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Anna Staub

Die bestellte Braut

Green Hollow I

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Inhaltsverzeichnis

Titel

...

Prolog

Ich sehe jeden Tag so viele hübsche, junge Damen, bei denen es mir ein Rätsel ist, warum sie unverheiratet sind.

Ich dachte, dass ich hier abgeholt werden würde.

Zumindest einen Mr. Sullivan…

Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie reden.

Warum sind Sie für heute nicht mein Gast?

Leider konnte man das Büro der Heiratsvermittlung nicht ausfindig machen.

Sucht Doc Dave eigentlich noch einen Assistenten?

Gute Arbeit, sauber das!

Ich habe meine Entschuldigung durchaus ernst gemeint!

Kennen Sie Cheesebeer nicht?

Ich habe hier nicht herumgelungert!

Trudi könnte sich wirklich mal neue Bettwäsche besorgen.

Seien Sie ein Mann und beißen die Zähne zusammen!

Ganz Green Hollow kennt diese Geschichte

… und schenkest mir eine Flasche Wein

Finney, können Sie mich hören?

Manche glauben sogar, dass ihr verlobt sein müsstet.

… aus Pflichtgefühl …

Er ist klug genug, nicht mehr aus der Sache zu machen, als sie bedeutet

Der Reverend hat doch mit dieser heiligen Geiß angefangen

Denken Sie jetzt schlecht von mir?

Na, haben Sie doch noch den Mut gefunden, sich ins Sündenbabel zu begeben?

Danke

Das machen Sie doch nur, weil ich eine Frau bin

Aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass ein Mann nie einen Fehler macht?

Niemand sonst, keine Haushälterin, keine aufdringlichen kleinen Brüder, keine Nachbarn

Trusty ist ebenso ein Geschöpf des HERRN wie du und ich

Ich halte es für einen guten Plan

Würde es Ihre Meinung ändern, wenn ich Sie dafür bezahle?

Na endlich, Ihr habt Euch aber auch Zeit gelassen!

Heute lassen Sie uns feiern!

Leseprobe Green Hollow II

Danksagung

Außerdem erhältlich:

Impressum neobooks

...

Green Hollow I - Die bestellte Braut

von

Anna Staub

Alle Namen, Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright© 2013 by Anna Staub

Bildmaterialien © by Anna Staub

Prolog

Boston, 15. Mai 1870

Verehrte Damen,

haben Sie sich nicht auch schon das ein oder andere Mal über die hohen Ansprüche geärgert, die die Bostoner Gentlemen an eine Ehefrau stellen?

Sie können kochen, nähen und backen, doch für die hiesige Gesellschaft ist das einfach nicht genug?

Doch es gibt noch einen Ort, an dem solche Tugenden geschätzt werden und die Männer Sie voller Dankbarkeit empfangen!

Wenn Sie noch unverheiratet sind, dies aber ändern wollen und auch vor einem kleinen Abenteuer nicht zurückschrecken, dann kann Ihnen Smiths Eheanbahnungsinstitut für Heiraten in den Westlichen Territorien bei der Erfüllung Ihres Lebenstraumes behilflich sein!

Interessierte Damen von unzweifelhaftem Ruf melden sich wochentags zwischen 12 und 17 Uhr in der Fisher Row 5 am Hafen.

Ihr

Josiah Smith

Ich sehe jeden Tag so viele hübsche, junge Damen, bei denen es mir ein Rätsel ist, warum sie unverheiratet sind.

1,85 Meter, dunkle Augen und schwarze Haare. Vielleicht würde er sogar einen Bart haben! Nun ja, warum auch nicht? Obwohl… Wie wahrscheinlich war es, dass ihr zukünftiger Ehemann genau ihren Wunschvorstellungen entsprechen würde? Am Ende war er blond, nur so groß wie sie und hatte einen Bierbauch! Doch mitten in ihren Überlegungen konnte die junge Frau die Stimme ihrer verstorbenen Mutter hören: Kind, im schönsten Apfel kann ein dicker Wurm sitzen. Du kannst die Menschen nicht nach ihrem Äußeren…

Ein harter Knuff in den Rücken brachte Steffiney O'Brian augenblicklich in das Hier und Jetzt zurück. Überrascht stolperte sie einen Schritt nach vorne. Doch bevor sie sich umgedreht hatte, hörte sie schon eine tiefe Stimme.

