Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «El Salteador», страница 12

Шрифт:

»Don Fernand,« begann er, »bei dem Eintreten hast Du die Veränderung bemerken können, welche während deiner Abwesenheit in diesem Hause vorgegangen ist; unser Vermögen ist verschwunden, unsere Besitzungen mußten verkauft oder verpfändet werden. Da die Schwester Don Alvars in ein Kloster treten wollte, so bezahlte ich ihre Mitgift; da die Verwandten der getödteten Alguazil eine Entschädigung annahmen, so zahlte ich ihnen baar eine gewisse Summe und gebe ihnen überdies eine Rente; um dies aber im Stande zu seyn, mußten wir uns fast in Armuth fügen.«

Don Fernand machte eine Bewegung, die wenn auch nicht Reue, so doch wenigstens Bedauern ausdrückte und mit traurigem Lächeln begleitete er diese Geberde.

»Doch, sprechen wir nicht mehr davon, Alles ist vergessen, da Du wieder begnadigt bist, mein Sohn. Ich danke demüthig dem Könige für diese Begnadigung. Von diesem Augenblicke an gebe ich allen Kummer auf und sehe ihn an, als habe er nie bestanden; bitten aber möchte ich Dich, Don Fernand, mit Thränen in den Augen, auf den Knieen vor Dir, wenn es der Natur nicht widerstrebte, den Vater vor dem Sohne, den Greis vor dem Jünglinge knieen, das graue Haar das schwarze bitten zu sehen – daß Du nun deine Lebensweise änderst und Dich bemühest – wobei ich Dir behilflich seyn werde – die allgemeine Achtung wieder zu erlangen, daß selbst deine Feinde erkennen, die harten Lehren des Unglücks sind für ein edles Herz und einen gebildeten Geist nicht verloren. Wir sind bisher einander nur Vater und Sohn gewesen; das genügt nicht: wir wollen von heute an auch Freunde seyn. Vielleicht bestehen unter uns einige traurige Erinnerungen, treibe Du sie aus deinem Herzen, ich werde sie aus dem meinigen treiben; wir wollen in Frieden miteinander leben und für einander thun, was möglich ist. Ich werde Dir Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge zuwenden und verlange dafür von Dir nur eines, denn in deinem Alter, in dem Alter der Leidenschaft, vermag man sich nicht so zu beherrschen, ich verlange von Dir also nur Gehorsam und verpflichte mich diesen nur in dem was ehrenvoll und recht ist, in Anspruch zu nehmen.«

»Señor,« antwortete Don Fernand mit einer Verbeugung, »ich gebe Euch mein Edelmannswort, daß Ihr mir von heute an keinen Vorwurf sollet machen können, und daß ich das Unglück in einer Weise nützen werde, um dem Himmel für dasselbe danken zu können.«

»Nun wohl,« entgegnete Don Ruiz, »so erlaube ich Dir nun deine Mutter zu umarmen.«

Mercedes jubelte laut auf und breitete ihre Arme dem Sohne entgegen aus.

Drittes Capitel.
Don Ramiro

Der Anblick einer Mutter, welche mit Freudenthränen ihren Sohn in die Arme schließt, mag in den Augen anderer Menschen rührend seyn, für Don Ruiz schien er etwas Schmerzliches zu haben, denn er ging während dieser Umarmung schweigend hinaus und nur die alte Beatrix sah ihn hinweggehen.

Als der junge Mann mit der Mutter und der alten Amme allein war, erzählte er was in der vorigen Nacht geschehen war —, ohne indeß zu erwähnen, was er für Dona Flor empfand – wie er erschien, um den gewöhnlichen nächtlichen Besuch abzustatten und die schöne Fremde in dem Zimmer seiner Mutter gefunden.

Dann führte Dona Mercedes ihren Sohn in ihr jetziges Zimmer. Das Zimmer der Mutter war für Don Fernand in dem Hause das, was für ein frommes Gemüth in einer Kirche das Allerheiligste ist, denn in dem Zimmer seiner Mutter hatte er als Kind, Knabe und Jüngling die angenehmsten Stunden verbracht; da hatte sein sonst so stürmisches Herz ruhig geschlagen, da hatten seine unstäten Gedanken nicht ins Weite zu schweifen gewagt, wie Vögel, die in einer andern Hemisphäre geboren sind, zu einer gewissen Zeit des Jahres den Flug nach unbekannten Gegenden richten.

Hier, zu ihren Füßen wie in den Tagen der Unschuld und Jugend, die mütterlichen Knie küssend mit dem vollen Glücke, das er seit so langer Zeit nicht empfunden, erzählte Don Fernand mit mehr Stolz als Scham seiner Mutter sein abenteuerliches Leben von dem Augenblicke an, da er aus dem Vaterhause geflohen, bis zu dem, da er zurückgekommen.

