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Читать книгу: «Teufel Marietta»

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Teufel! Marietta!!
Eine verflixte Geschichte

Erstes Kapitel

»Ich bin fertig, Herr Doktor,« sagte Liselotte, während die gutgepflegten, schlanken Finger noch über die Tasten der Maschine fegten.

Und Ernst Günther, der deutsche Dichter, erwiderte:

»Wie weit waren wir?« Liselotte nahm den Kopf hoch; ein feines, schmales Gesicht kam zum Vorschein; sie blätterte in den Papieren die neben ihr lagen, und las:

»Entsetzen packte ihn, er schüttelte erst sich, dann Thea, die mit einem hellen Aufschrei in die Höhe fuhr und rief laut: »Elender!« dann fiel sie bewußtlos in seine Arme.«

»Sehr wirksam!« entschied Günther, stand auf, steckte die Hände in die Taschen und ging im Zimmer umher. Plötzlich blieb er vor Liselotte, die sich in das Manuskript vertieft hatte, stehen und fragte laut:

»Oder finden Sie nicht?«

Im Liselotts Blick stand die Antwort.

»Ach, Herr Doktor,« erwiderte sie, »mir ist schon ganz heiß! – das arme Mädchen!« – Sie stützte den Kopf auf die Hand, seufzte und sagte schwer:

»Die Männer sind doch zu schlecht!«

Ernst lächelte zufrieden:

»So also hat Sie’s gepackt?« fragte er froh. Und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort. »Ich bin heut in Stimmung: schnell, fahren wir fort!« Liselotte unterdrückte ihre Gefühle und beugte sich wieder über die Maschine, Günther fuhr sich mit der Hand durchs Haar und diktierte:

»Thea,« sagte er, als sie wieder zu sich kam – und seine Stimme klang weich wie die eines Kindes – »Thea, ich liebe dich ja trotz alledem.« Aber sie stieß ihn zurück. »Siehst du nicht, wie du alles in mir aufgewühlt hast?«

». . . aufgewühlt hast!« wiederholte Liselotte bewegt, hob den Kopf für einen Augenblick hoch, schloß die Augen und sagte: »Herrlich!«

Aber Günther war einmal im Zuge:

»Glaubst du, ich kann so leicht vergessen?« —

»Aber freilich – und in ihrem Ton lag Verzicht auf alles – was weißt denn du von Frauenwürde?«

Und abermals vergaß sich Fräulein Liselotte und rief: »Wie schön! wie echt.«

»Schreiben Sie!« mahnte Günther, trat einen Schritt vor und beendete den Satz:

»Du Mann du!«

Die Worte standen kaum auf dem Papier, da fragte Günther:

»Meinen Sie, das Publikum erwartet nun eine Versöhnung zwischen Thea und Alexander?«

»Das kommt drauf an,« erwiderte Liselotte.

»Worauf?« fragte er.

»Nun,« sagte sie zögernd. »Ich meine, es kommt drauf an, und welcher Zeit das spielt.«

Günther verstand sie nicht.

»Wenn es Abend wäre,« erläuterte Liselotte – »oder wenn diese Szene sich gar in Theas Schlafzimmer abspielte . . .«

»Was wäre dann?« fragte Günther.

»Nun, ich glaube wohl – wir Frauen sind ja nun euch Männern gegenüber schwach —, daß Thea sich dann versöhnen ließe.«

Günther war, was seine Person anging, davon überzeugt. Er trat an Liselotte heran und erklärte:

»Fräulein Liselotte, Sie sind die intelligenteste und feinfühlendste Schreibmaschinendame, die ich je besessen habe.«

»Nicht, daß ich wüßte!« sagte sie beschämt.

»Sie mißverstehen mich,« sagte er freundlich. Aber Liselotte brach das Gespräch ab und erklärte:

»Ich weiß schon.«

Um so besser, dachte Günther und vertiefte sich wieder in seine Arbeit.

»Auf welcher Seite sind Sie?« fragte er. Liselotte sah nach:

»Auf Seite dreihundertfünfzig.«

»Hm!« sagte Günther und berechnete halblaut.

Dreihundertdreißig Schreibmaschinenseiten, das macht etwa zweihundertsechzig Druckseiten – mehr als drei Mark soll das Buch nicht kosten – also dürfen es höchstens noch dreißig Seiten werden. – Schade! der Konflikt wäre ganz amüsant geworden – aber schließlich geht’s auch so. – Thea wird sich also versöhnen. – Ziehen wir die Gardinen zu. Zünden wir die Lampen an, lassen wir es Abend werden.«

Liselotte sah begeistert zu ihm auf.

»Was ist Ihnen?« fragte Günther.

