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Prolog - Planet im Sterben

I - Jäger und Gejagte

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

II - Die Offenbarung des Wunders

XIII

XIV

XV

XVI

III - Imrix – Corporation

XVII

XIX

XX

XXI

XXII

XXIII

XXIV

XXV

IV - Mos Iridas

XXVI

XXVII

XXVIII

XXIX

XXX

XXXI

XXXII

XXXIII

XXXIV

XXXV

XXXVI

XXXVII

XXXVIII

XXXIX

XL

Prolog
Planet im Sterben

Beinahe hätte sie es übersehen!

Erst im allerletzten Moment nahm sie die kurze, unscheinbare Bewegung hinter einem der wenigen, noch halbwegs dichten Büsche etwa zehn Meter von ihr entfernt wahr. Und fast hätte sie sie trotzdem noch als Trugbild abgetan. Doch der Wind stand in diesem Moment günstig. Ausnahmsweise wehte er gerade nur leicht und strich sanft an ihr vorbei. Das allein aber hätte ihre Aufmerksamkeit noch nicht erregt, denn die Luft – einst rein und klar – war schwer und grau von dem Rauch, mit dem sie gesättigt war und stank doch schon so lange eigentlich nur noch nach Tod und Verwesung, dass es wahrlich kein Wunder gewesen wäre, hätte sie den Geruch von lebendigem Fleisch am Ende doch nicht wahrgenommen.

Absolut erstaunlich jedoch war die Existenz des kleinen, kaum einen Meter großen Amparii-Rehbocks, dessen einst dunkelgrünes, kurzes Fell längst verblichen war und sich dadurch kaum von dem blass-grünen Buschwerk hinter ihm abhob. Zwar schien er aufmerksam und sein kleiner, länglicher Kopf zuckte beständig in alle Richtungen, doch wusste sie um die Sehschwäche dieser Art, weshalb sie sich mehr auf ihr Gehör verließen. Die Ohren aber waren kaum in Bewegung, der Bock schien sich in relativer Sicherheit zu wiegen.

Das aber stimmte nicht, denn, wenn er gewusst hätte, dass sich keine zehn Meter von ihm entfernt in einer kleinen Senke ein doppelt so großes Urys-Wolf-Weibchen mit mächtigen Reißzähnen befand, hätte er sicherlich das Weite gesucht.

Normalerweise wäre es dazu jedoch nie gekommen, denn Urys-Wölfe – und hier ganz besonders die Weibchen - waren hervorragende Jäger und mit dem Erscheinen des Amparii-Bocks war dessen Tod eigentlich schon besiegelt. Doch mit der Invasion der außerirdischen Aggressoren hatte sich die Natur auf immer drastischere Weise so sehr verändert, dass heute nichts mehr so war, wie einst.

Nahrungsmangel, schlechte Nahrung und die beständige Flucht vor den furchterregenden Insektenbestien zeigten deutliche Spuren. Auch bei diesem Weibchen. Ihren letzten Nachwuchs hatte sie vor zwei Jahren gehabt, doch alle drei waren letztlich verhungert. Ihr Mann wurde zum Fraas der vielbeinigen Monster. Ihr Rudel gab es nicht mehr. Und obwohl sie immer versucht hatte, gegen alle Widrigkeiten ihres Lebens anzukämpfen, so ergab sie sich jetzt doch jeden Tag mehr und mehr ihrem schier unausweichlichen Schicksal, weil sie ganz einfach nicht mehr die Kraft, mehr aber noch keinerlei Hoffnung mehr auf Besserung hatte.

Daher waren ihre Sinne zunehmend abgestumpft. Dem Hunger war eine trostlose Gleichgültigkeit gewichen, ihr ganzer Körper ausgemergelt und einfach nur noch irgendwie taub. Fast ertappte sie sich dabei, dass sie sich nach einem Rudel Insektenmonster sehnte, damit ihr elendiges Dasein endlich endete.

Plötzlich aber – mit dem Geruch von frischem, lebendigem Fleisch, der sich seinen Weg durch ihre Nase in ihr Gehirn bahnte – erinnerte sie sich wieder ihrer ureigensten Instinkte. Augenblicklich spürte sie ein gewaltiges Loch in ihrem Magen, welches gestopft und eine scheinbar längst vergessene Gier, die befriedigt werden musste.