Bis dahin hatte er von seinen Unterredungen mit der Mutter dieses Geständniß immer fern gehalten – man erzählt den schmerzlichen Traum nicht so lange er währt, ist man aber aus ihm erwacht, so erzählt man um so lieber, je schrecklicher der Traum war.

Mercedes hörte den Sohn an und verwendete kein Auge von ihm, als aber Don Fernand bei dem Zusammentreffen mit Don Inigo und Dona Flor angekommen war, schien ihre Theilnahme an der Erzählung sich noch zu steigern; sie erblaßte und erröthete mehrmals. Don Fernand fühlte unter seiner Stirne das Herz der Mutter rascher und stärker schlagen; als er aber von dem seltsamen Gefühle sprach, das ihn sofort zu Don Inigo hingezogen und fast genöthigt habe auf seine Knie vor Dona Flor niederzusinken, legte sie ihm die Hand auf den Mund, damit er einhalte.

Ihre Kräfte waren offenbar erschöpft und sie vermochte nicht mehr zu ertragen.

Nach einiger Zeit erst erlaubte sie dem Sohne weiter zu sprechen; nun folgte die Erzählung von der Gefahr, welcher er ausgesetzt gewesen, und von seiner Flucht in das Gebirge, von dem Waldbrande, von dem Verstecke in der Grotte der Zigeunerin, von dem Angriffe der Soldaten auf den Flüchtigen und endlich von dem Kampfe mit dem Bären.

Nachdem die letzten Worte auf den Lippen Don Fernands verklungen waren, stand Mercedes auf und kniete bleich und wankend in einer Ecke des Zimmers auf dem Betstuhle nieder.

Don Fernand sah ihr ehrfurchtsvoll zu, als eine Hand leicht sich aus seine Achsel legte. Er drehte sich um. Seine alte Amme war es.

Sie meldete ihm, daß einer seiner besten Freunde, Don Ramiro, seine Rückkunft erfahren habe, unten in dem Zimmer sey und mit ihm zu sprechen wünsche.

Fernand ließ Mercedes beten; er wußte ja, daß ihr Gebet ihm gelte.

Don Ramiro erwartete ihn wirklich und saß nachlässig bequem im zierlichen Morgenanzuge auf einem Lehnstuhle.

Die beiden jungen Männer, die sonst sehr gute Freunde gewesen waren und einander drei Jahre lang nicht gesehen hatten, sanken einander in die Arme.

Dann ging es an das Fragen.

Don Ramiro kannte die Liebschaft Fernands mit Dona Estefania, den Zweikampf mit Don Alvar und die Flucht nach dem Tode dieses Gegners; von Weiterem aber hatte er gar nichts vernommen.

Das Gerücht ging, Don Fernand habe sich nach dem unglücklichen Zweikampf nach Frankreich und Italien begeben; man wollte ihn am Hofe des Königs Franz I. und an dem Lorenz II. gesehen haben, dessen größter Ruhm es war, der Vater der Katharina von Medici zu seyn und nach seinem Tode eine Büste zu hinterlassen, welche Michel Angelo gearbeitet.

Don Ramiro glaubte dem Gerüchte.

In der Alhambra hatte Niemand dem Könige und Don Ruiz so nahe gestanden, um das Gespräch Beider hören zu können; deshalb glaubten selbst die, welche Don Ruiz vor Don Carlos hatten knieen sehen, er habe den König nur um die Begnadigung wegen der Tödtung Don Alvars gebeten.

Fernand ließ Don Ramiro in dem Irrthum und begann dann seinerseits zu fragen, weniger aus Neugierde als um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben.

»Ach,« antwortete Don Ramiro, »ich trage leider in meinem Herzen ein Gefühl, das mir bisher mehr Kummer als Freude gemacht hat.«

Don Fernand errieth leicht, welches Gefühl dies sey und wie gern Don Ramiro davon zu sprechen wünsche. Er lächelte deshalb, reichte ihm die Hand und sagte:

»Lieber Freund, wir gehören beide zu denen, deren Herz der freien Lust bedarf. In dem Zimmer erstickt man; kommt und erzählt mir eure Abenteuer unter der schönen Baumallee. Alles vor unserem Hause.«

»Ja,« antwortete Don Ramiro, »und dies um so lieber, weil ich bei dem Erzählen sie vielleicht sehe.«

»Ah,« entgegnete lächelnd Don Fernand, »sie wohnt in der Nähe?«

»Komm. Im nächsten Augenblicke werdet Ihr nicht blos wissen was mir begegnet ist, sondern auch welche Gefälligkeit ich von Euch erwarte.«

Die beiden jungen Männer gingen Arm in Arm hinaus und wandelten unter den Bäumen vor dem Hause auf und ab, als wären sie darüber mit einander überein gekommen, über das Haus nicht hinaus.

