Читать книгу: «Das gefährliche Spiel», страница 2

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Nun, was sie anbetraf, würde die Königin eine Überraschung erleben. Sie hatte nicht die Absicht, König Miklos aus irgendeinem Grunde zu heiraten.

Wie sie bereits ihrem Paten gesagt hatte, war sie schon seit jeher entschlossen, niemals aus einem anderen Grunde als aus Liebe zu heiraten.

Sie hatte zu viel Unglück unter ihren Verwandten an den europäischen Höfen kennengelernt, um noch irgendwelche Illusionen über die sogenannten ,Liebes-Verbindungen‘ zu haben, die die Königin arrangiert hatte.

Sie hatten alle gebrochene Herzen und weinten ihren Kummer in die Kissen, wie jeder gewöhnliche Mensch.

Nur ihrer Erziehung war es zu verdanken, daß sie sich von ihrem Kummer nichts anmerken ließen und ihre Pflichten lächelnd und ohne sich zu beklagen verrichteten, so daß kaum jemand von ihrem Unglück erfuhr.

Eine ihrer Cousinen hatte ihr kurz vor ihrer Hochzeit, die ebenfalls von der Königin arrangiert worden war, unter Tränen, dem Zusammenbruch nahe, ihr Herz ausgeschüttet.

„Ich hasse Gustave!“ hatte sie leidenschaftlich ausgerufen. „Ich hasse alles an ihm - seine heißen Hände, seine dicken Lippen, seine Art zu trinken und seine verschwommenen Augen, wenn er andere Frauen ansieht. Ich liebe Alexander, ich habe ihn seit jeher geliebt, solange ich denken kann.“

„Warum kannst du ihn denn nicht heiraten?“ hatte Zenka gefragt.

„Weil er nur der dritte Sohn ist und keine Aussicht hat, jemals etwas anderes zu sein“, hatte ihre Cousine verzweifelt geantwortet. „Man hat uns schon vor einem Jahr verboten, uns zu sehen, als man festgestellt hatte, daß wir uns lieben. Aber wir haben uns natürlich heimlich getroffen.“

„Könnt ihr denn nicht gemeinsam fortlaufen?“

Ihre Cousine hatte eine hilflose Geste gemacht.

„Wohin denn? Wovon könnten wir leben? Keiner von uns besitzt Geld.“

Sie war in Tränen ausgebrochen und hatte geschluchzt: „Aber ich liebe ihn... ich liebe ihn von ganzem Herzen! Es wird niemals einen anderen Mann für mich geben. Wie soll ich die vor mir liegenden Jahre mit Gustave überleben, wenn sich alles in mir gegen ihn auflehnt?“

Darauf hatte es keine Antwort gegeben. Zenka war die Brautjungfer bei dieser königlichen Hochzeit. Die Menge jubelte, die Gäste schwärmten davon, wie schön die Braut aussah und die Zeitungen behaupteten, es wäre eine Liebesheirat.

Nur Zenka hatte die Verzweiflung in den Augen der Braut gesehen und den Schmerz in Alexanders Gesicht, als sie sich voneinander verabschiedeten, bevor die Braut und der Bräutigam in die Flitterwochen fuhren.

Für einen Augenblick hatte Zenka den Eindruck gehabt, daß die Zeit für beide stillstand. Dann hatte Alexander der Braut die Hand geküßt, sie hatte sich hastig abgewandt.

„Das darf mir niemals passieren!“ hatte Zenka sich in diesem Augenblick geschworen. „Niemals, niemals!“

Es war ihr auch zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, daß die Königin an ihrer Person interessiert sein könnte.

Jetzt dachte sie, daß die Königin, wenn sie sich nach Windsor zurückzog, wie eine große Spinne ihre Fäden zog, und keine der kleinen Fliegen, die sich darin verirrten, hatte eine Chance ihr wieder zu entkommen.

„Ich will nicht gefangen werden!“ sagte Zenka laut. „Bevor wir wieder nach Schottland zurückkehren, muß der Pate nach Windsor gehen und der Königin sagen, daß sie eine andere Braut für König Miklos finden muß, der Wilhelmina gegenüber so unfreundlich gewesen ist.“

Natürlich, dachte sie plötzlich, das ist die Lösung. Warum soll nicht Wilhelmina den König heiraten?