»Ach Herr Doktor!« erwiderte Liselotte schwärmerisch, »ein Schriftsteller kommt doch von allen Menschen Gott am nächsten.«

»Wieso meinen Sie das?« fragte Günther geschmeichelt.

»Sie können die Sonne auf- und untergehen und es Tag und Nacht werden lassen, wann Sie wollen. Sie können arme Menschen reich werden, Millionäre hungern lassen. Von Ihnen hängt es ab, ob Ihre Heldin schließlich den Mann bekommt, den sie liebt, oder ob sie an gebrochenem Herzen stirbt.« – Und mit einem schweren Seufzer fügte sie hinzu: »Ach wenn unsereins das doch auch so in seiner Hand hätte!«

Aber Günther war mit seinen Gedanken schon längst wieder bei der Arbeit.

»Also weiter! – schreiben Sie!« sagte er unruhig und diktierte:

»Das Licht der roten Ampel fiel . . .«

»Nein, Herr Doktor!« unterbrach ihn Liselotte und blätterte zurück – »das geht nicht.«

»Warum soll das nicht gehen?« fragte Günther ärgerlich.

»Weil es unmittelbar vorher heißt: Die ersten Sonnenstrahlen des jungen Tages fielen wie die Verheißung eines großen Glückes auf die beiden Liebesleute!«

»Allmächtiger!« rief Günther, »da haben Sie recht. Man kann nicht Morgen und Abend in dieselbe Stunde fallen lassen. – Hm? was macht man da?« fragte er sich und ging umher – »das muß durchdacht sein – Schade! das mit den Ampeln hätte sich ganz nett gemacht.«

Aber Liselotte entschied sich für die ersten Sonnenstrahlen, die wie die Verheißung eines jungen Glücks auf die Liebesleute fielen, und drang bei Günther damit durch.

»Sie haben recht! Im übrigen, für heute ist es genug.«

Liselotte packte zusammen, stand auf und ging zur Tür. Und mit einem Blick, der mehr als freundlich war, sagte sie:

»Guten Abend, Herr Doktor.«

»Halt!« rief Günther und trat ihr in den Weg.

»Muß ich Sie schon wieder an den §7 Ihres Dienstvertrages erinnern?«

Und während er leicht den Arm um ihre Taille legte, deklamierte Liselotte, indem sie bei jedem Worte den hübschen Kopf ein Stückchen weiter nach rückwärts bog.

»Des Morgens und des Abends muß

ich laut dem Paragraphen sieben

– blieb er aus Takt auch ungeschrieben —

dem Meister geben einen Kuß.«

Also!« sagte Günther, »werden Sie nicht kontraktbrüchig,« und drückte ihr, deren Kopf jetzt fest auf seiner Schulter lag, einen herzhaften Kuß auf die Lippen.

Dann sahen beide ängstlich zur Tür, und Liselotte ging mit einer Würde, die nichts von alledem verriet, hinaus. Auch Günther suchte den Eindruck dieser Abschiedszene zu verwischen, fuhr sich mit dem Taschentuch über den Mund, nahm das Manuskript von der Maschine, ging damit zum Schreibtisch und saß kaum, als draußen die Klingel ging.

»Eine Dame möchte den Herrn Doktor sprechen,« meldete das Mädchen.

»Habe ich Ihnen nicht ausdrücklich gesagt, ich empfange keine Damen,« rief Günther – »das heißt solange meine Frau im Hause ist. Das schickt sich nicht! Morgen fährt meine Frau wieder aufs Land zu ihren Eltern – dann ist es natürlich was andres. Sagen Sie der Dame, sie soll morgen wiederkommen —, natürlich nur, wenn sie jung und hübsch ist.«

Das Mädchen grinste.

»Was gibt es dann da noch zu lachen?« fragte Günther.

»Aber das ist doch nicht so Eine,« sagte sie.

»Was für Eine?« fragte Günther.

»Na, das Gegenteil von so Eine – irgend sone Schwester.«

»Eine Schwester?« sagte Günther erstaunt. »Das ist ja nicht möglich! Bestimmt hat sie sich in der Hausnummer geirrt.«

»Nee!« erwiderte das Mädchen und schüttelte den Kopf. »Sie wünscht ausdrücklich den Schriftsteller Dr. Ernst Günther Elsner zu sprechen.«

»Das bin ich!« bestätigte Günther.

»Außerdem is se janich so uneben,« meinte das Mädchen und sah Günther so harmlos wie nur möglich an.

»Das lassen Sie bitte mich entscheiden!« erwiderte Günther. »Aber neugierig bin ich doch, wie ich zu solchem Besuche komme.«

»Soll se also rein?« fragte das Mädchen.

»Ja,« erwiderte Günther.

