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Ueli Kraft / Claudia Stauffer

Lerntherapie – Geschichte, Theorie und Praxis

ISBN Print: 978-3-0355-1973-0

ISBN E-Book: 978-3-0355-1974-7

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

  Vorwort

 Grundlegendes zur Lerntherapie1 Fragmentarisches zur Geschichte der Lerntherapie – ‹avant la lettre› bis zu den eigentlichen Anfängen1.1 Zur Sache1.2 Biografische Reminiszenzen1.3 Zur Frühgeschichte dessen, was wir heute Lerntherapie nennen1.4 Zu den Anfängen eigentlicher – und auch sogenannter – Lerntherapie1.5 Bilanz1.6 Epilog: Eine letzte biografische ReminiszenzLiteratur2 Warum Lernen Beziehung voraussetzt. Die Bedeutung der Bindung für das menschliche Lernverhalten und ihre Implikationen für die Lerntherapie2.1 Historische Ursprünge der Bindungsforschung2.2 Bindung als angeborenes Grundbedürfnis2.3 Die Bedeutung der elterlichen Feinfühligkeit2.4 Ausbildung von kindlichen Bindungsmustern und inneren Arbeitsmodellen2.5 Hinreichend gute Eltern2.6 Sichere Bindungserfahrungen und kindliches Explorieren und Lernen2.7 Praktische Implikationen für die Lerntherapie2.8 Herausforderungen für Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten2.9 Zusammenfassung und SchlusswortLiteratur3 Lerntherapie, Persönlichkeitsentfaltung, Beziehungsgestaltung und Menschenbild3.1 Lerntherapie – aktuelle Herausforderungen und Notwendigkeit3.2 Lerntherapie – Arbeitsweise und Persönlichkeit des Lernenden3.3 Lernen, behindernde Bedingungen und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung3.4 Grundlagen von Lerntherapie3.5 Lernschwierigkeiten und Handlungskonzept3.6 Menschenbilder aus heilpädagogischer und lerntherapeutischer Sicht3.7 Wahrnehmen, Verstehen und Handeln3.8 Lerntherapie im Dienste von Kindern und Eltern – Systeme und zukünftige Handlungsmöglichkeiten3.9 Grundlegende Prinzipien lerntherapeutischen Vorgehens im Kontext Orientierung am KindLiteratur4 Lerntherapie – was ist das? Der therapeutische Aspekt der Lerntherapie4.1 Die Grundgedanken der Lerntherapie4.2 Einblick in ein Erstgespräch – Illustration der lerntherapeutischen Grundgedanken4.3 FazitLiteratur5 Perspektiven der Sprachhandlungskompetenz5.1 Einleitung5.2 Sprachwissenschaftliche Einlassungen5.3 Sprachhandlungskompetenz – Begriff und Kompetenzbereiche5.4 Informations-, Wissens- und Mediengesellschaft als gesellschaftlicher Kontext5.5 Sprachlich-mediale Handlungsoptionen5.6 Handlungsfelder der Sprachhandlungskompetenz5.7 ResümeeLiteratur6 Die Bedeutung der Selbsterfahrung für den Kompetenzerwerb in der Lerntherapie6.1 Selbsterfahrung6.2 Kompetenzen6.3 Evaluation6.4 Wo findet Selbsterfahrung statt?Literatur7 Lerntherapie als Profession7.1 Lernen und Bildung7.2 Lernschwierigkeiten: Was tun?7.3 «Die Symptome führen selten auf direktem Weg zu den Ursachen: Die Quelle ist selten dort, wo das grosse Wasser liegt» – ein Fallbeispiel7.4 Bedeutung der LerntherapieLiteratur