Sie hat lange genug versucht, einen Ehemann zu finden. Und obwohl sie sich so bitter über König Miklos beklagt hat, wird die Aussicht, eine Königin zu werden, alle ihre Einwände beseitigen. Sie würde ihn bestimmt widerspruchslos heiraten, wenn sie nur eine Krone auf ihrem Kopf würde tragen können.

„Der Patenonkel kann Wilhelmina der Königin als Alternative vorschlagen“, sagte Zenka laut.

Während sie sprach, öffnete sich die Tür und die Herzogin trat ein.

„Ich bin gekommen, um mit dir zu reden, Zenka“, sagte sie.

„Ich habe nichts hinzuzufügen, was ich nicht schon gesagt hätte“, erwiderte Zenka.

„Das wird sich herausstellen“, antwortete die Herzogin. „Ich hoffe, daß du dir im Klaren darüber bist, daß dein Benehmen deinen Vormund ebenso aufgeregt hat wie mich.“

Zenka dachte, daß es unwahrscheinlich sei, daß irgendetwas, was sie sagte oder tat, die Herzogin aufregen könnte, aber sie erwiderte höflich: „Es tut mir leid, wenn ich meinen Paten verärgert habe, als ich es ablehnte, mich den Wünschen der Königin zu fügen. Aber sie hätte mich erst einmal fragen müssen. Es war ihre Idee, mich wie ein Paket über den Ladentisch zu verkaufen, natürlich in den Union Jack eingewickelt. Aber unglücklicherweise habe ich einen eigenen Willen.“

Die Herzogin lächelte unfreundlich und setzte sich dann in einen Sessel nahe beim Kamin.

„Darf ich annehmen, daß du über diesen Vorschlag nachgedacht hast, bevor du deine Entscheidung getroffen hast?“

„Da gibt es nichts nachzudenken“, sagte Zenka. „Wie ich bereits bemerkt habe, habe ich nicht die Absicht, einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebe. Vielleicht weißt du es nicht, aber mein Vater und meine Mutter haben aus Liebe geheiratet.“

Sie sah die Herzogin an und stellte fest, daß diese wirklich nichts davon wußte.

Dann fuhr sie fort: „Mein Vater hat meine Mutter zum ersten Mal gesehen, als sie sechzehn Jahre alt war. Es war auf einem Ball zu Ehren einer ihrer Cousinen, den sie für eine Stunde besuchen durfte. Sie war noch ein Schulmädchen, aber er wußte vom ersten Augenblick an, daß er sie liebte und sie heiraten würde.“ Zenkas Stimme klang rauh, als sie weitersprach. „Sie mußten zwei Jahre warten, aber keiner von ihnen hat jemals einen anderen angesehen. Und als sie schließlich heiraten konnten, waren beide überglücklich.“

„Das ist ein Ausnahmefall, wie du selbst wissen dürftest“, sagte die Herzogin ungerührt. „Die meisten Mädchen heiraten einen Mann, der von ihrer Mutter oder ihrem Vater ausgewählt wird.“

„Das weiß ich“, erwiderte Zenka. „Aber ich bin der Meinung, daß es eine grausame und unmenschliche Tradition ist. Ich habe jedenfalls vor, zu warten, bis ich mich verliebe, wie mein Vater und meine Mutter es getan haben.“

„Und wenn dies nun niemals geschieht?“

„Dann werde ich eben eine alte Jungfer.“

„Und lebst bei uns in Schottland?“ fragte die Herzogin.

„Bist du so wild darauf, mich loszuwerden?“

„Außerordentlich wild!“ sagte die Herzogin unverblümt.

Ihre Antwort war eine Überraschung für Zenka, die sie mit großen Augen ansah, während die Herzogin erklärte: „Um ganz ehrlich zu sein: Ich will keine andere Frau in meinem Hause haben. Und da wir nun schon offen miteinander reden, möchte ich dir auch sagen, daß ich dich nicht leiden kann - ich mag deinen Charakter nicht - und deine Erscheinung ist sehr störend, um es harmlos auszudrücken.“

„Du bist wirklich sehr offen!“

„Ich wüßte keinen Grund, warum ich es nicht sein sollte“, erwiderte die Herzogin. „Du bist keine Verwandte meines Mannes. Er hat dich nur aus Mitleid aufgenommen.“

„Er wollte mich haben und ... die Herzogin Anne auch, solange sie lebte“, sagte Zenka leise.