Lautlos setzte die Wölfin einen Fuß vor den anderen, hielt sich geduckt nah am Boden und nutzte jeden dürren Strauch und jeden verkümmerten Busch, um sich anzuschleichen. Die großen, dunkelbraunen Augen stets auf ihr Opfer gerichtet, näherte sie sich Meter um Meter, ohne dass der Bock sein Verhalten änderte. Im Gegenteil begann er jetzt sogar einige trockene Blätter von der Pflanze vor ihm zu zupfen und zu kauen.

Dann war es soweit: Die Wölfin hatte einen Baumstumpf erreicht, der keine vier Meter mehr von dem Bock entfernt war. Sorgsam, langsam und lautlos umrundete sie den etwa einen Meter dicken Stammrest, dann verharrte sie nochmals, sondierte die Umgebung und lauschte ein letztes Mal. Doch noch immer blieb der Bock ausgesprochen ruhig und so spannte sie die wenige Muskelmasse an, die sie noch besaß und schnellte im nächsten Moment los, wie ein Pfeil, der von der Sehne schoss.

Bevor der Bock erkannte, was los war, hatte sie zwei Meter überwunden. Dann quiekte er auf, machte blitzschnell kehrt und rannte los. Aufgrund seines geringen Eigengewichts und der vorteilhaften Übersetzung der kurzen Beine gewann er beachtlich an Geschwindigkeit, doch hatte die Wölfin ihn dennoch schnell erreicht. Mit einem gewaltigen Sprung stürzte sie sich auf seinen Rücken, grub ihre ausgefahrenen Krallen in sein Fleisch. Der Bock quiekte auf, sein Körper zuckte seitlich weg, er verlor die Kontrolle und überschlug sich. Dabei brach sein rechtes Vorderbein. Die Wölfin hörte das scharfe Knacken des Knochens und wusste, dass sie gesiegt hatte. Sofort stoppte sie ab und verschnaufte, während sie ihr Opfer nicht aus den Augen ließ. Wieder meldete sich ihr Magen und ein Schwindel überkam sie, der für einen Moment ihre Sicht beeinträchtigte.

Der Bock hingegen versuchte panisch, sich wiederaufzurichten und weiter zu rennen, doch knickte sein Vorderbein ein und er stürzte vornüber. Sofort erhob er sich erneut und versuchte es nochmals, aber auch das misslang. Danach schien er zu wissen, dass er sterben würde. Er drückte sich zitternd auf seine gesunden Beine, starrte mit großen, angsterfüllten Augen auf die Wölfin und quiekte in der Gewissheit des eigenen Todes auf, wobei seine Henkerin überrascht war, wie laut und in welch tiefer Tonlage er das tat.

Doch als sie erkennen musste, dass die Schreie gar nicht von ihm kamen, sondern hinter ihr selbst ertönten, war es beinahe schon zu spät.

Im selben Augenblick spürte sie die Erschütterung des Bodens. Sie warf ihren Kopf herum und schon schoben sich die Schatten ihrer Angreifer über sie. Es waren drei Insektenmonster, die mit hoher Geschwindigkeit auf sie zuhielten und bereits einen Wimpernschlag später in Schlagweite waren. Kraftvoll donnerten ihre Hinterbeine in den staubigen Boden, während sie ihre vorderen Klauen zum Angriff in die Höhe rissen und dabei fauchend aufbrüllten.

Plötzlich aber geschah etwas vollkommen Unerwartetes, obwohl die Wölfin erkennen musste, dass sie es bereits irgendwie gespürt hatte, denn von Anfang an waren da nicht nur die oberflächlichen Erschütterungen der mächtigen Hinterläufe der Bestien vorhanden, sondern ebenso noch eine andere Vibration, die aus dem Boden selbst zu kommen schien und sich jetzt innerhalb eines Augenblicks erheblich verstärkte.

Ihre Gegner hatten das jedoch offensichtlich noch nicht bemerkt, denn zumindest eines der Monster attackierte den vollkommen erstarrten Bock und rammte ihm eine seiner Klauen von oben durch den Leib. Doch genau in dem Moment, da sie blutverschmiert auf der Unterseite des Tieres wieder herausbrach und zu Boden krachte, erfüllte ein scharfes Knacken die Umgebung, dass sich rasend schnell vervielfachte und ausbreitete.

