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Adam Wutkowski

Arguh:Blendwerk

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1: Im Angesicht des Feindes

Kapitel 2: Die Jagd beginnt

Kapitel 3: Das Katz und Maus Spiel

Kapitel 4: Der Löwe und die Schlange

Kapitel 5: Der lange Marsch in den Norden

Kapitel 6: Wie weit bist du bereit für deine Prinzipien einzustehen?

Epilog

Impressum neobooks

Kapitel 1: Im Angesicht des Feindes


Arguh: Blendwerk

Untertitel:

Wo leben wir?

Für meine Frau und meine Kinder

Danke

Impressum

Arguh:Blendwerk

von Adam Wutkowski

Text Copyright: © Adam Wutkowski

Cover Copyright: © Adam Wutkowski

Alle Rechte,

einschließlich des Nachdrucks in jedweder Form,

sind vorbehalten.

Schönberg 2020

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Im Angesicht des Feindes

Kapitel 2: Die Jagd beginnt

Kapitel 3: Das Katz und Maus Spiel

Kapitel 4: Der Löwe und die Schlange

Kapitel 5: Der lange Marsch in den Norden

Kapitel 6: Wie weit bist du bereit für deine Prinzipien einzustehen?

Epilog

















«Wo willst du hin?»

«Weg. Einfach nur weg!», erwiderte Jamie verärgert und beschleunigte seinen Schritt.

«Nun warte doch! Was ist denn plötzlich in dich gefahren?», hakte Ian vom Bock des Gespanns nach, während er diesen neben seinen Sohn lenkte.

Seinen Zorn nicht mehr gewillt im Zaun zu halten, wandte sich Jamie schließlich seinem Vater zu und ließ seinen Gefühlen freien Lauf: «Du… du willst es einfach nicht sehen, oder? Du…»

«Was meinst du?», unterbrach Ian seinen Sohn sichtlich verwirrt.

«Ständig muss ich mir deine dummen Sprüche anhören: „Trage Verantwortung für deine Entscheidungen!“, „Steh deinen Mann!“, „Achte nicht darauf, was andere machen!“», äffte Jamie seinen Vater nach. «Und dann, wenn es drauf ankommt, da kneifst du deinen Schwanz ein. Das ist mal wieder so typisch!», fuhr Jamie fort. «Wieso hast du nicht auf den abgesprochenen Preis bestanden? Für einen Zentner Getreide waren 7 Silbermünzen veranschlagt. Und nun hat uns dieser Viehdieb gerade mal 5 Silbermünzen pro Zentner bezahlt. Sag! Wo war da dein: “Steh deinen Mann!“?»

«Ach, darum geht es also. Ich verstehe.», erwiderte Ian sichtlich enttäuscht über den Handel, den er vor wenigen Augenblicken abgeschlossen hatte. «Mein Sohn, hör mir zu! Du hast Recht. Auch ich habe mir das Geschäft anders vorgestellt. Und wie dir bestimmt aufgefallen ist, waren wir nicht die einzigen, die von dem Viehbaron und seinen Handlangern anders entlohnt wurden, als ursprünglich ausgehandelt. Doch sag! Was hätte ich, was hätten all die anderen Bauern machen sollen? Der nächste Händler, der unser Getreide abkaufen könnte, ist drei Tagesreisen von hier entfernt. Drei Tage hin und noch weitere drei Tage zurück. Hinzu kommt, dass weder ich noch irgendeiner von den anderen Männern sicher sein kann, ob wir dort einen besseren Preis bekommen hätten für unser Getreide.»

«Du hättest auf deinen Preis bestehen sollen!», antwortete Jamie mehr schreiend als sprechend.

«Und was dann? Riskieren, dass er unsere Ernte nicht kauft? Sag mir! Ist es das, was du im Sinn hast?», erwiderte Ian und blickte seinen Sohn herausfordernd an, während er den Wagen weiter den Weg entlang lenkte. «Jamie», nahm Ian schließlich den Faden wieder auf, «der Herbst steht vor der Tür, der Winter ist nicht mehr fern. Wir haben noch einige Vorräte zu besorgen. Schau, ich habe dich und deine Schwestern. Deine Mutter und ich, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir alle sicher über den Winter bekommen. Glaubst du, es war für mich oder einen der anderen Männer aus dem freien Grenzland, die alle eine Familie zu ernähren haben, eine einfache Entscheidung?»