Ueberdies blickte bald der Eine bald der Andere nach den Fenstern des ersten Stockes hinauf. Da indeß Keiner den Andern um den Grund dieses Hinaufsehens fragte, so erfolgte auch keine Erklärung, so lange sie anfangs schweigend hin und her gingen.

Endlich konnte Don Ramiro nicht länger an sich halten und sagte:

»Fernand, Fernand, ich denke wir kamen einer Mittheilung wegen hierher, ich um sie zu machen, Ihr um sie anzuhören.«

»Ich bin bereit Euch anzuhören.«

»Ach Freund,« fuhr Don Ramiro fort, »die Liebe ist eine grausame Tyrannin und sie behandelt die Herzen, die sie beherrscht, wie Sclaven.«

Don Fernand lächelte als sey er derselben Meinung.

»Wenn man aber geliebt wird . . .« begann er.

»Ja,« sagte Don Ramiro, »ich habe zwar Ursache zu hoffen, ich werde geliebt, zweifle aber noch immer . . .«

»Ihr zweifelt, Don Ramiro? wenn ich mich recht erinnere, rechneten die Damen zur Zeit als wir uns trennten, die Schüchternheit und Blödigkeit nicht zu euren Fehlern.«

»Ehe ich sie gesehen hatte,« lieber Don Fernand, hatte ich noch gar nicht geliebt.«

»Nun, so erzählt mir,« sagte Don Fernand, »wie Ihr die wunderbare Schönheit kennen lerntet, welche aus dem stolzen und kecken Don Ramiro den blödesten, schmachtendsten Jüngling in Andalusien machen konnte.«

»Lieber Freund, wie man eine Blume unter ihren Blättern versteckt, einen Stern von einer Wolke umhüllt sieht, so erblickte ich, als ich Abends durch die Straße von Toledo ging, an einer halb offenen Jalousie die wunderbarste Schönheit, welche jemals das Auge der Menschen erfreute.« Ich war zu Pferd und hielt dasselbe erstaunt an. Ohne Zweifel erkannte sie Keckheit in dem was aus Bewunderung war, denn sie schloß die Jalousie, obgleich ich stumm vor Ueberraschung und mit gefaltenen Händen sie bat es nicht zu thun.«

»Die Grausame!« sagte Don Fernand lächelnd.

»Länger als eine Stunde blieb ich vor diesem Fenster, da ich noch immer hoffte, es werde sich von neuem öffnen, aber ich wartete vergebens. Dann sah ich mich um, durch welche Thür ich in das Haus hinein gelangen könnte, aber das Haus hatte nach der Straße zu gar keine Thür.«

»Es war also ein verzaubertes?«

»Das nicht, die Straße, nach welcher diese Seite des Hauses sah, war still und abgelegen, seine Thür ging wahrscheinlich nach einer andern. Uebrigens schloß ich aus diesem Umstande, daß sie weder unter der Aufsicht eines strengen Vaters, noch unter der Obhut eines neidischen Vormundes stehen könne, da sie ja die Jalousie eines Fensters öffnen dürfte, das sich höchstens zwölf bis fünfzehn Fuß von der Straße befand. Verheirathet konnte sie nicht wohl seyn, denn sie schien kaum vierzehn Jahre zu zählen.«

»Ich kenne Euch nicht wieder, Don Ramiro,« sagte Don Fernand. »Ihr seyd, oder da die Liebe Euch so sehr verändert zu haben scheint, Ihr waret vielmehr nicht der Mann, der sonst lange nach der Auflösung eines solchen Räthsels suchte. Jedes Mädchen – das ist eine Wohlthat der Natur oder eine Gunst der Gesellschaft – hat eine Duena, jede Duena hat ihre schwache Seite, diese schwache Seite hat ein Schloß und dieses Schloß läßt sich mit einem goldenen Schlüssel öffnen.«

»Das glaubte ich auch, lieber Don Fernand,« antwortete der junge Mann, »aber diesmal irrte ich mich.«

»Armer Don Ramiro, das war ein Unglück, wenn Ihr nicht einmal erfahren konntest, wer sie war.«

»Das war nicht schwer und ich brauchte darum weder eine Duena noch einen Diener zu bestechen. Ich ritt herum und befand mich in einer großen schönen Straße und an der andern Seite des Hauses. Dieses Haus ist ein wahrer Palast. Ich erkundigte mich bei den Nachbarn, wem es gehöre . . .«