„Verzeihen Sie, Miss. Es war nicht meine Absicht. Das Gedränge hier ist wirklich unerträglich dicht. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan?“

Als Steffiney sich vollends umdrehte, fand sie sich einem Gentleman gegenüber, der den Hut zog. Offensichtlich fühlte er sich für den Zusammenstoß verantwortlich. Der Herr hatte einen gepflegten dunklen Schnurrbart und trug einen eleganten Straßenanzug, der so gar nicht in das von Arbeitern bevölkerte Hafenviertel von Boston passen wollte.

„Nein, es ist nichts passiert. Danke“, antwortete die junge Frau aus dem Konzept gebracht.

„Sie sollten vorsichtig sein, Miss. Es steht mir nicht zu, mich einzumischen, aber eine Dame wie Sie sollte sich nicht in so einer Gegend aufhalten. Zumindest nicht ohne Begleitung. Darf ich Sie vielleicht irgendwohin bringen?“ Die ehrliche Besorgnis des Gentlemans war deutlich zu hören. Miss O'Brian neigte dankend den Kopf.

„Sie haben Recht, aber ich habe hier einen Termin. Ich werde mir danach sofort eine Droschke nehmen, um in die Stadt zu fahren. Haben Sie vielen Dank für Ihre Sorge“, antwortete sie lächelnd.

Nachdem der fremde Herr noch einmal den Hut gezogen hatte, ging er davon. Allerdings nicht ohne einen Blick zurückzuwerfen, ob Steffiney ihren Weg in das heruntergekommene Gebäude in der Fisher Row sicher fand.

Was sie auch tat und darüber hinaus sogar mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn ihr zukünftiger Ehemann auch nur halb so aufmerksam sein würde wie der fremde Gentleman eben, dann war das hier sicher nicht die schlechteste Idee ihres Lebens.

Im Inneren des Gebäudes führte eine schmale hölzerne Stiege einige Stufen hinauf und überall roch es nach Fisch. Steffiney war mehr als erleichtert, als sie oben angekommen die kleine Tür aufstieß, die in den Warteraum von Mr. Smiths Büro führte.

Sie hatte sich schon bei ihrem ersten Besuch hier gefragt, warum ein Heiratsvermittler sich ausgerechnet in Bostons schäbigem Hafenviertel niederließ. Direkt in der Stadt hätten doch sicher noch mehr heiratswillige Frauen den Weg in sein Büro gefunden. Aber wahrscheinlich war die Vermittlung von Frauen in den Westen, wie jedes Geschäft, das seinen Mitmenschen helfen sollte, nicht besonders einträglich.

Nun, immerhin roch es hier oben nicht mehr so penetrant nach Fisch. Steffiney nahm mit einem zuversichtlichen Lächeln auf einem der wackligen Holzstühle Platz und wartete.

Mr. Smith war ein vielbeschäftigter Mann und er rief die einzelnen Damen auf, wenn er soweit war. Diesmal war sie allerdings, im Gegensatz zu ihrem letzten Besuch hier, allein in dem kleinen Warteraum.

Sie war überrascht gewesen, dass Mr. Smith sich innerhalb einer Woche schon wieder bei ihr gemeldet hatte und sie noch einmal in sein Büro bat. Er hätte bereits einen passenden Kandidaten gefunden. Wenn sie interessiert wäre, dann sollte sie ihn so schnell wie möglich aufsuchen, hatte in dem kurzen Telegramm gestanden. Gestern Abend war es im Haus von Mrs. Ruly abgegeben worden, wo sie ein kleines Zimmer unter dem Dach bewohnte und verköstigt wurde.

Und gleich heute, nachdem sie ihre Schicht im Bostoner Stadtkrankenhaus beendet hatte, war sie hierher geeilt. Es war nicht so, dass sie die Arbeit als Krankenschwester nicht mochte, aber mit 27 Jahren noch unverheiratet zu sein, war im Lebenslauf einer Frau nun mal ein Makel. Und Steffiney O'Brian war fest entschlossen, diesen Makel zu tilgen. Dabei hatte ihr das Schicksal geradezu in die Hände gespielt. In Form einer halb zerrissenen Anzeige, die sie auf dem Flur ihres Krankenhauses gefunden hatte.

Einfach nur dazusitzen und ihr Schicksal zu beklagen, das lag ihr nicht. Sie würde diese Sache selbst in die Hand nehmen!