Das Mädchen war kaum draußen, da schob er hastig den Schreibtisch auf, holte Spiegel und Bürste hervor, dachte: auf alle Fälle! man kann nie wissen! – machte sich schön – setzte sich in Positur – stellte sich schreibend – schielte dabei aber fortgesetzt zur Tür und tat, als wenn er die eben eintretende Schwester Agate, die, wie er sofort feststellte, wirklich hübsch und jung war, nicht sähe.

Die aber ging ohne Gene schnurstracks auf den Schreibtisch zu und sagte mit fester Stimme:

»Verzeihung, Herr Doktor, wenn ich störe.«

Günther tat erstaunt und sah sie groß an.

»Stehen Sie schon lange da?« fragte er.

»Ich trete in diesem Augenblick ins Zimmer,« erwiderte sie.

»Dann bin ich beruhigt,« erwiderte Günther und bat sie, Platz zu nehmen. Und er vervollständigte sein Urteil dahin, daß diese Agate nicht nur eine bildhübsche Person, sondern bestimmt gar keine fromme Schwester war, vielmehr eine der vielen Verehrerinnen seiner Muse, die von seiner Ehe wußte und es daher vorzog, in dieser Maske bei ihm einzudringen – was er erfinderisch und zugleich taktvoll fand. Und mit dieser Erkenntnis verband er den stillen Wunsch, daß seine Frau dies ungewöhnliche Schäferstündchen nicht stören möge.

Und da Agate noch immer stand, so wiederholte er, diesmal schon ohne Scheu und ganz im Ton des gewandten Weltmanns:

»Aber so nehmen Sie doch Platz, gnädigste . . .« und fügte mit einem verständnisvollen Blick hinzu – »Frau oder Fräulein, wenn ich fragen darf?« Worauf prompt die Antwort kam:

»Weder – noch.«

Und mit einem Gesicht, das nicht übermäßig gescheit war, sagte Günther:

»Na, erlauben Sie mal, das eine oder das andre werden Sie doch wohl sein müssen.«

»Nein!« erwiderte Agate, und Günther sperrte den Mund auf und fragte:

»Sondern?«

»Ich bin die Oberschwester des Heims Caritas.« Günther war sofort im Bilde; oder er glaubte doch, es zu sein. Natürlich! dachte er, sie läßt ihre Maske auch vor mir nicht fallen; und es ist ein Gebot der Höflichkeit und schließlich auch – und dabei dachte er an seine Frau, die jeden Augenblick ins Zimmer treten konnte – der Vorsicht, darauf einzugehen.

»Aber selbstverständlich!« sagte er verschmitzt, »Sie sind ja die Oberschwester des Heims Caritas. Ich sehe! ich verstehe! wie konnte ich das auch übersehen, gnädigste . . . Schwester.«

»Schwester Agate, bitte!« verbesserte sie seine eigentümliche Anrede.

»Agate?« wiederholte Günther und zog ein Gesicht. »Warum ausgerechnet Agate? wo Sie doch die Auswahl hatten.«

»Sie irren,« erwiderte Agate, »wir behalten auch als Schwestern unsere Mädchennamen bei.«

»So! so! Sie heißen also auch im bürgerlichen Leben Agate? – Agate,« wiederholte er gedehnt und suchte sich des Namens zu erinnern. Aber es gelang ihm nicht, ihn in irgend einen Zusammenhang mit seiner Vergangenheit zu bringen. Und so fragte er denn: »Vermutlich interessieren Sie sich für meine Schriftstellerei, gnädigste Schwester Agate?«

»Gewiß!« erwiderte sie »ich habe fast jedes Ihrer Bücher gelesen.«

Und Günther warf sich in die Brust und fragte:

»Und Sie haben sämtlich Ihren Beifall?«

Agate zögerte.

»Wenn ich ehrlich sein darf . . .«

»Das dürfen Sie.«

»Nun denn: nein!«

Günther zuckte zusammen.

»Zumal Ihren letzten Roman fand ich . . .«

»Nun, wie fanden Sie ihn?« drängte Günther.

»Gradezu unmoralisch!« platzte Agate heraus.

»Sehen Sie mal an,« sagte Günther gereizt und richtete sich auf. »Aber künstlerisch hatten Sie doch wohl nichts an ihm auszusetzen?« – Und da Agate schwieg, so fuhr er fort: »Oder am Ende doch? Das würde mich interessieren zu hören – nun! Sie dürfen ganz offen zu mir sein. Ich bin nicht empfindlich.«

Und Agate, die nicht lügen konnte, sagte:

»Ich habe ihn nicht zu Ende gelesen – ich habe nach den ersten hundert Seiten aufgehört – es war mir nicht möglich . . .«

»Sehen Sie mal an!« rief Günther und sprang auf.

