promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Krisheena - Tor zum Abyss», страница 8

Шрифт:

6. Kapitel

In dem folgenden Zehntag lernten wir aus den gefundenen Büchern. Alles, was wir für unser Studium brauchten, wurde uns wie von Schattenhand zur Verfügung gestellt. Oft reichte allein der Gedanke, und wir fanden das Gewünschte in dem ansonsten kargen Raum vor. Ich erreichte neue Erkenntnisse in der Erschließung meines geistigen Potentials. Begleitet wurden meine Studien von Zohreh, der mich für einzelne Stunden unter einem Vorwand aus der Unterkunft holte und mir neue psionische Kräfte offenbarte. Ich wurde auch sicherer im Anfertigen der Tätowierungen. Mein Körper überzog sich langsam mit verschlungenen Bildern und Symbolen. Wenn ich mich auf die Bilder konzentrierte, konnte ich sie mit meinem Finger verschieben. Sie betonten meine Erscheinung, darauf legte ich sehr viel Wert.

Nachdem wir nicht mehr Wissen aus unserem Fund ziehen konnten, holten uns zwei Mitstreiter der Diebesgilde ab und geleiteten uns durch die Schattenebene in einen lang gezogenen Raum, an dessen Ende sich zwischen mehreren Säulen ein kleines Podest mit breitem Thron befand. Darauf saß Zohreh – sein weites, schwarzes Gewand breitete sich wie ein Leichentuch über den Sitz aus und verwischte die Konturen. Mit seiner Rechten winkte er uns heran. Ehrfürchtig bewegte ich mich auf ihn zu.

»Meister, Ihr habt uns zu Euch holen lassen«, grüßte ich mit bebender Stimme. Meine beiden Gefährten standen zu meinen Seiten und warteten auf seine Worte.

Durchdringend spürten wir seine Laute bis in die entlegensten Körperregionen. Aus der Redeweise heraus wusste ich, wer tatsächlich zu uns sprach. Laana nutzte die Fassade des dunklen Meisters, um von sich selbst abzulenken. Innerlich gluckste ich.

»Ihr habt nun lange genug gelernt. Es ist Zeit, aufzubrechen. Euer bisheriger Auftraggeber blieb in den Narbenlanden zurück. Daher biete ich euch an, für die dunkle Allianz weiterhin Aufträge zu erledigen.«

Er lehnte sich zurück. Sein hoher Kragen bauschte sich hinter ihm auf. Kein Licht vermochte es, sein Gesicht unter der tief hängenden Kapuze preiszugeben.

»Ich habe keine anderen Anweisungen erhalten. So lange Landru nicht in der Nähe ist, sehe ich keinen Grund darin, untätig herumzusitzen. Wie seht ihr das?«, wendete ich mich an meine Begleiter. Meine Absicht, mit ihrer Hilfe den Platz der Scharlachroten Königin einzunehmen, behielt ich für mich.

»Im Keller hocken ist langweilig. Ich komme mit dir«, brummte Torvac mir zu. Er hatte sich durchgerungen, mir zu folgen, egal wohin mich mein Weg führte, und ich war sehr froh darum.

»Ich muss Kontakt zu meinem Vater Akb’ah, dem Mönchskaiser von Asuria, aufnehmen«, forderte Moi’ra. »Ohne seine Zustimmung werde ich nichts unternehmen. Nur er wird mir sagen, was ich zu tun habe.«

Emotionslos sagte Zohreh: »Nun gut, versucht den Kontakt herzustellen. Ihr anderen wartet.«

In Begleitung eines Schattendiebes verließ Moi’ra den Raum und kehrte einige Minuten später zurück.

»Ich werde Euch unterstützen. Was sollen wir machen?« Für den Mönch waren anscheinend weitere Erklärungen unnötig. Sie würde sich nur ihren Mitstreitern vom Orden des dunklen Mondes offenbaren. Ich vertraute ihr ebenso wenig wie sie mir. Nur die von ihrem Vater verordnete Allianz ermöglichte unsere Zusammenarbeit. Dabei beneidete ich sie nicht um ein Gespräch mit ihrem Vater, der sicherlich ihren Gehorsam verlangte ohne einen Lohn in Aussicht zu stellen. Die Erinnerung an das Erlebnis im Gasthaus zur blutigen Axt sorgte immer noch für einen kalten Schauder. Zohreh riss mich mit seinen strengen Worten aus meinen Gedanken.

