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Читать книгу: «Detektiv Dagobert», страница 2

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»Sie stimmt«, gab Frau Vio­let la­chend zu. »Ich ma­che Ih­nen mein Kom­pli­ment, Herr Da­go­bert. Sie sind ein fürch­ter­li­cher Mensch, und ich sehe schon, es wird doch am bes­ten sein, wenn ich sel­ber gleich ein um­fas­sen­des Ge­ständ­nis ab­le­ge, sonst glau­ben Sie am Ende noch Gott weiß was!«

»Kei­ne Ge­ständ­nis­se! Ich leh­ne sie ab. Ge­ständ­nis­se kön­nen – ich spre­che na­tür­lich ganz aka­de­misch – kön­nen auch falsch sein. Es sind auf Grund von falschen Ge­ständ­nis­sen schon Jus­tiz­mor­de ver­übt wor­den, und nichts ver­mag mich mehr auf­zu­re­gen, als der Ge­dan­ke an einen Jus­tiz­mord. Zu­dem – ich brau­che das Ge­ständ­nis nicht; es kann mir nichts mehr nüt­zen. Ich bin hier nur Un­ter­su­chungs­rich­ter und habe kein Ur­teil zu schöp­fen. Mei­ne Auf­ga­be war, den Tat­be­stand auf­zu­klä­ren und die Tä­ter­schaft zu er­wei­sen. Ob dann bei der Schluss­ver­hand­lung ge­stan­den oder ge­leug­net wird, das geht mich nichts an.«

»Gut, also hö­ren wir wei­ter!«

»Ich muss­te also wei­ter kom­bi­nie­ren. Der hoch­ge­wach­se­ne jun­ge Mann mit dem schö­nen Bart und den gu­ten Zäh­nen hat sei­ne Zi­gar­re hier in Ih­rer Ge­gen­wart ge­raucht und Ih­nen da­bei Ge­sell­schaft ge­leis­tet. Er hat mit Ih­nen ge­plau­dert, wie ich jetzt mit Ih­nen plau­de­re. Ein be­son­de­res Ge­heim­nis konn­te nicht da­hin­ter ste­cken.«

»Gott sei Dank, dass Sie mir das we­nigs­tens nicht zu­trau­en, Da­go­bert!«

»Konn­te nicht da­hin­ter ste­cken. Wir ken­nen uns nun schon lan­ge ge­nug – Sie sind eine klu­ge Frau. Sie wis­sen, was auf dem Spie­le steht, und Sie ma­chen kei­ne Dumm­hei­ten.«

»Ich dan­ke für das eh­ren­de Ver­trau­en!«

»Mein Ver­trau­en ist auch fel­sen­fest, nicht min­der mein Re­spekt. Aber es ist nicht nur das. Ich habe of­fe­ne Au­gen und gute Ohren. Ich selbst hät­te ir­gend­ein­mal et­was be­mer­ken, oder ir­gend­ein Ge­re­de hät­te auch zu mir drin­gen müs­sen. Nichts von al­le­dem. Sie ha­ben da einen Be­such emp­fan­gen, der wei­ter nicht auf­fal­len konn­te, sonst wäre er schon auf­ge­fal­len. Wa­rum fiel er nicht auf? Weil Sie ihn oft emp­fan­gen. Es muss­te also ein ganz harm­lo­ser Be­such sein. Ein Um­stand konn­te al­ler­dings stut­zig ma­chen. Aus den hin­ge­wor­fe­nen Äu­ße­run­gen Ihres Man­nes konn­te ich mir so un­ge­fähr her­aus­neh­men, dass die Zi­gar­ren ge­wöhn­lich am Diens­tag­abend ver­schwan­den, zu der Zeit also, wo er im Klub war. Was ich nicht wuss­te, was Sie aber an­ga­ben, ist, dass am Diens­tag Ihr Die­ner das Thea­ter zu be­su­chen pflegt.«

»Hof­fent­lich zie­hen Sie aus die­sem Um­stand nicht auch Ihre Schlüs­se!«

»Ich den­ke nicht dran. Tat­sa­che scheint mir, dass der jun­ge Mann ziem­lich häu­fig im Hau­se vor­spricht, dass er aber ge­ra­de am Diens­tag et­was län­ger ver­weilt und die Haus­frau un­ter­hält.«

»Das ist rich­tig, aber ich kann ver­si­chern, dass die Un­ter­hal­tun­gen ganz harm­lo­ser Na­tur sind.«

»Da­ran habe ich nie­mals ge­zwei­felt, zu­mal der jun­ge Mann – wie soll ich sa­gen? – ein we­nig un­ter Ihrem Stan­de ist.«

»Wie ha­ben Sie das nun wie­der her­aus­ge­bracht, Da­go­bert?«

»Es er­klärt sich von selbst, gnä­di­ge Frau. Freund Grum­bach hat nicht eine oder zwei Zi­gar­ren ver­misst, son­dern gleich sechs oder sie­ben. Sie er­in­nern sich; nach sei­ner An­ga­be hat­ten aus der obers­ten Schicht am Tage vor­her zwei Zi­gar­ren ge­fehlt. Die hat Grum­bach je­den­falls sel­ber her­aus­ge­nom­men und sich da­bei halb un­will­kür­lich das Bild ein­ge­prägt, das das In­ne­re des Kist­chens dar­bot. Ei­nen Tag spä­ter schi­en es ihm, als fehl­ten acht oder neun Stück. Also Ab­gang von sechs oder sie­ben Stück. Man raucht aber nicht sechs oder sie­ben schwe­re Zi­gar­ren wäh­rend ei­nes Plau­der­stünd­chens mit der Haus­frau, man raucht eine, wenn’s hoch kommt zwei. Der Vor­gang war nun der, dass die Haus­frau den jun­gen Mann beim Ab­schied er­mu­tigt hat, sich noch ei­ni­ge Zi­gar­ren ein­zu­ste­cken.«