»Ich bin gewiß nicht eitel, aber da muß ich doch sagen: dazu also kommen Sie hierher, um mir das zu sagen? Wissen Sie, daß ich das zum mindesten rücksichtslos finde?«

Agate erschrak.

»Ich hatte durchaus nicht die Absicht. . . . aber Sie fragten mich . . . .«

»Bitte, bemühen Sie sich nicht!« fiel er ihr ins Wort. »Ich dachte, Sie wären, wie tausend andre, hierher gekommen, weil es Sie drängte den Verfasser der »Leuchtenden Seele« und der »Sterbenden Liebe« kennen zu lernen. – Statt dessen kommen Sie hierher, sagen mir Grobheiten und glauben, dadurch Eindruck auf mich zu machen.«

Agate versuchte, zu widersprechen; aber er winkte ab.

»Nein! nein!! verehrte Frau, ich bin in erster Linie Dichter. Und eine Frau kann noch so schön und geistreich sein – wenn sie meinen Dichtungen nicht das nötige Verständnis entgegenbringt, läßt sie mich kalt.«

Agate stand sprachlos.

Und mit erhobener Stimme fuhr er fort:

»Der Weg zu meinem Herzen führt durch meine Romane. – Und nun bitte ich Sie, gnädige Frau, legen Sie Ihre Maske ab, gehen Sie nach Haus zu Ihrem Gatten und kehren Sie nicht eher zu mir zurück, als bis Sie in den Geist meiner Dichtungen eingedrungen sind! – Dann will ich sehen, ob ich Ihre Liebe erwidern kann.«

Das ging Agaten denn doch zu weit:

»So lassen Sie mich doch endlich auch einmal zu Worte kommen,« rief sie empört. »Ich bin ja Ihres Kindes wegen hier!!«

»Waaaas?« fuhr Günther auf und faßte sich an den Kopf. »Meines Kindes wegen? – Ja – ich habe ja – gar keine Kinder.«

Aber Agate sah ihm scharf in die Augen und sagte: »Doch!!«

Da wies Günther hilfesuchend zur Tür und sagte ängstlich:

»So fragen Sie dort meine Frau, die wird es Ihnen bestätigen.«

»Um Gottes willen!« rief Agate »Sie sind verheiratet?« – und als sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte, fügte sie hinzu: »Von Ihrer Frau ist das Kind freilich nicht.«

»Ach so!« sagte Günther und ließ seinen Blick teilnahmsvoll auf Agate ruhen. »Ja – dann! das ist natürlich möglich – man ist ja schließlich nur ein Mensch!« – Und da er sich von seinem Gedächtnis diesmal im Stiche gelassen glaubte und sich durchaus nicht erinnern konnte, so trat er nahe an sie heran, suchte in seinen Ton so etwas wie Rührung zu legen und sagte:

»Es tut mir leid – das heißt: ich freue mich natürlich sehr, daß wir uns endlich wiedersehn – wenngleich ich mich offen gestanden kaum noch der schönen Stunden erinnere« – dabei bohrte er seine Augen in Agate um sein Gedächtnis zu beleben – »Und wenngleich die Tracht Sie vielleicht auch verändert – aber schließlich sind doch die Augen und die Nase und der Mund dieselben; der Mund vor allem!« wiederholte er, »so etwas vergißt sich nicht!«

»Herr Doktor, Sie mißverstehen noch immer!« fiel ihm Agate ins Wort. »Ich bin nicht die Mutter Ihres Kindes. Ich wiederhole Ihnen: ich bin die Oberschwester des Heims Caritas. Aber Ihr Kind befindet sich seit elf Jahren bei uns in Pflege.«

»Was!« rief Günther. »Seit elf Jahren? – Ja, ich bin doch kein Greis. Wie kommen Sie denn darauf, daß ich der Vater sein soll? Das junge Mädchen kann es Ihnen doch unmöglich erzählt haben.«

»Die Mutter hat es erklärt!« erwiderte Agate.

»Wo ist die Mutter? Wer ist die Mutter? Das soll sie mir ins Gesicht sagen!« sagte er erregt.

»Das geht leider nicht.«

»Aha!« rief er, »das habe ich mir gedacht!«

»Weil kein Mensch weiß, wo in der Welt sie sich augenblicklich herumtreibt; – vielleicht sieht man sie nie wieder. Ich hoffe das im Interesse des Kindes sogar von Herzen.«

»Sie scheinen Ihrer Sache also nicht ganz sicher zu sein« sagte Günther.

»Wieso?«

»Nun, weil Sie sich die einzige klassische Zeugin aus der Welt wünschen. – Ihnen müßte doch grade daran liegen, sie hier zu haben, sie mir gegenüberzustellen. Oder glauben Sie etwa, daß auch nur ein Richter der Welt lediglich auf Ihre Angaben hin das Kind mir aufbürdet?«

»Aber Sie werden doch nicht den Versuch machen zu leugnen?«

»O ja! das werde ich allerdings tun! – Darauf können Sie sich verlassen! – Da könnte ja sonst alle Tage jemand kommen und mir ein Kind einreden.«

»Und wenn ich Ihnen nun beweise, daß das Kind Ihnen gehört?« sagte Agate.