  Lerntherapie in theoretischer Vielfalt

 a) Lerntherapie aus der Perspektive verschiedener Theoriezugänge8 Lerntherapie aus der Perspektive der Personzentrierten Systemtheorie8.1 Einführung: Ein Mensch – viele Beschreibungsperspektiven8.2 Der übliche Fokus: psychische und interpersonelle Prozesse8.3 Kleiner Exkurs zur Systemtheorie8.4 Die Wirkungen der körperlichen und kulturellen Prozesse8.5 Zusammenschau der vier Prozessebenen8.6 Die Komplementarität objektiver und subjektiver PerspektivenLiteratur9 Lernen lehren und lieben lernen: Die Entwicklung von Selbstkompetenzen im Spannungsfeld zwischen Ganzheitlichkeit und Analyse9.1 Einleitung9.2 Das Spannungsfeld zwischen Ganzheitlichkeit und Analyse9.3 Selbstkompetenzen9.4 Wie die PSI-Theorie klassische Persönlichkeitstheorien integriert: sieben Prozessebenen9.5 Selbstkompetenzen, die Systeminteraktionen brauchen:1. Vorsätze umsetzen9.6 Selbstkompetenzen, die Systeminteraktionen brauchen: 2. Aus Fehlern lernen9.7 Aufschieberitis: fünf Varianten mit fünf verschiedenen Entwicklungsangeboten9.8 Liebe lernen: Wie können Lernbegleiterinnen das Selbstwachstum Lernender fördern?9.9 FazitLiteratur10 Die PSI-Theorie von Julius Kuhl in der Lerntherapie10.1 Theoretischer Input10.2 Anwendung der vier Funktionssysteme der PSI-Theorie in der Lerntherapie10.3 FazitLiteratur11 Die Anwendung transaktionsanalytischer Modelle und Theorien in der Lerntherapie11.1 Hintergrund und Nutzen der Transaktionsanalyse11.2 Der unbewusste Lebensplan11.3 Praxisbeispiel Livia11.4 Praxisbeispiel Leandro11.5 Autonomie als Ziel transaktionsanalytischer ArbeitLiteratur12 Lernkrisen wollen neu verstanden werden12.1 Lernen und Lernkrisen12.2 Verschiedenartige Erscheinungsformen von Lernkrisen12.3 Krisenherd Lernen12.4 Krisen als psychische Extremzustände12.5 Lernkrisen fallen nicht vom Himmel12.6 Fachliche Unterstützung in der LernkriseLiteratur

 b) Lerntherapie aus der Perspektive verschiedener Beeinträchtigungen13 Lernen mit ADHS-Kindern13.1 Zur Ausgangssituation13.2 Wie ist die häufige Komorbidität zwischen ADHS und Teilleistungsschwächen beziehungsweise -störungen erklärbar?13.3 Die besonderen Probleme von ADHS-Kindern im Lernprozess aus neurowissenschaftlicher und lernpsychologischer Sicht13.4 Diskussion der Lösungsansätze für die Lern- und Leistungsproblematik bei ADHS-Kindern13.5 Der therapeutische Ansatz in unserer Arbeit mit ADHS-Kindern13.6 Passende Lernstrategien13.7 Grundprinzipien des Lernens für ADHS-Kinder13.8 Anforderungen an die Eltern13.9 AusblickLiteratur14 Gamen und Lernen in gelingende Kooperation bringen14.1 Einleitung14.2 Die neuen Medien und deren Gebrauch14.3 Die Medienabhängigkeit14.4 Suchtbehandlung in der Resource- und Ego-State-Therapie14.5 Exemplarische Beschreibung des Umgangs mit Gamen im Bereich Lerncoaching14.6 FazitLiteratur15 Lerntherapie – auch für (Hoch-)Begabte15.1 Was ist (Hoch-)Begabung und welche Schwierigkeiten sind damit verbunden?15.2 Grundwissen aus der Begabungs- und Begabtenförderung15.3 Zentrale Aufgaben für Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten15.4 SchlusswortLiteraturInternet16 Schwierigkeiten in der Mathematik im lerntherapeutischen Setting16.1 Einleitung16.2 Bezug zur Lerntherapie16.3 Rechenschwierigkeiten16.4 Erfassung von mathematischen Schwierigkeiten im Basisstoff16.5 ZusammenfassungLiteratur