»Auch das ist rich­tig. Aber dar­aus folgt doch noch nicht, dass ich mich, wie Sie sich aus­zu­drücken be­lie­ben, un­ter mei­nem Stan­de un­ter­hal­ten hät­te.«

»Ich bit­te um Ver­zei­hung, mei­ne Gnä­digs­te. Ei­nem ge­sell­schaft­lich voll­wer­ti­gen Be­such emp­fiehlt die Haus­frau viel­leicht, sich auf den Weg eine Zi­gar­re mit­zu­neh­men –, eine! Na­tür­lich ohne Be­to­nung. Eine Hand­voll zu ge­ben oder – zu neh­men, das deu­tet schon auf einen ge­wis­sen ge­sell­schaft­li­chen Ab­stand.«

»Sie sind wirk­lich der rei­ne Kri­mi­nal­kom­mis­sär, Da­go­bert!«

»Auf einen Ab­stand und doch auch auf eine ge­wis­se Sym­pa­thie.«

»Es ist auch ein ganz net­ter, lie­bens­wür­di­ger jun­ger Mann. Ha­ben Sie sonst noch et­was her­aus­ge­bracht?«

»O, noch eine gan­ze Mas­se! Ich leg­te mir die Fra­ge vor: Was kann das für ein jun­ger Mann sein, der so oft, viel­leicht täg­lich, ins Haus kommt, ohne dass es ir­gend­wie auf­fie­le? Die Ant­wort dar­auf war nicht schwer. Es konn­te nur ein Be­am­ter aus dem Büro Ihres Man­nes sein, wohl ei­ner, der die Auf­ga­be hat, je­den Tag am Abend dem Chef die Kas­sasch­lüs­sel oder den Ta­ges­rap­port zu über­brin­gen.«

»Er bringt al­ler­dings nach Ge­schäfts­schluss die täg­li­che Abrech­nung nach Haus. Mein Mann hat sich das so ein­ge­rich­tet.«

»Woran er sehr recht ge­tan hat. Das weiß ich üb­ri­gens nun auch. Denn ich war in­zwi­schen bei Ihrem Di­rek­tor.«

»Nein, was Sie nicht al­les trei­ben, wenn Sie eine Spur ver­fol­gen!«

»Man fängt ent­we­der nicht an, mei­ne Gnä­digs­te, oder man fängt an, dann aber muss man auch bis ans Ende ge­hen, sonst hät­te es kei­nen Sinn.«

»Und was ha­ben Sie bei dem Di­rek­tor aus­ge­rich­tet?«

»Al­les, was ich wün­schen konn­te.«

»Las­sen Sie hö­ren, Da­go­bert!«

»Ich sag­te ihm, dass ich ge­kom­men sei, einen jun­gen Mann zu pro­te­gie­ren –, er sol­le mich nur dem Chef nicht ver­ra­ten. Der Di­rek­tor lä­chel­te. Er wis­se ganz gut, dass, wenn ich vom Chef et­was wol­le, es von vorn­her­ein be­wil­ligt sei. Wohl mög­lich, gab ich zu, es wäre mir aber lie­ber, ihn nicht di­rekt um den Freund­schafts­dienst zu bit­ten. Der Di­rek­tor be­griff oder tat, als be­grif­fe er, und stell­te sich mir zur Ver­fü­gung.«

Um was han­delt es sich? frag­te er.

Sie ha­ben da einen jun­gen Mann im Kon­tor, er­wi­der­te ich, – na, wie heißt er doch nur? Ich habe so ein scheuß­li­ches Na­mens­ge­dächt­nis! Tut üb­ri­gens nichts; wer­de schon drauf­kom­men. Also ein auf­fal­lend großer jun­ger Mann mit lie­bens­wür­di­gen Ma­nie­ren – sonst hät­te er Ih­nen nicht ge­fal­len, mei­ne Gnä­digs­te –, mit ei­nem schö­nen schwar­zen Bart und gu­ten Zäh­nen. Abends bringt er ge­wöhn­lich dem Chef –

Ach, das ist ja un­ser Se­kre­tär Som­mer! un­ter­brach mich der Di­rek­tor.

Som­mer, na­tür­lich Som­mer! Dass mir der Name ent­fal­len konn­te! Se­hen Sie, lie­ber Di­rek­tor, Som­mer ist ja ein ganz be­gab­ter Mensch, aber er ist in der Kanz­lei, bei der Kor­re­spon­denz nicht am rich­ti­gen Plat­ze. Es fehlt die letz­te Ge­nau­ig­keit und Ex­akt­heit bei der Ar­beit. Da­ge­gen müss­te er sich vor­treff­lich ver­wen­den las­sen für den Ver­kehr mit den Par­tei­en. Ich weiß, dass Sie schon ge­rau­me Zeit nach ei­ner ge­eig­ne­ten Per­sön­lich­keit su­chen zur Lei­tung der Ver­kaufs­fi­lia­le in Graz. Wäre das nichts für Som­mer?

Der Di­rek­tor schlug sich mit der Hand auf die Stir­ne.