„Das ist schon möglich“, erwiderte die Herzogin Kathleen. „Ich habe keinen Grund, dich zu lieben. Und du bedeutest mir gar nichts. Du störst lediglich mein Glück.“

„Ich wage es, zu behaupten, daß ich jemand anderen finden werde, der mich haben will.“

„König Miklos wird derjenige sein, der dich bekommen wird!“

„Ich sprach nicht davon, daß ich heiraten will.“

„Das macht es natürlich sehr schwierig“, erwiderte die Herzogin langsam.

„Warum?“ fragte Zenka.

„Weil dein Vormund und Pate der Königin bereits die Zustimmung in deinem Namen gegeben hat.“

„Dann muß er jetzt seinen Fehler zugeben.“

„Glaubst du wirklich, daß das möglich ist, ohne daß er einen Narren aus sich macht?“

„Er hätte mich zuerst fragen müssen!“

„Glaubst du wirklich, daß die Königin darauf eingehen wird, wenn ein dummes Gänschen von achtzehn Jahren sich ihren Wünschen widersetzt? Dies ist ein Königlicher Befehl, wie du sehr wohl weißt. Es geht nicht darum, ob du die Königin von Karanya werden willst oder nicht. Es wurde dir befohlen, den König zu heiraten, und damit ist die Angelegenheit erledigt.“

„Aber nicht für mich!“ rief Zenka. „Und wenn ich es vom Buckingham Palast hinunterschreien muß, wenn ich es der Königin persönlich sagen muß, ich werde es tun, bevor ich einen Mann heirate, den ich nicht einmal kenne und der nur an mir interessiert ist, weil ich ein Repräsentant der britischen Krone bin.“

„Du solltest stolz darauf sein!“

„Das bin ich aber nicht, und damit ist für mich die Sache erledigt“, rief Zenka entschlossen. „Es tut mir leid, daß ich den Paten in eine unangenehme Situation versetzt habe, aber es ist seine eigene Schuld.“

Die Herzogin seufzte.

„Nun gut, Zenka, ich hatte nicht den Wunsch, dich vor eine Alternative zu stellen. Aber du läßt mir keine andere Wahl.“

„Eine Alternative?“ fragte Zenka überrascht.

„Eine Alternative zu der Aussicht, die Königin von Karanya zu werden, worum dich die meisten Mädchen beneiden würden. Eine romantische Aussicht!“

„Der Meinung bin ich nicht. Aber was ist die Alternative?“

Die Herzogin schien einen Augenblick zu überlegen, dann sagte sie: „Da dein Vormund unmöglich zur Königin gehen und ihr sagen kann, daß du dich ihren und seinen Wünschen widersetzt und daß er keine Autorität über dich hat, gibt es nur eine Erklärung für deine Weigerung: Du hast den Wunsch, dein Leben in den Dienst der anderen zu stellen.“

Zenka sah sie mißtrauisch an.

„Was willst du damit sagen?“

„Im Mittelalter“ erwiderte die Herzogin, „wurden widerspenstige Töchter, Mündel oder sogar Ehefrauen ins Kloster geschickt. Deine Geschichtsbücher werden dir darüber Auskunft geben!“

„Schlägst du ... etwa ... vor ...?“ begann Zenka ungläubig.

„Ich sage dir nur, daß dies die Alternative für dich sein wird, wenn du dich den Wünschen der Königin widersetzen solltest“, sagte die Herzogin. „Ich kenne ein ausgezeichnetes Kloster in Schottland, und es gibt sicher noch zahlreiche andere in England. Einige von ihnen sind abgeschlossen, so daß die Nonnen ihr Leben im Gebet verbringen. In anderen wieder arbeiten sie unter den Ärmsten der Armen. Ich bin sicher, daß du ein erfülltes Leben führen wirst.“

„Schlägst du wirklich vor, mich in ein Kloster zu stecken?“

„Ich schlage es nicht nur vor“, antwortete die Herzogin. „Ich sage dir klar und deutlich, daß dies die einzige Alternative für dich ist, es sei denn, du tust, was die Königin und dein Vormund von dir verlangen. Die Entscheidung liegt bei dir. Es interessiert mich nicht, wie du dich entscheidest.“

„Ich kann nicht glauben...daß du dies ernst meinst!“

„Ich kann dir versichern, daß es mir sehr ernst damit ist“, erwiderte die Herzogin. „Wenn du wirklich glaubst, daß du dich den Wünschen der Königin und deines Vormundes widersetzen kannst, ohne dich in kürzester Zeit im Gewand einer Nonne zu finden, dann irrst du dich gewaltig!“

„Das ist...Erpressung!“ preßte Zenka zwischen den Zähnen hervor.