Alle Blicke zuckten zu Boden, wo sich urplötzlich tiefe Risse auftaten und innerhalb weniger Sekunden über die gesamte, gut einen Quadratkilometer große Ebene - einst ein prächtiges Waldstück, jetzt jedoch nicht mehr als ein trostloser Fleck ausgedörrter Erde - ausbreitete. An einigen Stellen entstanden dabei Schollen unterschiedlicher Größe. So auch direkt unter den drei Insektenbestien. Urplötzlich begann diese Scholle zu schwanken, als befände sie sich tatsächlich auf dem Wasser. Die Monstren quiekten überrascht auf, versuchten Halt zu finden, doch nützen ihnen ihre wuchtigen Tritte in den Fels nichts, da sich die Scholle im nächsten Moment mit einem lauten Krachen vollständig von ihrer Umgebung löste und die drei Kreaturen mit umher zuckenden Klauen und lautem Gekreische in die Tiefe rauschten.

Die Wölfin hatte sich bislang nicht bewegt, war erstarrt angesichts der furchterregenden Bestien vor ihr, denen sie noch niemals zuvor so nah gegenübergestanden hatte. Und jetzt musste sie mit ansehen, wie diese teuflischen Kreaturen durch den Boden brachen und vollkommen hilflos in den sich auftuenden Schlund stürzten. Ihre entsetzten Schreie verursachten bei ihr für einen winzigen Augenblick ein Gefühl von Freude und Genugtuung, dann aber erkannte sie, was sich unter den Bestien, aber auch unter ihr und der gesamten Ebene auftat. Es war ein Fluss glühender Lava, der mit unglaublich hoher Geschwindigkeit nach Osten rauschte. Er war riesig, eigentlich gar kein Fluss mehr, sondern ein ganzer See, der die gesamte Ebene unterspült hatte. Die Wölfin schätzte die Entfernung zur Oberfläche auf einhundert Meter, doch spürte sie anhand der schnell zunehmenden Hitze, dass der Pegel schnell anstieg.

Schon flammten die Insektenbestien und der Amparii-Bock als gleißende Feuerbälle auf, nachdem sie für einen kurzen Augenblick erkennen konnte, dass der Panzer der Monster wie kochendes Wasser blubberte, bevor sie schließlich zu Staub verbrannten, noch bevor sie die glühende Masse erreicht hatten. Eine irrsinnig heiße Hitzewelle brandete der Wölfin entgegen und sie riss instinktiv ihren Kopf zurück.

Dabei fiel ihr Blick Richtung Osten. Immer weiter brach dort der Boden auf, immer mehr Schollen stürzten in die Tiefe, hatten schließlich den angrenzenden Berg erreicht, der mit einer Höhe von gut fünfhundert Metern und einer Breite von rund dreihundert Metern, die Ebene nach Osten hin abschottete. Seine steile, fast senkrechte, zur Ebene hin leicht überhängende Felswand ließ ihn mächtiger erscheinen, als er war und verlieh ihm einen düsteren, drohenden Eindruck. Jetzt schossen die Risse in der Oberfläche rechts und links an ihm vorbei, während sich das Lavameer unter ihn schob und dabei weiterhin unaufhaltsam anstieg.

Dann war die Ebene für einen Moment von einer tiefen Stille erfasst, dass die Wölfin deutlich ihren eigenen, hämmernden Herzschlag hören konnte, während sich in ihrem Gehirn ein einzelner, dunkler Gedanke manifestierte, dass sie hier und jetzt sterben würde, der sie mit einer solch eiskalten Klarheit durchdrang, dass sie augenblicklich fröstelte.

Im nächsten Moment erklang ein infernalisches Reißen – weit entfernt, aber dennoch unglaublich laut und durchdringend und sofort danach schoss ein gewaltiger Lavastrahl unter irrsinnigem Druck direkt hinter dem Berg senkrecht bis auf fast einen Kilometer Höhe in den Himmel. Mehrere große Gesteinsschollen begleiteten seinen Weg und krachten schließlich donnernd auf die Bergflanken.