Don­ner­wet­ter, das ist eine Idee! Da su­chen wir uns die Au­gen aus dem Kop­fe und ha­ben den Mann in nächs­ter Nähe! Na­tür­lich ist Som­mer wie ge­schaf­fen da­für! Sie üben da nicht Pro­tek­ti­on an ihm, son­dern er­wei­sen uns einen Dienst mit Ihrem Vor­schlag. Er geht nach Graz. Die Sa­che ist ab­ge­macht.

»Sie se­hen, mei­ne Gnä­digs­te, ich war glück­lich ge­nug, ein we­nig Vor­se­hung spie­len zu kön­nen.«

»Aber Da­go­bert, wie konn­ten Sie die Be­haup­tung ris­kie­ren, dass der jun­ge Mensch nicht fürs Büro tau­ge?«

»Da war nichts ris­kiert da­bei. Ich ver­ließ mich auf mein biss­chen Psy­cho­lo­gie. Der rich­ti­ge Bü­ro­mensch ist im­mer mehr oder min­der – bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de – Pe­dant. Er wird es durch sei­ne Be­schäf­ti­gung, die un­aus­ge­setz­te mi­nu­zi­öse Ge­nau­ig­keit er­for­dert. Ein Pe­dant ist un­ser Freund nicht. Der rich­ti­ge Bü­ro­mensch beißt die Spit­zen der Zi­gar­ren nicht mit den Zäh­nen her­un­ter, son­dern er schnei­det sie säu­ber­lich ab mit dem Fe­der­mes­ser oder mit ei­ner be­son­de­ren Ma­schi­ne­rie, die er si­cher bei sich trägt, wenn er Zi­gar­ren­rau­cher ist. Und noch et­was tut der rich­ti­ge Bü­ro­mensch nicht. Er legt Zi­gar­ren­stum­mel nicht auf Mar­mor­ka­mi­ne. Er be­müht sich viel­mehr zum Aschen­be­cher und de­po­niert den Rest dort, im­mer be­strebt, dar­auf zu ach­ten, dass nicht et­was von der Asche da­ne­ben gehe. Un­ser sorg­lo­ser jun­ger Freund, der es mit ei­nem Zi­gar­ren­stum­mel nicht so ge­nau nimmt, wird es wahr­schein­lich auch mit der Bü­ro­ar­beit nicht gar zu ge­nau neh­men. Er hat’s nicht in sich!«

»Und dar­aus ha­ben Sie dann gleich ge­schlos­sen, dass er der rich­ti­ge Mann für den Par­tei­en­ver­kehr ist?«

»Nicht nur dar­aus, son­dern auch aus der Be­vor­zu­gung, die Sie ihm ha­ben zu­teil wer­den las­sen, mei­ne Gnä­digs­te. Er muss ein sehr an­ge­neh­mes Mund­werk ha­ben, wird wohl auch ein klei­ner Schwe­re­nö­ter sein. Das al­les ist ganz vor­treff­lich, wenn man mit der Kund­schaft in per­sön­li­che Berüh­rung zu tre­ten hat.«

»Ei­nes müs­sen Sie mir noch auf­klä­ren, Da­go­bert. Sie ha­ben sich be­müht, den jun­gen Mann weg­zu­brin­gen, weil Sie um mei­ne Tu­gend be­sorgt wa­ren?«

»Aber, Frau Vio­let! Sie wis­sen doch, wel­ches Ver­trau­en ich in Sie set­ze! Da ich aber wuss­te, dass die ab­gän­gi­gen Zi­gar­ren durch Ihre Hän­de ge­gan­gen wa­ren, und Sie dar­aus Ihrem Man­ne ge­gen­über ein Ge­heim­nis mach­ten, muss­te der Rau­cher not­wen­di­ger­wei­se ver­schwin­den. Das muss­te sein!«

»Ein Ge­heim­nis! Da steckt ja die Un­ge­schick­lich­keit von mir. Ich hat­te es mei­nem Man­ne nicht gleich ge­sagt; hat­te nicht dar­an ge­dacht, und als er dann eine Af­fä­re dar­aus mach­te, da wäre es so merk­wür­dig her­aus­ge­kom­men. Es wäre mir pein­lich ge­we­sen.«

»Gera­de­so habe ich es auf­ge­fasst, gnä­di­ge Frau … Für mich dürf­te üb­ri­gens der Wa­gen vor­ge­fah­ren sein. Soll­te der jun­ge Mann noch kom­men, sich zu ver­ab­schie­den, dann bie­ten Sie ihm zur Ab­wechs­lung eine Zi­gar­re von ei­ner an­de­ren Sor­te an, und dann wird die­se wich­ti­ge Af­fä­re für alle Zeit er­le­digt sein.«

Der Falschspieler

An­dre­as Grum­bach hat­te ei­gent­lich im­mer ein recht zu­rück­ge­zo­ge­nes Le­ben ge­führt. Sei­ne Ehe mit der Schau­spie­le­rin Moor­lank hat­te sich, ent­ge­gen der ur­sprüng­li­chen An­nah­me der ab­ra­ten­den Freun­de, zu ei­ner durch­aus un­ge­trüb­ten und glück­li­chen ge­stal­tet. Die blon­de Frau Vio­let führ­te das Haus­we­sen mit ta­del­lo­ser Sorg­falt und Ge­schick­lich­keit, und Grum­bach fühl­te sich zu Hau­se so wohl, dass er an be­son­de­re ge­sell­schaft­li­che Zer­streu­un­gen gar nicht dach­te, ob­schon viel­leicht Frau Vio­let nicht ab­ge­neigt ge­we­sen wäre. Sie war aber zu klug, da auf Än­de­run­gen zu drin­gen, wo oh­ne­dies al­les zu all­sei­ti­ger Be­frie­di­gung sich ab­wi­ckel­te.