»Ihr werdet euch nach Talor begeben, in die Hauptstadt Ustan. Dort befindet sich der größte Tempel des Halio aller Reiche. Er ist das Zentrum der Religion des Sonnengottes, der Sitz des Papstes. Seine Priester tragen lange Roben in strahlendem Weiß mit goldenen Aufschlägen und dem Symbol der Sonne. Je mehr Gold sie tragen, umso höher ist ihr Amt. Sie führen einen Streitkolben mit einer strahlenden Kugel als Kopf. Vermeidet einen Kontakt mit ihnen, sie könnten eure wahren Absichten durchschauen.«

Er wartete, bis wir die Informationen verarbeitet hatten.

»Eure Kontaktperson ist Luzius. Er leitet das größte Badehaus in der Stadt, die Quellen der Entspannung. Von ihm werdet ihr weitere Anweisungen bekommen.«

Nun war es an uns, sich Gedanken über das weitere Vorgehen zu machen.

»Wir müssen einen guten Grund haben, die Stadt aufzusuchen«, warf ich ein.

»Es sind doch immer wieder kleine Gruppen unterwegs, die Handel betreiben«, sagte Moi’ra. »Und eine Stadt hat immer viel zu bieten, vielleicht suchen wir nach Wissen, aber es sollte etwas sein, mit dem wir kein Aufsehen erregen.«

»Also sind wir eine Reisegruppe«, schlug ich vor, »auf der Suche nach einem Gegenstand.«

»Oder Informationen darüber, wo sich dieser Gegenstand befindet«, ergänzte die Mönchskriegerin.

»Suchen wir doch einfach den blauen Kristall des Nefflon, das hört sich abwegig genug an.« Kopfnicken meiner Gefährten bestätigte diesen Entschluss. »Jetzt lasst uns einen Blick auf die Karte werfen. Wir sind hier im Osten, die Stadt Ustan liegt sehr zentral, und die guten Reiche befinden sich im Westen. Also stammen wir aus dem Südwesten, dann brauchen wir keine langen Erklärungen, sondern sind aus unserem Dorf aufgebrochen und seit mehreren Zehntagen unterwegs und hoffen, in der Stadt mehr zu erfahren. Torvac ist unser Schutzmann, da braucht er sich gar nicht zu verstellen. Je kleiner die Gruppen sind, umso weniger fallen wir auf. Natürlich sollten wir auch das Aussehen der Gegend im Südwesten annehmen.«

»Es ist gewählt«, unterbrach uns der dunkle Meister. »Komm mit!«

Er winkte Torvac zu sich. Wir folgten den beiden in eine runde Kammer. Grün schimmernde Symbole verteilten sich in einem Kreis.

»Stell dich in den Kreis«, befahl Zohreh, »und halt still. Es wird ein wenig kribbeln.«

Die feingliedrigen Finger des Gehirnfressers spielten in der Luft ein kompliziertes Instrument und entlockten dem Nichts sogar Töne. Vom Boden erstreckte sich das grüne Schimmern immer weiter hinauf, bis es den Minotauren eingehüllt hatte. Das schwarze Fell verschluckte den größten Teil des Lichts, aber an seinen Muskeln und in den Augen brachen sich die Strahlen. Ein Ruck durchfuhr den Hünen. Ich hatte den Eindruck, sein Fell würde schmelzen. Es schimmerte und wurde glatt. Dann verwandelte sich der Kopf, die Hörner zogen sich ein, ebenso die Schnauze. Menschliche Züge bildeten sich, eine wulstige Stirn, breite Wangen und dicke Lippen. Eine flach gedrückte Nase mit weiten Nasenflügeln zog das Gesicht in die Breite. Selbst der eiserne Ring durch die Nasenwand hatte sich verändert und schimmerte nun bläulich silbern wie das Mondlicht. Die Haut blieb schwarz, wie auch der ganze Körper.

Torvac sah an seiner neuen Gestalt hinab. Er ähnelte nun einem sehr großen Halbriesen, einem Firbolg. Irgendwie brachte er es dennoch fertig, mit rot funkelnden Augen zum 'Meister' hinüber zu starren. Dieser hatte sich jedoch schon zu uns umgedreht und erklärte: »So wird er kein Aufsehen erregen. Es ist noch Zeit, Vorbereitungen zu treffen. Um eure für Ustan bösen Absichten zu verbergen, werdet ihr noch einen Gegenstand erhalten, den ihr selbst aussuchen könnt. Für unseren Firbolg habe ich schon gewählt. Sein Nasenring vermittelt ein ruhiges Gemüt. Damit steht ihr dann zwischen Gut und Böse und erregt kein Misstrauen.«