Plötzlich geriet die gesamte Ebene in Bewegung, erzitterte überdeutlich, dass die Wölfin Mühe hatte, auf den Beinen zu bleiben. Mitten hinein erklang ein unendlich tiefes, dröhnendes Ächzen, das aus dem Inneren des Planeten selbst zu kommen schien. Das Bild vor ihren Augen verzerrte sich aufgrund der enormen Erschütterungen rings um sie. Fast schien es ihr, als würde der Berg am Rande der Ebene sich bewegen und in ihre Richtung kippen. Sie wollte dies gerade als Trugbild abtun, da so etwas ja nicht möglich war, als ihr bewusst wurde, dass genau dies in diesem Moment tatsächlich geschah. Der gewaltige Lavastrom unter der Ebene hatte auch das Fundament des Berges umspült und es zerstört. Wie ein riesiger Eisberg trieb er für wenige Momente auf dem glühenden Meer, dann trieb ihn das Gewicht der überhängenden Steilwand in Richtung Ebene, während ihn sein Eigengewicht in die Tiefe zog.

Die Wölfin wusste, dass dies ihre letzte, allerletzte Chance war, ihrem Tod noch zu entgehen, doch zu unfassbar, zu gewaltig, zu fundamental war der Anblick des kippenden Berges, als das sie sich hätte bewegen können. Millionen und Abermillionen Tonnen Felsgestein sackten in das Lavameer und erfüllten die Luft dabei mit einem infernalischen Ächzen und Stöhnen, wie die Wölfin es noch niemals zuvor gehört hatte. Festes Gestein verdrängte Lavamassen und erzeugte letztlich eine etwa vierzig Meter hohe Flutwelle, die mit mehr als vierhundert Meilen in der Stunde über die Ebene rollte.

Der Wölfin blieb ein letzter Blick auf das faszinierende, vernichtende Schauspiel und ein finaler, beinahe tröstlicher Gedanke an all die Lieben, die sie verloren und jetzt in einer anderen Welt wiedersehen würde, dann verbrannte sie innerhalb eines halben Lidschlages zu Staub, der von den Lavamassen nach Westen fortgerissen würde.

Wie die Flutwelle eines riesigen Tsunami rauschte die gewaltige Wand glühender Lava über die Ebene in Richtung Westen, traf dort auf einen schmalen Streifen Hügellandschaft, den sie ohne die geringste Mühe überrollte und nur wenige Sekunden später auf die steile Westküste im Norden von Oritash.

Das Meer hier war aufgewühlt von enormen unterseeischen Strömungen, die das Wasser mit hoher Geschwindigkeit gegen die gut zweihundert Meter hohe, senkrechte und schroffe Steilwand trieben, dass die Brandung mit brüllendem Tosen wuchtig empor geschleudert wurde.

Als die Lavawelle über den Rand der Klippen hinwegschoss, sorgte ihre immense Eigengeschwindigkeit dafür, dass sie verzögert und in einem langgezogenen Bogen in die Tiefe stürzte und so erst rund einhundert Meter von der Küste entfernt auf die Wasseroberfläche traf.

Das Meer dort war durch etliche Untiefen bereits sehr tief, sodass die gewaltige Menge, noch immer mehr als eintausend Grad heiße Lava ungebremst auf Milliarden von Litern Meerwasser traf und große Teile davon innerhalb eines Wimpernschlages zum Verdampfen brachte. Ein brüllend lautes Zischen war zu hören und eine gewaltige Dampfwolke quoll explosionsartig über dem Meer auf, die sich immer weiter ausdehnte, weil beständig weitere Lava ins Meer strömte.

Auch diese Wolke erreichte schnell eine immense Eigengeschwindigkeit und schoss direkt über der Wasseroberfläche mit fast dreihundert Meilen in der Stunde aufs offene Meer.

Dort erhob sich eine kleine Insel, die einst über einen Damm mit dem oritaischen Festland verbunden gewesen war. Ihre Bewohner hatten seinerzeit ein großes Loch in ihn gesprengt, als klar war, dass die Insektenbestien Wasser mieden, um sich ein Überleben zu ermöglichen. Tatsächlich war die Insel klein und ihre Einwohnerzahl so gering gewesen, dass sie lange Zeit nicht ins Visier der Fremden geraten war. Doch reichten die Nahrungsmittel auf der Insel nicht aus, um alle zweihundertsieben Menschen zu ernähren, sodass sie gezwungen waren, ans Festland zu rudern, um Essbares aufzutreiben. Bei einem dieser Ausflüge wurden sie dann von einem Rudel Insektenbestien entdeckt. Zwar konnten sie fliehen und niemand kam zu Schaden, doch hatten sie jetzt die Aufmerksamkeit dieser Monster. Das Schicksal wollte es, dass schon wenig später ein Erdbeben dafür sorgte, dass sich Gesteinsbrocken vom Festland und vom Damm lösten und ins Meer rollten. Als die Bewohner die Schäden begutachten wollten, mussten sie entsetzt feststellen, dass die Felsen so unglücklich zum Erliegen gekommen waren, dass ein Übersetzen auf die Insel über den Damm wieder möglich und der Tod in Form dieser furchterregenden Bestien auch bereits erschienen war.