„Zu deinem eigenen Wohl - und zu meinem!“ war die Antwort der Herzogin. „Laß mich eines klarstellen, Zenka, egal wie du dich entscheidest, ich werde dich schnellstens loswerden!“

„Ich kann nicht glauben, daß der Pate es zuläßt, daß du mich in dieser Weise behandelst.“

„Dein Pate war der Meinung, das Beste für dich zu tun, als er der Königin die Zustimmung gab“, sagte die Herzogin. „Und da er weiß, daß er nicht in der Lage ist, dich umzustimmen, hat er mich gebeten, es zu tun.“

Zenka rang die Hände.

„Ich hasse dich!“ rief sie aus. „Ich hasse dich, weil du mein Glück zerstört hast. Du hast mir das einzige Zuhause genommen, das ich hatte, seit meine Eltern tot sind. Du hast mir das Leben schwergemacht, seit du meinen Paten geheiratet hast. Aber ich hätte niemals geglaubt, daß du mich in eine solche unmögliche Situation treiben würdest, in der ich, egal wie ich mich entscheide, die Hölle auf Erden haben würde!“

„Eine Braut sollte solche Worte aber nicht sprechen!“ bemerkte die Herzogin zynisch.

„Ich könnte noch eine Menge mehr sagen“, gab Zenka zornig zurück. „Aber wenn ihr mich zu dieser Heirat zwingt, dann schwöre ich, daß ich dem König das Leben zur Hölle machen werde! Wie kann er es wagen, eine königliche Braut zu verlangen, nur, weil es ihm und seinem Land dienlich ist! Wie kann er es wagen anzunehmen, daß ich in einen solchen barbarischen Vorschlag einwillige?“

Die Herzogin warf ihren Kopf zurück und lachte. Es war kein schönes Lachen.

„Du warst schon immer eine Draufgängerin, Zenka“, sagte sie. „Und nach allem, was ich von König Miklos gehört habe, wird er in dir den gleichwertigen Partner gefunden haben. Ihr werdet ein richtiges Paar abgeben. Es tut mir nur leid, daß ich nicht dabei sein werde, wenn ihr euch gegenseitig in Stücke reißt.“

„Ich habe noch immer nicht eingewilligt, den König zu heiraten“, sagte Zenka.

Sie wußte, daß sie einen verlorenen Kampf kämpfte, in dem sie niemals als Sieger enden würde, aber sie wollte noch nicht aufgeben.

„Nun, dann werde ich alles vorbereiten für deinen Eintritt in das Kloster“, spottete die Herzogin. „Es wird mich sehr amüsieren, wenn ich an dich denke, wie du fastest und wie man dein leuchtend rotes Haar abschneiden und unter einer Haube verstecken wird.“

Sie sah Zenka mit harten Augen an, als sie fortfuhr: „Vielleicht ist das die beste Lösung. Du wirst immer Unruhe stiften, wo du auch hingehen wirst; es sei denn, man sondert dich von der Welt ab, besonders von der meinen.“

Die Herzogin wollte sie herausfordern, und Zenka krampfte ihre Hände ineinander, bis die Nägel in die Haut drangen.

„Laß mich allein!“ sagte sie mühsam.

Ihr war, als würde man ihr den Hals abschnüren.

„Das ist mir ein Vergnügen!“ erwiderte die Herzogin. „Ich werde dem Herzog ausrichten, daß ich dich ohne große Mühe überzeugt habe, daß es das Beste ist, dem bewundernswerten Plan zuzustimmen, den er und die Königin für dich entworfen haben.“

Mit rauschenden Kleidern ging sie zur Tür und drehte sich dort noch einmal um.

„Ich freue mich schon darauf, dein Brautkleid mit dir auszusuchen, liebe Zenka.“

Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, stieß Zenka einen Laut aus, der an ein gefangenes Tier erinnerte.

Dann lief sie verzweifelt durch ihr Zimmer und zertrümmerte alles, was ihr unter die Finger kam.

Sie fegte die Kerzenhalter von ihrem Ankleidetisch. Da sie aus chinesischem Porzellan waren, zerbrachen sie in viele kleine Stücke.

Dann warf sie die Uhr vom Kaminsims, das Glas zerbrach und sie hörte, wie das Uhrwerk einen stöhnenden Laut von sich gab, kurz bevor es endgültig stillstand.

