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Читать книгу: «Der Münzberg»

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Andreas Graziano Müller

Der Münzberg

Ein Wirtschaftskrimi im Feenland

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Pinguin taucht auf

Peter lebt sich ein

Etwas seltsames passiert

Peter beginnt zu ermitteln

Ein neumodisches Gefährt und Reisevorbereitungen

Die im vorangegangenen Kapitel vorbereitete Reise rückt näher

Die Reise

„Sport“

Ein Picknick

Prüfungen

Bei Wankels daheim

Eine recht gewöhnliche Lebensgeschichte

Noch mehr Prüfungen

Geschichte wird gemacht

Keine Atempause

Ein verunsicherndes Gespräch mit der Katze

Devisenhandel

Auf dem Bauernhof

Politik und Werbefernsehen

Menschen!

Der Zauberer im Hintergrund

Finale

Impressum neobooks

Ein Pinguin taucht auf

Weil Feen selten besonders originell sind, wollten sie ihn zu einem Kellner machen. Aber Peter, der kleine Pinguin, wollte lieber Polizist oder Detektiv werden. Er konnte aber die Gesetze der Feenwelt nicht ohne weiteres verstehen, das sind nämlich ganz besondere Gesetze. Erst vor ein paar Tagen war er dort gelandet. Er war in den Wunschbrunnen gefallen, den einzigen Wunschbrunnen der Antarktis, an dem ersten Tag seit ewigen Zeiten, an dem dieser nicht zugefroren war. Da fand sich Peter plötzlich auf einem Geldberg wieder. Geld aus aller Herren Länder. Und was für ein riesiger Haufen, er war bestimmt zwanzig Meter hoch, alles kleine Münzen. Am Fuße des Haufens standen Feen und nahmen einzelne Münzen. Alle Feen trugen Handschuhe und fassten die Münzen vorsichtig mit den Fingerspitzen an. Sie schienen sich zu ekeln. Wenn eine Fee eine Münze genommen hatte, schaute sie kurz nachdenklich in die Luft, zuckte dann mit den Schultern oder schüttelte den Kopf und steckte die Münzen in ein kleines Leinensäckchen. Manchmal zuckten sie nicht mit den Schultern, sondern wedelten kurz mit ihrem Feenstab, dann entstanden ein paar Funken, die im Himmel verschwanden. Das war hübsch – aber seltsam. Peter versuchte den Geldhaufen hinunterzuwatscheln, der war aber rutschig, also schlitterte er lieber bäuchlings hinab. Wie man von rutschigen Bergen herabkommt, weiß niemand besser als ein Pinguin, der ja sein Leben lang auf Eisbergen gelebt hat. Unten stieß er auf zwei Feen, die sich um eine Münze stritten, die vielleicht sehr selten oder besonders viel wert war. Die meisten Münzen konnten nicht viel wert sein, wo es doch so viele davon gab. Peter rutschte der einen auf den Fuß. Sie erschrak sich und die andere schnappte die Münze und verschwand. Die eine, ihr Name war Nananananelda, was man auf dem zweiten „na“ und auf dem „nel“ betont, schrie:

„Haltet sie, sie hat meine Münze!“,

woraufhin sich aber keine der umstehenden Feen rührte. Das zeigte, dass man hier einen Polizisten gut brauchen konnte. Nananananelda wandte sich Peter zu:

„Wer bist du denn? Bist du überhaupt eine Fee?“

Peter schwankte mit dem Körper vor und zurück. Nananananelda überlegte, ob das ein Verbeugen oder ein Nicken sein sollte. Peter watschelte kurz im Kreis, schaute Nananananelda ins Gesicht und verbeugte sich wieder, denn es war eher ein Verbeugen als ein Nicken.

„Oh, Moment.“,

sagte Nananananelda und holte ihren Feenstab aus ihrem Gürtel, einer Art Werkzeuggürtel für Feen. Sie tippte Peter kurz an. Funken stoben.

„Hmm. Öchm. Chmm. Mmm. Hmm.“,

machte Peter.

„Ich kann mich ja räuspern!“,

wunderte sich Peter.