Günther schüttelte den Kopf:

»Derartiges läßt sich mit Bestimmtheit überhaupt nicht beweisen.«

»Aber ich bitte Sie . . .«

»Das einzige wäre der Eid der Mutter. In unserm Falle ist die Frau Mama nicht da – wird hoffentlich – und darin begegnen sich unsre Wünsche – nie da sein; – ich wüßte also wirklich nicht, auf welche Weise Sie den Nachweis für meine . . .«

Agate, die immer erregter wurde, fiel ihm ins Wort:

»So lassen Sie sich doch wenigstens den Hergang erzählen,« sagte sie.

»Die Schöpfungsgeschichte kenne ich,« sagte Günther, »wenn meine Ehe auch kinderlos geblieben ist.«

Aber Agate ging auf den Scherz nicht ein.

»Herr Doktor, das Leben und die Zukunft eines Kindes ist doch zu ernst . . .«

»Gewiß« unterbrach sie Günther »und eben darum will ich auch nicht leichtfertig die Stellung eines Vaters übernehmen.«

»So hören Sie doch endlich, wer die Mutter ist. Es war im März neunzehnhundert.«

Günther biß die Lippen aufeinander, kniff die Augen zusammen und überlegte:

»Lassen Sie mich raten!« sagte er. »Das ist ganz lustig! . . . März neunzehnhundert . . . vor elf Jahren, wo war ich da? – richtig! in München! natürlich! das tolle Jahr! – Weiß der Himmel . . . gar die schwarze Lina, die Kellnerin aus dem Café Plendel?

»Nein!« erwiderte Agate.

»Hm!« meinte Günther – »schade!« – und dachte, daß das am Ende eine ganz nette Art gegeben hätte.

Er sann weiter und sagte: »Dann kann es nur – wie hieß sie doch gleich . . . die blasse Wirtstochter mit den großen schwarzen Augen, die immer »gel, du tust mir nix?« sagte, wenn ich sie auszog.«

Agate war entsetzt; aber sie ließ es nicht merken und sagte nur:

»Die war es auch nicht!« und als Günther einen dritten Namen nannte, der auch nicht der rechte war, da schlug sie die Hände zusammen und rief:

»Allmächtiger! waren es denn so viele?«

»Fragen Sie garnicht!« erwiderte Günther – »noch mehr!«

»Ja, aber kann man denn gleichzeitig so viele Frauen lieben?«

»Ach ja!« erwiderte Günther treuherzig. »Ich wenigstens kann’s.«

Agate sah beschämt zur Erde.

»Ich habe zwar noch nie einen Mann geliebt,« sagte sie, »aber das sagt mir doch mein Gefühl, daß ich unmöglich zur selben Zeit mehrere Männer lieben könnte.«

»Das habe ich auch gedacht im Anfang,« erwiderte Günther – »aber das lernt sich« – und plötzlich sprang er auf und rief vergnügt: »Ich hab’s!«

»Was haben Sie?« fragte Agate.

»Jetzt weiß ich! März neunzehnhundert! Natürlich! Marietta! Marietta Oceana!! die schöne Zirkusreiterin.«

»Ja!« sagte Agate »Sie ists! – und Sie hatten sie lieb damals, nicht wahr? und werden daher auch ihr Kind lieb haben.«

Aber Günther, der jetzt in der Erinnerung an Marietta lebte, hatte keinen Gedanken mehr für das Kind.

»Diese entzückende, tolle Marietta!« rief er. »Ich sehe sie noch vor mir, als wenn es heute wäre! Ich lernte sie in der Odeonbar nach einem Kostümfest kennen; sie saß in einem prachtvollen Rokokokostüm auf dem Schoße ihres Anbeters, eines Grafen Schönborn – das heißt, in Wahrheit lag sie mehr.«

»Entsetzlich!« rief Agate und hielt sich die Hände vor die Ohren – »aber das sieht ihr ähnlich!«

Günther widersprach:

»Nee, nee, lassen Sie nur, es war eine reizende Puppe; die Röckchen reichten ihr kaum bis an die Knie! und die Beine! sie hatte die schönsten Beine, die ich je gesehen habe, diese Marietta!«

Agate wandte sich ab:

»Ich bitte Sie, Herr Doktor, es bedarf dieser detaillierten Schilderungen nicht!«

»Doch, doch, das bin ich ihr schuldig! wahrhaftig, ich glaube, wenn ich sie heute wiedersähe, ich fänge gleich wieder von neuem an.«

»Aber Herr Doktor!« rief Agate entsetzt. »Sie sind doch verheiratet.«

»Gewiß! Aber diese Frau hat ein Kind von mir.«

»Ein reizendes Kind!« bestätigte Agate.