Sie lief zu ihrem Bett und wollte die schweren Vorhänge herunterreißen. Es gelang ihr nicht. Hilflos zerrte sie daran, bis plötzlich etwas in ihrem Innern zu zerbrechen schien. Da warf sie sich auf das Bett und schlug voller Verzweiflung mit den Fäusten auf das Kissen.

2.

Zenka lag die ganze Nacht wach und dachte darüber nach, wie sie diesem Verhängnis entrinnen könnte, das so ganz ohne Warnung über sie gekommen war.

Wenn ich wenigstens jemanden lieben würde oder jemand mich lieben würde, dachte sie. Dann könnte ich fortlaufen.

Bis zum Anfang des Jahres war sie ausschließlich mit ihrem Schulunterricht beschäftigt gewesen. Erst als sie nach London gekommen waren, hatte die Herzogin damit begonnen, einige junge Leute zu ihrer Unterhaltung einzuladen.

Im Schloß ihres Paten verkehrten daher nur seine Freunde, die im gleichen Alter waren.

Offensichtlich genoß es die Herzogin, von älteren Männern umschwärmt und bewundert zu werden; Zenka jedoch wurde von ihnen entweder wie ein Kind behandelt, oder sie wagten es aufgrund ihrer königlichen Herkunft nicht, allzu vertraut mit ihr zu werden.

„Was kann ich nur tun? Was kann ich denn nur tun?“ fragte sie sich in der Dunkelheit der Nacht immer wieder.

Sie dachte sich, daß nur die Herzogin sich einen so teuflischen Plan hatte ausdenken können.

Gleichzeitig jedoch wußte sie sehr wohl, daß diese die Wahrheit gesprochen hatte, als sie das Kloster als einen Ort der Zuflucht und gleichzeitig als Gefängnis für diejenigen bezeichnet hatte, die sich den Wünschen und Anordnungen ihrer Familie, oder wie die liebliche Herzogin von Mazarin, ihrem Ehemann widersetzt hatten.

Zenka konnte sich an viele solcher Ereignisse erinnern. Sie hatte darüber gelesen, wie man Damen königlicher Herkunft ins Kloster gesteckt hatte.

Sie konnte sich nichts Entsetzlicheres vorstellen, als hinter großen Mauern ein Leben lang eingesperrt zu sein. Es war das ungarische Blut, das in ihren Adern floß. Sie brauchte die Freiheit zum Leben. Sie mußte über die weiten Steppen reiten können und den Wind in ihrem Gesicht fühlen können.

,Das war wirklich Freiheit’, dachte sie. ,Und die werde ich nun niemals wieder erleben!’

Sie wußte sehr wohl, daß man von ihr als Königin zu jeder Zeit ein tadelloses Benehmen erwartete. Aber sie schwor sich, daß auch der König mit ihr leiden sollte.

Wenn er wirklich so grausam und brutal war, wie Wilhelmina ihn beschrieben hatte, so würde er sehr bald herausfinden, daß sie bestimmt nicht die Frau für ihn war, die er sich vorgestellt hatte.

Sie stellte sich vor, daß er wohl wie Richard II war, mit einem Buckel auf dem Rücken, und sie fragte sich, ob er sie wohl wirklich ermorden lassen würde, falls sie sich ihm widersetzte.

Dann jedoch machte sie sich klar, daß ihre Phantasie wohl mit ihr durchging. Sie wußte, daß solche Dinge im neunzehnten Jahrhundert nicht mehr geschahen.

Dann jedoch schwor sie sich Rache.

,Ich werde ihn mit allen Mitteln bekämpfen!’ sagte sie sich, stand auf und ging ans Fenster, da es ihr nicht möglich war zu schlafen.

Sie blickte hinaus auf den dunklen Hannover Square, und es war ihr einfach nicht möglich, sich eine Vorstellung von Karanya zu machen.

Als Kind hatte sie ein Kindermädchen aus Karanya. Sie hatte Sefronia sehr geliebt, und sie war bei ihr geblieben, bis Zenka alt genug war, eine Gouvernante zu bekommen.

Sefronia hatte von Karanya gesprochen, als sei es das schönste Land der Erde.

Aber woran sich das einfache Volk erfreut und das, was Zenka im Palast des Königs erwartete, waren wohl zwei ganz verschiedene Dinge, dachte sie.

Bei dem Gedanken an das, was ihr bevorstand, begann sie plötzlich zu frieren. Dann jedoch begann ihr Stolz sich zu rühren und sie schwor sich, daß sie niemals aufgeben würde und sich niemals einem Mann unterwerfen würde, den man sie gezwungen hatte zu heiraten.