Vor unserer Reise sah ich mir meine Ausrüstung näher an. Was ich nicht länger brauchen würde, konnte ich mit Hilfe der Schattenhand gegen andere Gegenstände eintauschen. Meine Streitaxt gehörte zu den ersten Gegenständen, für die ich dank meiner neu gefundenen Waffe keine Verwendung mehr hatte. Dafür fehlte mir die passende Kleidung einer Südländerin. Gemeinsam gaben wir unsere nicht mehr benötigte Ausrüstung ab, darunter der gefundene Trickbeutel, und legten uns neue, teils auch magische Gegenstände zu, investierten die gefundenen Goldstücke und behielten nur wenig für eine Reisekasse zurück.

Als sehr nützlich erwiesen sich die Aufbewahrungshandschuhe, von denen jeder einen mit passendem Gegenstück bekam. In ihm konnten wir mit einem Befehlswort eine Waffe verstecken und auf ein Fingerschnippen hin wieder hervorholen. Von meinem psionischen Lehrmeister erwarb ich ein ›Drittes Auge‹, was durch einen Gedanken aktiviert wurde, dann vorübergehend auf meiner Stirn erschien und mir half, nach Gegenständen zu suchen oder eine Struktur näher in Augenschein zu nehmen.

In den Ruhephasen brachte ich weitere psionische Tätowierungen an. Sie gaben mir eine besonders erotische Note und lenkten das Auge gezielt auf verführerische Rundungen. Von Zohreh nahm ich ein Bauchnabelpiercing entgegen. Ein kaum spürbares, sanftes Prickeln ging davon aus. Im Spiegel betrachtend gab ich meiner Haut eine dunklere Tönung, behielt den passenden goldenen Schimmer aber bei. Sie kam nun zarter Milchschokolade gleich und hatte den warmen Geruch sonnenverwöhnter Blumen. Zum Anbeißen. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Ich war reisefertig.

Eine kleine Abordnung brachte uns durch die Schatten zu einer runden Kammer mit gewölbter Decke. Im Boden bildeten schwarz gefärbte Steine einen gewellten Kreis. Dort trafen wir wieder auf Zohreh.

»Stellt euch in den Kreis und haltet euch an den Händen fest. Ich werde euch etwa zehn Meilen westlich der Stadt absetzen.«

Wir gehorchten seinen Anweisungen. Ein Summen erfüllte die Kammer, dann verschwammen die Konturen. Ich konnte die Verschiebung durch den Raum spüren. Sie zerrte an meinen Knochen und sorgte für einen Schwindel. Unerwartet standen wir im strahlenden Glanz des Tages neben einem kleinen Buchenhain auf einem Feld. Grüne Ähren zeugten vom Beginn des Sommers. Blinzelnd gewöhnte ich mich langsam an die Helligkeit. In weiter Ferne konnten wir deutlich den Kamm der Schattenzinnen erkennen. Es musste kurz nach Mittag sein, denn die Sonne hatte sich eine Hand breit über die Gipfel erhoben. Ein Fuhrwerk rollte polternd zwischen den Feldern über einen holprigen Pfad und wirbelte grauen Staub hinter sich auf. Wir kreuzten seinen Weg. Die beiden Ochsen in den schweren Geschirren kauten unentwegt. Der ältere der beiden Fuhrmänner brachte die Zugtiere mühsam zum Stehen.

»Möge die Sonne euer Haupt erleuchten«, grüßte ich die beiden Kerle. Sie starrten mich verwundert an und lugten dabei immer wieder zu meinem hünenhaften Begleiter. »Sagt, ist das hier der Weg nach Ustan? Ich bin so viele Stunden gelaufen, dass meine Füße den Gehorsam verweigern, wenn ich ihnen nicht Mut machen kann, bald die Stadt zu erreichen.«

»Das ist allerdings der Weg nach Ustan. Wir wollen selbst dort hin.« Seine rollende Sprache klang sehr fremd in meinen Ohren. So jung, wie der Sprecher war, so ungehobelt waren seine Manieren. Schmatzend kaute er auf einem Priem, der seine Zähne dunkel verfärbte.

»Nehmt ihr uns ein Stück weit mit?«, bat ich. »Wir sind so weit aus dem Südwesten gereist, dass wir uns so kurz vor dem Ziel nicht verlaufen möchten.«

Der Junge spuckte sein gekautes Kraut aus und lachte kurz.