Das anschließende Gemetzel war kurz, aber gnadenlos grausam gewesen und hinterließ keine Überlebenden. Dafür aber ein schmackhaftes Schlachtfest für ihre Feinde.

Und obwohl dieser Tag schon mehr als ein Jahr zurücklag, kehrten immer wieder Gruppen von Insektenbestien hierher zurück und schienen sich – da kein lebendiges Opfer mehr zu finden war – an dem offensichtlich noch immer vorhandenen, schwachen Geruch nach Blut, Fleisch und Tod zu laben.

So auch heute.

Doch als die gut zwei Dutzend Kreaturen dieses Mal durch die Trümmer stapften, hörten sie ein tiefes Grollen und konnten alsbald auch die Lavawelle sehen, wie sie keine fünfhundert Meter von ihnen entfernt ins Meer stürzte. Der Neugier über ein außergewöhnliches Schauspiel folgte schnell die Gewissheit, dass mit der heranrauschenden Dampfwolke Gefahr drohte. Doch mehr als ein paar besorgte Schreie und einige gehetzte Schritte brachte keine von ihnen zustande, dann schoss die Wolke über sie hinweg. Immer noch weit über einhundert Grad heiß wurden die Insektenmonster quasi von ihr gekocht.

Für rund fünfzehn Sekunden war die Insel eingehüllt in einen dichten Nebel aus heißem Dampf, dann war der beständige Nachschub an Lava von der Steilküste verebbt und die Wolke wurde nicht weiter genährt.

Während sie mit unvermindert hoher Geschwindigkeit weiter aufs offene Meer zog und dort letztlich verschwand, lichtete sich der Nebel über der Insel und offenbarte ein grausames Bild von zwei Dutzend lebendig gekochten Insektenbestien. Ein gespenstisches Zischen lag in der Luft und feine Rauschwaden kräuselten sich gen Himmel. Der Gestank war ekelerregend.

Für einen Augenblick kehrte Ruhe ein.

Dann jedoch schwoll rasend schnell ein tiefes, donnerndes Dröhnen an, das einem infernalischen Ächzen wich, bevor die Steilküste auf einer Höhe von rund einhundert Metern förmlich explodierte, als ein großer Teil des gekenterten und schließlich auseinandergebrochenen Berges mit unbändiger Wucht von der Landseite gegen die Felswand krachte und sie mit einem irrsinnig lauten Knall zerfetzte.

Der Lavastrom trieb den gewaltigen Felsblock über die Kante der Steilküste und als er in die Tiefe kippte, erzitterte die gesamte Umgebung erbärmlich. Die Luft war erfüllt von einer Mischung aus Ächzen, Reißen und Dröhnen. Der Felsblock krachte ins Meer, rauschte in die Tiefe und bohrte sich in den Meeresgrund, noch bevor er vollständig über die zerfetzte Klippe gelangt war.

Ein monumentales Ächzen ertönte, als der Felsblock schließlich zum Erliegen kam und wie ein überdimensionaler Finger ins Meer führte. Weitere Lavamassen strömten über ihn hinweg und wirkten dabei wie Blutfäden, die aus einer offenen Wunde quollen.

Die gewaltige Masse aus Felsgestein, die schlagartig das Meerwasser verdrängt hatte, sorgte zusätzlich für eine neuerliche Flutwelle, die aufs offene Meer trieb, die kleine Insel mit unbändiger Wucht traf und über sie hinwegfegte.

Dann endlich trat wieder Stille ein, doch es war absolut nichts Lebendiges mehr an ihr…

Santara war einst ein blühender, pulsierender, lebender Planet.

Doch der Krieg zwischen seinen Bewohnern und ihren Invasoren hatte ihm das Herz und schließlich auch die Seele herausgerissen.

Santara starb – jeden Tag mehr und jeden Tag immer schneller.