 Die Praxis der Lerntherapie im Aufbruch17 Ein pädagogisches Hop-on–hop-off durch die Lerntherapie17.1 Erste Station: Der Mensch – ein schneller anthropologischer Einstieg17.2 Zweite Station: Schlüsselkompetenzen – die Dreifaltigkeit des Lernens17.3 Dritte Station: Bildung, Lernen und Emotionen – ein ganzheitliches Erlebnis17.4 Vierte Station: Eine Runde Beziehung – Vertrauen garantiert17.5 Fünfte Station: Pädagogik und Therapie – Wir gehen gemeinsam doch in die gleiche Richtung17.6 Sechste Station: Erlebnispfad, ein paar praktische Beispiele aus der LerntherapieLiteratur18 Das gutmütige trojanische Pferd18.1 Betriebsinterne Lerntherapie: Die Idee18.2 Umsetzung und Evaluation18.3 SchlussfolgerungLiteratur19 Lerntherapie mit Adoleszenten: Ein Werkstattbericht aus der Ausbildungspraxis19.1 Zur speziellen Perspektive und einigen Hintergründen19.2 Fingerzeige zur Lerntherapie mit AdoleszentenLiteratur20 La constellation de Yazmin : une approche multidimensionnelle en thérapie d’apprentissage avec une élève aux moult facettes20.1 Description de l’élève et du contexte20.2 Aspects théoriques20.3 Profil de la fillette et prise en charge20.4 Evaluation20.5 Conclusion20.6 Perspectives pour d’autres enfants/adolescentsBibliographie21 Yazmins Konstellation: Ein mehrdimensionaler Ansatz in der Lerntherapie mit einer facettenreichen Lernenden21.1 Beschreibung der Lernenden und des KontextsTheoretische Aspekte21.2 Profil und Betreuung der Lernenden21.3 Auswertung21.4 Schlussfolgerung21.5 Möglichkeiten dieses Ansatzes für die Arbeit mit anderen Kindern/JugendlichenLiteratur22 Lerntherapie auf dem Jakobsweg22.1 Warum eine lerntherapeutische Intervention auf dem Jakobsweg?22.2 Welche Möglichkeiten bringt diese Form in die lerntherapeutische Arbeit?22.3 Worin ähnelt ein Fernwanderweg einem Lernweg?22.4 Wie kann der Jakobsweg als lerntherapeutisches Mittel eingesetzt werden?22.5 Welchen Einfluss hat die symbolische Bedeutung des Weges?22.6 Welche lerntherapeutischen Mittel und Methoden wurden eingesetzt?22.7 Welche Einflüsse kann das Langzeitwandern auf die Selbstwahrnehmung haben?22.8 Wie äussert sich diese Wechselwirkung von Körper und Psyche?22.9 Welche Rolle spielt die Sozietät der Pilgerinnen und Pilger in der Intervention?22.10 Wie kann die physische Herausforderung des Langzeitwanderns in der Intervention nützlich sein?22.11 Wie wirkte sich die Intervention auf meinen Klienten aus und wie erging es ihm nach ihr?LiteraturDie Bilder in diesem ...

 AnhangAbbildungenTabellenListe der Autorinnen und Autoren

Vorwort

«Nur eine Ansicht ist unwahr, die, dass nur eine Ansicht wahr sei.»

Ernst von Feuchtersleben (1806–1849)

Die Lerntherapie ist mittlerweile gut eingeführt: Im deutschsprachigen Raum gibt es nicht nur verschiedene Ausbildungsgänge, sei es in privaten Instituten oder an Hochschulen. Der speziellen Disziplin ist es über die Jahre zunehmend auch gelungen, im Bereich von Lernunterstützungen Fuss zu fassen, die über schlichte Nachhilfe hinausgehen. Viele Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten haben eigene Praxen oder arbeiten angestellt an Schulen und spezialisierten Beratungsstellen, um Menschen jeden Alters, im Sinn einer Hilfe zur Selbsthilfe dabei zu unterstützen, ihre Lernschwierigkeiten zu überwinden und ihren individuellen Lernweg zu finden.

Wir können die Entwicklung des Fachs als Erfolgsgeschichte verstehen, welche auch die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von gelingendem Lernen spiegelt: Grosse Teile der Wirtschaft sehen sich unter dem globalen und zunehmend alles beherrschenden Wettbewerb auf einen hochqualifizierten Nachwuchs angewiesen, den das Bildungssystem «vorproduzieren» soll. Dass die Anforderungen in Schule und Beruf in der Folge laufend gesteigert werden, hat nicht nur bewirkt, dass das Konkurrenzprinzip auch im Bildungswesen überhandgenommen hat: Wo sich Ausbildungs- und damit Lebensperspektiven schon früh in der Schulzeit mit bestandenen Schul-, Übertritts- und Eintrittsprüfungen verknüpfen, sorgen sich auch viele Eltern bereits ab der ersten Klasse um die Zukunft ihres Nachwuchses – mit allen innerfamiliären Begleitkonflikten. Wo Lernende an die Grenze dessen stossen, was sie noch verkraften können, wird Lernen emotional negativ besetzt, die Schule gerät zum subjektiven «Unort». Der freie Markt reagiert auch darauf rasch: Das Geschäft mit ausserschulischer Nach- und Aufgabenhilfe boomt. Dem Prinzip der Inklusion folgend setzen die öffentlichen Schulen auf den von schulischen Heilpädagogen angebotenen integrativen Förderunterricht, auf Unterrichtsunterstützung in Form von Klassenassistenzen und auf den Einbezug der Schulsozialarbeit; seit einigen Jahren beobachten wir eine wachsende Zahl von Schulen, die Lerntherapeutinnen in ihre Förderteams aufnehmen.