Als Zenka am nächsten Morgen hinunterkam, bemerkte sie, wie ihr Pate sie besorgt anblickte. Die Herzogin jedoch warf ihr einen triumphierenden Blick zu.

Während des Frühstücks sprachen sie nur über allgemeine Dinge, dann jedoch sagte der Herzog: ,,Seine Exzellenz, der Botschafter von Karanya, hat gebeten, dir heute morgen seine Aufwartung machen zu dürfen.“

„Ich bin sicher, daß du bereits in meinem Namen zugesagt hast“, erwiderte Zenka.

„Ich sah keinen Grund, ihm seinen Wunsch abzuschlagen“, antwortete der Herzog, und seine Stimme klang ein wenig beleidigt.

Er sah sein Mündel an und mußte feststellen, daß sie trotz der Schatten unter ihren Augen entzückend aussah.

Es tat ihm leid, daß er ihr hatte weh tun müssen. Aber gleichzeitig sah er keinen anderen Ausweg.

Zenka würde früher oder später sowieso heiraten müssen. Er war sich über die Einstellung seiner Gattin zu seinem Mündel durchaus im Klaren.

Er wußte so gut wie Wilhelmina, daß es in ganz Europa keinen ledigen Monarchen mehr gab.

Und sosehr Zenka dieser Heirat gegenüber auch abgeneigt war, konnte er nicht umhin, es als ein großes Glück zu betrachten, daß ihr die Position einer Königin angeboten worden war. Zumal sie nichts weiter anzubieten hatte als ihre Schönheit und die Tatsache, daß sie königlicher Abstammung war.

Als der Herzog noch jung an Jahren war, hatte er jedes Jahr einige Zeit bei seinem Freund, Prinz Ladislas, in Vajda verbracht.

Er liebte das Leben in diesem wilden Land, er liebte den Charme der ungarischen Aristokraten und hätte selbst ein solches Leben gern geführt, wenn er nicht einen alten Titel und ein großes Gut in Schottland geerbt hätte.

Als der Prinz und die Prinzessin getötet wurden, stand es für ihn außer Zweifel, deren Tochter zu sich zu nehmen.

Niemals jedoch hatte er sich vorgestellt, welche Schwierigkeiten dadurch für ihn entstehen konnten, bevor er ein zweites Mal geheiratet hatte. Er mußte feststellen, wie unversöhnlich der Haß seiner Frau Kathleen war, was Zenka betraf.

Er hatte in den letzten Monaten das Gefühl verspürt, auf einem Vulkan zu leben, der jeden Augenblick ausbrechen konnte.

Als die Königin ihm nun den Vorschlag unterbreitete, daß Zenka den König von Karanya heiraten sollte, hatte er dies als eine gute Lösung sowohl für seine als auch für die Probleme von Zenka angesehen.

Niemals hätte er gedacht, daß sie auf diese Weise reagieren würde und einen derartigen Vorschlag so hartnäckig zurückweisen würde.

Als er sich jetzt jedoch daran erinnerte, wie glücklich ihre Eltern miteinander gewesen waren, sagte er sich, daß er hätte voraussehen müssen, daß auch sie das Recht für sich in Anspruch nahm, aus Liebe eine Ehe einzugehen.

Aber wo gab es einen geeigneten Prinzen, den sie in der gleichen überschwenglichen und hingebungsvollen Weise lieben konnte, wie Prinzessin Pauline den Prinzen Ladislas geliebt hatte?

,Derartige Dinge geschehen nur alle hundert Jahre einmal’, sagte er zu sich selbst.

Gleichzeitig jedoch überkam ihn ein Schuldgefühl, wenn er Zenka ansah. Und dieses Gefühl hatte er in seinem Leben bisher nur sehr selten empfunden.

Er zog seine goldene Uhr heraus, ließ sie auf- und zuklappen, und sagte: ,,Seine Exzellenz wird in einer halben Stunde hier sein. Wir werden ihn im Salon empfangen.“

Er sah seine Frau an, als erwartete er ihre Zustimmung, und die Herzogin erwiderte: „Ich werde den Dienern Anweisung geben, ihn sofort heraufzubringen, wenn er ankommt.“

„Danke dir, meine Liebe“, antwortete der Herzog und verließ das Frühstückszimmer.