Aber Günther war längst schon wieder bei Marietta. Die Augen halb geschlossen, brabbelte er vor sich hin:

»Ich weiß noch, wie ich um sie rang, – es war nicht einfach – Schönborn war Graf, reich und dumm; kurzum, er besaß alle Eigenschaften, die einen Mann bei Frauen begehrenswert machen. Aber es gelang mir doch! Und schon am nächsten Mittag traten wir beide unsere Hochzeitsreise nach dem Rhein an.«

»Wie?« rief Agate beglückt. »Sie haben sie geheiratet?«

»Wen? – die Marietta? – wie kommen Sie darauf?« erwiderte Günther.

»Sie sprachen doch eben von Ihrer Hochzeitsreise.«

»Ach so!« erwiderte Günther. »I bewahre. Derartige Hochzeitsreisen habe ich öfters gemacht.«

Agate wandte sich ab:

»Entsetzlich!«

»Sagen Sie das nicht,« widersprach Günther. »Ich werde diese zwei Monate, so lange ich lebe, nicht vergessen! Die Frau besaß ein Temperament! – Und Sie haben keinen Schimmer, wo sie augenblicklich ist?« Agate sagte ohne aufzusehen:

»Nein!«

Günther lebte sich mehr und mehr in die Vergangenheit hinein:

»Gewiß ist sie noch immer schön!« meinte er.

»Möglich!« erwiderte Agate.

»Ich muß sie wiedersehen!« rief er leidenschaftlich. »Sie müssen dafür sorgen, Schwester!«

»Ich bin nicht der Mutter, sondern des Kindes wegen hier,« gab sie zur Antwort.

»Richtig! ich entsinne mich, Sie sprachen ja von einem Kinde – ja was macht man da?« – Einen Augenblick lang überlegte er und schien bedenklich. Aber schon war er wieder obenauf. »Und wieso wissen Sie nun so bestimmt, daß ich der Vater bin und nicht Schönborn?«

»Graf Schönborn wies an Gründen, die überzeugend waren, nach, daß er unmöglich der Vater sein konnte.«

»Und warum hat sich Marietta damals nicht an mich gewandt?«

»Seit dem Tage, an dem Graf Schönborn das Kind abgeschworen hatte, ist sie nicht mehr zu uns zurückgekehrt – hat überhaupt nichts mehr von sich hören lassen – nicht ein einziges Mal, auch nur durch einen Dritten nach dem Kinde gefragt – sie soll die ganze Zeit über in Amerika gewesen sein, sagt man.« Und verächtlich fügte sie hinzu: »Eine nette Mutter das!«

Und Günther, der noch immer in Gedanken war und nur halb hörte, was Agate sprach, sagte:

»Aber ein Temperament hatte sie!«

Agate tat, als überhörte sie’s.

»Das Kind haben wir Schwestern dann mit großer Liebe und Sorgfalt aufgezogen,« fuhr sie fort – »wir lieben es, als wenn es unser eigenes wäre.«

»Das ist sehr lieb von Ihnen,« erwiderte Günther.

»Aber was veranlaßt Sie, dies große Geheimnis, das Sie merkwürdigerweise elf Jahre für sich behalten haben, jetzt plötzlich preiszugeben?«

»Das hat seine guten Gründe,« sagte Agate. »Je älter sie wird, um so mehr kostet ihre Erziehung. Sie ist sehr musikalisch, – hat teure Stunden, – sie spielt Bach und Haydn vom Blatt. Wir wollen Sie also bitten, uns die schweren Opfer zu erleichtern.«

»Elf Jahre ging’s ohne mich« sagte Günther – »und plötzlich wegen ein paar Klavierstunden . . .? Hören Sie mal, sollte das nicht einen tieferen Grund haben?«

Agate überlegte einen Augenblick; dann sagte sie:

»Ja! es hat einen tieferen Grund.«

»Aha! . . . also bitte!«

»Diese schreckliche Person ist vor acht Tagen plötzlich wieder in Berlin aufgetaucht.«

»Waas?« rief Günther und strahlte über das ganze Gesicht – »Marietta! – meine Marietta ist wieder da? Wo ist sie? Ich will sie sehen. Ich will zu ihr.«

Agate stand entsetzt:

»Aber um des Himmels willen, Herr Doktor! Das gibt ein Unglück! denken Sie an Ihre Frau!«

»Und an die Mutter meines armen Kindes soll ich nicht denken?« fragte er. – »Ist das fromm? Ist das christlich?« Er schüttelte den Kopf. »O, ich bin nicht der schlechte, undankbare Mensch, für den Sie mich halten. Ich weiß sehr wohl, was ich der Mutter meines Kindes schulde.« – Und mit Augen, als stände Marietta vor ihm, schwärmte er – »O Marietta! Du hattest die schönsten Beine, und wenn du einem mit deinen dunklen Augen tief bis ins Herz sahst, dann träumte man von südlichen Meeren und italienischen Nächten, und aller Kummer fiel von einem ab.«

Agate riß ihn aus seinem Traume.