Trotz konzeptionellen Verwandtschaften der heilpädagogischen und der lerntherapeutischen Disziplin lassen sich die unübersehbaren Unterschiede auf einer Achse abbilden: Der heilpädagogische Pol sucht den Zugang primär über die Natur der vorhandenen Lernschwierigkeit oder -störung, der psychologisch-therapeutische Pol über die Persönlichkeit und Befindlichkeit der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen. Wenn sich die beiden aufeinander zubewegen, kommt das Adjektiv «integrativ» ins Spiel. Die Lerntherapie ist eine facettenreiche Disziplin, was wir auch als Stärke auslegen wollen.

Das vorliegende Buch beleuchtet einige dieser Facetten der in der Schweiz entwickelten Lerntherapie. Sie fokussiert einen psychologisch-therapeutischen Zugang, ohne die heilpädagogische Seite auszuschliessen. Dieses interdisziplinäre Denken steckte schon in der Person von Armin Metzger, der nach seinem Primarlehrerpatent Psychologie studiert und schulpsychologische, erziehungsberaterische und heilpädagogische Zusatzausbildungen abgeschlossen hat, bevor er sich als freischaffender Psychologe und Psychoanalytiker in Schaffhausen etablierte. Mit dem Institut für Lerntherapie realisierte er seine Vision einer Ausbildungsstätte für angehende Lerntherapeutinnen und -therapeuten. Zur Unterstützung seines Projekts gelang es dem gut vernetzten Wegbereiter, namhafte Fachleute aus den Bereichen der Psychologie, der Pädagogik und Heilpädagogik sowie der Psychotherapie als Dozierende zu gewinnen, denen er bewusst eine grosse Freiheit in ihren thematischen und theoretischen Zugängen gelassen hat, eine wichtige Voraussetzung für die inhaltlich-konzeptuelle Breite des Lerntherapiestudiums. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch nicht, als Metzger 2010 das Institut in andere Hände gegeben hat: Nach wie vor ist das Institut interdisziplinär ausgerichtet, denn nur so kann an den vielfältigen Ursachen und Auswirkungen von Lernschwierigkeiten und -störungen zusammen mit den Betroffenen adäquat gearbeitet werden. Die Fruchtbarkeit dieser Überzeugung spiegelt sich in der Tatsache, dass das Institut weiterhin im Wachstum begriffen ist.

Der Mensch entwickelt sich lernend. Dies führt zu Veränderungen in den neuronalen Netzen seines Gehirns, ja in seiner Persönlichkeit; ausgetretene Pfade können also verlassen werden. In der Lerntherapie geht es um den in Interaktion mit der Umwelt lernenden, also sich verändernden Menschen. Als Therapieform auf die Person ausgerichtet, kann und darf die Lerntherapie nicht auf eingefahrenen Gleisen bleiben, sondern muss ihrem weit und ganzheitlich ausgerichteten Ansatz folgend Veränderungen und damit Weiterentwicklung zulassen. Aus diesem Grund sieht sich auch das Institut für Lerntherapie (ILT) als lernende Organisation, die Bewährtes würdigt und Neues willkommen heisst. In Bezug auf das vom ILT angebotene Lerntherapiestudium bedeutet das, stets informiert zu sein über den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs in den verschiedenen Fachrichtungen, über die aktuelle bildungswissenschaftliche Forschung und über die Hintergründe bildungspolitscher Tendenzen. Diese Haltung hat sich auch auf das Verfassen dieses Buchs ausgewirkt: Die Auseinandersetzung mit dem Thema «Lerntherapie» soll nicht nur einen Überblick über den Status quo bieten, sondern auch die Entwicklung einer Lerntherapie der Zukunft als Angebot, das allen zur Verfügung stehen soll, anstossen.