Tags­über hat­te Grum­bach ge­nug zu ar­bei­ten, und da war es ihm doch am liebs­ten, wenn er die Aben­de in sei­nem Heim ver­brin­gen konn­te, das ihm Frau Vio­let mit al­ler Um­sicht, mit Takt und Ge­schmack ganz in sei­nem Sin­ne ein­ge­rich­tet hat­te. Ein­mal in der Wo­che be­such­te er sei­nen Klub, das war er sich schul­dig; und für einen Abend in der Wo­che hat­te er eine Loge in der Oper, das war er Frau Vio­let schul­dig. Sonst aber blie­ben sie fein zu Hau­se, wo es nach sei­ner Auf­fas­sung doch am schöns­ten war.

Gäs­te sa­hen sie sel­ten bei sich. Da­go­bert Trost­ler, der ge­dien­te Le­be­mann, der im ru­hi­gen Ge­nus­se sei­ner Ren­ten jetzt nur noch sei­nen Lieb­ha­be­rei­en leb­te, der zähl­te kaum mit. Er konn­te kom­men und ge­hen, wann er woll­te. Man war auf den al­ten Freund des Hau­ses im­mer vor­be­rei­tet, und er ge­hör­te so­zu­sa­gen zum Hau­se. Sei­ne großen Pas­sio­nen wur­den ja viel­fach be­lä­chelt, aber er war zu sehr Phi­lo­soph, um sich das son­der­lich an­fech­ten zu las­sen.

Für Grum­bachs war er ge­ra­de­zu un­ent­behr­lich ge­wor­den, schon durch die Macht der Ge­wohn­heit; aber auch sonst. Er war ein treu­er und sorg­li­cher Freund, auf den man sich in al­len Le­bens­la­gen un­be­dingt ver­las­sen kann­te. Er war aber auch der Mitt­ler für die Au­ßen­welt; er brach­te die Neu­ig­kei­ten des Ta­ges ins Haus, sorg­te da­für, dass man in Sa­chen der Kunst aus dem lau­fen­den blieb und wuss­te in ei­nem­fort al­ler­lei Räu­ber­ro­ma­ne und Kri­mi­nal­ge­schich­ten zu er­zäh­len, bei de­nen man sich auch ganz gut un­ter­hal­ten konn­te.

Die­ses Idyll hat­te aber nun ein Ende ge­fun­den, und Grum­bachs wur­den mit ei­nem Male hin­ein­ge­ris­sen in den Wir­bel des ge­sell­schaft­li­chen Le­bens der Reichs­haupt- und Re­si­denz­stadt, sehr ge­gen die Nei­gung des Man­nes, nicht so auch ge­gen die von Frau Vio­let, die da fand, dass sie nun erst die Rol­le spie­le, die ihr ei­gent­lich und von Rechts we­gen schon lan­ge ge­bührt hät­te.

Das war so ge­kom­men: Frei­herr Fried­rich von Eichs­tedt, der Chef der alt­be­rühm­ten Fir­ma Eichs­tedt & Rausch, war der ei­gent­li­che Be­grün­der des Klubs der In­dus­tri­el­len ge­we­sen und des­sen all­jähr­lich neu­ge­wähl­ter Prä­si­dent durch vol­le zehn Jah­re. Als die zehn Jah­re um wa­ren, wur­de das Ju­bi­lä­um un­ter groß­ar­ti­gen Ova­tio­nen ge­fei­ert. Es gab ein denk­wür­di­ges Ban­kett, zu dem auch die Da­men der Mit­glie­der ein­ge­la­den wa­ren, – die Toi­let­te von Frau Vio­let war se­hens­wert. Die große Über­ra­schung für den Prä­si­den­ten war die fei­er­li­che Ent­hül­lung sei­nes von Leo­pold Ho­ro­witz für den Sit­zungs­saal ge­mal­ten Por­träts. Er hat­te dem Künst­ler na­tür­lich dazu ge­ses­sen. Es wur­den pracht­vol­le Re­den ge­hal­ten, und al­les war sehr schön. Nur ei­nes schi­en be­dau­er­lich. Der Prä­si­dent woll­te nicht mehr. Er hat­te ge­nug; er woll­te durch­aus und durch­aus nicht mehr. Er habe sei­nen Dienst zehn Jah­re ge­macht, nun sol­le ein an­de­rer ’ran.

Es war nichts zu ma­chen, und in der nächs­ten Ge­ne­ral­ver­samm­lung wur­de ein­stim­mig zum Prä­si­den­ten – An­dre­as Grum­bach ge­wählt. Nun war sie da, die Be­sche­rung! Ab­leh­nen ging nicht. Zu Hau­se re­de­te Frau Vio­let zu, und sie hat­te sich so­gar hin­ter Da­go­bert ge­steckt, dass er ih­rem Mann die et­wai­gen Be­den­ken aus­trei­ben möch­te. Aber auch ohne das – es ging wirk­lich nicht, ab­zu­leh­nen. Die Wahl be­deu­te­te eine Aus­zeich­nung, die reich­lich auch einen ho­hen Or­den auf­wog. Der ers­te Klub der Stadt, der Klub der Mil­lio­näre, wie er im Volks­mund hieß! Der Mann, der da an die Spit­ze be­ru­fen wur­de, der stand da­mit ei­gent­lich an der Spit­ze der In­dus­tri­el­len über­haupt. Dazu muss­te ei­ner doch schon, fi­gür­lich ge­spro­chen, von gu­ten El­tern sein, das will be­sa­gen, dass sein per­sön­li­cher und ge­schäft­li­cher Ruf über al­len Zwei­fel er­ha­ben, sein Kre­dit ein un­be­schränk­ter und dement­spre­chend auch sein Reich­tum ein sehr wohl­fun­dier­ter sein muss­te. Für einen Ge­schäfts­mann war also eine sol­che Be­ru­fung nicht mehr und nicht min­der als ein Adels­brief.