Katastrophen wie diese an der oritaischen Ostküste waren Ausdruck des Todeskampfes des Planeten – und obwohl sie bereits furchtbar und gravierend waren, waren sie doch erst der Vorgeschmack auf das, was noch folgen würde.

Unwiderruflich…!?

I
Jäger und Gejagte
I

Mavis spürte eine leichte Erschütterung des Bodens und hörte einen leisen, weit entfernten Donner. Sofort wurde er aufmerksam, spannte seinen Oberkörper an und richtete sich in seinem Sitz ein wenig auf. Doch als er sich umschaute und in die Gesichter seiner Freunde und der anderen Anwesenden blickte, konnte er nirgendwo eine gleichartige Reaktion erkennen, sodass er sich plötzlich nicht mehr sicher war, ob er womöglich nur einer Einbildung erlegen war.

Vilo und neben ihm Kaleena, Jovis und schließlich Leira saßen links von ihm und aßen stumm von dem heißen, dickflüssigen Würzbrei, den auch er in einer Schale auf dem Schoss hatte. Er sah zwar alles andere als essbar aus, doch schmeckte er ziemlich gut. Seine Freunde wirkten angespannt und geschafft, aber nicht besorgt.

Links neben ihnen saßen Cosco, Dek und Captain Tibak, alle drei hatten Wasserbecher in den Händen und tranken stumm und mit gesenktem Blick daraus. Cosco wirkte sehr ernst und nachdenklich, doch das war auch kein Wunder, wusste er seinen Sohn doch in diesem Moment in Gefangenschaft auf Kimuri.

Mavis drehte seinen Kopf nach rechts und sah zunächst den jungen Chalek und Pater Matu. Wie auch Vilo und Kaleena aßen sie stumm von dem Würzbrei. Der Priester wirkte erschöpft, doch der Junge hatte wie stets ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Woher nimmt er in dieser gottverdammten Scheißwelt nur eine derart widerlich positive Einstellung? dachte Mavis nicht zum ersten Mal.

Dann schaute er direkt neben sich und da saß Melia. Augenblicklich war er wieder berauscht von ihrem Anblick und hätte sie am liebsten in seine Arme geschlossen, von hier weggeführt und einfach nur ihre unbedingte Nähe genossen. Schon jetzt konnte er durch all den Schmutz und Schweiß hindurch den wundervollen Duft ihrer Haut riechen. Im nächsten Moment schaute sie von ihrer Schale auf und blickte ihm direkt in die Augen. Mavis erschrak beinahe und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Ja, diese Frau war das fantastischste Wesen, dem er je begegnet war, in ihren Augen loderte ein Feuer, von dem er gefangen war, kaum, dass er in sie hinsah. Eine wohlige Gänsehaut kroch über seinen Rücken bis unter seine Schädeldecke.

Melia versuchte ein Lächeln, doch es wollte ihr nicht recht gelingen. Auch wirkte sie im Allgemeinen eher traurig, doch konnte es auch einfach nur sein, dass sie körperlich vollkommen erschöpft war. Mavis wusste, dass es noch einige Zeit brauchen würde, um ihr Verhalten und ihre Gesten wirklich zu verstehen – genauso, wie es damals gewesen war… in einem anderen Leben… vor sieben Jahren.

Jetzt kräuselte sie ihre Stirn und schaute ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf. Ganz offensichtlich hatte er sich in Bezug auf die Erschütterung und den Donner geirrt. Bevor er seinen Kopf dann wieder nach vorn wandte, konnte er sehen, dass sie ein erneutes Lächeln versuchte, welches ihr aber noch deutlicher misslang, als das erste und sie hiernach noch trauriger wirkte. Mavis wurde sich bewusst, dass er nicht mehr viel Zeit verlieren durfte, um mit ihr in Ruhe und allein zu reden. Wenn doch nur nicht dieser verdammte Krieg wäre, der sie beständig über den Planeten hetzte. Er versuchte, diese Welt noch zu retten, doch was, fragte er sich, wäre, wenn er dabei versagte und er die wenige Zeit, die ihm mit Melia noch blieb, vergeudete?

Bevor ihn dieser Gedanke jedoch übermannte, zwang er sich, sich wieder auf das Geschehen hier zu konzentrieren. Und sein Blick fiel dabei erneut auf den Mann, der ihnen auf der anderen Seite des Lagerfeuers im Kreise seiner Männer gegenübersaß. Er mochte gealtert sein – doch wer war das in den letzten Jahren nicht? – er hatte etliche Narben im Gesicht, auf dem Hals, den Armen – und sicherlich die schlimmsten im Herzen und auf der Seele – doch es war ganz eindeutig Admiral Lobos!