Doch bevor sie dazu kam, diese Gedanken weiter zu verfolgen, öffnete sich die Tür von Mr. Smiths Büro. Der kleine, dürre Mann mit den schütteren, graubraunen Haaren steckte seinen Kopf zur Tür hinaus. Er schien überaus erfreut zu sein, sie zu sehen.

„Ah, Miss O'Brian, nicht wahr? Sie müssen entschuldigen, dass ich mir nicht alle Gesichter merken kann. Ich sehe jeden Tag so viele hübsche, junge Damen, bei denen es mir ein Rätsel ist, warum sie unverheiratet sind“, lispelte der Heiratsvermittler, während er der jungen Frau entgegeneilte und ihr herzlich die Hand schüttelte.

Mit etwas Mühe verbiss sich Miss O'Brian eine passende Antwort und lächelte mühsam. Sie wunderte es gar nicht, dass es so viele unverheiratete Damen gab. Aber einem Mann zu erklären, dass man als alleinstehende Frau etwas eingeschränkt war, erschien ihr irgendwie sinnlos. Von den frühen Morgenstunden an musste sie arbeiten, um ihr kleines Zimmer in Mrs. Rulys Pension für alleinstehende Damen bezahlen zu können. Ihr blieb also gar nicht die Zeit, sich hübsch zu machen und den lieben langen Tag in Kaffeesalons zu sitzen, um sich von interessierten Herren ansprechen zu lassen. Mal ganz abgesehen davon, dass man als Frau schnell ins Gerede kam, wenn man sich zu viel allein oder in männlicher Gesellschaft bewegte. Und das war dann der sichere Todesstoß für den guten Ruf. Der ja wiederum unerlässlich war, um einen Mann von tadellosem Charakter für sich einzunehmen. Mal ganz abgesehen davon, dass ihr schmales Gehalt als Krankenschwester keine großen Sprünge oder außergewöhnlichen Ausgaben zuließ.

„Kommen Sie nur herein, ich habe wirklich außergewöhnlich gute Nachrichten für Sie.“ Mit diesen wohlmeinenden Worten riss er Steffiney aus ihren Gedanken, um sie in sein kleines, kahles Büro zu führen. Das dunkle Zimmer, in dem sich nicht mehr als ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein Schränkchen für seine Unterlagen befanden, war zwar nicht sehr gemütlich oder anheimelnd, aber deswegen war sie ja auch nicht hier.

„Nehmen Sie Platz, nehmen Sie Platz“, sagte der Heiratsvermittler zu seinem Gast und Miss O'Brian kam der Aufforderung nach. Der alte Holzstuhl gab ein bedenkliches Quietschen von sich, als die kleine, zierliche Frau sich darauf niederließ. Unwillkürlich schoss Steffiney der Gedanke durch den Kopf, was wohl passiert wäre, wenn jemand mit den Ausmaßen von Mrs. Ruly auf dem fragilen Sitzmöbel Platz genommen hätte.

„Nun, Mr. Smith?“, fragte sie gleich darauf gespannt. Die Neugier auf ihren zukünftigen Mann war doch größer als ihre hypothetischen Betrachtungen in Bezug auf ihre Wirtin.

„Ja, Miss O'Brian, wie ich schrieb. Ich habe gute Neuigkeiten. Gerade gestern Morgen ist mir die Anzeige eines Witwers aus dem Colorado-Territorium auf den Schreibtisch geflattert und da musste ich sofort an Sie denken. Der Herr scheint wie für Sie gemacht zu sein. Charles Augustus Sullivan, Besitzer eines kleinen Stücks Land in der Nähe von Green Hollow, Colorado“, eröffnete er mit einem breiten Lächeln, während er in den Papieren auf seinem Schreibtisch kramte.

Steffiney rutschte, hochrot im Gesicht, auf ihrem Stuhl ein Stück nach vorne. Ihre Aufregung war ihr deutlich anzusehen. Ohne dass sie es merkte, öffnete und schloss sie immer wieder den kleinen Beutel, in dem sie ihr Geld, ein Taschentuch und ein paar Pfefferminzbonbons aufbewahrte.

„Colorado?“, fragte sie etwas zittrig. Wenn sie ehrlich war, hatte sie keine genaue Vorstellung, wo dieser Landstrich liegen sollte. Sie war nicht ungebildet, aber der Westen war noch so unerschlossen. Selbst in den Büchern der Schulkinder waren jenseits der Gründungsstaaten noch viele weiße Flecken auf den Landkarten. Und es war ja schon eine ganze Weile her, dass sie die Schulbank gedrückt hatte.