„Oh, ich äh, – – ich – –. Und ich kann sprechen.“,

stammelte Peter erstaunt. Nananananelda fragte noch einmal:

„Und wer bist du nun?“

„Peter.“

„Bist du eine Fee?“

„Nein.“

„Dachte ich mir. Was bist du denn?“

„Ein Pinguin.“

Wenige Tage später wohnte Peter in einer Wohngemeinschaft mit einigen anderen Besuchern des Feenreiches. Nananananelda, die eine recht nette Fee zu sein schien, hatte ihm geholfen, die Wohnung zu finden. Nebenan wohnte Onkel Wankel. Dieser hatte die typische gekrümmte Haltung eines zu groß geratenen Menschen, der sich ständig zu seinen Mitmenschen hinunterbeugen muss. Er war aber selbst eher klein. Er wollte eine Geschichte über Feen schreiben, hatte aber das Notizbuch vergessen, in dem er sich Notizen über die Feenwelt machen wollte. Jetzt arbeitete er als Münzenpolierer. („Was hat es nur mit den Münzen auf sich?“, fragte sich Peter.) Gegenüber lebte ein Weihnachtswichtel, der sehr alt war. Wie allen Weihnachtswichteln sah man es ihm aber nicht an, außer vielleicht an den Zähnen, wie bei Pferden. Er ließ sich aber von niemandem in sein Maul schauen.

„Ich glaube wir haben uns früher schon einmal gegenüber gewohnt. Ich am Nordpol und du gegenüber am Südpol.“,

sagte der Weihnachtswichtel und verschwand in seinem Zimmer, in dem er irgendwas bastelte. Niemand wusste was, er ließ niemanden in sein Zimmer und sprach nie über das, was er bastelte und er achtete peinlich darauf, dass niemand in sein Zimmer schaute. Zuletzt wohnte noch ein Kobold in der Wohnung, der Wismut hieß. Der hatte eine ganz wirre Frisur auf dem Kopf aber einen akkurat gescheitelten Vollbart. Wie die meisten Kobolde hatte er einen Stand auf dem Markt, er verkaufte Obst und Gemüse. Und wie alle Kobolde hatte er kein Talent zu verkaufen. Er stand hinter seinen Waren und sagte langsam und gelangweilt:

„Obst, Gemüse, also zum Beispiel Äpfel, Broccoli, Spargel, der sieht heute, glaube ich, ganz gut aus oder Birnen, die sind ein bisschen weich, aber wenn Sie sie heute noch oder zumindest sehr bald essen, sind sie einigermaßen ziemlich gut. Wenn die Äpfel so weich wären wie die Birnen, wären sie nicht schön. Sind sie aber nicht. Die sind fast knackig. Für einheimisches Obst zu dieser Jahreszeit außergewöhnlich knackig – eigentlich. Also kaufen Sie. Kaufen Sie. Kaufen Sie.“

Und wurde immer leiser. (Das Obst war außerordentlich gut, viel besser als alles, was man in der Menschenwelt bekommt. Aber ein Kobold muss kein guter Verkäufer sein, da alle Konkurrenten ebenfalls Kobolde sind und nicht gut verkaufen können.)

Einmal besuchte Peter mit Nananananelda den Markt. Der Markt war gleich neben dem Zentrum des Feenlandes. Das Zentrum war der Münzhaufen. Die Münzpoliererei, in der Onkel Wankel arbeitete, war auch gleich um die Ecke. Alles was mit Geld zu tun hatte, fand in dieser Gegend statt. Und Peter musste Geld verdienen, also suchte er hier Arbeit. Besser gesagt, Nananananelda suchte Arbeit für Peter, der selbst nicht gewusst hatte, dass das so sein muss. Sie führte ihn in ein Café, in dem er kellnern sollte. Peter zögerte.

„Ich glaube nicht, dass ich das kann.“

„Du siehst aus wie ein Kellner und Kellner werden gebraucht.“,

herrschte Nananananelda ihn an. Und schon kam jemand, es musste wohl der Besitzer des Cafés sein, und drückte Peter ein Tablett mit Cappuccino und Buttercremetorte in die Hand. Das Tablett schepperte samt Cappuccino auf den Fußboden. Peter hatte keine Hand, in die man ihm etwas hätte drücken können. Die Buttercremetorte flog, wie von Geisterhand bewegt, in das Gesicht einer schwarzen Katze, die mit abgespreiztem kleinen Finger Mokka trank. Vom scheppernden Tablett erschreckt rannte Peter im Kreis, wobei er etwas beobachtete: In einer Ecke saß eine junge Fee, die angestrengt wegschaute. Unter ihrem Tisch stoben ein paar Funken, wie sie ein Feenstab hinterlässt. Diese Fee hatte etwas hellere Haare als die übrigen Feen, die allesamt dunkelblond waren. Und die Katze, die die Buttercremetorte ins Gesicht gekriegt hatte, schaute genau diese Fee argwöhnisch an.