Die Beiträge des ersten Teils dieses Buches beleuchten die Kerngedanken, also dasjenige theoretische Fundament, auf dem das interdisziplinäre Denken der Lerntherapie aufliegt. Umrahmt wird dieser Teil durch zwei Texte, welche einerseits die «Frühgeschichte» der Lerntherapie und andererseits deren Entwicklung bis hin zur Profession darstellen.

In der Vorbereitung der Publikation haben wir für den Titel vorübergehend mit dem Begriff des Kaleidoskops gespielt, welches immer wieder überraschend neue Perspektiven eröffnet. Die Vielfalt dieser Perspektiven möchten wir in Teil II des Buches aufzeigen, in dem unsere Fachdozierenden einerseits aus den Blickwinkeln ihrer unterschiedlichen Theoriezugänge, andererseits aus der Sicht verschiedener Lernbeeinträchtigungen berichten.

Im dritten Teil dieses Lesebuchs möchten wir primär ehemalige Studierende unseres Instituts zu Wort kommen lassen, welche sich – manchmal in der Art lustvoller Abenteurer – in kaum kartiertes Neuland wagten und innovative Anwendungen und Perspektiven der Lerntherapie eröffnen.

Lernen ist eine manchmal sehr, manchmal weniger anstrengende Arbeit. Lernen ist zugleich aber Freude über und Stolz auf das, was wir geschafft haben. Gelernt wird auch mit- und voneinander. Der Mensch ist ein soziales Wesen, angewiesen auf Mitmenschen – ein unendlich grosses Lernfeld. Selbstverständlich können auch Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten voneinander lernen. So wünschen wir uns, dass unser Buch auch einen regen Diskurs zwischen den verschiedenen lerntherapeutischen Schulen auslösen wird, dass neue Ideen entstehen und in die Weiterentwicklung der Lerntherapie einfliessen werden. Wir sehen seine Funktion aber auch als anregendes Lesebuch für all jene, welche in lerntherapeutischen Ausbildungen stehen, lerntherapeutisch in eigenen Praxen oder im Rahmen verschiedenster Institutionen arbeiten – oder aus den verwandten Umfeldern des Bildungswesens (wie Schule, Heil- und Sonderpädagogik) einen Blick über den Tellerrand riskieren. Und letztlich denken wir natürlich an unsere Klientinnen und Klienten, die auf lebendige, wache und auch lustvoll und engagiert arbeitende Fachleute angewiesen sind, welche sie darin unterstützen, sich aus den tiefen Brunnenschächten herauszuarbeiten, in die sie gefallen sind.

Ohne Unterstützung wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Deshalb danken wir sehr herzlich Leila Ochsenbein für ihre unentbehrliche Hilfe bei der Fertigstellung des Manuskripts, Carmen Mächler für das sorgsame Übersetzen des französischen Textes ins Deutsche, Harry Schaad für das Lektorat dieser Übersetzung und Christian de Simoni vom hep-Verlag für die geduldige Beantwortung unserer vielen Fragen. Und natürlich danken wir vor allem den Autorinnen und Autoren, die sich die Zeit genommen haben, einen Teil ihres Erfahrungswissens für uns aufzuschreiben, es mit uns zu teilen.

Die Herausgeberinnen und der Herausgeber

Basel, Forch, Schaffhausen, im März 2021

Teil I:

Grundlegendes zur Lerntherapie
1 Fragmentarisches zur Geschichte der Lerntherapie – ‹avant la lettre› bis zu den eigentlichen Anfängen

Ueli Kraft

In diesem Kapitel werden die Anfänge der Lerntherapie, welche weiter zurückreichen, als man vermuten würde, aus historischer Perspektive erkundet. Der Beitrag befasst sich zunächst mit der Frühgeschichte, während der Pionierinnen und Pioniere lerntherapeutisch gearbeitet haben, lange bevor der Begriff geprägt worden ist. Wir finden diese im Umfeld der psychoanalytischen Pädagogik, welche die vor circa 100 Jahren entstandene Erziehungsberatung stark beeinflusste, in deren Rahmen Schul- und Lernprobleme sehr häufig den primären Beratungsanlass boten. Im Zusammenhang mit der in etwa halb so alten Geschichte der eigentlichen Lerntherapie werden die frühen und zum Teil voneinander abgeschotteten Konzeptionen der wichtigsten Exponenten nachgezeichnet und die Antwort auf die Frage gesucht, wer den Begriff der Lerntherapie ursprünglich geprägt hat. Die reiche Vielfalt lerntherapeutischer Zugänge wird in der Hoffnung skizziert, daraus – auch auf der Metaebene verschiedener lerntherapeutischer Schulen – Lust auf bereichernde Begegnungen zu wecken.