«Ausreden, nichts als Ausreden. Du redest immerzu nur von Verantwortung und Prinzipien. Aber sag mir! Wo waren deine Prinzipien, als du und der Rest der Bande vor dem Viehbaron standet und euch wie Schafe benommen habt?», entgegnete Jamie.

«Von deinem Blickwinkel mag es so ausgesehen haben. Aber wisse eins. Menschen reden häufig von Prinzipien und Verantwortung. Und besonders dann, wenn sie nichts zu verlieren haben oder sie sich ihrer Sache sicher sind. Jemand der wirklich Prinzipien hat, der weiß genau, wann es wichtig ist für diese einzustehen. Auch wenn das bedeutet, dass er ein Leben lang mit den Konsequenzen seiner Entscheidung leben muss.»

«Ach…», winkte Jamie abfällig mit der Hand ab, ohne seinen Vater eines Blickes zu würdigen und setzte seinen Weg entlang der Straße fort.

Während die Mittagssonne langsam an Kraft verlor und eine frische Brise die wohltuende Wärme des Mittags hinfort wehte, erglühten die schneebedecken Kuppeln der Berge in der abendlichen Pracht. Doch für die Umgebung und die Pracht, die sie umgab, hatten weder Vater noch Sohn einen Blick übrig. Sichtlich bemüht, einander zu ignorieren, bemerkten die beiden recht spät, wie ein Reiter im schnellen Galopp auf sie zukam.

«Hoh.», brachte schließlich der Reiter sein Pferd nicht weit von Ians Gespann zum Stehen.

«Den Einen zum Gruße.», begrüßte Ian den Neuankömmling, den Blick auf das schnaubende und sichtlich erschöpfte Pferd gerichtet. «Was seid Ihr so in Eile, mein Herr?», hakte Ian halb neugierig, halb alarmierend nach, während sich Jamie von der Seite dem Reiter näherte.

«Die Chiks…», entsprang es dem Reiter bereitwillig aus den Mund, «sie haben wieder einige Höfe entlang des Grenzgebiets überfallen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen.»

«Das ist inzwischen der dritte Überfall innerhalb eines Monats!», stellte Jamie fest. «Wo genau haben sie dieses Mal zugeschlagen?», fragte er hastig nach.

«Im Westen etwa zwei Tagesritte von hier entfernt. In der Nähe des Gosch Tals.»; erwiderte der Reiter, ein junger Bursche Anfang Zwanzig, sichtlich erfreut darüber, dass seine Schilderung auf ein offenes Ohr traf.

Den Blick auf seinen Vater gerichtet, so als ob noch vor wenigen Minuten nicht ein Streit zwischen ihnen ausgebrochen war, sagte schließlich Jamie: «Ich habe es dir doch gesagt! Es wird zum Krieg kommen.»

Noch bevor Ian etwas erwidern konnte, wandte Jamie seine Aufmerksamkeit wieder dem Reiter zu und setzte seine Befragung fort. «Nun sag schon! Was genau ist vorgefallen?»

«Viel weiß man nicht. Nur das der Angriff genauso erbarmungslos und brutal stattgefunden hatte wie zuvor. Die Kunde von dem Angriff ist vor wenigen Augenblicken in Hallport angekommen. Neben ein paar Gehöften sollen auch die Besitztümer des Viehbarons überfallen wurden sein. In Hellerport sind die Gemüter inzwischen sehr aufgeheizt. Einige sprechen sogar offen über einen Krieg. Der Viehbaron selbst soll so über den feigen Angriff erzürnt gewesen sein, dass er gleich nach dem Bekanntwerden der Ereignisse, einen Brief an den Hofmarschall des Königs von Arkanien verfasst hatte, um die gemeinsamen Handelsinteressen von heute und morgen zu sichern.»

«Na. Das dieser Fettwanst an nichts anderes denken kann, als an seine Gold- und Silbermünzen, das ist ja wohl klar.», kommentierte Jamie die Aussage des Reiters. «Unabhängig davon. Nach diesem Vorfall wollen die Menschen Taten sehen. Jene, die einen diplomatischen Weg aus der Krise suchen wollen, werden es nun schwer haben, sich noch einmal durchzusetzen.», stellte Ian fest.