„Ja, warten Sie“, murmelte Mr. Smith, während er jetzt ein einzelnes Blatt Papier unter einem Stapel Briefe hervorzog. „Ah ja, da haben wir es ja. Wie ich sagte, Charles Augustus Sullivan, wohnhaft auf der Black Creek Ranch nahe Green Hollow im Colorado-Territorium. Wenn man dem Leumunds-Zeugnis seiner Nachbarn glauben will ein sehr angenehmer Mann, der sich für die Gemeinde engagiert und über den jeder nur Gutes zu sagen hat. Er hatte das Unglück seine Frau schon recht früh zu verlieren und ihm sind nur seine vier Söhne geblieben“, fuhr er dann mit einem ernsten Blick fort.

Miss O'Brians Hände krampften sich augenblicklich in die Falten ihrer Schwesternschürze, die sie ganz vergessen hatte abzulegen.

Vier Kinder! Das würde sicherlich eine Herausforderung werden. Vor allem, wenn man so gar keine Erfahrung als Mutter vorweisen konnte.

„Ist das ein Problem?“, fragte der Heiratsvermittler plötzlich misstrauisch, da er ihr Zögern wohl bemerkt hatte.

„Nein, nein gar nicht“, beeilte sie sich zu antworten. Nervös fuhr Steffiney sich durch die kastanienbraunen Haare. Ärgerlich bemerkte sie, dass sie in ihrer Aufregung und der Eile zu Mr. Smith zu kommen, sogar vergessen hatte, das weiße Häubchen abzunehmen.

„Es ist natürlich… Nein, es ist kein Problem“, sagte sie schließlich fest. Sie war zwar bei Weitem noch nicht zu alt, um eigene Kinder zu bekommen, aber eben nach den Maßstäben der Gesellschaft auch nicht mehr die Jüngste. Und von daher konnte es nur von Vorteil sein, wenn Mr. Sullivan bereits Nachwuchs hatte. Nur für alle Fälle.

„Sehr gut. Dann kann ich davon ausgehen, dass Sie das Angebot des Herrn annehmen?“, fragte der Heiratsvermittler dann etwas hastig und Miss O'Brian nickte verwirrt.

Irgendwie hatte sie gedacht, dass noch mehr Formalitäten zu klären wären. Doch jetzt ging alles ganz schnell. Fast zu schnell.

Mr. Smith überreichte ihr ein Schreiben, das bestätigte, dass sie die für Mr. Sullivan von 'Smiths Eheanbahnungsinstitut für Heiraten in den Westlichen Territorien' ausgewählte Braut war. Es folgte ein unordentlich beschriebenes Blatt, auf dem stand, welchen Zug sie nach Westen nehmen musste, wo sie die Richtung wechseln sollte und dass sie in einem Ort namens Cheyenne in eine Postkutsche in den Süden umsteigen musste. Mr. Smith versäumte es nicht zu erwähnen, welches Glück sie hätte, nachdem er ihre unsichere Miene bei der Betrachtung dieses Reiseplans bemerkte. Dass sie so weit mit der bequemen Eisenbahn kam, war keine Selbstverständlichkeit. Noch vor einem Jahr hätte sie von Omaha im Nebraska-Territorium mit der Postkutsche reisen müssen. Was weitaus unbequemer gewesen wäre und sie sehr viel länger auf der Straße gehalten hätte. So wäre es von Cheyenne aus lediglich noch eine Tagesreise bis Green Hollow. Eine lange Fahrt, aber immerhin nur eine.

Steffiney schwirrte nur so der Kopf von den ganzen fremden Namen und Orten. Sie würde sich in der Bibliothek eine Karte von Amerika ausleihen müssen, um sich etwas mit ihrer Reiseroute vertraut zu machen.

Nachdem der eifrige Heiratsvermittler seine Gebühr kassiert hatte, schien er Miss O`Brian mit einem Mal sehr schnell loswerden zu wollen. Bevor die junge Frau so recht wusste, wie ihr geschah, stand sie schon wieder auf der überfüllten Straße, die zum Hafen hinunterführte, und sah sich nach einer Droschke um. Ihr Geld, das sie dabei hatte, würde gerade noch reichen, um bis zu Mrs. Rulys kleiner Pension zu kommen.