Währenddessen unterhielten sich Nananananelda und der Besitzer des Cafés, der übrigens Tom hieß. Tom sagte:

„Das war wohl nichts.“

„Das muss irgendwie gehen. Er ist der geborene Kellner, das sieht man doch.“

„Er hat keine Hände. Und was da an ihm aussieht wie ein Frack, hat keine Tasche für das Geld. Und meine Kellner tragen überhaupt keine Fracks. Seit Jahrzehnten nicht mehr.“

„Probier mal, ob er das Tablett auf dem Schnabel balancieren kann. Das wäre doch eine Möglichkeit und eine Attraktion.“,

keifte Nananananelda und:

„Eine Tasche kann er sich umhängen. Er braucht einen Job.“

Die hellblonde Fee in der Ecke hatte eine Hand voll Münzen auf den Tisch geworfen. Sie hatte die Münzen nicht abgezählt und es schien ihr auch egal zu sein, dass eine auf den Boden rollte. Dann verließ sie das Café. Unterwegs wurde sie von der Katze angefaucht, woraufhin die junge Fee kicherte. All dies hatte Peter genau beobachtet, als er plötzlich von Tom angesprochen wurde:

„Halt mal den Schnabel nach oben.“

Peter reagierte nicht gleich, woraufhin Nananananelda ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger von unten gegen den Schnabel drückte und schrie:

„Du sollst den Kopf in den Nacken legen.“

Woraufhin Tom ihm das Tablett aufs Gesicht stellte. Er rückte es hin und her, um es auszubalancieren. Schließlich ließ er es los. Es blieb eine kleine Weile auf Peters Schnabel liegen. Bis sich Peter bewegte, da polterte es herab.

„Komm, wir suchen dir eine andere Arbeit.“,

seufzte Nananananelda. Dann verließen sie das Café.

„Was war das für eine Katze?“,

fragte Peter.

„War da eine Katze?“

„Eine schwarze Katze. Ihr ist das Tortenstück ins Gesicht geflogen.“

„Herrje.“

Nananananelda schaute durch ein Fenster, um die Katze zu sehen.

„Hoffentlich gibt das keinen Ärger. Das könnte ein Zauberer gewesen sein. Die besuchen unser Feenreich manchmal in der Gestalt von Katzen. Die Zauberer sind mächtige und edle Herren.“

„Ich war nicht schuld. Ich glaube eine Fee hatte ihr das Tortenstück ins Gesicht fliegen lassen.“

„Ogottogott, diese Verrückten.“

Nananananelda schüttelte den Kopf. Peter wollte fragen, wen sie denn mit „diese Verrückten“ meine, doch da kam Wismut der Kobold auf sie zugelaufen.

„Wisst ihr schon das Neuste?“,

rief Wismut aufgeregt.

„Hast du vielleicht eine Arbeit für Peter?“,

fragte Nananananelda ohne auf das Neuste neugierig zu sein.

„Nein, aber vielleicht meine Tante.“,

sagte Wismut. Seine Tante war das Familienoberhaupt, sie hatte das Geld (was sie nach alter Koboldsitte zum Familienoberhaupt machte), ihr gehörte die Gärtnerei und der Großhandel. Das Gemüse, das Wismut verkaufte, war also von seiner Tante. Der kleine Stand, an dem Wismut Obst verkaufte, gehörte Wismut, alles andere gehörte ihr.

„Also, möchtest du bei Wismuts Tante oder in der Münzpoliererei arbeiten?“

Fragte Nananananelda.

„Wo ist denn der Fischhändler? Mit Fischen kenne ich mich viel besser aus als mit Gemüse.“,

sagte Peter, bereute es jedoch gleich wieder, denn mittlerweile war der Gedanke in ihm gereift, Polizist oder Detektiv zu werden. Er traute sich aber nicht, dies Nananananelda zu sagen. Sie war immer auf ihre eigenen Vorschläge fixiert und schien immer noch maßlos enttäuscht zu sein, dass Peter kein Kellner geworden war. Der Fischhändler verdiente übrigens sein Geld – und zwar viel Geld – mit Fröschen und Eidechsen, die für Zaubertränke gebraucht wurden. Fisch verkaufte er nur nebenbei.