Der­lei lehnt man nicht ab, zu­mal die Wür­de auch ihre Bür­de hat­te, wel­che die Über­nah­me in dop­pel­ter Hin­sicht als Ehren­pflicht er­schei­nen ließ. Es war be­kannt und durch die Amts­füh­rung des ers­ten Prä­si­den­ten förm­lich zur Tra­di­ti­on ge­wor­den, dass mit der Lei­tung des Klubs ganz er­heb­li­che ma­te­ri­el­le Op­fer ver­bun­den wa­ren. In Wien ha­ben die Klubs von je­her einen sehr schwe­ren Stand ge­habt. Die un­zäh­li­gen ele­gan­ten Kaf­fee­häu­ser, die Lon­don, der klas­si­sche Bo­den des Klub­we­sens, nicht hat, bie­ten da mit ih­ren An­nehm­lich­kei­ten und Be­quem­lich­kei­ten eine schier un­be­sieg­li­che Kon­kur­renz. Da­rum ve­ge­tie­ren denn auch alle Klubs nur not­dürf­tig und ar­bei­ten mit De­fi­zit, so­lan­ge es eben geht. Trotz­dem woll­ten die In­dus­tri­el­len ih­ren Klub ha­ben, und bei dem muss­te na­tür­lich von vorn­her­ein jeg­li­cher Zwei­fel an sei­nem Be­stan­de aus­ge­schlos­sen blei­ben. Da nun aber auch die In­dus­tri­el­len nicht zau­bern kön­nen, so ver­ließ man sich ru­hig dar­auf, dass der je­wei­li­ge Prä­si­dent schon für die Ehre des Hau­ses, also auch da­für sor­gen wer­de, dass da kein De­fi­zit zum Vor­schein kam.

Die Mit­glieds­bei­trä­ge wa­ren recht an­sehn­lich, zwei­hun­dert Gul­den jähr­lich, und dazu ka­men noch Ein­nah­men aus den Kar­ten­gel­dern, die im Jah­re doch an die zwan­zig­tau­send Gul­den aus­mach­ten. Aber auch an Aus­ga­ben fehl­te es nicht. Zehn­tau­send Gul­den Mie­te, zehn­tau­send Gul­den das Per­so­nal, zehn­tau­send Gul­den für Hei­zung, Be­leuch­tung, Zei­tun­gen und sons­ti­ge An­schaf­fun­gen, zehn­tau­send Gul­den Ver­lust bei Kü­che und Kel­ler; denn es muss­te al­les erst­klas­sig und da­bei bil­lig sein, um die Mit­glie­der her­an­zu­lo­cken und zu­sam­men­zu­hal­ten. Und so ging das fort. Da läp­pern sich die Aus­ga­ben doch schon zu­sam­men.

Mit all die­sen Sor­gen war nun An­dre­as Grum­bach be­la­den, und das war noch nicht ein­mal al­les. Die neue Wür­de leg­te auch Re­prä­sen­ta­ti­ons­pflich­ten auf, vor de­nen er frü­her so schön Ruhe ge­habt hat­te. Frü­her hat­te er so be­quem ab­seits ge­ses­sen, und nun riss ihn der ge­sell­schaft­li­che Strom mit. Gab der Mi­nis­ter des Kai­ser­li­chen Hau­ses und des Äu­ße­ren einen Rout oder der Mi­nis­ter­prä­si­dent eine Soi­ree, wur­de ein Denk­mal ent­hüllt oder ein Ge­ne­ral be­gra­ben, eine Schu­le ein­ge­weiht oder eine Aus­s­tel­lung er­öff­net, – der Prä­si­dent des Klubs der In­dus­tri­el­len wur­de ein­ge­la­den und muss­te da­bei sein, was dann na­tür­lich auch im­mer zum ewi­gen Ge­dächt­nis ins Pro­to­koll­buch der Vor­stands­sit­zun­gen ein­ge­tra­gen wur­de. Dann ka­men auch noch die pri­va­ten Ein­la­dun­gen, für die man sich re­van­chie­ren muss­te. Kurz, es ging recht bunt zu, und Frau Vio­let war’s sehr zu­frie­den.