Und die Tatsache, dass er hier lebendig vor ihnen saß, grenzte für Mavis ehrlich an ein Wunder, an das er kaum glauben mochte, dem er sich jedoch auch nicht verschließen konnte. Um Lobos herum saß etwa ein Dutzend seiner Männer. Verwitterte, aber sichtbar entschlossene Gestalten, mit deutlichen Zeichen harter Gefechte auf ihren Körpern.

In Mavis Kopf überschlugen sich etliche Fragen, doch noch war er nicht dazu gekommen, sie zu stellen.

Vielmehr musste er noch immer an die Geschehnisse der letzten Stunden denken, die sie letztlich hierhergeführt hatten:

Nachdem sie aus der unterirdischen Hölle südlich von Porista zurückgekehrt waren und dabei tatsächlich den sagenumwobenen Kristall zur Rettung ihres Planeten in den Händen hielten, wollten sie zurück nach Kimuri fliegen, mussten jedoch dank der Hilfe Marivars erkennen, dass dort der Feind in Gestalt von Panthos Schergen Einzug gehalten hatte und Jorik, Shamos und die anderen gefangen hielt. Wenn Mavis daran dachte, dass es Menschen waren, die ihresgleichen schikanierten, wurde ihm beinahe übel und er verspürte einen unbändigen Hass auf Narrix und seine Männer. Der Planet wurde von den furchtbarsten Kreaturen heimgesucht und die Menschen hatten nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig zu bekämpfen. Doch er wusste nur zu genau, wer eigentlich hinter diesem himmelschreienden Komplott steckte: Commander Panthos, der als Nuri des poremischen Volkes und mittlerweile Vorsitzender des Hohen Rates, dessen Sitz sich in Eshamae unterhalb der Wasseroberfläche befand, seinen Mitgliedern weismachte, dort in Sicherheit zu sein. Mavis hoffte, dass diese aufgeblasenen, alten Schwachköpfe bald erkennen würden, dass sie Unrecht damit hatten. Noch mehr jedoch hoffte er darauf, Panthos noch einmal persönlich gegenübertreten zu können – um ihn zu töten. Für das, was er den Menschen in seinem blinden Fanatismus antat.

Doch das waren Gedanken, die er zurückdrängen musste. Hier gab es viel wichtigere Dinge zu klären.

Bevor sie ihren Kurs auf Kimuri ändern konnten, wurden sie bereits verfolgt. Ihre Flucht führte sie auf das poremische Festland nördlich von Ara Bandiks und südlich des Geländes der Imrix Corporation zum Piritak-Massiv. Ihre Hoffnung, kampflos zu entkommen, erfüllte sich nicht und so gab es ein Feuergefecht, in dem gute Menschen starben und ein Flugboot zerstört wurde. Vollkommen sinnlos!

Ihr eigenes Schiff wurde dabei so schwer beschädigt, dass sie notlanden mussten. Gerade noch in letzter Sekunde konnten sich alle in Sicherheit bringen, bevor auch es explodierte.

Ihr Weg führte sie dann in ein angrenzendes, noch immer überraschend dicht bewachsenes Sumpfgebiet ganz in der Nähe des Mioli-Flusses, der letztlich weiter nordöstlich in die Schluchten von Kindagi mündete. Mavis wusste noch genau, dass er das Wasser rauschen hören glaubte, als plötzlich der Boden unter ihren Füßen nachgab, sie über eine Art Rutsche in die Tiefe schossen, letztlich in einer großen Pfütze wieder zum Erliegen kamen und dann in nichts Geringeres blickten, als das Gesicht des todgeglaubten Admiral Lobos.

Lobos gab ein paar knappe Befehle an seine Männer und man holte sie aus dem stinkenden, feuchten Loch. Die Begrüßung erfolgte dann wortkarg, aber herzlich und sichtbar emotional, zumindest nachdem Vilo ihnen die Furcht vor Leira genommen hatte, der sie anfangs natürlich extrem distanziert gegenübergestanden waren. Während Lobos und seine Männer sie durch ein weitverzweigtes Tunnelsystem in eine ziemlich große Höhle brachten, war eigentlich er es, der ihnen Fragen stellte, als umgekehrt. In der Höhle bot er ihnen einen Platz am Lagefeuer an, um sich zu wärmen und man gab ihnen zu essen und zu trinken. Ein paar seiner Männer kümmerten sich um die wenigen Überlebenden der Hochebene südlich von Porista, die lange Zeit das Zuhause Melias gewesen war, und brachten sie in andere Höhlen.