„Der will dich bestimmt nicht. Du würdest seine paar Fische doch wegessen. Er will ja schließlich Geld verdienen.“,

sagte Nananananelda barsch.

„Dann verdient er seine Kröten nur noch mit Fröschen.“,

unkte Wismut. Dann fragte er:

„Kannst du ordentlich zupacken?“

„Keine Hände.“,

sagte Peter leise.

„Dann will dich meine Tante auch nicht.“

„Da bleibt nur noch die Münzpoliererei. Die nehmen jeden.“

Nananananelda ließ den Kopf hängen.

„Was arbeitest du eigentlich?“,

fragte Peter Nananananelda.

„Ich bin eine Fee!“

„Ist das eine Arbeit? Kann ich dann nicht auch nur einfach Pinguin sein.“

„Wenn es hier einen Zoo gäbe...“,

meinte Wismut.

„Zoo?“

Peter musste kurz überlegen, was dieses Wort bedeutet. Seit Nananananelda gezaubert hatte, dass er sprechen kann, kannte er viele Wörter. Er kannte aber nicht immer die dazugehörigen Dinge, die die Wörter benennen. Meistens kannte er trotzdem die Bedeutung und er konnte sich etwas vorstellen. „Zoo“ war ihm aber so fremd, dass er erst eine Weile nachdenken musste. Am Südpol gab es keine Zoos, nichts Vergleichbares und auch nicht das Bedürfnis danach.

„Ich will in keinen Zoo. Aber sag mir mal, was arbeiten denn Feen?“

„Wir nehmen uns das Geld von dem Haufen.“

„Warum kann ich das nicht auch machen?“

„Du darfst es nicht.“

Nananananelda sagte nichts weiter. Wismut erklärte:

„Es ist so: Auf den großen Münzhaufen fallen alle Münzen aus den Wunschbrunnen der Welt. Wenn eine Fee eine Münze davon nimmt, hört sie den Wunsch. Da du keine Wünsche erfüllen kannst, wäre es unfair, wenn du eine dieser Münzen nehmen würdest.“

„Erfüllt ihr alle Wünsche?“,

fragte Peter Nananananelda.

„Natürlich nicht!“,

sagte Nananananelda entrüstet,

„Das wäre ja katastrophal.“

Das Wort „katastrophal“ und die Heftigkeit, mit der Nananananelda es aussprach, ließen Peter zusammenzucken. Wünschen sich die Menschen vielleicht Katastrophen? Warum sollten sie? Nananananelda wandte sich nervös ab und blickte besorgt den Münzberg an. Peter ging deshalb nicht weiter darauf ein und fragte statt dessen Wismut:

„Was wäre, wenn ich mir einfach eine Münze nähme?“,

Nananananelda schaute Peter wieder an, sehr streng und ohne etwas zu sagen. Der Gedanke schien sie zu empören. Wismut dachte kurz nach und erklärte:

„Wenn es keine besonders wertvolle ist, würde wahrscheinlich niemand etwas sagen. Die Feen würden dich böse anschauen. Bei einigen seltenen Münzen könnten sie aber zu Furien werden. Aber lass es! Es gehört sich nicht. Es ist nicht der Lauf der Dinge.“

Peter musste kurz überlegen, was Furien sind. (Gab es am Südpol nicht.) Wild wütende Wesen stellte er sich vor. Vielleicht würden die Feen um sich schlagen.

„Braucht ihr jemanden, der den Münzberg bewacht? Das würde ich gerne machen. Leute beobachten kann ich auch sehr gut, glaube ich. Genau, ich will Wachmann werden.“

Peter tastete sich langsam an seinen Traumberuf heran. Aber Nananananelda schüttelte den Kopf.

„Dafür wird dich aber niemand bezahlen. Hier wird man nur dafür bezahlt, wenn man anderen Freude bereitet. Aber wer hat schon Freude daran, beobachtet zu werden? Gehen wir zur Münzpoliererei.“

„An nichts hat eine gute Fee mehr Freude als an einer frisch polierten Münze.“,

sagte Wismut und wollte sich verabschieden.