Die Herzogin wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, bevor sie sich Zenka zu wandte: „Ich hoffe, daß du heute morgen in besserer Stimmung bist. Es wäre gut, wenn du daran dächtest, daß jedes Wort, das du zu dem Botschafter sagst, dem König wiederholt wird.“

„Du hast wohl Angst, der König könnte sonst sein Angebot zurückziehen?“ fragte Zenka.

„Darauf solltest du nicht hoffen“, gab die Herzogin zurück. „Er will eine britische Prinzessin zur Frau haben, und die Auswahl ist zur Zeit nun einmal nicht sehr groß.“

Zenka wußte sehr wohl, daß dies die Wahrheit war. Sie hielt die Worte, die sich ihr auf die Lippen drängten, zurück. Es hatte keinen Sinn, wieder von vorn anzufangen und mit der Herzogin zu streiten. Aber in diesem Augenblick haßte sie sie ebenso wie den König Miklos.

Sie trank ihren Kaffee aus und erhob sich.

„Ich werde dich in einer Viertelstunde im Salon erwarten“, sagte die Herzogin kalt. „Versuche bitte, dich würdig zu benehmen, und denke an die Wichtigkeit deiner Position, die du in Zukunft einnehmen wirst.“

Zenka wußte, daß die Herzogin sie provozieren wollte, aber sie erwiderte nichts. Beim Hinausgehen ergriff sie einige der Morgenzeitungen, die auf einem kleinen Tisch für den Herzog bereit waren.

Als sie im Morgenzimmer angelangt war, begann sie die Berichte über die Feierlichkeiten anläßlich des Jubiläums zu lesen.

Es wurde über den Besuch der Königin im Hyde Park berichtet und darüber, wie dankbar die 30.000 Schulkinder über den Kuchen und die Milch waren, die man ihnen ausgegeben hatte.

Es gab Zeichnungen von dem Ballon mit dem Namen ,Victoria’ und von der Königin, wie sie mit einigen der Kinder sprach.

Außerdem brachte die Zeitung eine Liste all der Ereignisse, die in diesem Jubiläumsjahr stattfinden würden und bei denen die Königin anwesend sein würde.

,Das wird wohl auch meine Aufgabe in Zukunft sein’, dachte Zenka.

Sie las von Besichtigungen militärischer Einrichtungen, Grundsteinlegungen, Preisverleihungen, Wohltätigkeitsveranstaltungen.

Zenka warf die Zeitung zu Boden. Es war zu viel. Einfach zu viel. Unmöglich, all dies durchzuhalten - Lächeln, Händeschütteln und Ansprachen zuhören.

Es war lustig gewesen, als Zuschauer dabei zu sein. Aber Zenka konnte sich nicht vorstellen, bei all solchen Anlässen die Hauptperson zu sein und im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen.

„Ich kann es nicht - ich kann nicht!“ weinte sie.

Dann jedoch sagte sie sich, daß die Königin keinen Ehemann hatte. Sicher würde es nicht ihre Aufgabe in Karanya sein, Militärparaden abzunehmen. Das würde der König tun.

Aber bestimmt würde es noch genügend andere Verpflichtungen für sie geben, sie würde Kranken- und Waisenhäuser besuchen müssen, Ausstellungen, Konzerte...

Zenka sah sich wie eine Marionette von einer Verpflichtung zur anderen eilen, immer wieder die gleichen Worte sagen, lächeln, huldvoll nickten, Reden hören und Hände schütteln.

„Ich werde bestimmt davonlaufen“, dachte sie. „Ich werde fortlaufen . . .aber wohin . . .und mit wem?“

Es gab darauf keine Antwort für sie, und sie ging langsam die Treppe hinauf zum Salon, um auf die Ankunft des Botschafters zu warten.

Er war ein gut aussehender Mann von ungefähr fünfzig Jahren. Seine klaren und scharfen Gesichtszüge ließen Zenka annehmen, daß er ungarisches Blut in den Adern hatte.

Sie wußte sehr wohl, daß wenigstens die Hälfte, wenn nicht sogar drei Viertel der Karanyaner ungarischer Herkunft waren, während der Rest von den Kroaten abstammte.

Es war ein Glück, wenn sie überhaupt von Glück in ihrer Situation sprechen konnte, daß sie wenigstens keine Schwierigkeiten haben würde, die Sprache ihres neuen Heimatlandes zu sprechen.

Der größte Teil der Wörter war ungarischen Ursprungs, und schon als Kind hatte sie keine Schwierigkeiten gehabt, ihr Kindermädchen zu verstehen. Sie wußte, wenn sie erst einmal im Lande war, würde es nicht lange dauern, bis sie die Sprache fließend beherrschen würde.