Dann aßen alle zunächst von dem Würzbrei und es wurde nicht geredet. Da alle ausgesprochen ausgepumpt waren, akzeptierten sie diesen Moment der Ruhe.

Doch Mavis spürte schnell, dass all seine Fragen ihm den Appetit abschnürten. Er wollte auch gerade loslegen, als er die Erschütterung gespürt hatte, sodass er zunächst wieder davon abgekommen war.

Als er jetzt aber wieder ansetzen wollte, sah er, dass Lobos seine Schale beiseitegestellt und sich stattdessen einen Wasserbecher genommen hatte, den er in den Fingern drehte, während er ihn mit nachdenklichem Blick fixierte. „Sie wollen wissen, was mit uns...!“ Er drehte seinen Kopf blicklos zur Seite, wo seine Männer saßen. Seine Stimme klang rau, tief und etwas müde „...geschehen ist und warum wir noch leben!“ Er schaute auf und seine graublauen Augen bohrten sich förmlich in Mavis und die anderen. Vilo nickte, während Mavis versuchte, die Emotionen des Admirals zu ergründen. Lobos wirkte nach außen hin vielleicht sogar noch stärker - nein, gestählter war sicherlich das bessere Wort – als noch vor Jahren, doch in seinen Augen meinte Mavis Verbitterung und Hoffnungslosigkeit zu erkennen, was ihn jedoch nicht wirklich überraschte. Jetzt lachte Lobos einmal leise auf, doch es war nur eine müde Geste, dann schaute er wieder auf das Wasserglas in seinen Händen. Für einen Augenblick blieb er still, als würde er tief in Gedanken versinken und vor seinem inneren Auge schienen düstere Bilder aufzutauchen, denn sein Blick wurde zusehends ernster. „Die Kamarulu…!“ begann er dann mit einem tiefen Atemzug, bei dem er seinen Körper straffte, seinen Kopf wieder anhob und blicklos in die Runde schaute. „…war vom ersten Bauteil, vom ersten Federstrich der ersten Zeichnung, ja…!“ Wieder lächelte er müde. „…vom allerersten Gedanken überhaupt an, das wohl mit Abstand ehrgeizigste technische Projekt, das Menschen hier auf diesem Planeten je in Angriff genommen hatten. Niemals zuvor hatte Jemand versucht, ein solch gewaltiges Objekt zu bauen, geschweige denn einen solchen Koloss danach auch noch in die Lüfte zu erheben!“ Jetzt lächelte er für einen Augenblick ehrlich erfreut. „Und doch ist es am Ende gelungen. Größer, gewaltiger und effizienter, als man es je zu hoffen gewagt hatte. Das Ergebnis war die Kamarulu, das mächtigste Schlachtschiff aller Zeiten, ausgestattet mit einer Technik, bei deren Entwicklung die besten Ingenieure von Imrix vielfach Grenzen überwinden und vollkommen neue Welten betreten mussten und dabei technischen Fortschritt für Generationen entwickelten!“ Lobos Stimme war beinahe ehrfurchtsvoll, seine Augen leuchteten. Er ließ seine Worte für einen Moment nachwirken. „Mit ihrer Indienststellung gab es Niemanden mehr, der es gewagt hätte, das poremische Volk anzugreifen. Doch auch die kriegerischen Auseinandersetzungen in anderen Ländern ließen deutlich nach. Fast schien es so, als wäre die Kamarulu ein Mahnmal für den Frieden!“ Wieder lächelte er. „Santara sah in eine wundervolle, glorreiche Zukunft!“ Plötzlich wurde sein Blick traurig und ernst. „Bis die erste Anomalie auftauchte und alles innerhalb weniger Stunden auf so furchtbare Weise änderte!“ Lobos hielt inne und schaute – dieses Mal bewusst – in die Runde, dass jeder Einzelne das Gefühl hatte, er würde ihm direkt in die Seele blicken und Viele eine Gänsehaut bekamen.

399
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9783753195742
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