»Na klar, steigt hinten auf die Kisten, auch wenn ich kaum glaube, dass ihr euch noch verlaufen könnt.«

»Warum ist das so abwegig?« Meine großen, neugierigen Augen fesselten ihn so sehr, dass der ältere Fuhrmann belehrend antwortete.

»Na, weil die Mauern der Stadt schon von weitem sichtbar sind und ihr Glanz alles überstrahlt.«

Ungläubig sah ich ihn an. Er zuckte nur mit den Schultern und grinste zu seinem jüngeren Mitfahrer, erkannte, wo dieser seine Augen hatte und schüttelte den Kopf.

»Die Jugend, die Jugend. Mei, wie schön war es noch, sorglos zu sein. Jetzt hüpft endlich auf den Karren, damit wir weiter fahren können.«

Von den Rädern kam ein bedenkliches Knirschen, als Torvac seinen Fuß auf die Ladefläche setzte. An einer Hand zog er mich zu sich hinauf. Mühelos hüpfte Moi’ra aus dem Stand auf eine Kiste.

Ratternd und schwankend setzte das Gespann seine Reise fort. Zu Fuß wären wir sicherlich schneller gewesen, aber so konnte ich in Ruhe die Beine baumeln lassen und kaute an einem Grashalm, den ich zwischen der Ladung gefunden hatte.

»Wenn wir aussehen wollen, als hätten wir den weiten Weg aus dem Süden hinter uns gebracht«, bemerkte unser Mönch leise, »sollten wir etwas mehr Staub an den Schuhen haben.«

»Da hast du vollkommen Recht.« Ich schnaufte. »Daran hätten wir schon früher denken können. Torvac, kannst du mit den Armen einige Klumpen vom Boden aufheben?«

Begleitet von einem Grunzen angelte er sich einen trockenen, grauen Klumpen. Feine, staubige Wolken rieselten davon hinab. In Verbindung mit einigen Tropfen Wasser aus unserer Reiseverpflegung überdeckte bald eine feine Schicht Erde unsere Stiefel. Zusätzlich zerdrückten wir die Brocken und verteilten den Staub auf unserer Kleidung. Jetzt konnte die Stadt kommen.

Und ihr Erscheinen blendete uns. Der Fuhrmann hatte sogar noch untertrieben. Schon aus einiger Entfernung bemerkten wir das Leuchten am Horizont, vergleichbar mit einer zweiten Sonne. Je näher wir kamen, umso intensiver wurde der Schein. Dann tauchten die ersten Mauern auf. Die monumentale Stadt wurde in einen hellen Glanz gehüllt, ein Mantel des guten Glaubens an den Gott Halio.

Hinter der breiten ersten Stadtmauer konnten wir eine zweite, noch gewaltigere erkennen. Massive Türme ragten daraus empor. Wir bogen in eine sorgsam gepflasterte Straße ein, auf der ein breiter Strom aus Reisenden zu den Toren hin floss. Aus unserer Richtung konnte ich nur zwei Zugänge erkennen. Zwei, wenn nicht sogar drei weitere mussten sich auf den gegenüber liegenden Seiten befinden.

Von hier an ging es nur noch schrittweise weiter. Der Nachmittag endete, die Schattenzinnen warfen ihre Dunkelheit über das Land. Aber die Stadt strahlte weiter.

Am Tor angelangt hob mich Torvac wie eine Feder vom Wagen. Ein Schritt reichte, und auch er befand sich wieder auf dem Boden. Neben uns landete Moi’ra mit sicherem Stand, einer Katze gleich.

»Danke fürs Mitnehmen«, rief ich den beiden Männern zu und winkte zum Abschied.

Zielstrebig führte uns der Weg an drei Stadtwachen vorbei. Klar und unmissverständlich hob der vorderste seine Stimme.

»Halt! Als Besucher der Stadt müsst Ihr ein Gastamulett tragen!«

Als Angesprochene fühlte sich Moi’ra zu einer herrischen Nachfrage genötigt. »Und wo bekommen wir ein solches Amulett?«

»In der Schreibstube dort. Danach könnt Ihr die Stadt betreten.«

Vor der benannten Stube hatten sich noch andere Besucher eingefunden. Sie bildeten eine Schlange, in die wir uns notgedrungen einreihen mussten. Von meiner Stelle aus konnte ich ein ganzes Dutzend Stadtwachen beobachten, die offensichtlich von einem Paladin angeführt wurde, einem fanatischen Krieger des Glaubens, der an Ordnung und Recht glaubte. Seine Metallrüstung glänzte von innen heraus und schmerzte meine Augen. Auf seinem weißen Wappenrock prangte eine goldene Sonne. Schutz suchend trat ich hinter meinen riesenhaften Begleiter und berührte seine muskulösen Beine. Er sah zu mir hinab. Seinen fragenden Augen antwortete ich mit einem kurzen Ruck meines Kopfes. Er verstand und legte beruhigend seine große Hand auf meine Schulter.