»Das Mädchen oder das Haus?«

»Beide gehörten einem ungeheuer reichen Fremden, der vor einem Jahre oder vor zwei Jahren aus Indien zurückgekommen sey, und den seiner Weisheit wegen der Cardinal Ximenes aus Malaga wo er wohnte, habe rufen lassen, damit er in den Regentschaftsrath eintrete. Ihr wisset nun, wen ich meine.«

»Wahrhaftig, nicht im mindesten.«

»Nicht?«

»Ihr vergessen lieber Don Ramiro, daß ich seit zwei Jahren von Spanien abwesend war und so gut als nichts von dem weiß, was in diesen zwei Jahren geschehen ist.«

»Das hatte ich vergessen; ich werde um so unbefangener erzählen. Auf zwei Wegen konnte ich zu meiner schönen Unbekannten gelangen; ich benützte entweder meinen Rang und meine Stellung, um mich dem Vater vorzustellen und bis zur Tochter zu gelangen, oder ich beobachtete jene Jalousie, durch welche ihre Schönheit strahlte, wie ein Gefangener vor seinem vergitterten Fenster aus den Sonnenstrahl beobachtet. Ich entschied mich für das Erstere. Mein Vater hatte in seiner Jugend den berühmten Mann gekannt. Ich schrieb ihm, sandte den Brief ab und wurde herzlich aufgenommen, aber ich wünschte die Tochter zu sehen, nicht den Vater, und die Tochter blieb fortwährend in ihrem Zimmer, ich weiß nicht ob der Vater es so befohlen hatte, oder ob das Mädchen die Einsamkeit so sehr liebte. Da griff ich denn zu dem zweiten Mittel, – einen Blick wo möglich von ihr zu erhaschen, wenn sie in der Nacht allein zu seyn glaubte und an ihrem Fenster die frische Luft vom Tage her einathmete. Ist übrigens dieses Mittel nicht immer das beste und betrachtet nicht jedes Mädchen den Herrn, welcher in einer schönen Sternennacht oder in einer Sturmnacht unter ihrem Fenster stehen bleibt, mit neugierigerer Aufmerksamkeit, als den, welcher ihm im Gesellschaftszimmer vorgestellt wird?«

»Ihr, Don Ramiro, waret immer ein scharfblickender Beobachter der Damen. Erzählt weiter; ich zweifle nicht, daß dies Mittel gelang.«

Don Ramiro schüttelte den Kopf.

»Es gelang und mißlang nicht,« sagte er. »Zwei- oder dreimal konnte ich mich an irgend einer Mauerecke so wohl verstecken, daß ich sie zu sehen vermochte, aber sobald ich mich zeigte, wurde die Jalousie geschlossen, wenn auch ohne Hast, ohne Unwillen.«

»Und konntet Ihr nicht bemerken, daß sie Euch durch die Jalousie hindurch betrachtete?«

»Diese Hoffnung hielt mich allerdings eine Zeitlang aufrecht, eines Tages aber, als ich nach einer unaufschieblichen Reise wieder zurückkam, waren Thüren und Fenster in dem Hause verschlossen. Am Tage zeigte sich weder ein Mädchen, noch ein alter Mann noch eine Duena auf der Straße, in der Nacht kein Licht an den Fenstern. Das Haus glich einem Grabe. Ich erkundigte mich. Da der Regentschaftsrath in Folge der Ankunft des Königs Don Carlos in Spanien aufgelöset worden, war der Vater meiner Angebeteten nach Malaga zurückgekehrt. Ich folgte ihm nach Malaga und wäre ihm an das Ende der Welt gefolgt. In Malaga begannen nun dieselben Versuche und, wie ich hoffe, mit besserem Glück. Anfangs zog sie sich langsamer von dem Fenster zurück und ich konnte einige Worte an sie richten; dann warf ich vor ihrem Erscheinen Sträuße auf ihren Balcon; anfangs stieß sie dieselben mit dem Fuße fort, dann schien sie nicht darauf zu achten und endlich hob sie die Blumen auf. Ein paarmal antwortete sie sogar auf meine Fragen, aber verlegen über dieses Nachgeben und wie erschrocken über die eigene Stimme zog sie sich schnell zurück und ihr Wort glich somit mehr dem Blitze, welcher die Nacht noch dunkler erscheinen lässet, als die Morgenröthe, welche der Sonne voraus geht.«

»Und so ging die Sache . . .?« fragte Don Fernand.

»Bis ihr Vater von dem Könige den Befehl erhielt, nach Granada zu kommen.«

»Armer Ramiro!« sagte Don Fernand lächelnd; »eines Tages fandet Ihr das Haus in Malaga verschlossen wie jenes in Granada?«

»Nein, diesmal nicht; sie war so freundlich, mich die Stunde ihrer Abreise, wie die Straße wissen zu lassen, die sie wählten, so daß ich mich einschloß, ihr nicht zu folgen, sondern ihr vorauszueilen. Dies gewährte mir übrigens einen Vortheil. Wo sie anhielt, erinnerte sie etwas an mich, jedes Zimmer, das sie betrat, erzählte ihr von mir. Ich machte mich zu ihrem Boten, zu ihrem Liebesboten.«

»Ah!« sagte Don Fernand, ohne daß Don Ramiro, der ganz bei seiner Erzählung war, die Veränderung bemerkte, welche in dem Tone der Stimme seines Freundes vorgegangen war.

»Ja, man findet bekanntlich nichts in unseren erbärmlichen Wirthshäusern, ich bezahlte darum im voraus die Mahlzeiten für sie. Ich wußte, welchen Wohlgeruch sie vorzog; ich trage dies Räuchermittel in einem goldenen Gefäße am Halse und verbrenne davon in dem Zimmer, in welchem sie weilen soll. Ich kannte die Blumen, die sie besonders liebt, und sie ging von Malaga bis Granada wie auf Blumen.«

»Wie kann ein so galanter Cavalier wie Don Ramiro, der selbst so viel vermag, der Hilfe eines Freundes bedürfen?« fragte Don Fernand mit mehr und mehr veränderter Stimme.

»Ach, lieber Freund, der Zufall oder vielmehr die Vorsehung hat zwei Ereignisse mit einander verbunden, welche mich geraden Weges zum Glück führen müssen, wenn nicht ein unbekanntes Unglück erscheint.«

»Welche Ereignisse sind dies?« fragte Don Fernand, der mit der Hand über die Stirne strich, um den Schweiß abzuwischen.

»Der Vater derer, welche ich liebe, ist der Freund eures Vaters, und Ihr selbst seyd, lieber Fernand, als Rettungsengel heute angekommen.«

»Nun?«

»Eurer Vater hat sein Haus gastlich der geöffnet . . .«

»Also,« fragte Don Fernand, und aus Eifersucht knirschte er mit den Zähnen, »die, welche Ihr liebt . . .?«

»Errathet Ihr es noch nicht?«

»Ich errathe nichts,« antwortete Don Fernand finster; »man muß mir Alles sagen. Wie heißt eure Geliebte, Don Ramiro?«

»Brauche ich Euch die Sonne zu nennen, wenn Ihr ihre Wärme fühlt und von ihren Strahlen geblendet werdet? Blickt auf, Don Fernand, und ertragt, wenn Ihr es vermöge, den Glanz des Gestirns, das mein Herz verkohlt.«

Don Fernand blickte an dem Hause hinauf und sah, daß Dona Flor von dem Balcon sich herabneigte und lächelnd ihn anschaute; aber als warte sie nur aus den Augenblick, daß Fernand sie sah, zog sie sich rasch zurück und schloß das Fenster.

Ehe aber noch das Fenster sich geschlossen hatte, fiel vor ihm eine Blume herab.

Es war eine Anemone.

Viertes Capitel.
Die Anemone

Gleichzeitig eilten die beiden jungen Männer hinzu, um die Blume aufzuheben, welche Dona Flor absichtlich oder aus Zufall hatte fallen lassen.

Don Fernand, der zunächst stand, erlangte die Anemone; Ramiro aber streckte die Hand darnach aus und sagte:

»Ich danke, lieber Fernand; gebt her die Blume.«

»Warum sollte ich sie weggeben?« fragte Fernand.

»Weil sie für mich, glaube ich, heruntergefallen ist.«

»Wer sagt das?«

»Niemand; aber wer sagt das Gegentheil?«

»Jemand, der sich vielleicht auch nicht scheute, Euch es ins Gesicht zu sagen.«

»Wer?«

»Ich.«

Don Ramiro sah Fernand staunend an und bemerkte jetzt erst, daß der Freund todtenbleich geworden war und daß die Lippen desselben krampfhaft bebten.

»Ihr? warum Ihr?« fragte er, indem er einen Schritt zurücktrat.

»Weil – ich die liebe, die Ihr liebt.«

»Ihr liebt Dona Flor?« fragte Don Ramiro.

»Ich liebe sie,« wiederholte Don Fernand.

»Wo und wann habt Ihr sie gesehen?« fragte Don Ramiro, der nun auch erblaßte.

»Was liegt Euch daran?«

»Ich liebe sie seit zwei Jahren.«

»Ich liebe sie vielleicht erst seit zwei Tagen . . . wenn ich aber in diesen zwei Tagen weiter gekommen bin als Ihr in zwei Jahren?«

»Das beweiset mir, Don Fernand, oder ich sage es laut, daß Ihr aus Eitelkeit den Ruf eines Mädchens antastet.«

»Ihr sagtet, Ihr wäret ihr von Malaga bis Granada vorausgeeilt?«

»Das habe ich gesagt.«

»Waret Ihr in der Venta del Rey Moro?«

»Ja.«

»Habt Ihr da eine Mahlzeit für Don Inigo und dessen Tochter bestellt, Wohlgerüche verbrannt und einen Strauß zurückgelassen?«

»Ja.«

»War in dem Strauße eine Anemone?«

»Nein.«

»Diese Anemone hat sie mir gegeben.

»Selbst gegeben?«

»Gegeben – und ich trage sie auf dem Herzen hier, wo sie verwelkt ist, wie diese hier eben dort verwelken wird.«

»Ihr habt diese Anemone von dem Strauße genommen, ohne daß sie etwas davon wußte, oder sie aufgehoben, als sie dieselbe verloren hatte, gesteht es und ich will Euch vergeben.«

»Erstlich nehme ich nur von Gott und dem Könige Vergebung an,« antwortete der junge Mann stolz; »denn die Blume wurde mir gegeben.«

»Ihr lügt das, Don Fernando,« sagte Don Ramiro, »und habt diese zweite Blume gestohlen wie die erste.«

Fernando stöhnte vor Zorn, riß mit der rechten Hand den Degen aus der Scheide, warf mit der linken die verwelkte und die frische Blume Don Ramiro vor die Füße und sagte:

»Mögen die Blumen geschenkt oder gestohlen seyn, hier liegen sie und wer nach fünf Minuten noch lebt, mag sie aufheben.«

»So lasse ich es mir gefallen,« antwortete Don Ramiro, indem er einen Schritt zurücktrat und ebenfalls das Schwert zog. Dann wendete er sich an die Herren, welche auf dem Platze hin und her gingen und herbei kamen, als sie die Schwerter ziehen sahen.

»Ihr Herren, hierher!« rief er, »damit wir uns nicht ohne Zeugen schlagen, und wenn Don Fernand mich tödtet, man nicht auch sagt er habe mich ermordet, wie man ihn beschuldigte Don Alvar ermordet zu haben.«

»Sie mögen kommen,« entgegnete Don Fernand, »denn ich schwöre es bei Gott, was sie sehen werden, wird sehenswerth seyn.«

Die beiden jungen Männer, die fünf Schritt auseinander standen, senkten jeder das Schwert und warteten, daß sich ein Kreis um sie her bilde.

Als dies geschehen war, sagte eine Stimme:

»Beginnt!«

Das Wasser stürzt nicht so rasch dahin, wenn es einen Damm zerrissen hat, als die beiden jungen Männer auf einander eindrangen. In demselben Augenblicke hörte man einen Schrei hinter der Jalousie, aber dieser Schrei machte dem Kampfe nicht nur kein Ende, obwohl die beiden Gegner an dem Hause hinaufsahen, sondern schien sogar die Kampfeswuth zu steigern.

Don Fernand und Don Ramiro waren nicht nur zwei der tapfersten, sondern auch der gewandtesten Fechter. Gewiß hätte keiner von ihnen einen seiner würdigeren Gegner in ganz Andalusien gefunden, und ernsthaft für ihn konnte der Kampf nur werden, wenn er dem andern entgegenstand.

Auch war es wirklich, wie Don Fernand gesagt hatte, sehenswerth was die Umstehenden sahen.

Die beiden Degen hatten sich blitzschnell und so ungestüm gekreuzt, daß man hätte glauben können, das Eisen, um das die Funken sprühten, fühle dieselben Leidenschaften wie die Männer, die es handhabten. Was nur die Kunst, die Gewandtheit und die Kraft vermögen, wurde in den wenigen Minuten aufgeboten, welche der erste Gang währte, ohne daß einer der Gegner, die fest wie die Bäume standen, in deren Schatten sie kämpften, einen einzigen Schritt zurückwich; die Gefahr schien sogar verschwunden zu seyn, und die Umstehenden sahen dem Kampfe, wie hitzig er auch war, zu wie einem in der Fechtschule. Auch waren solche Kämpfe damals allerdings an der Tagesordnung und es vergingen wenige Tage, ohne daß sich ein gleiches Schauspiel darbot. Man brauchte nicht lange zu warten. Jeder der Kämpfenden wollte nur einmal frei aufathmen, und obgleich die Umstehenden riefen: »Nehmt Euch Zeit! nehmt Euch Zeit!« drangen doch die Gegner mit neuem Ungestüm auf einander ein. Kaum aber hatten sich die Degen zum zweiten Male gekreuzt, als man eine athemlose Stimme rufen hörte:

»Halt, Don Fernand! Haltet ein, Don Ramiro!«

Alle blickten dahin, woher die Stimme kam »Don Ruiz de Torillas!« sagten die Umstehenden und traten bei Seite.

Gleichzeitig schritt Don Ruiz mitten in den Kreis, dahin, wo sein Sohn stand.

Er kam, um die Kämpfenden zu trennen, nachdem ihn ohne Zweifel Dona Flor aufmerksam gemacht hatte.

»Halt!« wiederholte er mit gebieterischer Stimme.

»Mein Vater!« murmelte Don Fernand ungeduldig.

»Señor,« sagte Don Ramiro ehrerbietig.

»An Don Ramiro habe ich keine Befehle zu geben,« sagte der alte Mann, »zu Dir aber, Don Fernand, sage ich: Halt!«

»Haltet ein!« wiederholten alle Umstehenden.

»Wie, Du Unglückseliger!« rief Don Ruiz, indem er die Hände faltete, »kannst Du deine traurigen Leidenschaften noch immer nicht zügeln? Gestern erst wegen eines Duells begnadigt, begehst Du heute ein gleiches Verbrechen?«

»Vater, Vater,« murmelte Don Fernand, »lasset mich, ich beschwöre Euch!«

»Hier, auf der Straße, bei hellem Tage!« fiel Don Ruiz händeringend ein.

»Warum nicht? Hier auf der Straße, bei hellem Tag ist die Beleidigung geschehen.«

»Stecke den Degen ein, Fernand!«

»Ausgelegt! Don Ramiro!« sagte Fernand.

»So bist Du ungehorsam?«

»Meint Ihr, ich werde mir die Ehre nehmen lassen, die Ihr auf mich übertragen habt, wie euer Vater sie von seinen Ahnen empfangen hatte?«

»Ah,« rief Don Ruiz aus, »wollte Gott, Du hättest einen Funken von der Ehre bewahrt, die ich auf Dich übertragen! – Don Ramiro,« fuhr er dann fort, »da mein Sohn keine Ehrfurcht hat vor dem grauen Haar und den zitternden Händen, die ihn anflehen, obgleich das graue Haar dem Vater angehört, so hört Ihr mich und gebt vor allen Anwesenden das Beispiel, daß ein Fremder mehr Rücksicht nimmt, als es mein Sohn thut.«

»Ja, ja,« sagten die Zuschauer, »hört, Don Ramiro, und thut was der alte Herr sagt.«

Don Ramiro trat einen Schritt zurück, senkte sein Schwert und verbeugte sich.

»Ich danke für das gute Zutrauen,« sagte Don Ramiro. »Die Erde ist groß, das Gebirge einsam; ich werde meinen Gegner an einem andern Orte treffen.«

»Ah!« rief Don Fernand, »das heißt allerdings seine Feigheit geschickt verhüllen.«

Don Ramiro, welcher bereits sein Schwert in die Scheide gestoßen hatte und zwei Schritte zurück getreten war, riß sofort die Waffe wieder heraus und stellte sich dem Gegner wieder gegenüber.

»Ich feig?« rief er aus.

Die Umstehenden murrten und gaben offenbar Fernand Unrecht. Zwei der Aeltesten schienen sogar geneigt zu seyn, zwischen die beiden Gegner zu treten, aber Don Ruiz de Torillas winkte mit der Hand, daß sie fern bleiben möchten.

Sie gehorchten schweigend.

Man hörte von neuem die Degen aneinander klirren.

Don Ruiz trat einen Schritt näher zu seinem Sohne.

Don Fernand, dessen Auge Flammen sprühte, der blaß vor Zorn war und die Zähne zusammendrückte, griff seinen Gegner mit solchem Ungestüm an, daß ein Anderer an seiner Stelle, der seiner Hand minder sicher, verloren gewesen wäre.

»Unsinniger,« sagte der alte Herr, »siehst Du nicht, daß ein Fremder Ehrfurcht zeigt und mir gehorcht, während Du mir trotzest und ungehorsam bist?«

Er erhob dabei den Stock, den er in der Hand hatte, und rief mit einer Heftigkeit, daß die Jugendflamme in seinen Augen sprühte:

»Bei Gott, ich weiß nicht, was mich abhält, Dich öffentlich deine Pflicht zu lehren.«

Don Fernand drehte sich halb um, ohne seine Waffe von der des Gegners zu entfernen.

Er sah, daß sein Vater den Stock erhoben hatte und so blaß er gewesen war, so glühend roth wurde er nun, denn das Blut, das sich in seinem Herzen zusammengedrängt hatte, schoß mit Gewalt aus demselben hervor.

In den Zügen des Alten drückte sich fast Haß aus und in dem Fernands zeigte sich alsbald ein ähnlicher Ausdruck.

Man hätte erwarten können, der Unvorsichtige, der sich zwischen die Blitze der Augen der beiden Männer gewagt, werde von denselben niedergeschmettert werden.

»Hütet Euch, Vater,« sagte der junge Mann mit bebender Stimme und kopfschüttelnd.

»Den Degen in die Scheide!« wiederholte Don Ruiz.

»Zuerst senkt den Stock, Vater.«

»Zuerst gehorche, Unseliger, wenn ich Dir befehle zu gehorchen.«

»Vater,« flüsterte Fernand, der wiederum todtenbleich wurde, »droht mir nicht länger mit dem Stocke oder, so wahr Gott lebt! ich stehe für nichts.«

Gegen Don Ramiro setzte er hinzu:

»Entfernt Euch nicht; ich kann mich gleichzeitig gegen den Stock eines alten Mann's und den Degen eines Narren decken.«

»Ihr hört es,« fiel Don Ramiro ein, »Señor, was soll ich thun?«

»Handelt nach eurem Muthe und nach der Beleidigung, die Ihr empfangen zu haben glaubt, Señor Ramiro,« sagten die Umstehenden, die sich entfernten und es aufgaben, länger den Folgen des Zweikampfes sich zu widersetzen.

»Undankbarer, schlechter Mensch,« fiel Don Ruiz noch immer mit erhobenem Stocke ein, »lerne von deinem Gegner, wie ein Sohn gegen seinen Vater sich zu benehmen hat.«

»Nein,« entgegnete Don Fernand, »denn mein Gegner gibt aus Feigheit nach und die Feigheit rechne ich nicht zu den Tugenden . . «

»Wer denkt oder sagt, ich sey feig . . .«

»Der lügt, Don Ramiro,« fiel der Alte ein; »das habe ich zu sagen, nicht Ihr.«

»Wird es ein Ende werden?« rief Don Fernand mit einem Tone der Wuth, den er sonst den wilden Thieren entgegenschrie, wenn er dieselben bekämpfte.

»Zum letzten Male, Elender, wirst Du gehorchen, wirst Du den Degen einstecken?« fragte Don Ruiz drohender als je.

Jedermann errieth, daß, wenn Don Fernand nicht sofort gehorchte, der schändende Stockschlag augenblicklich auf ihn fallen mußte; aber gedankenschnell warf Don Fernand mit dem Rücken seiner linken Hand Don Ruiz bei Seite, während er nach einer gewandten Finte seinen Degen durch den Arm Don Ramiro’s stieß, welcher zu spät pariert hatte.

Don Ramiro blieb stehen, aber der alte Mann fiel, so heftig war der Schlag gewesen, der ihn getroffen – gerade in das Gesicht getroffen hatte.

Die Zuschauenden schrien auf vor Entsetzen: – der Sohn hatte seinen Vater ins Gesicht geschlagen.

»Platz! Platz!« schrie Don Fernand, indem er nach den beiden Blumen sich stürzte, sie aufhob und an seinem Busen barg.

»Daß der Himmel Dich zerschmettere, Ehrloser!« rief Don Ruiz, indem er sich wieder aufrichtete, »ja der Himmel, wenn es die Menschen nicht thun, denn die Sache eines gekränkten, gemißhandelten Vaters ist die Sache des Himmels!«

»Nieder mit ihm!« riefen die Anwesenden einstimmig. »Nieder mit dem Sohne, der seinen Vater geschlagen hat!«

Alle Schwerter flogen aus den Scheiden und richteten sich gegen Don Fernand.

Einen Augenblick hörte man zehn Klingen gegen eine einzelne klirren, dann brach der Salteador mit flammendem Auge durch, wie der schäumende Eber die ohnmächtige Meute bei Seite wirft.

Er schritt dicht an Don Ruiz vorbei, der noch nicht ganz ausgestanden war, warf dem alten Manne einen Blick zu, in dem mehr Haß als Reue lag und verschwand in einem der Gäßchen, die nach dem Zacatin führen.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
260 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают

Эксклюзив
4,4
252
Эксклюзив
4,2
305
Эксклюзив
3,9
494
Эксклюзив
4,2
622