„Moment mal, wolltest du uns nicht etwas erzählen?“,

fragte Peter, der sich daran erinnerte, wie Wismut mit den Worten „Wisst ihr schon das Neuste“ angelaufen kam.

„Ach ja. Der König der Zauberer ist in der Stadt.“

„Als Katze?“,

fragte Peter.

„Ich weiß nicht. Möglich.“,

sagte Wismut.

„Aha.“,

sagte Peter, während Nananananelda besorgt schaute.

Peter lebt sich ein

Peter fing in der Münzpoliererei an. Seine Kollegen arbeiteten aber wieder mit ihren Händen. Da das dem Chef als die normale und vielleicht sogar einzige Möglichkeit schien, Münzen zu polieren, wollte er Peter die Arbeit eigentlich nicht geben. („Wenn er nicht einmal in der Münzpoliererei Arbeit bekommt, muss er wohl das Land verlassen.“, meinte Nananananelda.) Peter aber warf eine Münze auf den Boden, ließ sich von Onkel Wankel ein Poliertuch an einen Fuß binden. Dann konnte er mit dem Tuch über die Münze wischen. Das sah aus, als würde Peter tanzen. Er breitete seine Flügel aus, stand auf einem seiner Füße, bewegte den anderen vor und zurück und gleichzeitig bewegte sich noch fast sein ganzer Körper. Sein Becken und sein Bauch wiegten rhythmisch. Nur sein Kopf bewegte sich nicht. Der stand fest, als wäre er irgendwo befestigt. Der Fuß, auf dem Peter stand, bewegte sich natürlich auch nicht, er tat dies aber viel unauffälliger als der Kopf. Das Ganze sah so hübsch aus, vielleicht auch ulkig, aber vor allem hübsch, so dass die Feen kamen und es sich anschauten. In wenigen Minuten schien es sich im ganzen Feenland herumgesprochen zu haben. Sie hatte Freude, Peter beim Polieren zuzuschauen. Deshalb bezahlten sie dafür, zuschauen zu dürfen.

„Macht es dir eigentlich Spaß, wenn du ständig bei der Arbeit angeschaut wirst? Hier geht es ja zu wie im Zirkus. Aber wenigstens lernt man so mal ein paar Feen kennen.“,

sagte Onkel Wankel. Onkel Wankel war eifersüchtig, weil die Feen Peter streichelten und manchmal ein Küsschen gaben. Einmal sagte er leise:

„Ich wünschte, ich wäre ein Pinguin.“

Denn er wollte auch ein Küsschen. Niemand hörte ihn. Dann schrie er aber plötzlich laut:

„Nein, nein, das meine ich nicht so.“

Onkel Wankel hatte Angst, dass eine Fee ihm den Wunsch erfüllen könnte. Er wollte kein Pinguin sein; er wollte ein Küsschen und dachte, Pinguine küsse man eher als einen alten Onkel. Er wollte sein Küsschen aber doch als Mensch. Keine Fee wusste, was er nicht so meinte, denn der Wunsch, den er nicht so meinte, hatte ja niemand gehört. Alle schaute Onkel Wankel an.

„Wie meinst du es denn? Und was?“,

fragte eine junge Fee.

„Nichts. Doch. Ich meine, ich meine gar nichts. Meine ich jetzt wirklich. Nichts.“,

stammelte Onkel Wankel. Die junge Fee gab Onkel Wankel ein kleines Küsschen, um ihn zu beruhigen. Vielleicht auch, weil sie seine Nervosität niedlich fand. Ein nervöser Onkel Wankel ist zwar nicht so niedlich wie ein tanzender Pinguin, aber immerhin. Peter dachte, meinen sei eine ziemlich schwierige Sache.

In der Münzpoliererei arbeiteten etwa zwanzig Wesen, die meisten waren Menschen oder Affen, außerdem noch ein Eichhörnchen, das besonders flink war und ein Waschbär, dem die Arbeit weniger Spaß machte, als man hätte denken können. Peter fühlte sich hier recht wohl. Die Wände der Zimmer waren weiß, der Teppich ebenso, außer an den Stellen an denen Peter poliert hatte. Die Tische waren weiß, die Stühle waren weiß und was nicht weiß war, war spiegelnder Chrom, der das Weiß reflektierte. Peter erinnerte das viele Weiß an seine Heimat. Da ging das Weiß bis an den Horizont, nur der weite Himmel war blau und das weite Meer. Die Zimmer der Münzpoliererei waren allerdings sehr klein. Die Menschen erinnerten die Zimmer an Krankenhäuser, sie fühlten sich unwohl. Die Affen erinnerte das Weiß an nichts, sie fühlten sich noch weniger wohl.

