauernde Jugendliche sind bemüht, nicht aus der Rolle zu fallen, und passen sich an. Denn Traurigkeit oder Verzweiflung haben in den sozialen Netzwerken keinen Platz oder geraten bei anderen schnell „in den falschen Hals“. Persönliche Gespräche sind generell weniger geworden. Mädchen haben meistens noch eine gute Freundin, mit der sie sich über alles austauschen, bei Jungs ist das eher nicht so. Deshalb ist es notwendig, dass sich Erwachsene als Gesprächspartner anbieten und betroffenen Jugendlichen signalisieren, dass sie sich Zeit für sie nehmen.

Was war nach dem Tod der verstorbenen Person für dich wichtig? – Antworten von Jugendlichen

Dass ich nicht alleine gelassen wurde. Ich hatte immer Familie und Freunde um mich herum, die mir halfen und mich abgelenkt haben.

Jana, 17 Jahre

Mit jemanden drüber reden, für meine Geschwister da sein und vor allem an die schönen vergangenen Momente erinnern.

Kate, 16 Jahre

Dass ich in der schwierigen Zeit unterstützt wurde und Halt hatte. Dass es eine Trauergruppe gibt, wo ich mich mit anderen Leuten austauschen kann.

Michelle, 17 Jahre

Mir ist wichtig gewesen, dass das Amt nicht mit mir machen kann, was es will. Ich habe viele Erinnerungen an unser Haus gehabt. Mir war zudem wichtig, dass ich weiß, wie es weitergeht.

Lukas, 14 Jahre

Dass ich mein Leben, so gut es ging, weiterführen konnte. Natürlich war ich traurig, aber hätte ich mich hängen lassen, dann wäre ich jetzt in einem Tief, da ich auch eher ein „Papa-Kind“ war und eigentlich noch bin. Mir waren aber auch meine Freunde sehr wichtig, denn wenn ich meine beste Freundin nicht gehabt hätte, dann wüsste ich nicht, was ich getan hätte. Aber wichtig war mir auch, dass es Menschen gibt, die einem helfen oder einen verstehen. Und im Trauerland habe ich das gefunden.

Angelina, 15 Jahre

Mein Vater, Omi, Schwester, Freund, beste Freunde, der Sport, ­shoppen, lesen.

Finja, 17 Jahre

Ihn nicht vergessen und genug Zeit haben, um an ihn zu denken.

Jantje, 16 Jahre

Zuneigung und dass ich meine Trauer mit meiner Familie teilen konnte. Und dass ich vieles unternommen habe.

Merle, 17 Jahre

Den Kopf wieder hochzunehmen und eine klare Sicht zu behalten, es war wichtig, nicht zu viel über den Todesfall nachzudenken, da man nicht nur sich selbst, sondern auch die Familie mitbelastet!

Mattis, 15 Jahre

Ich habe Nähe nach einer Person gesucht, weil bei mir ist meine Mutter gestorben.

Caroline, 14 Jahre

Das weiß ich nicht mehr so genau, eigentlich war mir nichts mehr so wirklich wichtig, damals war ich 10 Jahre alt und für mich ist einfach die Welt zusammengebrochen, als meine Mutter starb.

Finja, 15 Jahre

Dass ich und meine Familie trotzdem glücklich weiterleben können. Und das tun wir ja heute noch.

Marco, 15 Jahre

Es war mir wichtig, mich abzulenken, und mit anderen etwas zu unternehmen.

Hanna, 14 Jahre

Nicht alleine zu sein. Das Gefühl, dass es Personen gibt, die für mich da sind, die mir zuhören.

Tamike, 15 Jahre

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