Als sie nach diesem langen Tag endlich wieder in ihrem kleinen Dachzimmer stand und die Nadeln löste, die ihr Schwesternhäubchen an Ort und Stelle hielten, war sie doch etwas ärgerlich. Sie hatte nicht einmal die Gelegenheit gehabt, Mr. Smith noch irgendwelche Fragen zu stellen. Und sie musste zugeben, dass sie jetzt, wo sie so ganz allein in der abgeschiedenen Stille ihres kleinen Zimmers war, etwas Angst vor ihrem eigenen Mut bekam.

Sie würde den langen Weg in den Westen ganz allein hinter sich bringen müssen. Sie hatte niemanden, der ihr helfen konnte und für einen kurzen Augenblick fragte sie sich, ob sie jemals dort ankommen würde, in Green Hollow. Alles war so schnell gegangen, dass sie gar nicht wirklich darüber nachgedacht hatte.

Mr. Smith hatte sie noch gefragt, wann sie gedachte aufzubrechen und für eine schnelle Abreise plädiert. Er selbst würde Mr. Sullivan ein Schreiben zukommen lassen, das ihre Ankunft ankündigte. Sie müsste sich nur noch um die Fahrkarten für die Eisenbahn kümmern und ihre Habseligkeiten zusammenpacken.

Mit einem entmutigten Blick ließ Steffiney sich auf ihr Bett sinken und sah sich in ihrem Zimmer um. Es war nichts Besonderes und bis auf ein paar Kleinigkeiten gehörte ihr nicht mal etwas von der Einrichtung, aber hier war sie zu Hause. Es war so schwierig gewesen, als alleinstehende Frau eine passende Unterkunft zu finden. Wenn überhaupt, dann gab es meist nur Zimmer für Junggesellen, die sich nicht dafür rechtfertigen mussten, noch unverheiratet zu sein. Eine Frau ohne Mann oder anderweitigen Schutz eines weiteren Familienangehörigen fiel dagegen sehr aus dem Rahmen. Weder die Gesellschaft noch der Wohnungsmarkt in Boston war auf so eine Abnormität besonders gut eingestellt.

Seufzend warf Miss O'Brian ihre abgewetzten Handschuhe von sich und öffnete das kleine Retikül, um ein dünnes Bündel Bargeld herauszuziehen. Sie hatte gleich auf dem Rückweg an der Bank haltgemacht, die ihre wenigen Ersparnisse verwaltete und ihr kleines Konto aufgelöst. Das meiste Geld war in die Fahrkarten geflossen, die sie in den Westen bringen sollten. Was jetzt noch übrig war, reichte gerade für die Verpflegung, die sie auf dem Weg benötigen würde und um ihre Miete für die kommenden Tage zu begleichen.

Nächste Woche um diese Zeit würde sie bereits in einem Zug Richtung Westen sitzen und ihrem neuen Leben entgegen fahren.

Steffiney konnte nichts dafür, aber für einen kurzen kindischen Augenblick traten ihr die Tränen in die Augen. Sie schaute zu dem Bild, das die Hochzeit ihrer Eltern zeigte, zu dem Spitzendeckchen auf dem Nachttisch neben ihrem schmalen Bett, zu den wenigen Büchern im Regal und den Schreibutensilien auf dem Schreibtisch unter dem Fenster.

Nein, nein! Das war doch zu albern. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Alles, was für eine Frau in der Gesellschaft zählte, war eine Ehe. Eine Ehe und Kinder in die Welt zu setzen. Frauen konnten nicht einfach allein bleiben und ein Geschäft eröffnen oder studieren. Oder, wenn sie es doch taten, dann wurden sie von ihren Mitbürgern meist schief angesehen und im schlimmsten Fall gemieden. Frauen mussten heiraten, wenn sie sich ihren Platz in der Gesellschaft sichern wollten. Und jetzt endlich würde sie auch zu ihrem Recht kommen. Da würde sie doch nicht weinen! Und ihre Erinnerungsstücke an bessere Zeiten konnte sie auch mitnehmen. Sie war schließlich nicht die erste Braut, die in den Westen fuhr, um dort zu heiraten. Wenn andere das konnten, würde sie das auch schaffen.