»Hätte ich doch nur nicht von dieser schrecklichen Person gesprochen!« rief sie. Aber da kam sie bei Günther schlecht an.

»Ich verbiete Ihnen, in dieser Weise von der Mutter meines Kindes zu sprechen,« sagte er.

»Sie interessieren sich jedenfalls mehr für die Mutter als für das Kind.«

»Ich bin ein dankbarer Mensch!« verteidigte sich Günther, »das ist alles!«

»Dann wäre es vielleicht angebracht,« erwiderte Agate, »Ihren Dank statt bei der Mutter, bei Ihrem Kinde abzutragen.«

Günthers verdrießliches Gesicht ließ erkennen, daß er diese Ansicht durchaus nicht teilte. Aber Agate wurde jetzt immer bestimmter.

»Damit Sie’s wissen,« sagte sie, »Ihr Kind schwebt in Gefahr! Marietta sucht es. Man hat schon dreimal in dieser Woche bei mir angefragt, mit Haussuchungen gedroht, mich von Detektivs beobachten lassen. Aber wir Schwestern haben uns geschworen, lieber mit dem Kinde bis ans Ende der Welt zu fliehen, ehe wir es dieser entsetzlichen Person überantworten.«

»Endlich rücken Sie mit der Wahrheit heraus!« rief Günther – »O, ich verstehe! Sie wollen mit dem Kinde fliehen, es verstecken – es womöglich in ein Kloster schleppen, wo es Zeit seines Lebens von der Welt abgeschlossen bleibt. – Dazu brauchen Sie Geld und deshalb kommen Sie zu mir. Ich, der Vater, soll meine Hand dazu bieten, daß Mutter und Kind sich niemals wiedersehen. – Nein!!« sagte er entschieden, »ich bin kein Barbar! Ich bin kein Undankbarer! ich weiß, was ich der Mutter meines Kindes schulde!«

Agate rang verzweifelt die Hände. »Sehen Sie denn nicht, daß Sie das Kind ins Unglück stürzen?« rief sie.

»Durchaus nicht! Es hat mein Blut und das Mariettas und paßt nicht in Ihre, vom Gleichmaß und der Gewohnheit abgestumpfte und verflachte Welt. An der Seite Mariettas wird es die Welt sehen und als freier Mensch sein Leben genießen, statt in dem Bottich eurer Langenweile zu ersticken.«

»So spricht ein Vater!« rief Agate entsetzt.

»Jawohl!« und er unterstrich jedes seiner Worte – »und zwar aus vollster Überzeugung! Also, wo ist das Kind?«

»Augenblicklich steht es draußen und wartet, bis ich es hereinrufe,« erwiderte Agate. Und ehe Günther, dem in Gedanken an seine Frau jetzt doch unbehaglich wurde, noch etwas erwidern konnte, rief sie auf der Flur hinaus:

»Elisabeth!«

Und dem verblüfften Vater klang als Antwort auf Agates Ruf zum ersten Male im Leben die Stimme seines Kindes entgegen, das unbefangen rief:

»Ja, hier bin ich!«

Und im selben Augenblick stand die kleine Elisabeth auch schon im Zimmer.

Durchaus nicht ängstlich sah sie zu ihm auf. Fast keck stand sie da und beschaute sich den Papa, während Agate im Gefühl des für Elisabeths Leben bedeutsamen Augenblicks feierlich also zu reden anhob:

»Endlich ist der Augenblick, nach dem du dich elf Jahre lang gesehnt hast, da, Elisabeth!« Und dabei wies sie auf Günther, der das mehr fühlte als sah und dem es abwechselnd kalt und heiß über den Rücken lief. »Dies da ist dein Papa! . . . Gib ihm die Hand!«

Elisabeth trat dicht an ihn heran, streckte ihm keck die Hand entgegen und sagte:

»Na?«

»Es ist das erstemal, daß sie einem Manne die Hand reicht,« begleitete Agate den feierlichen Vorgang, und Günther, der fühlte, daß er etwas sagen mußte, verzog den Mund und sagte:

»Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen, mein Fräulein.«

»Heb den Kopf hoch, Elisabeth, und sieh dem Papa ins Gesicht!« sagte Agate.