Staub und Schweiß bildeten in dem kleinen Kabuff eine klebrige Mischung. Mitten in einem Stapel Formulare saß ein gedrungener Mann mit schütterem, zum größten Teil ergrautem Haar. Auf seiner knolligen Nase klemmten zwei Sichtgläser. Lederflicken verstärkten sein mausgraues Hemd an den Gelenken.

»Die nächsten, bitte«, krächzte er heiser. »Aha, drei Personen, zwei Frauen und ein Hüne. Macht für jeden zwei Goldstücke.« Sorgfältig zählte er das gereichte Geld ab.

»Nennt mir Euren Namen und den Grund Eures Besuches, ich werde ihn notieren und ein Gastamulett aushändigen, das Ihr stets bei Euch tragen müsst. Wenn Ihr die Stadt wieder verlasst, gebt es hier wieder ab. Sollte sich der Aufenthalt länger als zwei Zehntage hinziehen, ist eine Verlängerung mit Begründung zu beantragen.« In der Stimme monotoner Wiederholung rasselte der Beamte seine Anweisungen herunter.

Sorgfältig trug der Schreiber unsere Namen und eine grobe Beschreibung in eine Liste ein. Jede Position war mit einer Ziffer versehen. Diese befand sich auch auf dem Amulett. Ich hatte keinen Zweifel über die magische Beschaffenheit der Anhänger, um ihre Träger ausfindig zu machen.

Angewidert von der Bürokratie verdrehte ich meine Augen, verkniff mir jedoch weitere Bemerkungen, als mich der Beamte über seine Sichtgläser hinweg ansah.

»Was darf ich als Grund Eures Besuches notieren?«

»Wir suchen nach Wissen«, gab ich an, »und hoffen, es in den Archiven der Stadt zu finden. Wissen über den blauen Kristall des Nefflon.«

»… Kristall des Nefflon.« Murmelte er meine Angaben, während die Feder die Worte aufzeichnete.

»Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in unserer schönen Stadt.« Das Lächeln hätte auch aus Stein gemeißelt sein können. Ich erwiderte es trocken und legte möglichst viel Hoffnung in meine Stimme.

»Gibt es eine Therme in der Stadt?« Ich zeigte auf meine staubige Kleidung. »Wir möchten uns nach der langen Reise ein wenig erfrischen.«

»Wenn Euch das einfache Bad in einer der zahlreichen Herbergen nicht reicht und Euer Geldbeutel es hergibt, empfehle ich die Quellen der Entspannung. Es ist die ansprechendste Einrichtung zum Baden in der Stadt.«

»Wie gelange ich dort hin?« Unser Ziel zu finden erschien einfacher als ich dachte.

»Nun, junge Dame, folgt der Straße bis durch das innere Tor, dann weiter hinauf, bis Ihr einen großen Platz erreicht. Dort wendet Ihr Euch nach links auf die Hauptstraße. Diese führt Euch direkt zu den Quellen, Ihr könnt sie dann nicht mehr verfehlen. Es ist ein großes, weißes Gebäude mit Kuppeldach.«

»Habt Dank«, sagte ich und wandte mich zum Gehen um. Ich wollte das stinkende Kabuff schnell verlassen.

Infolge seiner beeindruckenden Größe schob sich Torvac mühelos durch die hinter uns wartende Menge und bildete so eine Gasse. Die Wachen nahmen keine Notiz mehr von uns. Ihnen reichte der Blick auf das um den Hals baumelnde Amulett.

Wir nahmen uns Zeit und betrachteten auf unserem Weg die Gebäude und Mauern. Zunächst passierten wir die Vorstadt mit niedrigen Häusern und engen Gassen, in die auch nicht das allumfassende Licht fiel. Vor dem inneren Wall hielten wir kurz an. Seine Spitze verlor sich im Himmel. Beeindruckt durchschritten wir das Tor. Anhand der Wegbeschreibung gelangte unsere Gruppe auf die breite Hauptstraße. Kleine Trupps von Stadtwachen patrouillierten das Gebiet, Händler zogen ihre Waren, Bürger gingen für uns ziellos umher oder bildeten kleine Trauben. Kreischend und lachend jagten Horden von Kindern durch die Menge. Ein ganzer Pulk von Frauen trug ihre Wäsche und klönte dabei über aktuelle Gerüchte. Ich spürte das pulsierende Leben und atmete es tief ein. In Gedanken malte ich mir aus, wie alles hier in Chaos versank, wie viel Lebensenergie ich hier trinken konnte. Genüsslich leckte ich mir die Lippen und feixte mit den Augen zu einigen jungen Burschen hinüber. Dann stieß mich Torvac an und riss mich aus meinen Träumen. Der Weg bog ab – einige Schritt weiter befand sich unser Reiseziel.