Der Botschafter jedoch sprach ausgezeichnetes Englisch.

„Darf ich Eurer Königlichen Hoheit versichern, daß dies ein sehr glücklicher und erfolgreicher Tag für mich und mein Land ist“, sagte er. „Ich habe den Auftrag, Ihnen die besten Wünsche meiner Botschaft und aller Karanyaner zu überbringen, die sich im Augenblick in London anläßlich des Jubiläums aufhalten.“

„Eine Frage würde ich Ihnen gerne stellen, Euer Exzellenz“, unterbrach ihn die Herzogin, als könnte sie es nicht ertragen, daß sich aller Aufmerksamkeit auf Zenka richtete. „Warum war Ihr König nicht bei den Jubiläumsfeierlichkeiten anwesend? Ich nehme doch an, daß er eine Einladung erhalten hat.“

„Selbstverständlich, Euer Gnaden. Seine Majestät hat eine sehr herzliche Einladung der Königin erhalten, aber gewisse Ereignisse in Karanya haben ihn daran gehindert, dieser Einladung Folge zu leisten."

„Eine Revolution vielleicht?" fragte Zenka mit einem plötzlichen Aufleuchten in den Augen.

Der Botschafter sah sie erschrocken an.

„Nein, selbstverständlich nicht, Euer Königliche Hoheit. Es ist nichts dergleichen! Es handelt sich lediglich um einige wirtschaftliche Schwierigkeiten, die die Anwesenheit Seiner Majestät erfordert haben.“

„Sie werden sicher verstehen, daß mein Mündel den König gerne persönlich kennengelernt hätte, bevor etwas so Wichtiges wie ihre Verlobung bekanntgegeben wird“, sagte der Herzog daraufhin.

„Das kann ich verstehen, Euer Gnaden“, erwiderte der Botschafter, „aber unglücklicherweise ist dies nicht möglich.“

„Dann wäre es eine gute Idee“, warf Zenka ein, „die Bekanntmachung so lange zu verschieben, bis der König nach England kommen kann. Dies wird ihm doch in den nächsten Monaten sicher möglich sein?“

Sie wollte Zeit gewinnen, aber die Herzogin hatte ihre Absicht sehr schnell durchschaut.

„Einige Monate?“ rief sie aus. „Aber das ist unmöglich. Ich bin sicher, daß Eure Exzellenz verstehen werden, daß es besser ist, so bald als möglich England zu verlassen, wenn die Hochzeit in Karanya stattfinden soll.“

Beide, Zenka und der Herzog, sahen sie überrascht an, als sie fortfuhr: „Ich nehme an, daß wir auf dem Seeweg reisen werden. Und da ich in dieser Hinsicht nicht viel vertrage, wäre es mir unmöglich, in einer Jahreszeit zu segeln, in der die See schon verhältnismäßig rauh ist.“

„Ich kann deine Einwände verstehen, meine Liebe“, erwiderte der Herzog. „Aber bedenke, daß Zenkas Brautkleid und ihre gesamte Ausstattung vorher angefertigt werden müssen. Ich kann mir nicht denken, daß alle Vorbereitungen in weniger als einigen Monaten getroffen werden können.“

„Das würde heißen, die Hochzeit bis zum nächsten Jahr zu verschieben“, sagte die Herzogin. „Und ich bin sicher, daß dies nicht der Wunsch des Königs ist.“

Sie ist sehr schlau, dachte Zenka und überlegte fieberhaft, wie sie noch ein Jahr Zeit gewinnen könnte. Dann würde es ihr gewiß gelingen, zu flüchten oder einen Grund zu finden, die Heirat mit dem König abzulehnen.

„Ich bin sicher, daß Seine Majestät nicht so lange ...“, begann der Botschafter.

„Dann schlage ich vor, daß wir Mitte Juli England verlassen“, unterbrach ihn die Herzogin. „Es ist die ideale Jahreszeit für eine Seereise, und der August ist ein wunderschöner Monat für eine Hochzeit.“

„Das ist aber viel zu bald“, sagte Zenka ärgerlich.

„Aber warum denn?“ fragte die Herzogin. „Wir benötigen nicht länger als einen Monat, um deine Aussteuer zusammenzustellen. Und danach können wir nicht länger in London bleiben. Die Saison wird beendet sein, alle Häuser werden geschlossen, und jedermann zieht sich aufs Land zurück.“

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9781782139089
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