1.1 Zur Sache

Der Versuch, wenigstens Teile der Entstehungsgeschichte der Lerntherapie zu rekonstruieren, setzt aus Schweizer Perspektive zunächst bei Armin Metzger (1945–2019) an – und stösst auf unerwartete Schwierigkeiten: bevor er 2011 sein von ihm 1990 gegründetes Institut für Lerntherapie verkaufte, liess er das Institutsarchiv aus unbekannten Gründen entsorgen. Abgesehen von seinen beiden Buchpublikationen – «Lerntherapie. Wege aus der Lernblockade – Ein Konzept» (2001) und «Lerntherapie in Theorie und Praxis» (2008) – hat er vergleichsweise wenig publiziert. Er erwähnt eine unveröffentlichte Diplomarbeit in Heilpädagogik aus dem Jahr 1972 («Schach in der Hilfsschule»), welche «Wechselwirkungen zwischen Kognition und Emotion» fokussiert (2008, S. 137). Eine zweite – ebenfalls unzugängliche – Diplomarbeit in Erziehungs- und Schulberatung aus dem Jahr 1975 («Apropos Beobachtungsklasse») wird lediglich im Literaturverzeichnis angeführt (2008, S. 408). Seine zeitnah zur Institutsgründung eingereichte Dissertation («Begegnung und Beziehung als Auslöser von Entwicklung und Genesung – Zur Bedeutung der Psychotherapie für die Sonderpädagogik» (1990) beinhaltet zwar Ansätze einer theoretischen Grundlegung – das Thema «Lernen» wird aber nur ganz am Rande aufgegriffen und der Begriff «Lerntherapie» kommt gar nicht vor. Zu dem von einer ehemaligen Studentin des Instituts herausgegebenen Buch «Lerntherapie in der Praxis» steuert er ein kurzes Vorwort und eine Darstellung seines Vierstufenmodells bei (Suter, 2003, S. 14–20). Ein Tagungsbeitrag «Lerntherapie – Auf den Spuren der Persönlichkeit» wurde 2003 veröffentlicht, ein kurzer Handbuchartikel («Lerntherapie») 2014.

Verweise auf die in Deutschland seit den Achtzigerjahren bestehende Tradition der Lerntherapie sind bei Metzger äusserst spärlich. 2008 erwähnt er – ohne inhaltliche Bezüge – Betz und Breuninger, welche den Begriff der Lerntherapie bereits 1987 verwenden. In seinem Handbuchartikel findet sich lediglich ein Satz: «Weitere Ausdifferenzierungen der lerntherapeutischen Konzepte lassen sich derzeit im Ansatz der ‹strukturellen Lerntherapie› (vgl. Betz & Breuninger, 1987), in der ‹integrativen Lerntherapie› (vgl. Nolte, 2008) und in der ‹bewältigungsorientierten Lerntherapie› (vgl. Ruff, 2007) erkennen» (Metzger, 2014, S. 153). Aus historischer Perspektive helfen die erwähnten Autorinnen und der Autor auch nicht weiter, abgesehen vom Ergebnis einer bereits 1987 belegten Verwendung des Begriffs.

Wer dann mit gleichschwebender Aufmerksamkeit zu Expeditionen in die Tiefen des World Wide Web aufbricht, häuft zunächst ein kaum überblickbares Konvolut an überwiegend unbrauchbaren Texten an, macht aber auch unerwartete Entdeckungen. Die erstaunlichste sei vorweggenommen: Idee und Praxis dessen, was wir heute als Lerntherapie bezeichnen, haben offenbar eine wesentlich längere Vorgeschichte, als die aktuelle Fachliteratur suggeriert. Wer diese allerdings detailliert beschreiben wollte, würde einige Lebensjahre übrig haben und einen potenten Financier oder eine potenten Financière finden müssen. Wer beides nicht hat, kann sich – in der Sprache der Archäologie – immerhin darauf konzentrieren, Sondiergrabungen vorzunehmen, welche das Feld wenigstens in einigen Hinsichten strukturieren helfen.

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732 стр. 55 иллюстраций
ISBN:
9783035519747
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Правообладатель:
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