Schon von außen machte das Badehaus einen prunkvollen Eindruck. Es gehörte sicherlich zu den größten Gebäuden in der Stadt, von den Tempeln und Schlössern abgesehen. Die breite Eingangstreppe führte zu einem von vier Säulen getragenen Vorbau. Hohe Rundbögen geleiteten den Blick in einen mit Marmor ausgeschlagenen Empfangssaal. In feines Tuch gehüllte Wachen und Bedienstete standen dort. Wir hielten auf eine kleine Gruppe zu. Ich sprach mit einem Lächeln eine junge Frau mit aschblonden Locken und kleinen Grübchen an.

»Möge die Sonne über Euch scheinen. Wir wollen unseren von der Reise ermüdeten Muskeln ein wenig Entspannung gönnen. Uns wurde das Badehaus hier empfohlen. Leider sind wir nicht von hier und kennen uns in den Gepflogenheiten nicht so aus. Könnt Ihr uns weiterhelfen?«

»Natürlich, meine Dame. Die Quellen der Entspannung sind der richtige Ort zur Erholung. Wenn Ihr bitte hier herüber kommt, der Eintritt zu den Quellen kostet fünfzig Goldmünzen, dafür könnt Ihr den ganzen Tag darin verweilen.«

Etwas überrumpelt von dem hohen Betrag wurde mein Lächeln noch etwas breiter. Unsere Reisekasse wäre mit dem Eintritt nahezu geleert. Vorsichtig sah ich zu meinen beiden Begleitern. Sie hatten ähnlich große Augen bekommen, schwiegen aber einvernehmlich.

Nachdem jeder seinen Obolus geleistet hatte, begrüßte uns eine schwarzhaarige Frau mit auffällig schwingenden Hüften.

»Folgt mir bitte in den Umkleideraum«, forderte sie uns freundlich auf und geleitete uns in das Innere. Nach wenigen Schritten durch einen breiten Gang, der zu jeder Seite über eine Reihe von Statuen athletischer männlicher und weiblicher Körper verfügte, erreichten wir die schmale Kabine. Ohne Eile legten wir unsere Garderobe ab. Eine kräftige Frau mit kurzen, braunen Haaren wartete. Bei ihr konnten wir unsere Ausrüstung und Kleidung in Verwahrung geben. Ich behielt meinen Nymphenumhang und bekam wie die anderen beiden auch ein Handtuch mit verschlungenen Stickereien.

»Soll die Reisekleidung gewaschen werden?« Freundlich strahlte uns die Bedienstete an.

»Das wäre sehr nett, danke schön«, lächelte ich. »Und, seid so gut und erklärt mir, wo ich mich ein wenig von der Reise entleeren kann. Meine Blase drückt schon lange.«

»Natürlich, folgt mir bitte. Wir haben auch frische Tücher dort, mit dem Ihr Eure Haut reinigen könnt.«

Sie brachte mich zu einem mit zahlreichen Mosaiksteinen verzierten Raum. Der Boden war geheizt, Licht flutete durch Gänge und Säle, hüllte meinen Körper in wohlige Wärme. Mit ausgestreckter Hand zeigte sie auf eine Sitzfläche aus Marmor, in deren Mitte sich ein Loch befand. Gerundete Ausbuchtungen gaben meinen Beinen Halt, als ich mich darauf setzte.

»Ich hoffe, diese Möglichkeit der Erleichterung ist genehm. Soll ich in der Zeit schon etwas zu trinken bringen?«

»Ein süßlicher Wein würde meinem Gaumen munden.«

»Sehr wohl. Hier noch die Tücher zum Entfernen etwaiger Rückstände.«

Dankbar nahm ich die gereichten Gewebe. Sie dufteten nach Rosenöl und fühlten sich sehr weich und zart an. Seufzend leerte ich meine Blase und drückte meine Exkremente in die dafür vorgesehene Grube. Auch wenn nicht viele Rückstände auf meiner glatten, haarlosen Haut blieben, war ich froh, die Reste ordentlich säubern zu können. Jetzt duftete ich nach Rosen.