Der Chef der Münzpoliererei war Herr Klappo Schack, ein Kobold. Er bekam von den Feen die feuchten und manchmal schmutzigen Münzen. Diese befanden sich in den Leinensäckchen, in die die Feen sie gesteckt hatten, nachdem sie am Münzberg gewesen waren. Er gab die Münzen an die Polierer und die polierten Münzen an die Feen zurück, nun in Säckchen aus feinster Seide. Herr Klappo Schack mochte es nicht, wenn während der Arbeit geredet wurde, außer er redete selber, was er aber auch nicht zu häufig tat. Die wenigen Dinge, die er sagte, mochte er sehr und wenn es auch nur „Guten Tag!“ war. Seine Stimme mochte er nicht, nur was er sagte, mochte er. Seine Stimme klang wie eine Mischung aus Rülpsen und Nachtigallengesang. Wenn man jetzt denkt, Nachtigallengesang sei doch sehr schön, hat man noch nie mit einer Nachtigall die ganze Nacht über Steuererhöhungen oder die städtische Verkehrspolitik geredet. Irgendwann in den Morgenstunden kriegen sie einen unerträglich weinerlichen Tonfall. Das leichte Rülpsen in der Stimme von Herrn Klappo Schack gab der Sache den Rest.

Obwohl Herr Klappo Schack es nicht mochte, wurde bei der Arbeit dauernd geredet. Die Arbeit war einfach, aber langweilig. Sie war nur erträglich, wenn man dabei schwatzte. Die Menschen erzählten von der Menschenwelt, die Affen von der Affenwelt, das Eichhörnchen erzählte, dass die Eichhörnchenwelt mitten in der Menschenwelt sei, dass die Menschenwelt aber ganz anders aussehe, wenn man sie von der Eichhörnchenwelt aus betrachte. Einmal fragte Peter:

„Gibt es eigentlich viele Wunschbrunnen bei euch Menschen?“

„Es gibt viele Brunnen. Welche davon Wunschbrunnen sind, weiß niemand.“,

sagte Onkel Wankel.

„Niemand? Auch die Feen nicht?“

„Feen wissen gar nichts. Sie wollen auch nichts wissen.“,

sagte eine düstere Stimme aus dem Hintergrund. Niemand achtete auf diese Stimme. Düstere Stimmen im Hintergrund sind ja nun auch etwas recht Gewöhnliches. Was Peter wunderte, war, dass da niemand war. Zumindest niemand, den er gesehen hätte. Das hieß aber eigentlich nur, dass da etwas nicht sichtbar war, was in der Feenwelt wohl nicht allzu seltsam ist.

„Ich weiß nicht, was Feen wissen.“,

meinte Onkel Wankel.

„Das ist klar.“,

tönte die Stimme im Hintergrund.

„Es ist doch toll, wenn man sich etwas wünschen kann.“,

sagte Peter.

„Man weiß nie, ob ein Brunnen ein echter Wunschbrunnen ist und man weiß erst recht nicht, ob der Wunsch auch erfüllt wird.“,

sagte Onkel Wankel. Tante Tilde, eine ebenfalls menschliche Kollegin von Peter, meinte:

„Ich glaube, sie erfüllen Wünsche am ehesten, wenn sie sie lustig finden. Aber echte Herzenswünsche sind selten lustig.“

„Menschliche Herzenswünsche sind durchaus amüsant. Amüsanter noch ist es, ihre Wünsche zu wecken.“,

sagte die Stimme im Hintergrund, woraufhin alle Menschen verstummten, miesepetrig schauten und weiterarbeiteten. Peter versuchte herauszufinden, woher die Stimme gekommen war, doch da war niemand. Plötzlich hörte er die Stimme direkt neben seinem Kopf. Sie sagte:

„Wenn du mich sehen könntest, hättest du mich jetzt gefunden.“

Da erschrak Peter.

Irgendwann, nach einem langen, schweigsamen und unendlich langweiligen Arbeitstag, kamen Onkel Wankel und Peter nach Hause. Onkel Wankel hatte keine Lust mehr zu sitzen, das hatte er den ganzen Tag bei der Arbeit gemacht. Stehen mochte er auch nicht. Liegen kam vor dem Abendessen auch nicht in Frage, er hätte das Essen ja verschlafen können. Peter konnte sich freuen, endlich gab es für ihn ein passendes Sitzmöbel, das einem Pinguin-Ei nachgeformt war. Peter wollte ganz unbedingt sitzen, hatte er doch den ganzen Tag seinen Poliertanz aufgeführt. Er saß auch sehr gerne auf dem Boden, aber das Ei war viel angenehmer. Es machte ihn nur etwas melancholisch, weil er ahnte, dass er nie auf einem echten Ei, das seine Pinguinfrau gelegt hätte, sitzen würde. Er würde niemals eine Pinguinfrau haben. Das eiförmige Sitzmöbel war trotzdem toll. Er setzte sich an den Tisch in der Küche und wartete aufs Abendessen. Der Weihnachtswichtel kochte. Eigentlich war die Küche zu klein. Wenn er nicht ganz eng am Tisch saß, war Peter unweigerlich dem Koch im Weg. Vielleicht war auch der Tisch zu groß. Wenn alle vier, also Peter, Onkel Wankel, Wismut der Kobold und der Weihnachtswichtel zusammen aßen und an dem Tisch saßen, war die Küche voll, der Tisch war aber überhaupt nicht voll. Trotzdem konnte man den Tisch noch ausklappen, was seine Größe verdoppelt hätte. Hätte er dann noch in die Küche gepasst? Die Stühle hätte man vorher entfernen müssen. Dann vielleicht. Darüber dachte Peter nach. Aber er war sich nicht sicher. Deshalb fragte er den Weihnachtswichtel:

„Weihnachtswichtel, du bist doch ein Bastler und hast Augenmaß. Meinst du, man könnte den Tisch in der Küche ausklappen? Würde das von der Größe her passen?“

„Ich kann Spielzeug bauen. Das ist klein. Für große Tische habe ich kein gutes Augenmaß.“

„Du bastelst in deinem Zimmer doch etwas Größeres.“

„Ja schon, aber das geht dich nichts an. Warum willst du den Tisch ausklappen?“

„Will ich nicht, ich will wissen, ob es geht.“

„Nein, es geht nicht, jemand muss noch in der Küche sein, der den Tisch ausklappt und derjenige passt nicht mehr hinein. Ansonsten würde es gerade eben gehen, würde ich ganz unbedarft schätzen.“

Erst jetzt fiel Peter auf, dass ihn viel mehr interessierte, was der Wichtel bastelte, wenn er sich in seinem Zimmer einschloss. Es war ihm eigentlich völlig egal, ob dieser Tisch ausklappbar war.

„Du bastelst also etwas Großes?“

„Es passt in mein kleines Zimmer und geht dich nichts an.“

„Du bastelst etwas Bedeutendes?“

Der Weihnachtswichtel lächelte ganz kurz. Dann sagte er sehr nachdrücklich:

„Geht dich nichts an.“

Direkt fragen brachte nichts. Peter dachte zum ersten Mal über Verhörmethoden nach, aber schon das Wort „Verhörmethoden“, dass er auch zum ersten Mal dachte, kam ihm komisch vor. Aber es schien verschiedene Möglichkeiten zu geben, in einem Gespräch Antworten zu bekommen.

„Ich würde auch gerne mal etwas Wichtiges basteln. Ich habe aber keine Hände.“

„Hast du Ideen?“

„Nein.“

„Ohne eigene Ideen ist Basteln ohnehin langweilig.“

„Hast du denn Ideen?“

„Hin und wieder.“

„Gute Ideen?“

„Ich hoffe. Das weiß man aber nicht immer gleich.“

„Was hast du für Ideen?“,

fragte Peter. Der Weihnachtswichtel zögerte. Peter dachte, der Zweck dieser Frage sei vielleicht zu offensichtlich. Peter wollte immer noch wissen, was der Weihnachtswichtel in seinem Zimmer bastelte. Aus der Idee, die hinter der Bastelei steckte, wollte Peter folgern, was es war. Oder zumindest die ungefähre Richtung, ob es mehr so etwas wie eine Weihnachtskrippe mit Holzfigürchen oder eher eine Mondrakete war. Peter stellte ganz schnell eine andere Frage, ein größerer Umweg zu der Antwort, die er haben wollte. Solche Umwege muss man manchmal gehen. Peter fragte:

„Wie kommt man auf Ideen?“

„Man überlegt, was gebraucht wird, was es aber noch nicht gibt. Das erfindet man dann.“

Jetzt war klar, dass der Weihnachtswichtel an einer Erfindung bastelte. Peter war davon zwar die ganze Zeit ausgegangen, aber an das Wort „Erfindung“ dachte er jetzt zum ersten Mal.

„Gibt es viel, was es noch nicht gibt?“

„Das Essen ist fertig. Hole doch bitte die anderen.“,

sagte der Weihnachtswichtel.

Nun saß die ganze Wohngemeinschaft zusammen beim Abendessen. Es gab gebratene Forellen und Wurzelgemüse. Peter hatte noch nie Forellen gegessen, erst recht keine gebratenen. Er hatte Schwierigkeiten den Fisch zu essen, weil er sofort auseinander fiel, wenn er ihn mit dem Schnabel vom Teller nahm und ihn mit einem leichten Schwung herumwarf, um ihn in Längsrichtung zu drehen. (Quer konnte er ihn nicht essen, dann schmerzten die Gräten im Hals.) Das Fett, in dem die Forellen gebraten waren, lief ihm am Hals herunter, das war eklig, es verklebte das Gefieder. Der Geschmack von dem Süßwasserfisch – er hatte immer nur im Meer gefischt – irritierte ihn. Er fand den Fisch sogar merkwürdiger als das Gemüse. Er hatte vor einigen Tagen zum ersten Mal Gemüse gegessen. „Es sind die kleinen Unterschiede, die am größten sind.“ dachte er. Dann dachte er aber sofort: „Was für ein dummer Gedanke. Das kann man doch nicht verallgemeinern.“ Schließlich versuchte er einen Moment lang gar nicht zu denken, was aber nicht klappte. Er dachte an die Bastelei des Weihnachtswichtels, über die er in Gegenwart der anderen aber nicht mehr reden wollte. Er dachte an die Arbeit in der Münzpoliererei und schließlich an die seltsame Stimme.

„Hast du diese Stimme auch gehört?“,

sagte Peter zu Onkel Wankel. Alle streckten die Hälse und lauschten.

„Ich meine heute Vormittag, diese düstere Stimme aus dem Hintergrund.“

„Ach die, klar. War wohl ein Luftgeist.“

„Ich hasse Luftgeister.“,

sagte Wismut, der als Kobold ein enger Verwandter der Erdgeister war. Das ist zwar kein Grund Luftgeister zu hassen, er tat es aber trotzdem. Fast alle Erdgeister und deren enge Verwandten hassen grundlos Luftgeister. Onkel Wankel kaute mit leerem Mund und sagte schließlich:

„Es muss aber kein Luftgeist gewesen sein, wenn ich es recht überlege. Weißt du, Peter, es gibt frische und es gibt abgestandene Luftgeister. Ein frischer Luftgeist kann es nicht gewesen sein. Dazu ist es in der Münzpoliererei zu stickig. Ein abgestandener Luftgeist kann es auch nicht gewesen sein. Ein abgestandener Luftgeist erzählt alte Witze. Diese Stimme hat aber bösartige Bemerkungen gemacht. Es war also wahrscheinlich eher ein Zauberer.“

„Dann muss es ein mächtiger Zauberer gewesen sein. Nur die mächtigsten Zauberer können die Gestalt von Luftgeistern annehmen. Wisst ihr...“

Wismut hob an zu erzählen, dass der König der Zauberer in der Stadt sei, was aber schon alle wussten. Deshalb schnitt Onkel Wankel ihm das Wort ab:

„Er kann auch einfach unsichtbar gewesen sein. Das kann jeder Zauberschüler. Da muss nicht erst der König der Zauberer kommen. Eigentlich redete er auch eher wie ein Kobold.“

„Was meinst du?“,

fragte Wismut.

„Na, es waren sehr abfällige Bemerkungen.“

„Das spricht doch klar für einen Zauberer. Niemand ist eingebildeter als ein Zauberer. Und der König der Zauberer ist von allen am eingebildetsten.“

„Aber Zauberer sind weniger direkt bei ihrer Abfälligkeit.“

„Er könnte es trotzdem gewesen sein. Ihr Menschen seid blöd.“,

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324,66 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
110 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783738022582
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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