»Ich seh ihn ja fortgesetzt an,« erwiderte sie, »aber er sieht immer weg.« Und da Günther noch immer zur Tür sah, so sagte sie sehr bestimmt: »So sieh mich doch an, Papa!«

Günther drehte mechanisch den Kopf herum und sah sie an. Der Ausdruck seines Gesichts war wohl etwas eigentümlich; jedenfalls lachte Elisabeth. Eine Verlegenheitspause entstand, dann sagte Günther:

»Elisabeth heißen Sie also – was für ein hübscher Name! nur ein bißchen lang – finden Sie nicht? Wenn man’s grad eilig hat,« und er zergliederte: »Eli-sa-beth.«

»Sag dem Papa« – bei dem Wort fuhr Günther zusammen und sah zur Tür – »nach wem du deinen Namen trägst.«

»Das wird er ja selber wissen.«

Doch Günther bekannte:

»Nein! ich weiß es nicht!« worauf Elisabeth erwiderte:

»Nach Elischéba.«

»Sieh mal an!« sagte Günther, obschon er keine Ahnung hatte, was das bedeuten sollte.

»Und wer war Elischéba!« fragte Agate.

»Die Frau des Priesters Zacharias und die Mutter Johannes!«

»Und die Frau des Priesters Zacharias ist meine Tochter,« platzte Günther heraus und dachte sich: »Das hätte mir heut früh beim Aufstehen einer sagen sollen.«

Aber er war sich klar, daß hier etwas geschehen mußte, schon mit Rücksicht auf seine Frau, die er, ein Jahr nach seiner Ehe, unmöglich mit einer elfjährigen Tochter überraschen konnte. Viel Zeit zum Überlegen blieb nicht. Jeden Augenblick konnte sie ins Zimmer treten. – Wie kam man aus dieser verzweifelten Situation? fragte er sich. – Sein erster Gedanke war: Franz Siewers, sein Freund und Schriftstellerkollege. Der hatte ein goldenes Herz und einen klaren Verstand, während der seine seit einer halben Stunde in hellster Verwirrung war.

Im selben Augenblick war er auch schon am Apparat, stellte die Verbindung her und sprach mit seinem Freunde Dr. Siewers, während Elisabeth und Agate daneben standen und von einem Erstaunen ins andre fielen.

»Also hör’ bloß!« brüllte er, als er die Verbindung hatte, in den Apparat: »Hier ist etwas ganz Entsetzliches passiert; das heißt —« verbesserte er mit einem Blick auf Agate – »eigentlich ist es sehr erfreulich – natürlich! wie solche Dinge immer ihre zwei Seiten haben – frage gar nicht! nein doch! keine Weibersache diesmal, auf Wort nicht! – wenn ich dir doch sage – oder eigentlich doch! – so lach doch nicht so dumm! – nein doch! andersrum! – aber ich hab schon eine Idee! Du mußt mir helfen – du kennst doch Frau von Villiers – nein? na, das macht nichts! – ich hab’ dir jedenfalls von ihr erzählt – ja! eben diese Anni, die müssen wir aufsuchen, die muß helfen – sie ist die Einzige, die dafür in Frage kommt – wofür? – das kann ich dir jetzt nicht sagen – Ich hab’ nämlich augenblicklich Besuch – wen? ach so ne Bagatelle, eine Kinderei, nicht der Rede wert.« – Und auf einen Blick Agates hin verbesserte er: »Das heißt, eine allerliebste Bagatelle, ich meine: ein allerliebstes Kind! – Kunststück, du solltest den Vater kennen! – aber mach schnell und komm – adjes!«

Er hing den Hörer an und fühlte sich schon bedeutend leichter

»Sie haben gehört?« wandte er sich an Agate.

»Gewiß! aber ich habe nichts weiter verstanden, als daß von einer Frau von Villiers die Rede war.«

»Das genügt!« erwiderte Günther, und als Agate ein erstauntes Gesicht machte, fügte er hinzu:

»Wenn ich Ihnen sage, verlassen Sie sich drauf, das genügt! Frau von Villiers wird schon alles in Ordnung bringen.«

»Ich kenne die Dame nicht,« sagte Agate.

»Aber ich!« erwiderte Günther, der sich, – wenn er dann und wann auch noch mal ängstlich zur Tür sah – in Gedanken an Frau von Villiers so sicher fühlte, daß er beinahe schon wieder vergnügt war.

Und als Elisabeth eine Riesen-Meißner Figur, mit der sie bereits seit einer Viertelstunde spielte, in tausend Scherben schlug und Agate eben mit ihr schelten wollte, da zog er, der das längst hatte kommen sehen, das Kind zu sich heran, streichelte es und sagte:

Возрастное ограничение:
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Дата выхода на Литрес:
30 ноября 2019
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