«Auf dem Marktplatz von Hellerport habe ich vernommen, wie einige laut stark darüber sprachen, das Grenzgebiet unter den Schutz der arkanischen Krone zu stellen. Ich sage euch, überall im Lande brodelt es gewaltig und die Menschen sind nicht mehr gewillt, ruhig da zu sitzen und auf den Tod zu warten.», beendete der Reiter seine Schilderung, während sein Pferd immer noch unruhig auf der Stelle trabte.

«Und wo soll dich dein Weg jetzt hinführen?», fragte Ian den Reiter.

«Ich bin auf dem Weg nach Golport und Staport, um die jeweiligen Vertreter in den Gemeinden zu informieren. Außerdem soll ich den Anwesenden die Botschaft überbringen, dass heute Abend eine Versammlung in der großen Halle des Friedens stattfindet. Jeder freie Nordmann ist in Begleitung eines seiner erwachsenen Kinder dazu aufgerufen, sich in der Halle einzufinden. Gerüchten zufolge soll der Viehbaron die Versammlung dazu nutzen, eine Abstimmung zu erreichen, die eine Annäherung an das Arkanische Königreich erlaubt.»

Wie vom Pfeil getroffen, hielt Ian für einen Moment den Atem ein. Doch noch bevor er oder sein Sohn etwas erwidern konnte, besinnt sich der Reiter wieder auf seine eigentliche Aufgabe. Von einem Moment auf den anderen wendete dieser sein Pferd gen Norden. Langsam an den beiden Männern vorbeireitend, richtete dieser noch einmal das Wort an die beiden: «Verzeiht meine Herren, aber die Pflicht ruft. Doch zum Schluß möchte ich euch bitten all jenen, die ihr kennt, von der Versammlung in der großen Halle zu erzählen. Denn nun ist die Zeit gekommen, das Schicksal des freien Grenzlandes in die Hände zu nehmen.», sagte dieser und gab seinem Pferd die Sporen.

«Was hältst du davon?», richtete Jamie schließlich das Wort an seinen Vater.

«Ich versuche gerade nichts davon zu halten.», antwortete Ian trocken, sichtlich bemüht sich seine Sorgen nicht anmerken zu lassen.

«Verstehe!», erwiderte Jamie mit einem abfälligen Unterton in seiner Stimme und wendete sich so gleich von seinem Vater, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ab.

«Was habt ihr solange gebraucht?», begrüßte Lena ihren Bruder und ihren Vater von einer kleinen Anhöhe aus, unweit von ihrem Hof.

«Komm her, du neugieriger Zwerg.», begrüßte Jamie seine Schwester und breitete freudestrahlend seine Arme zur Begrüßung aus.

Von einem Augenblick auf den anderen rannte Lena die kleine Anhöhe herunter und sprang im nächsten Moment in die Arme ihres Bruders.

«Oh!», stöhnte Jamie auf, sichtlich bemüht, nicht in die Knie gehen zu müssen.

Während Jamie die Ereignisse der letzten Stunden Wort für Wort seiner wissbegierigen Schwester schilderte, genoß Ian den Anblick der beiden im Licht der untergehenden Sonne. Sogleich entspannte er sich ein wenig und die innere Zufriedenheit, die ihn jedes Mal überkam, sobald er einen Fuß auf sein Land stellte, ließ ihn für einen Augenblick alles Besorgniserregende vergessen. Langsam das Gespann in Richtung der Scheune lenkend, erhaschte Ian einen Blick auf seine älteste Tochter Ilinaer, die auf einer Anhöhe mit ihrem Jagdbogen in der Hand stand.

«Ihr habt euch wieder in die Haare bekommen!», lenkte die Stimme von Freya Ians Blick von seiner Tochter ab.

«Ach.», brummte Ian vor sich hin und verkneifte sich jeden Kommentar. Schließlich, als er den Blick seiner Frau immer noch auf sich spürte, drehte er sich zu ihr um, setzte zum Sprechen an, wendete sich jedoch im nächsten Augenblick wieder ab und richtete seine Aufmerksamkeit ganz dem Geschirr der Pferde zu.

«Darf ich wenigstens erfahren, was dieses mal der Grund für euren Disput war?», hakte Freya nach, während sie einmal um das Gespann herumging, um einen Blick auf Ians Gesicht zu erhaschen.

«Der Viehbaron hat uns weniger für unser Getreide bezahlt als abgemacht. Jamie hat in einem Anflug von Gerechtigkeit und Fairness darauf bestanden, dass wir uns dem Viehbaron entgegen stellen und auf die Einhaltung des Vertrages pochen. Aber als ich und die anderen Männer nach einem Disput mit dem alten Viehdieb, schließlich den geringen Preis akzeptierten, da ist Jamie der Kragen geplatzt. Feiglinge, Bauerntrampel, Schafe hatte er uns beschimpft. Und na ja, und jetzt redet er nicht mehr mit mir.»

«Warst du nicht genauso, als du jung warst!», stellte Freya lächelnd fest, während sich ihr Blick mit dem ihres Mannes kreuzte.

Plötzlich konnte sich Ian ein Lächeln nicht mehr verkneifen: «Wieso musste er grade diese elende Eigenschaft von mir erben!»

«Tja, jeder bekommt das, was er verdient! Aber sag. Was gibt es Neues aus der Stadt zu berichten.», lenkte Freya das Gespräch in eine neue Bahn.

Von einem Moment auf den anderen verschwand die Freude aus Ians Gesicht. «Die Chiks haben erneut einige Gehöfe im Westen überfallen. Das ist inzwischen der dritte Überfall innerhalb der letzten drei Wochen. Ich habe gehört, dass die Menschen im Westen und im Gosch Tal nicht mehr gewillt sind, den Vergehen der Chiks tatenlos entgegen zu blicken. Einem Meldereiter zufolge hat sich die Stimmung inzwischen soweit aufgeheizt, dass der Ruf nach den Waffen gar nicht mehr aus den Köpfen einiger wegzudenken sei. In manchen Gegenden sprechen sich einige dafür aus, sich unter den Schutz der arkanischen Krone zu stellen.», berichtete Ian.

«Och herrje. Das sind aber wirklich keine guten Neuigkeiten!», stellte Freya besorgt fest, ihren Blick auf den Boden gesenkt.

«Nein, das sind sie wirklich nicht.», nahm Ian den Gesprächsfaden wieder auf. «Aufgrund der neuen Ereignisse wurde für heute Abend eine Versammlung in der großen Halle des Friedens einberufen, um zu entscheiden wie mit den Chiks weiter verfahren werden soll.»

«Hast du vor, an der Versammlung teilzunehmen?», hakte Freya nach, ihren Blick fest auf Ian gerichtet.

«Ach.», stöhnte Ian auf, während er das Geschirr vom Kopf des Pferdes nahm. «Eigentlich möchte ich nicht zur Versammlung gehen. Wenn ich schon an die Hitzköpfe und Kriegstreiber denke, die sich heute dort versammeln werden, dann bekomme ich schon Kopfschmerzen. Außerdem habe ich noch so einiges vorzubereiten, bevor Jamie und ich morgen zu unserem Jagdausflug aufbrechen. Ich fürchte aber, wenn ich heute nicht mit ihm zu der Versammlung reite, dann werde ich für immer seinen Respekt verlieren.»

«Er ist halt ganz sein Vater.», erwiderte Freya lächelnd.

«Ja, ja. Spar dir deine Worte Weib.», winkte Ian ab, wendete sich ab und machte sich auf den Weg zur Scheune.

Als der Abend sich unaufhaltsam mit immer größeren Schritten nährte, waren die Vorbereitungen für den morgigen Jagdausflug soweit erledigt. Den freien Moment nutzend, setzte sich Ian schließlich auf einen Baumstumpf, wenige Schritte von dem kleinen Holzhaus entfernt, hin und ließ seinen Blick über die Schönheit der Hügel und Täler schweifen. In das Panorama vertieft, bemerkte Ian die Neuankömmlinge erst, als er die Stimme seines Sohnes wahrnahm.

«Den Einen zum Gruße.», begrüßte Jamie, umgeben von seinen beiden Schwestern, die Neuankömmlinge.

«Na. Habt ihr schon alles für den morgigen Tag gepackt?», begrüßte Melcom seinerseits Jamie mit einem Lächeln auf den Lippen.

«Wir haben genug eingepackt, um jeder Gefahr in der Wildnis zu trotzen.»

«Das hört sich gut an. Doch sagt mir ihr drei! Wo ist euer Vater?»

«Na, wo könnte er bloß sein.», erwiderte Lena in ihrer kindlichen Art, die Augen verdrehend. «Er hockt wie immer auf seinem Baumstumpf und starrt in die Ferne.»

«Ach. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können.», entgegnete Melcom in gespielter Manier. Anschließend richtete er das Wort an seinen Erstgeborenen: «Halte dich bereit. Wir brechen gleich wieder auf.»

Anschließend wandte er seinen Blick von den jungen Leuten ab, überließ diese sich selbst und machte sich auf den Weg zu Ian.

«Auf unsere alten Tage werden wir noch sentimental, was?», begrüßte Melcom Ian und nahm neben seinem Freund auf dem alten Baumstumpf Platz.

«Das kannst du wohl laut sagen.», erwiderte Ian, ohne den Blick von der Ferne zu nehmen.

«Und? Was hältst du von der ganzen Sache mit den Chiks?»

«Ehrlich gesagt, versuche ich von der ganzen Sache nichts zu halten. Innerlich hoffe ich immer noch, dass das alles ein böser Traum ist, aus dem ich gleich aufwache.»

«Wenn du willst, können wir den Jagdausflug immer noch verschieben. Ich denke, deiner Frau würde das entgegenkommen!»

«Danke, Melcom. Aber nein. Wie besprochen, werden wir morgen mit dem ersten Sonnenstrahl aufbrechen. Ich brauche das Wild und die Felle, um sicher über den Winter zu kommen.»

«Verstehe.», erwiderte Melcom, seinen Blick auf das Panorama gerichtet.

Als schließlich ein Augenblick der Stille verklungen war, richtete Melcom das Wort an Ian. «Ich habe Martok aufgetragen, jeden Tag einmal hier vorbeizureiten und nach dem Rechten zu sehen.»

«Du meinst wohl nach Ilianer!», stellte Ian fest, zum ersten Mal seinen Blick von der Landschaft abwendend, um Melcom direkt ins Gesicht zu blicken.

«Willst du immer noch die Jagdgründe hinter der grünen Aue aufsuchen?», fuhr Melcom fort, ohne auf das eben Gesagte weiter einzugehen.

«Viele Alternativen stehen uns nicht zur Verfügung. Außerdem sind die Jagdgründe hinter der grünen Aue deutlich einfacher zu erreichen, als die neben der Steinebene von Arag.»

«Ja.», entgegnete Melcom knapp, an die Strapazen zurückdenkend, die sie vor Jahren einmal und dann nie wieder auf sich genommen hatten. «Komm! Wir müssen uns langsam auf den Weg machen! Die Versammlung fängt sonst ohne uns an.»

Der Weg nach Hellerport war zu jener Abendstunde ungewöhnlich gut besucht. Viele Nordmänner ritten Seite an Seite mit ihren Söhnen und Töchtern der Hauptstadt des freien Grenzlandes entgegen. Es schien so, als ob kein einziger Nordmann gewillt war, diesen entscheidenden Moment in der Geschichte ihres Landes verpassen zu wollen. Und so wunderte es auch weder Ian noch einen anderen aus ihrer Schar, als sie schließlich in der große Halle des Friedens eintrafen und diese von den Stimmen der zahlreich erschienen Männern und Frauen vorfanden.

Beim Anblick der vielen Menschen in der Halle musste Jamie vor Ehrfurcht für einen Moment inne halten. Viel Zeit, um den Anblick in sich aufzunehmen, blieb Jamie jedoch nicht. Denn schon im nächsten Moment schwankte die große Eichentür wieder auf, um den nächsten Strom von Neuankömmling den Weg in das Innere frei zugeben. Und so blieb Jamie nichts anderes übrig, als sich in das Gedränge einzureihen und seinem Vater durch das Gewühl aus Leibern zu folgen.

Während Ian sich langsam aber sicher seinen Weg durch das Menschenmeer bahnte, musste er mit Besorgnis wahrnehmen, wie aufgeheizt die Stimmung unter den Anwesenden war. Doch viel mehr Angst bereitete Ian der Enthusiasmus und die Begeisterung, mit denen sich die jungen Nordmänner nach einem möglichen bewaffneten Konflikt sehnten.

«Ian! Ian! Hier drüben!», bahnte sich plötzlich eine Stimme ihren Weg durch das Gemurmel der Umstehenden und riß Ian aus seinen Gedanken. Nach einem Moment des Umherblickens fand Ian schließlich die Quelle der Worte. Ohne lange zu zögern, bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge und erreichte schließlich Melek und seine Tochter, die in den oberen Rängen Platz genommen hatten. Nach einer freundlichen Umarmung gefolgt von ein paar höflichen Begrüßungsfloskeln, ließ Ian von seiner erhöhten Position aus einen Blick über die versammelte Menge schweifen.

«Grüß dich, Melek. Wie geht es dir und deiner Sippe?», begrüßte Melcom Melek und verwickelte seinen alten Freund in ein kurzes Gespräch.

«Ich habe noch nie so eine aufgeheizte Stimmung in diesen Hallen erlebt.», stellte Melcom fest, seinen Blick auf die Umstehenden gerichtet.

«Ja.», pflichtete Melek ihm bei. «Die Anspannung steht den Älteren von uns ins Gesicht geschrieben. Bei den Jungen sieht es ganz anders aus. Die sehnen sich nach großen Schlachten und Abenteuern.»

«Es bleibt nur zu hoffen, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt und nicht der jugendliche Leichtsinn.», schaltete sich plötzlich Ian ein und blickte dabei besorgt auf seinen Sohn herunter.

«Danke für dein Vertrauen!», erwiderte Jamie, sich des Blickes seines Vaters bewusst.

Während der nächsten Minuten trafen immer mehr Männer ein und irgendwann schien die Halle aus allen Nähten zu platzen. Und dann von einem Moment auf den anderen, trat der eine Augenblick ein, auf den alle gewartet hatten. Mit einem donnernden Gong wurde schließlich die Versammlung eröffnet. Im gleichen Moment verstummte das Gemurmel der Versammelten und eine gespenstische Stille legte sich über die Halle.

Einen Augenblick später drängten sich die Männer und Frauen im Zentrum der Halle an die Seite und dann trat der Hauptmann des freien Grenzlandes, in Begleitung von zwei seinen engsten Beratern, in die Mitte der Versammlungshalle.

«Söhne und Töchter des freien Grenzlandes.», richtete sogleich der Hauptmann das Wort an die Umherstehenden. «Schon immer hat uns eine Sache geeint. Auf der Suche nach einer neuen Heimat für uns und unsere Angehörigen sind wir in dieses Land gekommen. Der eine mag in dieses Land gekommen sein, um den Krieg in seinem Heimatland zu entfliehen. Der andere vielleicht um den Hunger hinter sich zu lassen, der ihn in seiner Vergangenheit so oft heimgesucht hatte. Ein anderen vielleicht, weil er für sich und seine Angehörigen ein besseres Leben erträumt hatte. Doch unabhängig von den Motiven, dem Wunsch in Frieden und Freiheit an diesem Ort, den wir unsere Heimat nennen, zu leben und zu sterben, haben wir alle gemeinsam.»

Nach seinen letzten Worten erhebte sich ein zustimmendes Gemurmel und endete erst, als der Hauptmann seine Hände in die Höhe hebte, um diesem ein Ende zu bereiten.

«Diese Werte werde nun von außen bedroht!», nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. «50 Jahre lang haben wir uns dieses Land im Norden mit den Chiks geteilt. Wir lebten auf den Ebenen entlang der Gebirgskämme und mieden die Täler, die Berge und die Wälder entlang des Horngebirges. Stillschweigend, ohne dass irgendjemand, irgendwann einen Vertrag zwischen uns und den Chiks unterschrieben hatte, wurde diese Tatsache von beiden Seiten respektiert.

Doch nun scheint dieser unsichtbare Frieden zwischen unseren beiden Völkern ein jähes Ende zu nehmen. Aus uns noch unbekannten Gründen sind die Chiks erneut über unsere Ländereien hergefallen und haben gebrandschatzt, gemordet und einige in die endlosen Weiten der Berge verschleppt. Diesem Treiben dürfen wir nicht mehr tatenlos gegenüber stehen. Wenn die Chiks Krieg haben wollen, dann werden wir ihnen diesen auch geben.», stellte der Hauptmann fest und erntete dafür Beifall und Zustimmung von den Anwesenden.

Während der Beifall noch durch die Halle raunte, nutzten einige der Anwesenden die Möglichkeit, ihre aufgestaute Wut und Angst freien Lauf zu lassen. «Nieder mit diesen Wilden.», «Tod den Chiks!», «Wir lassen uns nicht von unserem Land vertreiben.» schaltete sich ebenfalls der Viehbaron in die Zwischenrufe ein und befeuerte damit noch weiter die Menge.

«Ruhe!», griff schließlich der Hauptmann ein und brachte somit die Versammelten zum Schweigen. Als endlich genug Ruhe in die Versammlung eingekehrt war, richtete dieser erneut das Wort an die Menge: «Am heutigen Tage haben wir uns hier versammelt, um uns ein genaueres Bild von der Lage zu machen. Wir, und das möchte ich hier noch einmal betonen, haben uns hier nicht versammelt, um den Boden mit Halbwahrheiten zu nähren oder um die Interessen von einigen zu schützen.», sagte dieser und konnte sich einen Blick in Richtung des Viehbarons nicht verkneifen.

«Es ist nun an der Zeit jenen Gehör zu verschaffen, die die Gräuel der Chiks selbst miterlebt hatten.», fuhr schließlich der Hauptmann fort, wendete sich von den Versammelten ab und richtete seinen Blick auf zwei Gardisten, die jeweils rechts und links vor einer kleinen Tür postiert waren. Auf ein kaum wahrnehmbares Nicken seitens des Hauptmanns öffnete einer der Gardisten die Tür und machte somit den Weg frei für einen in die Jahre gekommenen Mann und eine Frau. Sichtlich überwältigt von der Größe der Halle und der auf sie gerichteten Blicke, setzten die beiden nur zögernd einen Fuß vor den anderen. Als sie jedoch schließlich die Mitte der Halle erreicht hatten, wurden sie von einem freundlich dreinblickenden Hauptmann empfangen.

«Trotz all dem Unglück, das euch in den letzten Tagen widerfahren ist, habt ihr auf meine Bitte hin euch dazu bereit erklärt, uns von eurem Unglück zu berichten. Wir alle wissen das zu schätzen. Doch nun spricht! Sagt, was ihr erlebt habt. Lasst nichts aus!», forderte der Hauptmann die beiden Neuankömmlinge auf und trat einen Schritt zur Seite.

«Sie kamen nachts.», begann der Mann in einer leicht zittrigen Stimme zu sprechen. «Das Donnern ihrer Pferdehufen war schon von weitem zu hören. Ohne irgendeine Vorwarnung zündeten sie unsere Häuser an, töteten das Vieh und jeden, der sich ihnen in den Weg stellte. Schnell war die Nacht von den Schreien der Verwundeten und jener, die um ihre Angehörigen trauerten erfüllt. Doch als ob das nicht genug wäre, trieben die Chiks die Überlebenden wie Vieh zusammen. Zogen die Alten und Schwachen aus der Menge heraus und erschlugen sie vor den Augen der Anwesenden. Allen anderen banden sie ein Seil um den Hals und führten sie ab in die Nacht, aus der sie noch vor wenigen Augenblicken gekommen waren. 17 Jahre lang haben ich und meine Familie auf dem Grund und Boden gelebt. Und nun ist alles dahin. Ich will ihnen nichts vormachen. Ich war nie ein Freund von den Chiks. Ich wusste schon immer, dass man ihnen nicht trauen kann. Es sind Wilde, die keinen Anstand besitzen. Sie haben vor den Augen meiner Frau und mir unserem ältesten Sohn ein Schwert in die Brust gestoßen, als dieser versuchte seine Schwester in Sicherheit zu bringen. Meine Tochter nahmen sie anschließend mit sich. Bis auf das, was wir am Leib trugen, ist uns nichts geblieben. Von unserem kleinen Dorf ist nur ein Haufen Asche geblieben. Uns allein haben sie verschont. Haben uns einfach stehen gelassen. Nicht aus Mitleid. Nicht, weil sie des Mordens überdrüssig waren. Nein. Sie haben uns verschont, damit wir allen erzählen, was uns wiederfahren ist.», beendete der Mann seine Erzählung, seine leise vor sich hin weinende Frau im Arm haltend.

«Danke! Vielen Dank für die Schilderung der Ereignisse. Wir trauern mit euch und bedauern euren Verlust. Doch sagt uns! Habt ihr während des Angriffs irgendetwas beobachten können, dass uns helfen könnte zu verstehen, was die Chiks antrieb? Haben die Chiks versucht, euch etwas mitzuteilen? Haben sie irgendwelche Drohungen ausgesprochen oder die Gefangenen beschuldigt, schuld an irgendeinem Unheil zu sein?», fuhr der Hauptmann fort.

«Nein. Nichts!», flüsterte der Bauer nachdenklich, seine Frau immer noch fest umklammert. «Den Chiks ging es nicht ums Reden. Mit ihrem Überfall haben sie uns eine klare Botschaft geschickt. Sie sind auf Krieg aus.», berichtete dieser und zog im nächsten Augenblick wie zum Beweis einen Pfeil aus seinem Umhang hervor und warf diesen auf den Boden. Sofort fielen alle Blicke auf den Pfeil, auf seine Spitze und die Federn. Augenblicklich wurde jedem Anwesenden klar, dass es sich hier um einen Pfeil der Chiks handelte. Als schließlich das Gemurmel der Anwesenden immer stärker wurde, erhob der Hauptmann erneut seine Hände und brachte die Anwesenden zum Schweigen.

«Danke!», lenkte der Hauptmann die Aufmerksamkeit auf sich, während er im nächsten Augenblick als Zeichen des Mitgefühls seine Hand auf die Schulter des Mannes legte. Doch dann wandte er sich energisch von den beiden ab und richtete seinen Blick herausfordernd den Versammelten zu. Noch während er seinen Blick langsam über die Menge schweifen ließ, wurde der alte Mann und seine Frau von einem der Gardisten aus der Halle geführt.

«Im Laufe des späten Nachmittags sind noch weitere Überlebende aus anderen Dörfern eingetroffen. Alle berichten dasselbe. Ein bewaffneter Trupp von Chik-Kriegern, wildes Geschrei, Tod und Verderben. In vielen Fällen wurden Kinder und alte Menschen bei den Angriffen getötet, während die jungen Männer und Frauen verschleppt wurden. Bis vor kurzem hatten wir noch keinen Anhaltspunkt, welches Ziel die Chiks mit ihren Angriffen verfolgen…», fasste der Hauptmann die Ereignisse zusammen und hielt für einen Moment inne. «…doch nun scheint Bewegung in die Sache gekommen zu sein. Wie ihr wisst, haben wir nach den letzten Übergriffen mehrere Trupps zusammengestellt, die entlang der Täler patrouillieren sollten. Nun konnte keiner dieser Trupps den Angriff verhindern, aber es ist einem dieser Trupps gelungen, einen Spähtrupp von Chik Kriegern zu stellen. Nach einem heftigen Kampf und einer wilden Verfolgungsjagd ist es den Chiks gelungen zu entkommen. Doch ihren Anführer konnten unsere Männer gefangen nehmen und hierher bringen.»

Nachdem die Bekanntgabe über die Gefangennahme eines Chiks die Runde gemacht hatte, brach das Gemurmel unter den Männern erneut auf. Und wieder musste der Hauptmann seine Hände in die Höhe heben, um sich Gehör zu verschaffen.

Als schließlich Ruhe unter den Versammelten herrschte, gab der Hauptmann mit einem leichten Wink seiner Hand einen seiner Gardisten ein Zeichen. Daraufhin öffnete sich die gleiche Tür wie zuvor und zwei bewaffnete Männer mit einem in kettengelegten jungen Mann traten in die Halle ein. Ausgehend von der Kleidung, die aus gegerbten Leder und Fellstücken, versetzt mit Knochenteilen von irgendwelchen Tieren, bestand, wurde jedem in der Halle sofort bewusst, dass es sich hierbei um den Chik-Gefangen handeln musste. Als dieser schließlich von seinen beiden Begleitern in die Mitte der Halle geschleppt und von ihrem festen Handgriff befreit wurde, sank dieser mit gesenktem Haupt völlig entkräftet auf seine Knie.

Beim Anblick des Gefangenen überkam die Anwesenden das Verlangen ihrer aufgestauten Wut Luft zu machen. Von einem Augenblick auf den anderen prallte eine Wucht von Beschimpfungen und Anschuldigungen auf den jungen Gefangenen herunter. Innerhalb von wenigen Minuten war die Luft in der großen Halle so aufgeheizt, dass der Hauptmann die Versammelten zur Ruhe und Ordnung ermahnen musste. «Ruhe!», erhob sich donnernd die Stimme des Hauptmanns über die Halle und bahnte sich ihren Weg durch den Lärm der Männer bis hin zum äußersten Winkel der Versammlungshalle. Obwohl die Atmosphäre in dem Raum förmlich zu explodieren drohte, reichte dieses eine Wort des Hauptmanns aus, um innerhalb von wenigen Augenblicken die Halle in Schweigen zu hüllen.

138,32 ₽
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0+
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322 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783752920819
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