Und mit diesem Gedanken ging Steffiney O'Brian zu Bett, fest entschlossen nur noch die positiven Seiten ihres Umzugs nach Green Hollow, Colorado zu sehen.

Ich dachte, dass ich hier abgeholt werden würde.

Steffiney war ziemlich überrascht und auch ein wenig traurig gewesen, als sie feststellen musste, dass ihr ganzes Leben in eine Reisetruhe passte. Eine große Reisetruhe immerhin, aber es blieb eine einzige Reisetruhe, in der sich alles befand, was sie hatte.

Als ihr Vater gestorben war und ihre Mutter die kleine Farm hatte aufgeben müssen, da war schon ein großer Teil ihres Lebens verschwunden. Nachdem ihre Mutter sieben Jahre später auch starb, hatte sie die restlichen Möbel und Habseligkeiten verkauft, um sich für die erste Zeit über Wasser halten zu können. Jetzt, wiederum zehn Jahre später, fuhr sie praktisch mit nichts außer ein paar Erinnerungsstücken in ein neues Leben.

Ein scharfer Ruck ging durch die Postkutsche und riss Miss O'Brian unsanft aus ihren melancholischen Betrachtungen. Sie flog mit einem undamenhaften Quietschen von ihrem Sitz und landete in Mr. Winterbottoms Armen, der ihr gegenübersaß. Der korpulente, ältliche Herr, dessen rote Nase von seiner Vorliebe für alkoholische Getränke zeugte, fing sie mit einem breiten Lächeln auf. Seine Hände nahmen sich kurz die Freiheit, einen kleinen Streifzug über den zierlichen Körper seiner Mitreisenden zu unternehmen. Gleich darauf war er wieder ganz Gentleman und half ihr, sich auf ihren Platz zu setzen.

Steffiney, immer noch verwirrt und peinlich berührt, fragte sich gerade, ob Mr. Winterbottom es wirklich gewagt hatte, kurz ihren… über ihren… Grundgütiger, sie getraute sich ja kaum, dieses Wort zu denken! Hatte er ihr eben wirklich den…. Po getätschelt oder war das bloß Einbildung gewesen? Ein Gentleman würde so was doch nie tun! Ein Bostoner Gentleman zumindest nicht!

Allerdings war sie hier auch nicht mehr im gepflegten Boston, sondern bereits auf dem Boden des Colorado-Territoriums. Heute noch würde sie Green Hollow erreichen.

Gleich darauf fuhr die Postkutsche wieder an. Durch die Seitenfenster konnte Miss O'Brian sehen, dass eine passierende Rinderherde für den scharfen Halt verantwortlich gewesen war. Das war wohl der berühmte Wilde Westen.

Mit einem halb verlegenen, halb ärgerlichen Blick bedankte Steffiney sich bei ihrem Helfer und lehnte sich wieder zurück. Sie war vielleicht keine außergewöhnliche Schönheit, aber ihre funkelnden grünen Augen und die kastanienbraunen Locken hatten ihr auf ihrer Reise nach Green Hollow schon das ein oder andere Kompliment eingebracht. Sie hoffte inständig, dass Mr. Sullivan mit ihrem Aussehen ebenso zufrieden sein würde, wie der ein oder andere Herr auf dem Weg hierher.

Während draußen, verwischt durch den Staub der Straße, die bergige Landschaft Colorados vorbeiflog, richteten Steffineys Gedanken sich jetzt von zudringlichen Mitreisenden und Reisetruhen auf erfreulichere Dinge.

Charles Augustus Sullivan, Besitzer der Black Creek Ranch in Green Hollow, Colorado und Witwer, mit vier Söhnen. Ja, das hörte sich gut an.

Anderen Frauen hätte der Gedanke an eine derart arrangierte, nüchterne Ehe vielleicht einen empörten Ausruf entlockt. Steffiney O'Brian dagegen hatte schon vor einiger Zeit aufgehört, romantisch zu sein und auf eine Liebesheirat zu hoffen. Zumindest glaubte sie nicht, dass ihr das jetzt noch widerfahren würde. Nein, sie hatte beschlossen, dass es aus rein wirtschaftlichen Gründen für sie von Vorteil sein würde zu heiraten. Außerdem war sie sich sicher, dass eine Beziehung, die nicht auf Gefühlen, sondern lediglich auf gegenseitigem Respekt gründete, nicht fehlgehen konnte.

Das mit den Gefühlen hatte sie bereits versucht und es war in einem Desaster geendet. Dieses Mal würde sie vernünftig sein.

So versunken in ihre eigenen Gedanken und Betrachtungen war es Miss O'Brian völlig entgangen, dass die Postkutsche ihr Ziel fast erreicht hatte. Erst die Häuser, die nun immer langsamer an ihr vorüberzogen, holten sie in das Hier und Jetzt zurück.

Wieder beugte Steffiney sich nach vorn, um einen Blick aus dem Fenster werfen zu können. Ein Paar der Häuser sahen richtig gepflegt aus, andere dagegen gar nicht. Sie sah einige wenige Frauen und Kinder die Hauptstraße, und wahrscheinlich auch die einzige Straße hier, entlanggehen. Doch bestimmt wurde das Bild von Männern. Die Mehrzahl in Arbeitssachen, derben Hosen und mit Halstüchern und flachen Filzhüten. Nur wenige der Passanten trugen Straßenanzüge.

Ja, so sah wohl eine typische Stadt im Westen aus. Kein Vergleich zu den gepflegten Straßen von Boston. Doch Steffiney war sich sicher, dass sie sich daran gewöhnen würde. Ein Mensch konnte sich an so ziemlich alles gewöhnen und so schlimm war es nun auch wieder nicht.

Als sie in Omaha auf ihren Anschlusszug hatte warten müssen, hatte sie sich am Bahnhof für ein paar Pennys ein dünnes Heft mit einer Abenteuergeschichte gekauft, die in einem der neuen Territorien spielte. Ein junger Mann, der ihr Sitznachbar im Zug gewesen war, hatte ihr voller Begeisterung dazu geraten. Solche Geschichten wären gerade die neueste Mode und würden ihr einen Vorgeschmack auf die Gepflogenheiten ihres neuen zu Hauses geben.

Nachdem Steffiney am nächsten Tag das dünne Heft durchgelesen hatte, war sie für einen sehr langen Moment versucht gewesen im nächsten Bahnhof auszusteigen und den ersten Zug zurück nach Boston zu nehmen. Wenn es in Green Hollow genauso zuging, wie in dieser Geschichte erzählt wurde, dann würde sie von Glück sagen können, wenn sie dort überhaupt ankam. Es wimmelte in der Erzählung nur so von Banditen, die Postkutschen überfielen, betrunkenen Ranchern, die ihre Frauen verprügelten und jungen Mädchen, die aller Moral abgeschworen hatten und ihren Lebensunterhalt auf recht fragwürdige Weise verdienten.

Doch als sie Green Hollow mit eigenen Augen sah und die Postkutsche nicht einmal von Weitem einer Bande Bankräuber in die Quere gekommen war, musste Miss O'Brian feststellen, dass da wohl die Phantasie des Autors mit ihm durchgegangen war. Und das Abenteuergeschichten eben genau das waren: Abenteuergeschichten. Die Menschen neigten wohl auch hier dazu ihren Alltag etwas auszuschmücken, um ihn interessanter zu machen.

Diese Erkenntnis hatte sie im Handumdrehen erleichtert und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Sie war wild entschlossen sich hier wohl zu fühlen, alles zu ihrer Zufriedenheit zu finden und so einen möglichst guten Eindruck bei Mr. Charles Sullivan zu hinterlassen.

Es blieb ihr eigentlich auch gar nichts anderes übrig, denn die letzten Ersparnisse von Miss O'Brian waren fast zur Gänze aufgebraucht. All ihre Hoffnungen ruhten nun auf der Black Creek Ranch und bei Mr. Sullivan. Laut Mr. Smith ja ein gutaussehender und umgänglicher Mann. Aber das erzählte der Heiratsvermittler wohl jeder Frau, die bei ihm vorstellig wurde. Mit verwahrlosten, faulen Trinkern würde er keine Werbung für sein Eheanbahnungsinstitut machen können. Doch Steffiney O'Brian erwartete von ihrem Zukünftigen nicht mehr als ein Dach über dem Kopf sowie ein Minimum an Respekt.

Mit einem Ruck kam die Postkutsche zum Stehen und Steffiney war die Erste, die sich hinausdrängte. Sie nahm die helfende Hand, die der Kutscher ihr entgegenstreckte, nicht einmal wahr und sprang ohne Hilfe auf die Straße. Mit einem gespannten Lächeln drehte sie sich einmal im Kreis, blickte zur Fassade des Green Hotels hinauf und ließ ihren Blick dann über die Menschen schweifen.

Welcher von diesen Männern würde wohl Charles Sullivan sein? Mr. Smith hatte ihr versichert, dass er ihn brieflich davon in Kenntnis gesetzt hatte, wann sie ankam. Und sie war sicher, dass ihr zukünftiger Mann sie abholen würde. Oder zumindest jemanden schickte, der sie zur Ranch brachte, wenn er selbst keine Zeit hatte.

Einstweilen verabschiedete sich Miss O'Brian von ihren Mitreisenden und gab dem Kutscher ein Trinkgeld dafür, dass er ihre Reisekiste vom Dach holte.

Nicht weit entfernt, auf der anderen Straßenseite, sah sie ein großes Gebäude mit mehreren Stockwerken, das sich „The Gemstone“ nannte. Noch in die Überlegung versunken, was dieses Gemstone wohl sein könnte, flog durch die Schwingtüren plötzlich ein Mann und landete einige Meter entfernt im Straßenstaub. Mit Mühe kam er wieder auf die Beine, lachte und torkelte zurück zur Tür.

Leicht schockiert über diese Tatsache musste Miss O'Brian feststellen, dass der Mann wohl schon am helllichten Tag sturzbetrunken war. Gut, vielleicht war irgendwo auch ein Fünkchen Wahrheit in diesem Abenteuerheft gewesen…

Und bei dieser Erkenntnis keimte für einen Moment der Gedanke in ihr auf, was wäre, wenn Charles Sullivan ebenfalls so ein Trunkenbold war, der seine Frau verprügelte.

Doch ein unaufhörliches Zupfen an ihrem Kleid ließ sie in die Wirklichkeit zurückkehren. Etwas verwirrt blickte sie nach unten und sah sich mit einem strahlenden, sommersprossigen Gesicht konfrontiert.

„Ladys sollten nicht allein auf der Straße rumstehen, sagt mein Dad.“

Verblüfft beugte Steffiney sich zu dem kleinen Mädchen mit den strohblonden Haaren hinunter. Älter als acht konnte sie kaum sein.

„Nun, da hat dein Vater natürlich recht, aber ich warte auf jemanden. Ich dachte, dass ich hier abgeholt werden würde.“ Noch einmal ließ Miss O'Brian ihren Blick über die staubige Hauptstraße von Green Hollow schweifen, doch ohne Erfolg. Niemand schien für die junge Frau mit ihrer Reisekiste mehr als einen abschätzenden Blick übrig zu haben, bevor er weiter ging.

„Wer soll Sie denn abholen, Miss? Ich kenne hier jeden Farmer und Rancher in der Umgebung. Meinem Dad gehört nämlich der Laden hier in der Stadt!“ Die Kleine sagte dies in einem Brustton der Überzeugung. Sie zeigte dabei so inbrünstig mit dem Zeigefinger quer über die Straße, wo ein Schild Plockton's Warehouse auswies, dass Steffiney sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.

„Ich will zur Black Creek Ranch. Kennst du die?“

Die Kleine nahm ihre Hand und zog sie ein Stück auf die Straße und deutete nach Süden. „Klar, das ist die Ranch von Mr. Sullivan. Da müssen Sie hier die Straße hinunter bis zu dem Wäldchen und dann links abbiegen und dann immer mit dem Weg mit. Aber Miss,“ Die Kleine schien plötzlich ganz ernst zu werden. „Da können Sie nicht laufen. Das sind mindestens fünf Meilen, sagt mein Dad.“

Ja, so was hatte sich Steffiney schon fast gedacht. Und so langsam wurde sie nervös. Sich in Boston eine Droschke zu nehmen, um von einem Ende der Stadt zum anderen zu kommen, war eine Sache, aber hier, mitten in der Wildnis zwischen Indianern und Cowboys… Unwillkürlich zog sie ihre Hand aus der Umklammerung der Kleinen und wischte sich die schweißnassen Finger an ihrem Kleid ab. Doch unversehens erscholl über die Straße ein Ruf nach Harriet. Ihre kleine Wegweiserin zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich muss gehen, aber es war nett Sie kennengelernt zu haben.“ Plötzlich machte das Mädchen einen vollendeten Knicks und reichte Miss O'Brian die Hand.

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260 стр. 1 иллюстрация
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9783847643418
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