»Euer Getränk.« Ich hatte die zurück gekommene junge Frau gar nicht bemerkt, so fasziniert war ich von dem Luxus des Hauses.

»Danke«, lächelte ich sie an und nahm das Glas entgegen. »Es ist sehr angenehm hier.«

»Begebt Euch doch bitte zum Waschsalon. Dort befinden sich bereits Eure beiden Begleiter, um den Straßenstaub zu entfernen. Ich kümmere mich hier um alles andere.« Lächelnd zeigte sie zum Rundbogen am Ende des Raumes.

Mit dem Weinglas in der Hand wandelte ich durch den hellen Gang, vorbei an zahlreichen Marmorbüsten zeitloser Schönheiten. Eine zierliche Frau mit sandfarbenen Haaren kam mir entgegen und führte mich in eine halbrunde Kammer, wo drei Bassins in den gekachelten Boden eingelassen waren. Torvac und Moi’ra entstiegen gerade dem reinigenden Bad.

Während sie abgetrocknet wurden, kümmerte sich meine Führerin mit Schwämmen und Badezusätzen um mein Wohl.

»Wünscht Ihr auch eine Massage?«, erkundigte sich die Bedienstete an alle gewandt. »Ich weise darauf hin, dass sie zu den zusätzlichen Angeboten des Hauses gehört und nicht im Eintrittspreis enthalten ist.«

»Welche Massagen gibt es denn?«, fragte ich hintergründig. Ihr Grinsen war aussagender als ihre Worte.

»Je nachdem, wie beansprucht die Muskeln sind, hat der Gast die Wahl zwischen einer entspannenden Massage oder einer sehr belebenden, aufbauenden Massage. Dann gibt es noch auf Wunsch zahlreiche Variationen, zum Beispiel eine sehr exotische Massage mit den Füßen. Es besteht natürlich die Möglichkeit, für diese Form der Entspannung einen eigenen Raum zu bekommen.«

»Ja, eine Massage wäre gut. Was kostet denn eine normale, belebende Massage?« Moi’ra rieb ihre Finger, um die Kostenfrage zu untermalen.

»Zehn Goldmünzen für eine Stunde. Ich kann alles herrichten lassen. Sind Einzelzimmer gewünscht?«

»Das wird nicht nötig sein.« Wir nickten zustimmend. »Also drei Mal Massage, bitte.«

Sie lächelte und reichte mir ein Handtuch. Die flauschige Oberfläche nahm erstaunlich gut Flüssigkeit auf.

Nur mit einem weißen Tuch um die Hüften bekleidet holte uns ein muskulöser Mann ab und brachte uns in den Massageraum. Sechs Liegen standen dort, auf kleinen Abstellflächen waren zahlreiche Flakons und Töpfchen drapiert.

»Legen Sie sich bitte auf den Bauch. Entspannen Sie sich. Wer einen weiblichen Masseur möchte, der nutzt bitte die Liegen zur Linken, ansonsten bleiben Sie bei mir und legen sich bitte hier hin.« Er zeigte freundlich auf die drei Liegen neben sich. Ganz sanft schwebte eine beruhigende Melodie durch den Raum. Torvac überlegte nicht lange und ging zur linken Seite. Sein Körper passte kaum auf die Liege.

»Oh!«, stieß die Frau mit breiten Wangenknochen und kräftigen Schultern aus, die gerade herein getreten war. »Nein, nein, müht Euch nicht«, erklärte sie unserem Hünen gegenüber. »Diese Liegen sind nicht für so große Personen gedacht. Kommt bitte mit, wir haben in einem anderen Raum passende Liegen.«

Er folgte ihr gehorsam. Ich war noch unschlüssig, welche Hände ich spüren wollte. Moi'ra legte sich bereits bei dem Mann hin, der mich höflich fragend ansah. Ich lächelte ihm zu und ging auf die andere Seite. Kurz darauf trat eine kurz gelockte, blonde Frau ein. Sie hatte eine Narbe auf dem Bauch, trug wie der Mann ein Tuch um die schmalen Hüften und zusätzlich ein breites Band um den Brustkorb, das an ihrem Nacken verknotet war und ihre Brüste verdeckte.