Die Haupt­schuld an al­lem trug ei­gent­lich Baron Eichs­tedt. Erst­lich ein­mal, weil er über­haupt das Prä­si­di­um nie­der­ge­legt hat­te, und zwei­tens, weil er sich in Frau Vio­let ganz ver­liebt hat­te – na­tür­lich und selbst­ver­ständ­lich in al­len Ehren. Das war die Dame, wie er sich sie schon lan­ge ge­wünscht und lan­ge ge­sucht hat­te. Sei­ne ei­ge­ne Frau war ihm schon vor zwölf Jah­ren ge­stor­ben, und seit der Zeit hat­te al­les ge­sell­schaft­li­che Le­ben in sei­nem Hau­se ge­ruht. Er hat­te sich ganz sei­nem Klub ge­wid­met, der ihm das Heim er­setz­te. Nun reg­te sich aber doch das Ge­wis­sen in ihm; das muss­te an­ders wer­den. Als sei­ne Frau ge­stor­ben war, hat­te sie ihm ein ein­zi­ges Kind hin­ter­las­sen, eine klei­ne Toch­ter, Gretl. Das war jetzt eine jun­ge Dame von acht­zehn Jah­ren, an de­ren Zu­kunft man doch den­ken muss­te. Er muss­te Leu­te bei sich se­hen, und er muss­te das Mäd­chen in die Welt ein­füh­ren. Dazu brauch­te er eine be­freun­de­te Dame, die lie­bens­wür­dig ge­nug war, an sei­ner Sei­te in sei­nem Hau­se bei fest­li­chen An­läs­sen mit die Hon­neurs zu ma­chen und au­ßer Hau­se sei­ne Toch­ter mit der nö­ti­gen An­mut und Wür­de zu cha­pe­ro­nie­ren.1 Weit und breit hät­te er da kei­ne ge­eig­ne­te­re Per­sön­lich­keit fin­den kön­nen als Frau Vio­let. Das war eine Dame von Welt, die sich an­zu­zie­hen, sich zu be­neh­men und zu re­prä­sen­tie­ren wuss­te, und da­bei war sie nie­mals steif und lang­wei­lig, son­dern im­mer gut auf­ge­legt und mun­ter. Gretl konn­te von ihr schon et­was ler­nen. Dass sie Schau­spie­le­rin ge­we­sen, tat ihr ge­sell­schaft­lich kei­nen Ab­bruch. Wenn es an­fäng­lich viel­leicht hier und da Be­den­ken ge­ge­ben ha­ben moch­te, so hat­te die­se das Schwer­ge­wicht des ge­sell­schaft­li­chen An­se­hens ih­res Man­nes doch sehr bald bei­sei­te ge­drückt.

Da­go­bert Trost­ler tat bei al­le­dem im­mer mit. Grum­bach hät­te ihn um kei­nen Preis auf­ge­ge­ben, und auch Frau Vio­let war so an ihn ge­wöhnt, dass er ihr sehr ge­fehlt hät­te. Er hat­te also, als Grum­bach Prä­si­dent wur­de, nicht nur in den Klub ein­zu­tre­ten, er muss­te es sich auch ge­fal­len las­sen, auf Vor­schlag des Prä­si­den­ten in den Aus­schuss ko­op­tiert zu wer­den. Die Freund­schaft war eine no­to­ri­sche, und man rich­te­te sich da­nach. Man wuss­te, dass man dem Herrn Prä­si­den­ten ge­fäl­lig sei, wenn man mit ihm auch sei­nen Freund ein­lud.

Wie je­dem großen Ma­nö­ver die Kri­tik folgt, so folg­te je­der mit­ge­mach­ten Un­ter­hal­tung, und wenn man noch so spät heim­kehr­te, im Hau­se Grum­bach die kri­ti­sche Be­spre­chung der­sel­ben. Da­go­bert muss­te im­mer noch »auf einen klei­nen Schwar­zen und eine Zi­gar­re« mit­fah­ren. Frau Vio­let woll­te es so. Man kön­ne doch nicht gleich schla­fen ge­hen. Ein klei­ner Plausch, ein klei­ner Tratsch, ein bis­serl Leut­aus­rich­ten – das be­ru­higt die Ner­ven wun­der­bar.

So sa­ßen die drei wie­der ein­mal zu nächt­li­cher Stun­de bei­sam­men und üb­ten Ma­nö­ver­kri­tik an der eben ab­sol­vier­ten Soi­ree bei Eichs­tedts.

»Es war doch sehr hübsch«, be­merk­te Frau Vio­let, die da al­ler­dings in­ter­es­sier­te Par­tei war.

»Es war ta­del­los«, be­kräf­tig­te Da­go­bert, sei­nen Schwar­zen schlür­fend. »Sie wa­ren ein­fach be­wun­de­rungs­wür­dig, Frau Vio­let, wie Sie die Hon­neurs mach­ten.«

»Mein Gott, es ist so schwer, wenn so vie­le Leu­te da sind!«

»Ja, ein we­nig zu voll war es doch wohl.«

»Sie ha­ben sich dar­über nicht zu be­kla­gen, Da­go­bert. Sie lie­gen ja im­mer auf der Lau­er mit Ihren Beo­b­ach­tun­gen. Je mehr Leu­te, de­sto bes­ser für Sie.«

»Das ist nicht rich­tig, Frau Vio­let. Es be­ob­ach­tet sich bes­ser, wenn das Ge­wühl nicht so groß ist.«

»Also gar kei­ne Aus­beu­te heu­te?«

»O doch, eine Klei­nig­keit schon! Ich möch­te wis­sen, ob sie ihn auch liebt.«

»Sie ha­ben so eine merk­wür­di­ge Art, Da­go­bert, die Leu­te mit un­ver­mit­tel­ten Fra­gen und Be­haup­tun­gen zu über­rum­peln. Wer soll wen lie­ben? Und wie soll ich das wis­sen?«

»Nicht so un­ver­mit­telt, wie es scheint, Gnä­digs­te. Ich lie­be es nur, ge­le­gent­lich das Be­kann­te als be­kannt vor­aus­zu­set­zen und mich da­mit nicht wei­ter auf­zu­hal­ten. Ich mei­ne wirk­lich, dass, wenn je­mand es wis­sen könn­te, Sie es sein müs­sen.«

»Et­was deut­li­cher, wenn ich bit­ten darf!«

»Ich habe im Vor­zim­mer, als wir weg­gin­gen, eine hüb­sche klei­ne Sze­ne be­ob­ach­tet. Eine Schau­spie­le­rin hät­te da­von ler­nen kön­nen.«

»Sie ma­chen mich neu­gie­rig, Da­go­bert.«

»Die Die­ner­schaft half den Herr­schaf­ten in die Über­klei­der. Ein jun­ger Mann, un­zwei­fel­haft der hüb­sche­s­te in der gan­zen Ge­sell­schaft – er hat so schö­ne me­lan­cho­lisch-träu­me­ri­sche Au­gen –«

»Ich weiß schon – Baron An­dré, der klei­ne At­taché.«

»Bei wel­cher Ge­sandt­schaft?«

»Bei kei­ner vor­läu­fig. Er ist Di­plo­mat von Be­ruf und war­tet nun hier dar­auf, dass ihn sei­ne Re­gie­rung nach Pe­ters­burg oder Ma­drid di­ri­gie­re.«

»Gut. Ich be­merk­te also, dass die­ser jun­ge Mann nicht ohne Ge­schick­lich­keit so ma­nö­vrier­te, dass nicht ei­ner der sechs La­kai­en dazu kam, ihm beim An­zie­hen be­hilf­lich zu sein, son­dern das ein­zi­ge im Vor­zim­mer an­we­sen­de Stu­ben­mäd­chen.«

»Die war ei­gent­lich da, um den Da­men zu hel­fen.«

»Ver­ste­he voll­kom­men. Kein schlech­ter Ge­schmack; hät­te mir auch lie­ber von ihr hel­fen las­sen. Ich be­ob­ach­te­te wei­ter. Und nun kommt die klei­ne Sze­ne; sie war al­ler­liebst. Er drückt ihr et­was in die Hand, das Trink­geld. Da hät­ten Sie das Ge­sicht des Kam­mer­kätz­chens se­hen sol­len; es war zu rei­zend. Im ers­ten Mo­ment Ver­blüf­fung, ei­si­ge Käl­te, ja ge­ra­de­zu Ent­rüs­tung. Dann ein ra­scher Blick und dar­auf so­fort hells­ter Son­nen­schein. Rasch fuhr die ord­nen­de Hand noch ein­mal über sei­nen Überr­rock, dann ein freund­li­ches Lä­cheln und eine de­vo­te Ver­beu­gung. Das Mä­del hat mir ge­fal­len!«

»Wenn sie Ih­nen nur ge­fal­len hat, Da­go­bert! Und was hat es wei­ter auf sich mit Ihren in­ter­essan­ten Vor­zim­mer­stu­di­en?«

Frau Vio­let sag­te das in nicht ge­ra­de sehr gnä­di­gem Tone. Freund Da­go­bert hät­te wis­sen kön­nen, dass man bei ei­ner schö­nen Frau, viel­leicht bei ei­ner Frau über­haupt, sehr sel­ten Glück da­mit hat, wenn man über ein an­de­res weib­li­ches We­sen be­son­ders ent­zückt ist. Und nun erst, wenn die­ses an­de­re We­sen ein Stu­ben­mäd­chen ist! Erns­te For­scher sind zwar längst dar­über ei­nig, dass un­ter Um­stän­den auch Stu­ben­mäd­chen ihre äs­the­ti­schen Vor­zü­ge ha­ben kön­nen, aber über ge­wis­se Din­ge ist mit Frau­en ein­mal nicht zu re­den.

»Ich mei­ne«, fuhr Da­go­bert fort, »dass die­ses wech­seln­de und aus­drucks­vol­le Mie­nen­spiel ei­ner Künst­le­rin auf der Büh­ne einen Spe­zi­al­applaus ein­ge­tra­gen ha­ben wür­de. Wäh­rend der Fahrt zu Ih­nen, mei­ne Gnä­digs­te, habe ich mir die Sa­che dann zu­recht­ge­legt. Die Zofe hat in ih­rer Hand zu­erst die klei­ne Mün­ze ge­spürt. Darob die ge­rech­te Ent­rüs­tung. Der ra­sche Blick be­lehr­te sie, dass es kei­ne klei­ne Mün­ze, son­dern ein Gold­stück war. Da­rauf­hin –«

»Er­lau­ben Sie, lie­ber Da­go­bert«, un­ter­brach ihn Frau Vio­let ein we­nig un­ge­dul­dig, »Ihre Trink­geld­phi­lo­so­phie mag ja recht in­ter­essant sein, aber ei­gent­lich ist es doch nicht das, was ich von Ih­nen wis­sen woll­te.«

»Ich bin ganz bei der Sa­che, mei­ne Gnä­digs­te, aber man muss einen Men­schen doch aus­re­den las­sen. Gold­stücke als Trink­gel­der sind bei uns nicht recht ge­bräuch­lich. In äl­te­ren Opern und Tra­gö­di­en wirft man der Die­ner­schaft noch einen Beu­tel Ze­chi­nen hin, aber das ist nicht mehr mo­dern. Heu­ti­ges­tags sind nur noch die fran­zö­si­schen Dra­ma­ti­ker be­son­ders ver­schwen­de­risch. Die las­sen ihre Hel­den ge­wöhn­lich einen un­ge­heu­ern Auf­wand trei­ben – aus eine Mil­li­on mehr oder we­ni­ger kommt es ih­nen gar nicht an –, und na­ment­lich las­sen sie sie gern rie­si­ge Trink­gel­der ver­tei­len. In un­se­rem bür­ger­li­chen Ge­sell­schafts­le­ben ist das nicht Stil. Wir ge­ben einen Sil­ber­gul­den, und ich mei­ne –«

»Aber – Da­go­bert!!!«

»Wer­den Sie mir nur nicht un­ge­dul­dig, mei­ne Gnä­digs­te!«

»Wie soll da aber ein Mensch auch nicht un­ge­dul­dig wer­den! Sie woll­ten von ei­nem Her­zens­ro­man spre­chen, bei dem ich eine Rol­le spie­len soll­te, und nun hal­ten Sie mir einen Vor­trag – über Trink­gel­der!«

»Ich sag­te, dass ich mir die Sa­che im Wa­gen zu­recht­ge­legt habe. Die Trink­geld­ge­schich­te hat mich erst auf die rich­ti­ge Fähr­te ge­bracht. Der jun­ge Mann ist nicht dumm –«

»Hat auch nie­mand be­haup­tet!«

»Und geht sehr me­tho­disch vor. Baro­nin Gretl ist die an­mu­tigs­te und lie­bens­wür­digs­te jun­ge Dame, die ich ken­ne. Wer hat ihn denn ei­gent­lich in die Ge­sell­schaft ein­ge­führt?«

»Gretls Vet­tern, Fredl, der Ka­val­le­rist, und Gustl, der Mi­nis­te­ri­al­se­kre­tär, mit de­nen er in­tim be­freun­det ist. Sie müs­sen ihn üb­ri­gens auch vom Klub her ken­nen, wo er, seit­dem er hier ist, als Gast ein­ge­schrie­ben ist.«

»Er war mir noch nicht aus­ge­fal­len. Also er geht me­tho­disch vor. Er liebt Baro­nin Gretl, und das ist ihm si­cher zu ver­den­ken.«

»Wo­her wis­sen Sie das, Da­go­bert?«

»Zu­erst be­merk­te ich es dar­an – aber Sie dür­fen nicht böse wer­den – wie er Ih­nen den Hof mach­te, gnä­digs­te Frau.«

»Mir?!«

»Ih­nen. Al­ler­dings. Das war ganz rich­tig kal­ku­liert. Sie ver­tre­ten dort die Haus­frau und, wie ich gleich hin­zu­fü­gen will, mit be­wun­de­rungs­wür­di­ger Gra­zie und un­ver­gleich­li­cher Um­sicht. Er hat Ihren Ein­fuß nicht zu hoch ein­ge­schätzt. Sei­ne Chan­cen stün­den schlecht, wenn er Sie ge­gen sich hät­te. Er hat­te sich also an Sie her­an­ge­macht und, wie ich mit Ver­gnü­gen be­merkt habe, nicht ohne Er­folg.«

»Was wol­len Sie da­mit sa­gen, Da­go­bert?«

»Was ich ge­sagt habe. Sie ha­ben ihn in Ihr Herz ge­schlos­sen.«

»Weil er ein rei­zen­der Mensch ist.«

»Das sage ich auch. Es lässt sich nichts Hüb­sche­res und Lie­bens­wür­di­ge­res den­ken als die Art, wie Sie, gnä­di­ge Frau, trotz der viel­sei­ti­gen In­an­spruch­nah­me die bei­den Leut­chen wohl­wol­lend zu be­mut­tern wuss­ten.«

»Habe ich da­mit et­was Un­rech­tes ge­tan?«

»Ge­wiss nicht. Mir war es eine spe­zi­el­le Freu­de, zu se­hen, wie sich auch bei Ih­nen der echt weib­li­che Trieb, Ehen zu stif­ten, be­tä­tig­te.«

»Und was hat bei al­le­dem – das Trink­geld zu tun?«

»Nicht viel mehr, als dass es mich auf ei­ni­ge Ide­en ge­bracht hat. Ich hät­te sonst kaum über die gan­ze Ge­schich­te wei­ter nach­ge­dacht. Metho­disch – sag­te ich. Sie wa­ren ge­won­nen. Ir­gend­ein Lüm­mel von den La­kai­en hät­te ihm kaum et­was nüt­zen kön­nen, da­ge­gen kann die Zofe un­ter Um­stün­den eine ganz ver­wend­ba­re Bun­des­ge­nos­sin wer­den.«

Nun war auch Frau Vio­let be­frie­digt. Es hat­te ihr doch ge­fal­len, wie Da­go­bert all das her­aus­ge­bracht hat­te, wo­von sie ge­glaubt hät­te, dass es noch kein Mensch be­merkt habe. –

Ei­ni­ge Tage spä­ter be­fand sich Da­go­bert wie­der im Grum­bach­schen Hau­se. Sie wa­ren nur zu dritt bei Tisch ge­we­sen, dann be­ga­ben sie sich ins Rauch­zim­mer, wo Frau Vio­let sich’s auf ih­rem Lieb­lings­plätz­chen beim Ka­min be­quem mach­te, wäh­rend die bei­den Her­ren sich am Rauch­ti­sche ein­rich­te­ten. Man saß erst eine Wei­le schwei­gend, und dann be­gann Da­go­bert mit ganz harm­lo­ser Mie­ne, als spre­che er von der na­tür­lichs­ten und selbst­ver­ständ­lichs­ten Sa­che der Welt: »Weißt du üb­ri­gens, mein lie­ber Grum­bach, dass in dei­nem Klub falsch ge­spielt wird?«

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591 стр. 2 иллюстрации
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9783962818814
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