Es dauerte nicht lange, bis die verschiedenen, aufgetragenen Öle und das Kneten der weichen Hände mich in sanfte Träume wiegten. Ich hatte das Gefühl, jeder Muskel seufzte unter den kundigen Griffen. Gleichzeitig achtete ich auf ihre Technik, denn die Körpermassage war auch mein Steckenpferd, wenngleich ich noch ganz am Anfang meiner Erfahrung stand. Sicherlich würde später noch Zeit sein, allein mit ihr zu sprechen. Durch genießerische Laute zeigte ich ihr, wie sehr ich ihre Hände genoss. Sie bezog Po und Beine mit ein, widmete sich mehrere Minuten lang meinen verspannten Füßen und hatte warmes Öl für meinen Nacken. Es war schön. Die Zeit verging viel zu schnell.

Blinzelnd sah ich in die blauen Augen einer sehr schlanken und jungen Frau.

»Ist die Stunde schon um?«, fragte ich verschlafen. Ich musste eingenickt sein. Die Liege neben mir war leer.

Schmunzelnd reichte sie mir ein blaues Badetuch mit einem roten Rand. Sie half mir, die Kordeln des Umhangs zu befestigen, was mir einen guten Blick auf ihre grazilen Finger ermöglichte.

»Wenn Ihr mir bitte folgen würdet«, um ihre Mundwinkel zeichneten sich feine Grübchen ab. Sie hatte keine Eile und ermöglichte mir, die luxuriöse Badeanstalt in Augenschein zu nehmen.

Andächtig durchschritt ich die Passage und fand mich in einer großen, von zahlreichen Säulen getragenen Halle wieder. Sanftes Wasserplätschern füllte die gewürzte Luft. Ich roch frische Minze und betörende Rosen heraus. Einige Schritt neben mir bestaunten Torvac und Moi’ra das Bad. Ich winkte ihnen zu. Wir waren bei weitem nicht die einzigen Gäste. In Badetücher oder weiche Mäntel gehüllt lagen oder saßen einige Besucher auf großen Stühlen neben der Wasserfläche. Mehrere Stufen führten in das Nass. Es gab vier verschiedene Becken, von denen zwei sehr stark dampften und einen heißen Spaß versprachen. Eine Oberfläche wurde beständig von Luftblasen durchbrochen. Hier hatten es sich drei sehr beleibte Männer fortgeschrittenen Alters bequem gemacht.

Große Kristallgläser gaben den Blick frei auf einen Garten mit dichter Vegetation, ein Atrium inmitten des Gebäudekomplexes. Ich erkannte einige, für diese Region untypischen Pflanzen. Sehr exotisch wirkten die Palmenblätter, aber auch das graue, von zahlreichen kleinen Löchern durchwirkte Felsgestein machte den Ort zu einer kleinen Oase.

Über allem thronte eine gewaltige, durchscheinende Kuppel. Ihr hereinfallendes Licht spiegelte sich im Wasser und belebte die bunten Mosaike zu einem Spiel der Farben und Formen.

Genüsslich streckte ich mich, zog den Hauch von Nichts über meinen Kopf und stieg langsam die Stufen hinunter ins Becken. Nahezu alle Blicke ruhten auf meinen weiblichen Reizen. Ich wollte gesehen werden und aalte mich in ihrer Aufmerksamkeit.

Ausgiebig planschte ich im Wasser und spritzte damit meine Weggefährten nass. Moi’ra hatte für solch umtriebiges Spiel kein Verständnis, dafür packte mich Torvac und verpasste mir eine schnelle Tauchfahrt. Prustend kam ich wieder an die Oberfläche und lachte herzhaft.

In einer ruhigen Minute sprach ich eine der Bediensteten an.

»Verzeiht, aber ich möchte gerne den Eigentümer dieses herrlichen Bades kennen lernen. Gibt es die Möglichkeit eines Gespräches?«

»Für gewöhnlich gibt der Leiter der Quellen keine kurzfristigen Audienzen, aber ich werde mich erkundigen. Kann ich Euch sonst noch einen Wunsch erfüllen?« Ihr vieldeutiges Lächeln animierte mich zu sehr direkten Interessen, ich besann mich aber.

»Vielen Dank für Eure Bemühungen. Im Moment bin ich zufrieden.«

Etwa eine halbe Stunde später kehrte die angesprochene Frau zurück.

»Der Leiter hat jetzt Zeit für eine Audienz. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt?« Freundlich reichte sie mir ein Handtuch und rubbelte meinen Rücken trocken. In dem Blick, den wir einander tauschten, lag wissende Begierde. Ich winkte die anderen heran.

Бесплатный фрагмент закончился.

399
502,80 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
640 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783738030938
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают